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Florian Wagner ist seit fünf Jahren Frugalist: Sein Ziel ist, mit 40 Jahren finanziell unabhängig zu sein. Dafür legt er möglichst viel seines Einkommens zurück und investiert es langfristig. In seinem Buch erklärt er, wie er seine Lebensqualität durch bewussten Konsum steigert, wie er seine Ausgaben effektiv kontrolliert und was die wachsende Community der Frugalisten antreibt. Er verrät, wie man seine Sparquote erhöht, Finanzfehler vermeidet und wie man sein Geld geschickt anlegt. Auch wer nicht so viel sparen kann oder nicht schon mit 40 aus dem Job aussteigen will, profitiert von seinen Tipps. Für mehr Freiheit in einem durch und durch reicheren Leben!
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Das Buch
Geld spielt in unserem Leben oft eine große Rolle: Haben wir zu wenig davon, führt es zu Sorgen. Ist es ausreichend vorhanden, ermöglicht es Freiheiten. Deshalb ist Florian Wagner seit fünf Jahren Frugalist. Sein Ziel: mit 40 Jahren finanziell unabhängig zu sein. Dafür legt er möglichst viel seines Einkommens zurück und investiert es langfristig – mit Erfolg! Im Buch erzählt er von seinem Weg zum frugalistischen Leben. Außerdem stellt er Menschen vor, die nicht mehr auf ein Arbeitseinkommen angewiesen sind. Er erzählt, wie sie das geschafft haben, was sie antreibt und wie jeder sein Leben unabhängiger gestalten kann.
Wie wir unsere Lebensqualität durch bewussten Konsum steigern, wie wir unsere Ausgaben effektiv kontrollieren und was die wachsende Community der Frugalisten antreibt – das erklärt Florian Wagner in »Rente mit 40«. Und er verrät, wie wir unsere Sparquote erhöhen, Finanzfehler vermeiden und Geld geschickt investieren können. Auch wer nicht so viel zur Seite legen kann oder nicht schon mit 40 aus dem Job aussteigen will, profitiert von seinen Tipps. Sparen auch Sie sich glücklich!
Der Autor
Florian Wagner, 1987 in Süddeutschland geboren, ist Wirtschaftsingenieur und Privatanleger. Während er mehrere Jahre als Projektleiter in der Automobilindustrie arbeitete, entdeckte er das Konzept des Frugalismus und die Möglichkeit, schon sehr früh in Rente zu gehen: Er hinterfragte unnötige Ausgaben, investierte seine Überschüsse und hatte nach vier Jahren bereits einen Puffer von 140.000 Euro – ohne Einschränkungen, sondern mit gestiegener Lebensqualität. Er kündigte seinen sicheren und gut bezahlten Job und machte sich als Finanzcoach und Autor selbstständig. Seit 2017 informiert Florian Wagner auf seinem Finanzblog www.geldschnurrbart.de über finanzielle Unabhängigkeit.
Florian Wagner
RENTE MIT 40
Finanzielle Freiheit und Glück durch Frugalismus
Econ
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ISBN 978-3-8437-2125-7
© der deutschsprachigen Ausgabe
Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019
Redaktion: Michael Schickerling, schickerling.cc, München
Umschlaggestaltung: Brian Barth
E-Book: LVD GmbH, Berlin
Alle Rechte vorbehalten.
»Wie sähe unser Leben aus, wenn wir nicht mehr für Geld arbeiten müssten? Wie würden wir unsere Zeit verbringen, was würden wir anders machen? Schnell sind wir in Gewohnheiten und Alltagstrott gefangen und vergessen leicht das Wichtigste: Wie sieht unser erfülltes und glückliches Leben aus? Geld spielt hierbei oft eine wichtige Rolle: Gibt es einen Mangel, führt es zu Sorgen, ist es ausreichend vorhanden, ermöglicht es Freiheiten. Das Konzept des Frugalismus ist für mich die perfekte Kombination aus mehr Bewusstsein, geschicktem Umgang mit Geld und mehr Lebensqualität.«
Vorwort
Wir leben in einer der reichsten Gesellschaften, die jemals in der Menschheitsgeschichte existiert hat. Unsere Häuser haben Regenduschen, intelligente Fußbodenheizungen und Einbauküchen mit Induktionsherd. Wir können per Handy ein unbegrenztes Warenangebot zu uns nach Hause liefern lassen, machen Wochenendausflüge in klimatisierten Autos, fliegen mehrmals im Jahr in tausende Kilometer entfernte Länder.
Doch obwohl unser Wohlstand immer weiterwächst, werden wir nicht glücklicher. Studien zeigen, dass wir unser Leben heute nicht als erfüllter wahrnehmen als in den 1950er und 1960er Jahren, obwohl unsere Wohnungen seitdem größer, unsere Autos komfortabler und unsere Urlaubsziele exotischer geworden sind. Wir scheinen den Punkt überschritten zu haben, an dem all die modernen Annehmlichkeiten noch mehr zu einem erfüllten und glücklichen Leben beitragen können.
Trotzdem wenden wir ungeheuer viel unserer kostbaren Zeit und Lebensenergie für diesen Lebensstandard auf. Tag für Tag gehen wir in unseren Jobs arbeiten, um das notwendige Geld zu verdienen. Der Alltag ist stressig, für Freunde und Hobbys fehlt uns oft die Zeit. Für eigene Projekte sind wir nach Feierabend zu erschöpft. Und die überwältigende Mehrheit findet nicht einmal Erfüllung in ihren Jobs, was Umfragen wie die jährlich veröffentlichte Gallup-Studie immer wieder bestätigen. Unser Leben dreht sich also zu einem großen Teil darum, in einem einigermaßen erträglichen Job Geld zu verdienen, das wir für Konsumgüter und Dienstleistungen wieder ausgeben, von denen viele für unser Lebensglück vollkommen egal sind.
Oft sind wir uns dieser Verschwendung unserer Lebensenergie nicht einmal bewusst. Mit jeder Gehaltserhöhung steigen wie von Geisterhand auch unsere Ausgaben. Wir ziehen in größere Wohnungen, schließen Verträge und Abos ab, bauen uns einen wachsenden Apparat aus Fixkosten auf. Wir belohnen uns immer öfter mit immer teureren Genüssen für den harten Arbeitsalltag, geben Geld auf Autopilot aus, aus Bequemlichkeit oder Langeweile – ohne dass wir merklich zufriedener werden. Aber hat unser Leben nicht mehr zu bieten? Schließlich leben wir nur einmal. Was wäre, wenn wir mehr aus unserer verfügbaren Lebenszeit machen könnten? Wenn wir mehr Zeit und Muße für unsere Familie, Sport, Abenteuer, Weltverbesserung, für unsere eigenen Ideen und Träume hätten?
