Eine treue Gesellin mir zur Seite - Claudia Haase - E-Book

Eine treue Gesellin mir zur Seite E-Book

Claudia Haase

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Beschreibung

Prinzessin Agatha steht mit ihrem kulturellen Interesse und Intellekt am Hofe allein da. In ihren Gesellschafterinnen und Hofdamen findet sie keine passablen Gesprächspartnerinnen. Umso mehr erregen die kluge Ernestine und deren unkonventioneller Lebensstil ihre Neugierde - und sie findet die Person, mit der sie all ihre Passionen zu teilen vermag. Die junge Gräfin Ernestine hält nicht viel vom adeligen Treiben bei Hofe. So verdrängt sie auch den Gedanken daran, dass sie einst einem Kronprinzen zur Frau versprochen wurde. Mit Prinzessin Agatha könnte sie sich allerdings ein gemeinsames Leben vorstellen. Doch kaum haben sie sich angenähert, besteht die königliche Familie auf eine baldige Hochzeitszeremonie mit Agathas Bruder. Geneigte Leser:innen, taucht ein in die Liebesgeschichte zweier adeliger Frauen, die im Übergang vom 17. auf das 18. Jahrhundert auf Schloss Bergfels und Burg Sturmstein lebten!

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel Eins

Kapitel Zwei

Kapitel Drei

Kapitel Vier

Kapitel Fünf

Kapitel Sechs

Kapitel Sieben

Kapitel Acht

Kapitel Neun

Kapitel Zehn

Kapitel Elf

Kapitel Zwölf

Kapitel Dreizehn

Kapitel Vierzehn

Epilog

Danksagung

Kapitel Eins

Schloss Bergfels im Jahre 1712

Agatha

Meine Augenlider sind schwer und es dauert, bis ich blinzelnd die Umgebung wahrnehme. Die Morgensonne leuchtet durchs Fenster herein und verkündet den Anbruch eines neuen Tages. Wie dankbar ich bin, ihn erleben zu dürfen! Auch wenn ich nicht weiß, ob ich bis zum Abend durchhalten werde. Nur der innige Wunsch, mich von meiner geliebten Ernestine zu verabschieden, hat mir bisher die Kraft gegeben, mich nicht in die Obhut von Charon, dem Fährmann des Todes, zu geben.

Ich bin die aufrechte Haltung leid und versuche mich hinzulegen, doch sofort ist Yolande, meine Kammerzofe, zur Stelle.

»Euer Hoheit, Ihr sollt Euch doch schonen! Wartet, ich komme zur Hilfe.« Yolande wirbelt um das Bett herum und stopft unzählige Kissen in meinen Rücken, sodass ich etwas bequemer sitze.

»Ihr wisst doch, dass im Liegen zu viel Blut in den Kopf strömt. Das ist ungesund und vermag sogar zum Tode zu führen«, sagt sie vorwurfsvoll.

Mein Blick ist getrübt und ich erahne die Gegenstände in meinem Zimmer eher, als dass ich sie noch erkenne. Eine Tatsache, die wohl nicht allein an dem spärlichen Tageslicht in meiner Kammer liegt. Yolandes rot glühende Wangen tauchen vor mir auf. Ihre Augenbrauen hat sie hochgezogen und die Sorge um mich steht ihr ins Gesicht geschrieben. Ich fröstle, obwohl es im Kamin wohlig knistert und knackt. Trotzdem hat es mich für eine Weile gedünkt, ich sei auf Burg Sturmstein bei Ernestine, wo es ständig durch alle Ritzen und Mauern zieht.

Aber nein, ich befinde mich in meinem Schlafgemach in Schloss Bergfels. Hier habe ich vor nicht ganz zweiundsechzig Jahren das Licht der Welt erblickt und werde ebendiese offenbar bald wieder verlassen.