Warum nutzen wir unser mühsam verdientes Geld nicht, mehr von dem zu bekommen, was uns wirklich glücklich macht? Auch ich dachte früher, für ein erfülltes Leben müsse man viel Geld ausgeben, die richtigen Produkte und Dienstleistungen kaufen: schöne Kleidung, die passende Automarke, eine perfekt eingerichtete Wohnung, tolle Hotels, Besuche in guten Restaurants.
Als ich Frugalismus für mich entdeckte, begriff ich, dass ich damit falsch lag. Denn die wahren Zutaten für ein gutes Leben kosten kaum Geld oder sind überhaupt nicht käuflich: gute Freundschaften und Gespräche, eine erfüllende Tätigkeit, Herausforderungen, Gesundheit, Sport, Zeit in der freien Natur, genügend Schlaf, Lachen, Dankbarkeit, lebenslanges Lernen.
Frugalismus heißt, mehr Zeit und Energie auf genau diese Aspekte zu lenken, die mein Leben erfüllter und spannender machen. Es bedeutet, dass ich mein Geld bewusster, effizienter und cleverer ausgebe, sodass ich mehr Zeit und Freiheit für genau diese Dinge übrig habe. Ich optimiere mein Leben auf maximale Lebensfreude statt auf mehr materiellen Wohlstand.
Menschen wie Florian, die diesen Weg eingeschlagen haben, berichten fast immer, dass sie ganz automatisch viel weniger Geld ausgeben und gleichzeitig zufriedener mit ihrem Leben sind. So verwundert es nicht, dass viele Frugalisten genug Geld sparen, um bereits Jahrzehnte vor dem gesetzlichen Rentenalter finanziell ausgesorgt zu haben. Dann können sie arbeiten, so viel oder wenig sie möchten, ohne weiter zum Geldverdienen gezwungen zu sein.
Jeden Tag hinterfragen mehr Menschen den Teufelskreis aus Arbeit und Konsum und suchen nach alternativen Lebensmodellen. Meist bildet sich eine Gegenbewegung dort zuerst, wo eine Fehlentwicklung am deutlichsten hervortritt. So sind ausgerechnet in den USA – der wohl größten Konsumgesellschaft der Erde – in den letzten Jahrzehnten Bewegungen wie Minimalismus, Voluntary Simplicity, FIRE und Frugalismus entstanden.
Aber auch in Deutschland und Europa trifft Frugalismus den Nerv der Zeit. Heute diskutieren bereits Tausende Frugalisten in Blogs und Online-Communitys, was ein erfülltes Leben ausmacht, wie man Geld sparen und gleichzeitig glücklicher leben kann und wie man das Ersparte am sinnvollsten anlegt und vermehrt. Tageszeitungen und Fernsehen berichten über Frugalisten, es gibt Meet-ups und Konferenzen zum Thema. Events wie die europäische Financial Independence Week, auf der ich Florian vor zwei Jahren zum ersten Mal traf, finden von Jahr zu Jahr mehr Zulauf.
Frugalismus begeistert, weil es der ultimative Life-Hack ist. Und weil es für jeden etwas ist, egal, in welcher Lebenssituation wir uns gerade befinden. Frugalismus hat das Potenzial, das Leben von uns allen zu verbessern und uns ein Stück freier und zufriedener zu machen.
Oliver Noelting (www.frugalisten.de)
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Alternativen zum Hamsterrad bis 67
Es geht um mehr Lebensqualität
Um 6.00 Uhr klingelt der Wecker. Wir drehen uns um und schlummern bis 6.30 Uhr. Zweiter Versuch. Die Sonne scheint durchs Fenster, und wir möchten eigentlich eine Fahrradtour unternehmen. Es ist jedoch Dienstag – wir müssen ins Büro. Das Handy wird gecheckt und etwas Ablenkung in den sozialen Medien gesucht, bevor wir uns aufraffen, mit einem Gefühl der Fremdbestimmtheit den Tag anzugehen. Nach dem Anziehen und einem Blick auf die Uhr fällt das Frühstück in Ruhe wieder flach. Die erste Besprechung ist um 8.00 Uhr, gestern war schon Stau. Beim Bäcker rasch eine Butterbrezel und Coffee to go gekauft, dann geht es in den morgendlichen Berufsverkehr. Gehetzt auf der Arbeit um 8.10 Uhr, die Besprechung wurde zwischenzeitlich abgesagt. Bereits genervt vom Anfahrtsstau erst mal eine rauchen. Auf der Arbeit von 8.00 bis 17.00 Uhr oder länger, während wir in den Pausen und beim Blick aus dem Fenster vom Wochenende träumen. Wir stellen Lieferanten, Chefs und Kollegen zufrieden, die E-Mails werden trotzdem nicht weniger. Einspruch gegen unrealistische Deadlines einzulegen, haben wir aufgegeben. Das zusätzliche Arbeitspensum wird geschultert, denn einen sicheren Job gibt es ja nicht ohne Einschränkung. Vielleicht klappt es bald mit der Gehaltserhöhung, dann ist eine größere Wohnung drin oder ein neues Auto. Mehrere Kaffeepausen mit Diskussionen, warum die Abläufe früher viel besser waren. Stellenstreichungen machen die Runde. Bangen, dass nichts schiefgeht, sonst sieht es mit der Tilgung des Eigenheimkredits schwierig aus. Um 17.00 Uhr oder später die letzte Geduldsprobe im Berufsverkehr zurück. Die Fahrt dauerte länger und die Kinder schlafen schon. Ausgelaugt versuchen, die Laune hochzuhalten und Interesse am Tag des Partners zeigen. Zum Kochen viel zu müde, ordern wir wie so oft beim Lieferdienst: Pizza, um die Stimmung zu heben. Nach dem Abendessen abwesend vor dem Fernseher sitzen und sich noch eine Stunde berieseln lassen. Morgen ist wieder tolles Wetter angesagt, wir sollten ins Schwimmbad oder wandern gehen. Schnell aber wieder verinnerlichen, dass morgen Mittwoch ist, und die To-dos für den nächsten Tag gedanklich durchgehen. Versuchen, Ruhe zu finden, bald ist Freitag. So würde es nun bis zur Rente weitergehen. Sieht so ein zufriedenes Leben aus? Hat sich die Anstrengung in Ausbildung und Job gelohnt, oder leben wir fremdbestimmt vor uns her?
Vielleicht erkennt sich der eine oder andere in Teilen in diesem fiktiven Alltag wieder. Nach meinem Ingenieursstudium begann ich meinen ersten Job in der Automobilindustrie. Es machte Spaß, ich lernte viel, und mein Gehalt stieg an. Mit jeder Gehaltserhöhung wuchsen automatisch die Ausgaben, die Lebensfreude jedoch nicht merklich. Geld interessierte mich schon immer, aber ich wusste nicht warum. Mit drei Geschwistern wuchs ich in einem kleinen Dorf in Süddeutschland auf. Das Taschengeld, das nach dem Kauf von Fußballsammelbildern übrigblieb, legte ich beiseite. Mit Zeitungen austragen, dem Erstellen von Internetseiten oder als Helfer im Landschaftsbau hatte ich schon immer diverse Nebenjobs. Damals kannte ich kein Excel, meinen Vermögensstand protokollierte ich trotzdem händisch jeden Monat als Diagramm. Meine ersten Aktien kaufte ich mit 15. Hierbei machte ich alle Anfängerfehler, da ich keine Ahnung von der Sache hatte. Später wollte ich einmal viel Geld haben, um mir all das kaufen zu können, das würde mich ultimativ glücklich machen. Dachte ich.
Bis ich auf einen jungen Mann aus Kanada stieß, der meine Sicht auf Geld, Ausgaben und ein selbstbestimmtes Leben für immer verändern sollte.
Peter: Ausbruch aus dem Hamsterrad mit 31
Peter Adeney,1 44, ist Kanadier und lebt heute in den USA. Er studierte Informatik, arbeitete in verschiedenen Unternehmen und gab nur Geld für das aus, was ihm langfristige Lebensfreude brachte. Die monatlichen Überschüsse von 70 Prozent des Gehalts investierten seine Frau und er nach einfachen Regeln breit gestreut am Aktienmarkt – ohne sich mit den Börsenkursen und einzelnen Unternehmen zu beschäftigen, Monat für Monat. Als er 31 Jahre alt war, bekamen die beiden einen Sohn. Die Erträge aus ihrem Vermögen deckten die Lebenshaltungskosten, sie waren finanziell unabhängig von einem Arbeitseinkommen und hatten ausgesorgt. Dies erreichten sie ohne Lotteriegewinn, Erbschaft oder Einschränkung an Lebensqualität. Sie kündigten ihre Jobs, verbringen viel Zeit als Familie, gehen eigenen Projekten und gelegentlichen Jobs aus Freude nach. Das Einkommen war optional geworden. Da ihr Lebensweg nicht dem der breiten Masse entspricht, erzählt Peter von seiner Lebensweise und dem passiven Investieren auf seinem Blog als Mr. Money Mustache.
Heute entscheiden sie frei vom Zwang, Geld verdienen zu müssen, wie sie ihren Alltag verbringen und welche Projekte sie wann und mit wem angehen. Sie genießen es, viel Zeit mit ihrem Sohn zu verbringen und einen positiven Einfluss auf ihr Umfeld zu haben. Peter verdiente zwar überdurchschnittlich, dennoch sind viele Menschen, sogar mit deutlich höherem Einkommen, viel länger an ihren Job gebunden. Wie ist das möglich? Peters Antwort: »Wer sich auf das Glück selbst konzentriert, kann ein viel zufriedeneres Leben führen als diejenigen, die sich auf Bequemlichkeit und Luxus konzentrieren und der finanziell ungebildeten und Werbung konsumierenden Mittelschicht der meisten reicheren westlichen Länder folgen.«2
Meilensteine von Peters Vermögensaufbau3
Jahr 0: 1997, Peter ist 22 Jahre alt und hat seinen Abschluss als Informatiker in der Tasche. Er nimmt seine erste Festanstellung an und zieht hierfür in eine 300 Kilometer entfernte Stadt. Einstiegsgehalt: umgerechnet 36 000 Euro pro Jahr. Durch Nebenjobs und 9000 Euro Unterstützung der Eltern hat er keine Studienschulden, aber auch kein Vermögen. Er besitzt kein Auto, nur ein Fahrrad, einen Rucksack und seinen Abschluss. Sein Vermögen: 0 Euro.
Jahr 1: Peter kauft einen Sportwagen für 14 000 Euro, wofür er sogar noch einen Kredit bei der Schwester aufnimmt – niemand startet perfekt. Gleichzeitig verschleudert er das erste Geld mit vielen Restaurant- und Barbesuchen, kauft Autozubehör und macht einen Trip nach Mexiko. Er arbeitet fleißig und viel. Sein Arbeitseinsatz sowie ein boomender Tech-Markt führen zu einer Gehaltserhöhung auf 50 000 Euro. Sein Vermögen am Jahresende: 4500 Euroin Form betrieblicher Altersvorsorge des Arbeitgebers.
Jahr 2: Peter wohnt während der ersten Jahre mit Kollegen in WGs, wo er rund 300 Euro monatlich Miete zahlt. Nachdem der Sportwagen abbezahlt ist und dank einer weiteren Gehaltserhöhung wächst sein Vermögen am Jahresende auf 20 000 Euro.
Jahr 3:Mit 25 wechselt er zum ersten Mal den Job und zieht in die USA – dadurch erhöht sich sein Gehalt auf 68 000 Euro. Weiterhin wohnt er in einer WG für mittlerweile 350 Euro. Er kauft sein erstes Haus und zieht dort ein. Seine Anzahlung: 42 000 Euro. Sein Vermögen: 60 000 Euro aus der Anzahlung für das Haus sowie Bargeld und betriebliche Altersvorsorge.
Jahr 4: Seine Freundin schließt ihr Studium ab und zieht für den ersten Job zu ihm. Ihr Jahresgehalt beträgt 40 000 Euro. Peter wird abgeworben und wechselt den Job mit einer Gehaltserhöhung auf 74 000 Euro. Trips nach Neuseeland, innerhalb der USA und nach Hawaii. Früh in Rente zu gehen, ist noch kein Gedanke. Vermögen: 130 000 Euro.
Jahr 5: Beide arbeiten viel und gut, daher gibt es eine Gehaltserhöhung auf 90 000 Euro für ihn, auf 50 000 Euro für sie. Am Feierabend renoviert er das Haus, sie schmeißen Partys zu Hause und genießen ihr Leben. Vermögen nach dem fünften Jahr: 220 000 Euro.
Jahr 6: Geringe Gehaltserhöhung bei der Freundin und keine überflüssigen Ausgaben stehen am Ende des sechsten Jahrs. Er verkauft ein Auto, vermissen wird er es nie. Durch Kursgewinne am Aktienmarkt steigt das Vermögen auf 325 000 Euro.
Jahr 7:Es gibt zwar keine Gehaltserhöhungen, jedoch steigen die Kurse der Aktien um etwa 25 000 Euro. Das Ausgabenniveau der beiden bleibt moderat bei rund einem Drittel ihres Einkommens. Gesamtvermögen: 440 000 Euro.
Jahr 8:Peter feiert seinen30. Geburtstag, seine Hochzeit und eine Gehaltserhöhung bei seiner Frau auf 60 000 Euro. Er testet die Teilzeitarbeit und reduziert auf vier Tage die Woche als ersten Schritt in eine frühe Rente. Vermögen: 530 000 Euro.