Erinnerungen kriechen in mir hoch. Wie Ernestine mir nach dem Tanzen Luft zufächelt und mich mit all ihrer Liebe überschüttet. Ernestine, die schelmisch grinsend mir verrät, in einer Fuge der Burgmauern einen Liebesbrief an mich versteckt zu haben. Ferner gemeinsame Spaziergänge, Ausritte sowie intensive Gespräche über Musik, Literatur, unsere Pferde ... aber auch Gedanken an die traurigste Zeit in meinem Leben, als die junge Freundin mit ihrem Schicksal gehadert hat und ...

Ach, könnte ich die Zeit zurückdrehen! Wie gerne würde ich ein letztes Mal mit Stinchen, wie ich sie im Geheimen oder nur in trauter Zweisamkeit nenne, im Ballsaal übers Tanzparkett schweben, doch erneut holt mich die bleierne Müdigkeit ein.

Ernestine

Dieses langsame Geruckel ist nicht auszuhalten. Vor mehr als dreißig Jahren hätte ich den Fahrer lautstark rufend anhalten lassen. Ich wäre aus der Kutsche gesprungen und hätte einen Grund gefunden, damit mein Begleiter absitzt und sich ein paar Meter von uns entfernt. Schlimm genug, dass mein Bruder, Graf Cuno, mir einen Aufpasser aufgezwungen hat!

In Windeseile wäre ich mit gerafften Röcken in den Sattel gesprungen und im schnellen Galopp querfeldein in Richtung Schloss Bergfels geprescht.

Geraffte Röcke? Nein, ich hätte mir für die Reise eine praktische Rheingrafenhose von meinem Bruder stibitzt, die wesentlich praktischer zum Reiten ist. So hätte ich die Entfernung zum Schloss im Nu zurückgelegt. Und selbst wenn ich wegen der einsetzenden Dämmerung hätte pausieren müssen, wäre ich bei Bauern ins Heu geschlichen und vor Tagesanbruch weitergezogen.

Doch mein Rücken piesackt mich und die Knie machen mir immerzu Beschwerden. Laut der Königin Blanchefleur, meiner Schwester, komme das daher, dass ich von Kindheit an zu viel durch den Wald gelaufen oder aufs Pferd gesprungen sei. Dazu solle ich mich im Fleischgenuss mäßigen, und überhaupt dürfe ich nicht vergessen, dass ich mein Leben lang gesündigt habe.

Das waren noch Zeiten, als ich sorglos durch die Wälder gestreift bin! Mittlerweile benötige ich nächtens ein richtiges Bett zum Schlafen. Obgleich ich um einiges jünger bin als Agatha, ist es in meinem Alter auch undenkbar, ohne eine helfende Hand aus der Kutsche zu gelangen. Allem voran mit diesem bauschigen Reisekleid, das ich mir jüngst von meiner Schwester habe aufschwatzen lassen. Ideal für Fahrten durch das Land und angeblich in seiner Form und Farbe le dernier cri, der letzte Schrei.

O weh, mein Herz ist bekümmert, bin ich doch voller Sorge um meine Prinzessin, meine Angebetete, die mich den Großteil meines Lebens begleitet und mir in meinen schwersten Stunden zur Seite gestanden hat. Ich hoffe und bete, dass ich die liebwerteste Agatha noch lebend sehen werde.

Ein dummer Streit, eine Meinungsverschiedenheit, hat uns vor ein paar Wochen entzweit und ich bin voller Wut zu meinem Bruder Cuno auf Burg Sturmstein geflüchtet. Hätte ich doch stattdessen den repräsentativen Palais unserer Großeltern – Gott hab sie selig – aufgesucht! Von dort hätte ich Agatha wesentlich schneller erreicht. Eine Cousine zweiten Grades lebt dort inzwischen und sie hätte mich sicher aufgenommen. Wie sehr ich es jetzt bereue, eine so große Entfernung überwinden zu müssen!

Ich zwinge mich, an etwas anderes zu denken, sonst fange ich abermals an zu weinen. Denn keinesfalls will ich Agatha mit roten Augen entgegentreten. Für sie möchte ich so makellos schön sein wie am ersten Tag unserer Begegnung.