Jahr 9:Peter kündigt seinen Job im Großraumbüro und macht, worauf er mehr Lust hat: Er gründet eine kleine Handwerksfirma, die ihm etwa 45 000 Euro im ersten Jahr einbringt. Seine Frau arbeitet, bis im Lauf des Jahrs ihr Sohn geboren wird. Zusätzlich ziehen sie in einen neuen Stadtteil und erwerben ein günstigeres Haus, während sie das bisherige sehr gut vermieten, sodass die Mieteinnahmen von 2000 Euro Zins und Tilgung beider Häuser mehr als decken. Sie benennen ihren Status nun beide als offiziell »in Rente«, da auch seine Frau ihren Job kündigt, um für den Sohn da zu sein. Durch Renovierungen und steigende Immobilienpreise klettert ihr Vermögen auf 640 000 Euro.
Jahr 10:Ab diesem Zeitpunkt arbeiten beide nur noch gelegentlich. Peter führt Renovierungen für Freunde und Bekannte durch, seine Frau arbeitet als Maklerin für Kunden, die ihr sympathisch sind. Beide genießen es, ihr Leben frei von dem Zwang, Zeit gegen Geld tauschen zu müssen, zu verbringen und das zu tun, was sie glücklich macht. Ihr passives Einkommen aus Miete und den ausgeschütteten Aktiengewinnen in Form von Dividenden übersteigt ihre genügsamen monatlichen Ausgaben von 1500 bis 2000 Euro. Die niedrigen laufenden Kosten bezeichnet er neben den Investmentgewinnen als den größten Hebel ihres Vermögensaufbaus, die Erträge des »Nichtkaufens«.
Sparen ist keine Einschränkung
Das Gehalt von Peter gilt auch in den USA als überdurchschnittlich – eine Sparquote von monatlich 70 Prozent ebenfalls. Wie konnten sie so viel sparen und dabei ein glückliches Leben ohne Einschränkung leben?
Statt auf mehr Bequemlichkeit und Luxus konzentrierte Peter sich auf mehr körperliche Anstrengung und Kreativität. Er wurde immer effizienter hinsichtlich seiner Ausgaben. Was bringt wie viel Lebensqualität? Er fährt mit dem Rad zur Arbeit, zum Einkaufen, in die Kita. Konsumschulden sind nicht notwendig. Seine Frau und er zogen in die Nähe der Arbeit, um keine Pendelkosten und -zeit zu verlieren. Wann immer er kann, entscheidet er sich für körperliche Aktivität statt für bequeme Motoren. Anstatt eines Fitnessstudios hat er eine Hantelbank im Garten. Essen bereiten sie meist selbst zu. Statt Fernreisen unternehmen sie heute mehr Ausflüge mit dem Rad in der Umgebung. Sie genießen die Zeit zu dritt, spielen an Flüssen, helfen bei Freiwilligenprojekten. Das erfüllt ihn nun deutlich mehr als die Arbeit im Großraumbüro.
Was machte er mit dem überschüssigen Geld? Er ließ es nicht auf dem Sparbuch, sondern investierte es in Immobilien und Aktien. Geht es an den Börsen auf und ab, lässt ihn das kalt. Er hat nicht vor, seine Aktien jemals zu verkaufen, sondern lebt von den Ausschüttungen. Der bewusste Umgang mit Geld und Konsum ermöglichte ihm ein selbstbestimmtes und finanziell unabhängiges Leben mit Anfang 30. Das Wichtige auf dem Weg zur finanziellen Freiheit war kein Spezialwissen über Anlageprodukte, sondern seine Einstellung zum Geld und das Hinterfragen seiner Gewohnheiten. Er erreicht heute ein für ihn und seine Familie glückliches Leben viel effizienter, mit einem viel geringeren Einsatz von Geld.
Warum wir montags schon auf Freitag warten
Viele erkennen sich vielleicht in einem Teil des anfangs beschriebenen Tagesablaufs im Hamsterrad wieder. Vicki Robin4 beschreibt, dass »Making a living«, wie Geldverdienen in den USA heißt, oft mehr als ein Aufopfern unseres Lebens für Geld erscheint. Erfolgssymbole wie das eigene Büro oder ein Geschäftswagen werden zu erstrebenswerten Zielen. Selbst wenn wir es am Ende sogar schaffen, uns all die Annehmlichkeiten und den Luxus, den wir uns immer erträumt haben, zu erarbeiten, fällt uns auf, dass wir vielleicht einen zu großen Preis dafür bezahlt haben. Waren wir glücklich in all den Jahren? Unsere Trägheit und alten Denkmuster halten uns in unserem 9-bis-17-Uhr-Trott gefangen. Vorstellungen vor der Ausbildung, einmal durch unsere Jobs Erfüllung zu finden, sind dem Alltagsstress gewichen. Unter der Woche warten wir sehnsüchtig auf Hobbys, Urlaub und eine Pause von unproduktiven Besprechungen.
Manch einer hat einen Job gefunden, der ihm Freude bereitet. Niemand, dessen monatliche Kapitalerträge ausreichen, um auf kein Arbeitseinkommen mehr angewiesen zu sein, ist gezwungen, seinen Job aufzugeben – er bekommt lediglich die Option, dies zu tun. Der Zwang, den Job allein des Geldes wegen auszuüben, fällt weg. Laut der seit 2001 jährlich durchgeführten Arbeitnehmerbefragung im Rahmen der Gallup-Studie5 wurde festgestellt, dass 14 Prozent der Beschäftigten in Deutschland, also 5 Millionen Menschen, bereits innerlich gekündigt haben und keine echte Verpflichtung ihrer Arbeit gegenüber verspüren. 71 Prozent machen lediglich Dienst nach Vorschrift. Die Realität zeigt eine hohe Unzufriedenheit vieler Deutscher in ihrem Job.
Wenn Geld auf der hohen Kante dazu beiträgt, den Schritt zu wagen, den Job zu wechseln, sich in einer Auszeit neu zu orientieren oder seinen Job motiviert in Teilzeit auszuüben, kann dies zu einem deutlich zufriedeneren und produktiveren Leben führen. Wer bereits einen Job gefunden hat, der ihn zufriedenstellt, kann ihn weiter ausüben, ohne sich um Geld zu sorgen.
Was uns im Hamsterrad gefangen hält
Wenn wir unglücklicher im Job sind, sollten wir immerhin mehr Geld haben, richtig? Leider nein. Obwohl die Deutschen mit einer Sparquote von knapp 10 Prozent leicht über dem US-Durchschnitt von 5 Prozent liegen, ist das nicht genug, um auch im Alter finanziell sorgenfrei leben zu können.6 Nach einer Hochrechnung galten 2018 knapp 7 Millionen Privatpersonen über 18 Jahren in Deutschland als überschuldet: Sie können die Summe fälliger Zahlungsverpflichtungen auch in absehbarer Zeit nicht begleichen und zur Deckung des Lebensunterhalts stehen weder Vermögen noch Kredite zur Verfügung.7
Die Höhe unserer Schulden und der Mangel an Ersparnissen machen einen oftmals ungeliebten Job im Hamsterrad bis 67 zur Regel. Zwischen unseren Kreditraten für das Eigenheim, der Autofinanzierung, hohen monatlichen Fixkosten eines aufgeblähten Lebensstandards und Raten für Verbraucherkredite können wir es uns nicht leisten, unseren Job zu kündigen. Wir kaufen Dinge, die wir nicht brauchen, um Leute zu beeindrucken, die wir nicht kennen. Nun müssen wir weiter arbeiten gehen, um diese Dinge abzuzahlen oder zu unterhalten. Wir kaufen ein Haus mit vier schönen Extrazimmern, die wir aber nie nutzen. Und dann müssen wir in einem Job ausharren, in dem wir unzufrieden sind, und mit dem Gehalt dieses Haus abbezahlen mit Zimmern, die wir nie betreten.8 Viele opfern sich unter der Woche für Schmerzensgeld, um das Leben am Wochenende nachzuholen.
Würde die Masse an Konsum nur unser Privatleben verschlechtern, wäre das schlimm genug. Nicht zu verachten sind aber auch die Konsequenzen unseres steigenden Konsums für unsere Erde. Das Global Footprint Network gibt hierfür einmal pro Jahr den Overshot Day9 bekannt – den Tag, an dem wir all die Ressourcen verbraucht haben, die unser Planet in einem Jahr wieder erneuern kann, ohne Schulden zu machen. 1987 fiel dieser Tag auf den 19. Dezember, 10 Jahre später auf den 12. November und 2018 war es bereits der 1. August. In Deutschland haben wir schon am 1. Mai so viele Ressourcen verbraucht, wie sie innerhalb eines ganzen Jahres erneuert werden können. Wenn wir privat Schulden machen, verlieren wir vielleicht unser Auto, unser Haus oder die Möglichkeit, uns überhaupt Geld zu leihen. Aber solange wir am Leben sind, können wir unsere Taschen wieder füllen. Mit der Umwelt geht das nicht, wir haben nur diese eine Erde.
Was wirklich zählt: Glück und ein erfülltes Leben
Wir verkaufen unsere Zeit für Geld. Es spielt dabei keine Rolle, wie hoch unser Stundenlohn ist. Die einzige Ressource, die wir im Leben haben, ist unsere Zeit – und die ist endlich. Geld können wir verdienen, mehr Lebenszeit nicht. Zeit steht uns zur Verfügung, um all das zu erleben, was für uns das Leben lebenswert macht – seien es die Liebe für die Familie, Freundschaften, Freizeit und Genuss, Herausforderungen, Erlebnisse oder Erfahrungen oder unser Beitrag zur Gesellschaft.
Unsere endliche Ressource verkaufen wir regelmäßig für Geld, das nur symbolischen Charakter hat, aber eigentlich nicht von Bedeutung ist. Ich finde daher die Betrachtungsweise von Geld als eine Art »Lebensenergie« sehr zutreffend.10 Wenn wir wissen, dass Geld etwas ist, für das wir unsere Lebensenergie einsetzen, können wir bewusst neue Prioritäten setzen, wie wir diese endliche Energie bestmöglich verwenden wollen.
Diese Betrachtungsweise brachte mich dazu, mir folgende Frage zu stellen: Wie viel Zeit bin ich bereit für Geld zu verkaufen? Möchte ich eine Tätigkeit ausführen, die mir wenig Freude bereitet, aber gutes Geld einbringt? Wir können uns das für alle Dinge fragen, die wir im Lauf der Zeit angeschafft haben. Wie viele Stunden Lebensenergie haben wir eingesetzt, um den neuen Schrank, das Auto, den Massagesessel oder ein Haus zu kaufen? Im Kern geht es dabei gar nicht um absolute Summen von Geld oder um die Anzahl an Gegenständen. Es geht darum, unsere Beziehung zu Geld und Konsum zu hinterfragen und zu prüfen, ob sie uns zur Erschaffung unseres bestmöglichen Lebens dienlich ist.
Vielleicht realisiert der junge Familienvater, dass er mehr Zeit mit den Arbeitskollegen verbringt als mit der Tochter oder Freunden. Vielleicht möchte er eigentlich mehr Zeit mit seiner Tochter verbringen, öfter in seiner Band mitspielen oder mehr Sport treiben, ist aber abends immer zu erschöpft. Ein bewusster Umgang mit Zeit, Geld und Konsum ermöglicht ihm mehr Wahlmöglichkeiten und Freiheit.
Über Geld spricht man nicht
Leider ist das Thema Geld und Vermögen in Deutschland immer noch ein Tabuthema. Unser Umfeld hält es für eine absolut vernünftige Idee, die neue Küche auf Kredit zu kaufen, eine Sparquote von 5 bis 10 Prozent im Monat ist bewundernswert, und Ratenzahlung für den neuen Flachbildfernseher geht ebenfalls in Ordnung, wenn das Geld gerade knapp ist. Mit einer derartigen Lebenseinstellung wird eine vernünftige finanzielle Situation immer außer Reichweite bleiben. Aber selbst dann, wenn finanzielles Wissen vorhanden ist, gibt es eine große Hürde zu überwinden: Verhaltensweisen so zum Besseren zu verändern, dass sie dauerhaft bestehen bleiben.
Von Geldanlage wollen wir nichts wissen, Aktien sind Teufelszeug und das Eigenheim ist die beste Altersvorsorge. Das ist auch der Grund, warum das Sparbuch, auf dem das Geld durch die Inflation jedes Jahr an Wert verliert, unsere liebste Anlageform ist. Widmen wir uns doch einmal dem Thema Altersvorsorge und Geldanlage, verlassen wir uns blind auf einen Berater mit roter Krawatte, ohne wirklich zu verstehen, was wir gerade machen. Am Ende bleibt uns außer Gebühren nicht viel.
Indem wir bewusster im Umgang mit Geld, Wissen, Konsum und der Gestaltung unseres Lebens werden, können wir unser Leben dafür verwenden, dass es unseren Werten dient – statt unsere Zeit dafür einzusetzen, dem Geld zu dienen.
Es ergab alles Sinn
Was Peter schrieb, öffnete mir die Augen. Ich hatte auf einmal das Ziel erkannt, das mir Vermögen bieten konnte: Freiheit. Ich wollte Freiheit, ich wollte selbst entscheiden über die Gestaltung meines Lebens. Ich verschlang alle seine Beiträge inklusive Kommentare und dokumentierte meine eigenen Erfahrungen mit dem Konzept auf meinem Blog www.geldschnurrbart.de. Zusätzlich hatte ich viele Finanzbücher gelesen und verstanden, was bei meinem ersten Versuch mit Aktien schiefgegangen war.