Kapitel Zwei

Dreißig Jahre zuvor, im Jahre 1682

Ernestine

»Nun schaut Ihr doch auch einmal, Ernestine!«

Meine Schwester Blanchefleur war in heller Aufregung. Den ganzen Tag lang hielt sie sich bei mir im Gästezimmer im Palais unserer Großeltern auf. Um die Fahrt zum Ball auf Schloss Bergfels möglichst kurz zu halten, verbrachten wir mit Mama und Papa ein paar Tage bei ihnen.

Blanchefleur wandte sich an Elsbeth, unsere mitgereiste Kammerzofe. »Sieht Sie diese Naht hier? Irgendetwas stimmt damit nicht. Überprüfe Sie diese Stelle!« Unleidlich schnalzte sie mit der Zunge. »Und meine Wangen sind puterrot! Auf dem Ball wird kein junger Mann mit mir tanzen wollen«, beklagte sie sich weiter, während sie sich vor dem großen Wandspiegel hin- und herdrehte.

Ununterbrochen zupfte sie an ihrer Abendrobe herum und brachte Elsbeth mit der Kleiderauswahl schier zur Verzweiflung. Ich wiederum konnte mich nur schwerlich auf den französischen Roman konzentrieren, den ich gerade übersetzte.

»In diesem Spiegel ist wirklich jede Falte zu sehen, ganz unvorteilhaft. Ich weiß nicht, was unsere Frau Großmutter daran so schön findet. Wenn ich mich darin betrachte, kommt jeder kleinste Makel zum Vorschein.«

Einst bei einem Fest des Erzbischofs von Sens geladen, dessen Saal mit mehr als fünfzig Spiegeln ausgekleidet war, schwärmten unsere Großeltern von diesen Spiegeln, deren Rahmen aus Gold, Silber oder Elfenbein bestanden. Sie hatten einige prachtvolle Stücke erworben, von denen eines mein Gästezimmer zierte.

Es wurde gemunkelt, der französische König sei vor Neid erblasst und plane einen ganzen Spiegelsaal für sein Schloss. Selbstredend musste dieser größer und schöner als jener des Erzbischofs ausfallen. Daher war er umso ungehaltener darüber, dass meine Großeltern ihm zuvorgekommen waren und einige der wertvollsten und qualitativ hochwertigsten Kristallspiegel aufgekauft hatten.

»Chère Maman, bitte sagt Ernestine, sie solle sich beeilen!«, rief meine Schwester aus voller Kehle. »Sonst verpassen wir wegen ihr noch den ersten Tanz auf dem Ball.«

Mama rauschte heran und ich zog unwillkürlich meine Schultern hoch im Angesicht des folgenden Donnerwetters.

»Ernestine! Incroyable, einfach unglaublich! Dieses Kind sitzt seelenruhig herum und tut so, als sei sie eine Gelehrte! Das schickt sich nicht für ein Mädchen deines Alters.«

Ein Schatten legte sich über das Papier. Mama war hinter mich getreten und als sie meine soeben verfassten Zeilen sah, stieß sie einen kurzen Schrei aus.

»Nicht nur, dass du dem Lesefieber verfallen bist, du greifst auch noch selbst zur Feder! Ich bin fassungslos. Ich werde den Grafen, deinen Vater, bitten, unseren Leibarzt zu konsultieren. Es muss schließlich eine Medizin geben, die dich auf den rechten Weg lenkt und dir ein deiner Herkunft angemessenes Benehmen beibringt.« Sie stellte sich vor mich und schirmte mit ihrer Gestalt das Tageslicht ab. »Und schau mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!« Unwillig sah ich zu ihr auf.