Es ergab alles Sinn: Ich änderte meine Ernährung, machte mehr Sport, brauchte weniger Geld und investierte die Überschüsse am Aktienmarkt, diesmal mit Sinn und Verstand. Zwei Drittel meines Gehalts legte ich monatlich beiseite und nach vier Berufsjahren hatten sich rund 140 000 Euro angesammelt, die bereits knapp 200 Euro an passiven Erträgen monatlich einbrachten. Mit 40 hätte ich genug, um in Rente zu gehen und bis ans Lebensende von den Erträgen zu leben.
Während es finanziell immer besser lief, realisierte ich, dass ich jedoch nicht bis 40 warten möchte, um das zu tun, was ich gerne mache. Mein Job machte mir anfangs viel Freude, seit einigen Monaten war ich jedoch nicht mehr zufrieden. Anstatt die Situation zu akzeptieren, weil man es eben so macht, kündigte ich meinen sicheren und gut bezahlten Job, um mich Themen zu widmen, die mich derzeit mehr begeistern. Ich besuchte Seminare und sprach mit vielen tollen Menschen, die ebenfalls vom Konzept der finanziellen Freiheit und Frugalismus begeistert sind: Einige von ihnen erzählen ihre Geschichten in diesem Buch. Ich machte mich selbstständig als Finanzcoach und Autor, verwende mehr Zeit für meinen Blog und probiere neue Ideen aus.
Wohin mich die Reise führt, weiß ich noch nicht. Ich habe nichts gegen einen Angestelltenjob oder meinen Beruf. Vielleicht arbeite ich in einigen Monaten wieder angestellt, wenn sich eine interessante Position ergibt. In der jetzigen Situation fühlt es sich jedoch richtig an und ich habe es bis jetzt noch nie bereut. Dank finanziellem Puffer und einem bewussteren Leben habe ich jedoch bereits jetzt mehr Lebensqualität gewonnen. Als risikoaverser Mensch hätte ich diesen Schritt nie gewagt, wenn ich hohe Fixkosten und keinen finanziellen Puffer gehabt hätte.
Praxisaufgabe: Wie zufrieden bist du mit deinem Leben?
–Wie würdest du deinen Tag gestalten, wenn du nicht mehr für Geld arbeiten müsstest?
–Wie zufrieden bist du mit der jetzigen Verwendung deiner Zeit?
–Hast du genug Geld?
–Kommst du von deiner Arbeit meistens zufrieden nach Hause und freust dich sonntags auf den Montag?
–Hast du genug auf der hohen Kante, um die nächsten 6 Monate ohne Einkommen gut über die Runden zu kommen und deine laufenden Kosten decken zu können?
–Lebst du dein Leben passend zu deinen Werten, was Gesundheit, Beziehungen, Aktivitäten und Ausgaben angeht?
–Dient dir das Geld oder dienst du dem Geld? Überlege, wie viele deiner täglichen Entscheidungen anders aussähen, wenn du nicht auf das Geld angewiesen wärst.
2
Mehr Glück und Zufriedenheit durch Frugalismus
Meteorologe Lars: Je mehr Geld ich habe, desto mehr kann ich bewirken
Es ist ein kalter Wintervormittag in Berlin, als ich mit Lars in einem Café verabredet bin. Ich erkenne ihn sofort: Er trägt eine markante Brille und begrüßt mich mit einem Lächeln. Wir setzen uns in das am Freitagvormittag fast leere Café an der Friedrichstraße im Herzen Berlins. Lars ist jetzt 48, von Beruf Meteorologe und arbeitete 14 Jahre beim Wetterdienst. Doch vor 4 Jahren kündigte er seinen Angestelltenjob – er hatte finanzielle Unabhängigkeit erreicht: Seine monatlichen Ausgaben von knapp 2000 Euro konnte er allein durch die Erträge aus den Gewinnausschüttungen seiner Aktien decken. Sein Angestelltengehalt kam als »Sahnehaube« oben drauf.
Ich frage Lars beeindruckt, ob er mit Geld schon immer gut umgehen konnte. Immerhin hatte er es ja geschafft, innerhalb seiner 14 Berufsjahre ein Vermögen aufzubauen, von dem er nun leben konnte. Lars lacht. »Absolut nicht. Im Gegenteil!« Sein finanzielles Umdenken kam vielmehr durch einen Schreckmoment zu Beginn seiner Karriere. Damals, im Jahr 2000, verdiente er rund 1700 Euro netto. »Man sollte meinen, als Single davon gut leben zu können«, sagt Lars. Er habe es aber irgendwie geschafft, dass es nicht reichte. »Ich bin einfach nicht gut mit meinem Geld umgegangen, habe viel geraucht und in Gaststätten rumgehangen. Auch habe ich, wie ich heute weiß, die typischen Anfängerfehler begangen«, berichtet er mit einem Schmunzeln im Gesicht. Er kaufte sich zum Berufsstart für 7000 Euro einen Opel Corsa – immerhin keinen Neuwagen –, bezahlte jedoch 5000 Euro davon auf Kredit.
Sein Konto war bereits dauerhaft überzogen, sodass er sogar am Tag des Gehaltseingangs leicht im Minus steckte. Irgendwann spuckte der Bankautomat kein Geld mehr aus. Die Hoffnung, es liege am Automaten, verflog schnell, als auch der zweite Automat die Geldausgabe verweigerte. Auf dem Kontoauszug sah er dann das Übel: Eine Abbuchung zwei Tage zuvor war der Grund, dass er seinen Dispo überschritten hatte. »Das war ein richtiger Schockmoment für mich«, erklärt mir Lars mit steifer Miene.
Sein erster Gedanke war, sich Geld von einem Kumpel zu leihen, der Unternehmer und immer liquide war. Sein Stolz, dem Freund von der Pleite berichten zu müssen, sowie die fehlende Aussicht, diese Situation dauerhaft ändern zu können, hielten ihn jedoch davon ab. Es ging ja auch anders: Lars hatte nämlich einige Jahre zuvor ein wenig in Aktien investiert. Das Geld brauchte er nun dringend und deshalb wollte er seine Wertpapiere verkaufen. Doch es war das Jahr 2001, als während der Dotcom-Krise sein Depot nur noch die Hälfte wert war und selbst die Bankangestellte meinte, dass es für einen Verkauf ein ungünstiger Zeitpunkt sei. Lars aber brauchte das Geld, er hatte keine andere Wahl.
Nach dem Schock
Dieses Erlebnis am Bankautomaten führte zu einer Wende. »Feierabend!«, sagte er sich. Auch wenn sein Leben nach außen hin tadellos schien mit Job, Zweizimmerwohnung für 400 Euro und einem Auto, das noch abbezahlt werden musste: Lars war bankrott. Sein Leidensdruck war nun so hoch, dass er etwas ändern musste.
Lars fuhr nach Hause und begann seine gesamten Ausgaben zu erfassen und auf den Prüfstand zu stellen. »Da bin ich auf Abonnements von Zeitschriften gestoßen, die ich schon lange nicht mehr lese«, meint er immer noch sichtlich verwundert. »Ich fing an, unnötige Ausgaben zu streichen.« Mit Erfolg: Schon nach einigen Monaten war sein Konto wieder ausgeglichen. Gleichzeitig begann er, seine Wohnung zu entrümpeln. »So wie die Wohnung aussieht, so ist das Leben. Als ich mein Geld nicht im Griff hatte, sah auch die Wohnung aus wie Kraut und Rüben!« Nie getragene Schuhe und anderer Krempel fanden einen neuen Besitzer. Bis heute fragt sich Lars einmal pro Jahr bei allen Gegenständen in seinem Besitz, ob er sie in letzter Zeit benutzt hat und ob sie für ihn noch einen Wert haben.
Auch seine Gewohnheiten kamen auf den Prüfstand. Sein Gesundheitszustand war gut, der Druck, mit dem Rauchen aufzuhören, ziemlich gering, da er bislang keine Atembeschwerden oder Schlimmeres hatte. »Zu realisieren, dass ich jedoch in einem Jahr einen kompletten Monatslohn durch Zigaretten hinausblies, öffnete mir die Augen«, erzählt Lars. 5 Euro an 30 Tagen ergaben nach 12 Monaten 1800 Euro. Anstatt eines Sandwichs unterwegs, das meist mit ungesunder Remoulade bestrichen war, bereitete er zunehmend selbst Essen mit frischen Zutaten zu.
Mit all diesen Maßnahmen konnte Lars nun 70 Prozent seines Nettogehalts zurücklegen, jeden Monat! Als er jedoch anfing, sich ein Budget für seinen Strom- und Wasserverbrauch zu setzen, fiel ihm selbst auf: »Ich hatte es zwischenzeitlich übertrieben.« Von da an lockerte er den Rahmen seiner Ausgaben, sodass er nicht mehr das Gefühl hatte, sich einzuschränken. Seine Sparquote, mit der er sich wohlfühlte, betrug nun grob die Hälfte seines Einkommens von mittlerweile 2400 Euro netto. »Ich hatte ein Maß gefunden, das für mich genug war. Ich hatte kein Verzichtsgefühl, sondern fühlte mich wohl, das war sehr angenehm«, meint Lars zufrieden.
Nachdem er seinen Notgroschen auf dem Konto angespart hatte, investierte er den Rest am Aktienmarkt – zu Beginn nach irgendeiner »Wild-West-Methode«, wenig später und nach einer Weiterbildung zum Thema Aktien vernünftiger und nach klaren Regeln. Er achtete mehr auf seine Gesundheit, kaufte qualitativ hochwertige Lebensmittel und entwickelte ein Bewusstsein für seine Ausgaben. Von da an lebte er wie befreit: »Es war ein tolles Gefühl, seine Finanzen im Griff zu haben, während man sein Leben lebt, wie es einem gefällt.« Er schaffte sein Auto ab, das sowieso im Durchschnitt 23 Stunden am Tag nur herumstand. Nun war er mit seinem Fahrrad mehr an der frischen Luft und belastete die Umwelt weniger. Dies sowie der Verzicht auf Zigaretten seien die Veränderungen mit dem größten finanziellen Effekt für ihn gewesen – bis er das Konzept der finanziellen Unabhängigkeit entdeckte: Nicht mehr angewiesen zu sein auf ein Arbeitseinkommen, das sollte sein nächstes Ziel werden.
Seine Arbeit beim Wetterdienst, zu der er jeden Tag zwei Stunden mit der Bahn pendelte, hatte ihn zu Beginn seiner Karriere begeistert. Im Lauf der Zeit und mit einem Aufstieg auf der Karriereleiter, der einen immer geringeren Bezug zum Fachlichen nach sich zog, ließ diese Begeisterung jedoch merklich nach. Stattdessen entwickelte er eine neue Leidenschaft für Finanzen und brachte sich bei, wie man Internetseiten erstellt. Mittlerweile hatten die Erträge aus seinen Aktieninvestments, die er monatlich weiter investiert hatte, eine beträchtliche Größe erreicht und 2014, also 13 Jahre nach seinem Schreckmoment, überstiegen seine passiven Einnahmen die Ausgaben. Er hatte sein Ziel erreicht und war finanziell unabhängig. Es gab von nun an eine weitere Alternative für seine Lebensweise – sein Arbeitseinkommen war optional geworden. Da ihn seine Arbeit mittlerweile immer weniger begeisterte und zuletzt auch seine Gesundheit darunter litt, beschloss er 2015 zu kündigen.
Die Verbissenheit ist weg
Inzwischen sind 4 Jahre vergangen, in denen der 48-Jährige »in Rente« ist. »Wie sieht heute dein Alltag aus und wie steht es um deine Zufriedenheit und dein Lebensglück?«, will ich wissen. Mit einem Strahlen im Gesicht erzählt er, dass er sehr viel zufriedener ist. Sein Tag beginnt meistens um 6 Uhr morgens. Mit einer Tasse Kaffee setzt er sich an seinen Schreibtisch und arbeitet drei Stunden produktiv an der Weiterentwicklung seiner Internetseiten oder gibt als Coach sein Finanzwissen weiter. »Es erfüllt mich viel mehr, anderen zu helfen.« Auch genießt er die Freiheit, selbst zu entscheiden, welche Projekte er wann, wo und mit wem angeht. Dass er eine Aufgabe braucht, war ihm nach zwei Wochen Strandurlaub schnell bewusst. Durch seine Internetprojekte lernt er ständig neue Menschen und Methoden kennen, was ihm viel Freude macht. Wenn er seine Woche plant, schaut er aber auch auf das Wetter: Wenn im Juni die Sonne scheint, unternimmt er spontan von Montag bis Mittwoch eine Radtour an die Ostsee. Auch achtet er mehr auf seine mentale Gesundheit: Anstatt sich wie früher abends von schlechten Nachrichten im Fernsehen berieseln zu lassen, hört er sich positive Podcasts an, in denen inspirierenden Menschen interviewt werden.