»Anstatt vor diesen Blättern zu sitzen und die Augen zu überanstrengen, überlege dir lieber, wie du dich kleidest! Alle adeligen Familien aus dem Umkreis werden zugegen sein und ich möchte, dass du unter den heiratsfähigen jungen Mädchen hervorstichst. Auch wenn du dem durchlauchtigsten Kronprinzen Baldrich versprochen bist, soll er doch sehen, wie sehr dich all die anderen hübschen Jünglinge begehren.«

»Aber, Mutter, ich bin schon längst kein kleines Mädchen mehr.« Dass sie diesen vermaledeiten Kronprinzen ansprechen musste, machte mich zusätzlich unleidlich. An ihn wollte ich nicht denken.

»Umso unverständlicher ist es mir, dass die Vermählung nicht längst vollzogen wurde. Du bist alt genug mit deinen siebzehn Lenzen.«

Als wäre dieses Gespräch nicht ausreichend unangenehm, schaltete sich nun meine Schwester ein. »Was meint Ihr, Ernestine, ob ich Euch als Ehrenjungfer auf dem Festzug bis zum Schloss begleiten darf?«

»Das wäre durchaus angemessen«, antworte Mama und gesellte sich zu meiner Schwester. »Ich bin der Meinung, euer werter Vater sollte auf eine baldige Hochzeit drängen, sonst überlegt das Königshaus es sich vielleicht anders.«

Ich musste mich arg zurückhalten, um nicht laut auszurufen: »Ja, bitte, dagegen hätte ich nichts einzuwenden!« Stattdessen nutzte ich den Moment, und schickte flugs die gute Elsbeth hinaus, um mir etwas frisches Wasser für die Gesichtsreinigung zu holen.

»Ich kann mich einfach nicht entscheiden«, jammerte Blanchefleur weiter und strich abwechselnd über den Stoff zweier Kleider, die sie auf meinem Bett ausgelegt hatte. Das Rascheln des feinen Seidengewebes machte mich fast wahnsinnig. Wenn sie so weitermachte, beschädigte sie schlimmstenfalls die feinen Stickereien.

»Blanchefleur, nimm du das zarte cremefarbene Ballkleid, das unterstreicht ganz vortrefflich deine Jungfräulichkeit.« Kaum hatte sie geendet, kam Mama zu mir an den Schreibtisch zurück und nahm meinen Kopf in ihre Hände. Sie beäugte mich kritisch und zupfte an den kurzen Haaren herum. »Ernestine, du benötigst Hilfe mit den Haarteilen. Eine zierliche Hochsteckfrisur sollte es werden. Eine Schande, dass du dich den langen Haaren verwehrst! Und der Graf unterstützt dich darin auch noch.«

»Mutter, Ihr wisst genauso gut wie ich, dass die meisten unserer Freundinnen und Bekannten wegen der schweren Perücken so gut wie keine eigenen Haare mehr auf dem Kopf haben. So ist es praktischer.«

Mama schnaufte. »Wenn du denn wenigstens die Haarteile trügest!«

Unsere Kammerzofe hüstelte.

»Madame?« Mit der Waschschüssel in den Händen stand sie in der Tür und schaute mich an. Sie zögerte noch, doch ich winkte sie entschieden herein. Es wäre zu schade, würde sie das teure Nass verschütten.

»Elsbeth, was um Himmels willen soll das Lavoir? Ich dulde nicht, dass meine Töchter mit Wasser in Berührung kommen, das den Kopf mit Dämpfen füllt. Wenn ich mir vorstelle, irgendwelche Keime könnten beim Waschen in ihre Hautporen dringen und sie krank machen – ih, pfui!«

»Mutter, lasst gut sein. Ich habe Elsbeth darum gebeten und werde nur ein ganz klein wenig mein Gesicht damit benetzen. Durch das Schreiben ist mir heiß geworden. Etwas Abkühlung, bevor ich den Puder auflege, wird mir guttun.«

Ich nickte Elsbeth aufmunternd zu und zeigte zur Kommode, wo sie die Schüssel abstellen sollte. Mama wich vor ihr zurück, als trüge sie eine giftige Substanz vor sich her.