Ich will wissen, wie sich seine Sicht auf Konsum heute verändert hat und was ihm durch den Kopf geht, wenn er den schicken neuen Sportwagen für 70 000 Euro im Schaufenster stehen sieht. Lars schmunzelt: »Da denke ich immer: Wenn ich wollte, könnte ich ihn einfach mitnehmen. Das reicht mir schon.« Wenn er Klamotten einkauft, achtet er auf Qualität, aber nicht auf die Marke. Seine Einstellung zum Geld hat sich verändert. »Die Verbissenheit ist weg«, sagt er. »Das ist ein befreites Gefühl.«
Mich interessiert, ob er nun, da er nicht mehr für Geld arbeiten muss, überhaupt noch einen Anreiz hat, Geld zu verdienen. Seine Antwort ist eindeutig: »Ja, es gefällt mir weiterhin, Geld zu verdienen«, und er erklärt es mit den Superreichen wie Bill Gates. Dieser wird seine Lebensqualität durch eine weitere Million nicht mehr steigern, er verdient jedoch trotzdem weiter Geld und setzt es für Spenden ein. Das treibt auch Lars an: »Je mehr Geld ich habe, desto mehr kann ich bewirken.« Er kann sich an Stiftungen beteiligen, Hilfswerke unterstützen und vieles mehr, das hält er für sehr sinnvoll.
Diese Wandlung von der konsumorientierten Person, die getrieben durch den Alltag marschiert, zu seiner heutigen Lebensweise hat mich beeindruckt. Er bezeichnet sich als Frugalisten. »Dabei verstehen viele Menschen darunter etwas anderes.« Sie verwechseln es mit Minimalismus oder denken: »Ich trage abgewetzte Sachen und schnorre und kaufe immer das Billigste.« Für ihn bedeutet es jedoch vielmehr, dass er unter seinen finanziellen Möglichkeiten lebt – das heißt monatlich sparen kann – und gleichzeitig durch einen bewussten Umgang mit Konsum, Freiheit und äußeren Zwängen bereits heute das Beste aus dem Leben macht und es genießt.
Frugalismus und FIRE
Was bedeutet Frugalismus, wie leben Frugalisten, und muss nun jeder seinen Job wie Lars mit Mitte 40 kündigen und in Aktien investieren? Schauen wir genau hin.
»Frugalismus« leitet sich vom englischen Wort »frugal« ab, was »genügsam, einfach, sparsam« bedeutet. Im lateinischen Ursprung »frugalis« finden wir die Bedeutung »genießen, nutzenbringend«. Das Streben nach einem genügsamen Leben, das den meisten Nutzen für uns Menschen bringt, besteht seit Menschengedenken. Frugalismus als Bewegung und als konkrete Lebensweise wird jedoch oft mit dem Jahr 1992 und dem erstmaligen Erscheinen des Buchs Your Money or Your Life von Vicki Robin und Joe Dominguez in Verbindung gebracht.
Vicki Robin wuchs in New York auf und engagierte sich in Umweltschutzprojekten. Sie begann eine Karriere als Schauspielerin, wovon sie jedoch schnell desillusioniert war, und erbte von ihrer Tante umgerechnet 130 000 Euro nach heutigem Wert. Sie beendete ihre Schauspielkarriere und unternahm einen Roadtrip quer durch die USA und Mexiko, wo sie Joe Dominguez kennenlernte. Joe war Investmentbanker an der Wall Street und bereits 1969 im Alter von 31 Jahren und mit einem verdienten Vermögen aus seiner kurzen Karriere von rund 600 000 Euro nach heutigem Wert in Rente gegangen.
Es entwickelte sich eine enge Freundschaft zwischen beiden und die gemeinsame Erfahrung sowie Verbindung aus bewusstem Leben, Umweltschutz und Finanzwissen brachte sie zu dem Konzept ihres Buchs: Darin vermitteln sie die Idee, dass Geld nicht nur zum Verkonsumieren da ist, sondern vielmehr eine Form von Lebensenergie darstellt, die wir einsetzen können, um unser Leben nach unseren eigenen Vorstellungen zu gestalten. Ein Frugalist ist demnach Meister in der Tugend, viel Wert aus jeder eingesetzten Minute Lebensenergie zu bekommen. Es geht ihnen darum, zu genießen und wertzuschätzen, was wir haben.
Wenn wir etwa zehn Paar Schuhe besitzen, aber immer noch das Gefühl haben, nichts anzuziehen zu haben, könnte es sein, dass wir Frustkäufer sind. Die kurzfristige Belohnung, die wir beim Kauf neuer Schuhe erfahren, bereitet uns mehr Freude als der tatsächliche Besitz und das Tragen der Schuhe. Wenn wir jedoch zwanzig Paar Schuhe haben und diese über Jahre hinweg täglich mit großer Freude anziehen, ist das frugalistisch. Nach Meinung der Autoren liegt die Verschwendung nicht in der Anzahl an Gegenständen, die wir besitzen, sondern in dem Unvermögen, sie zu genießen.
Hier stimme ich zu, denn für mich ist Frugalismus etwas Subjektives und jeder entscheidet selbst, wie er ihn umsetzen möchte. Entgegen dem verbreiteten Vorurteil wird Erfolg im Frugalismus daher nicht an Pfennigfuchserei gemessen, sondern an der Fähigkeit, bewusst materielle Dinge zu genießen und selbst zu erkennen, was uns wahre Freude bereitet. Es geht darum, dass uns die Dinge, für die wir Geld als Lebensenergie einsetzen, viel und nachhaltige Freude geben – ein hohes Freude-Ding-Verhältnis.11
Ich kenne viele Menschen, die sehr viel und immer mehr besitzen, aber immer wieder nach kurzen Hochs unglücklich sind. In Argentinien habe ich unzählige Menschen kennengelernt, die im Vergleich zu uns in großer Armut leben. Aber aus dem, was sie haben, können sie unglaublich viel Freude ziehen und es genießen.
Wider die Verschwendung von Zeit, Lebensenergie und Zufriedenheit
Neben dem Buch von 1992 war der Start des Blogs von Jacob Fisker 2007 unter dem Namen Early Retirement Extreme (auf Deutsch etwa »Frührente extrem«) ein weiterer Meilenstein für die Frugalistenbewegung. Fisker beschrieb hier seinen Weg und seine Methoden, wie er mit knapp über 30 in Rente ging und von den Erträgen seines Vermögens leben konnte.
Damals, genauso wie heute, sah das Verständnis von Geld, Konsum und Arbeit eher wie folgt aus: Unser modernes Leben heute wird immer teurer, weshalb wir beinahe alles Geld ausgeben müssen, das wir verdienen, egal wie viel das ist. Den kleinen Teil, den wir monatlich sparen können, legen wir über viele Jahre an, um im Ruhestand einen aufwendigen Lebensstil aufrechtzuerhalten: exotische Kreuzfahrten, alle fünf Jahre einen Neuwagen und 20 000-Euro-Hochzeiten für die Enkel.
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