RESET- Weniger ist mehr - Erika Helene Etminan - E-Book

RESET- Weniger ist mehr E-Book

Erika Helene Etminan

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Beschreibung

Es scheint, dass wir mit unserem bisherigen Lebensstil in eine Sackgasse geraten sind. Denn dieser Lebensstil hat inzwischen zu einer globalen, umfassenden Krise geführt. Aber wie kommen wir hier wieder heraus? Dieses Buch ist ein Versuch, die Welt noch nicht zum "Absturz" freizugeben. Es stellt aus spiritueller Sicht radikal unseren Lebensstil zur Debatte und zeigt Entwicklungsschritte auf, mit denen wir für uns selbst und für die Welt Verbesserungen erreichen können. Die Ursache dieser existentiellen Krise ist im zunehmenden Ich-Bezug zu suchen. Unser Egoismus ist die treibende Kraft sowohl hinter dem Turbo-Kapitalismus (der nicht ohne uns funktioniert!) als auch hinter der Öko-Krise. Erika Helene Etminan zeigt sehr deutlich, dass der Ausgang aus dieser Krise nicht nur auf der materiellen Ebene liegt, sondern auf einem höheren, spirituellen Niveau. Die Lösung liegt in der Entwicklung eines ethischen Lebensstils, der auf einer ganzheitlichen Spiritualität basiert.

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ERIKA HELENEETMINAN

Auf der Suche nacheinem neuen Lebensstil

Für Inge und Regine

You must be the change you wish to see in the world.

Mahatma Gandhi

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

1. eBook-Ausgabe 2021

© 2021 Scorpio Verlag in Europa Verlage GmbH, München

Konzeptionsberatung: Ina Kleinod (Agentur SINNTEXT)

Umschlaggestaltung: Favoritbuero, München

Lektorat: Helene Weinold-Leipold

Layout und Satz: Danai Afrati

Konvertierung: Bookwire

ePub-ISBN: 978-3-95803-354-2

Alle Rechte vorbehalten.

www.scorpio-verlag.de

Inhalt

Vorwort

Wo ist hier der Ausgang?

Erst die Ursache – dann die Lösung

Dringend nötig: Selbstreflexion

Der Kapitalismus – das sind wir!

Unsere Kultur – das sind auch wir!

Die Bedeutung der geistigen Dimension

Spiritualität als Lebensweise

Leben in Übereinstimmung

Leben in Verbundenheit

Die Wende beginnt innen

Erfüllung statt Wohlstand

Entwicklung als »Projekt«

Welches Ich gibt den Ton an?

Die Arbeit mit den Aspekten des Lebens

Aspekte des Lebens

Weniger Ablenkung – Mehr Aufmerksamkeit

Weniger Angst – Mehr Mut

Weniger Anklage – Mehr Selbstverantwortung

Weniger belehren – Mehr Fragen stellen

Weniger Beruf – Mehr Berufung

Weniger besonders sein – Mehr Einfachheit

Weniger Bitterkeit – Mehr Humor

Weniger denken – Mehr fühlen

Weniger Ego – Mehr Selbstlosigkeit

Weniger Egoismus – Mehr Verbundenheit

Weniger Eigennutz – Mehr Gemeinwohl

Weniger Erfolg – Mehr Entwicklung

Weniger Fremdbestimmung – Mehr Selbstbestimmung

Weniger Fülle – Mehr Erfüllung

Weniger gehorchen – Mehr horchen

Weniger Genuss – Mehr genießen

Weniger gesehen werden – Mehr andere sehen

Weniger Habsucht – Mehr Freigiebigkeit

Weniger Hektik – Mehr Ruhe

Weniger Hochmut – Mehr Ehrfurcht

Weniger Ich – Mehr Du

Weniger Idole – Mehr Ideale

Weniger Illusionen – Mehr Träume

Weniger Information – Mehr selbst denken

Weniger kaufen – Mehr ethisch kaufen

Weniger Kontakte – Mehr Weggefährten

Weniger Kontrolle – Mehr Vertrauen

Weniger Krankheit – Mehr Gesundheit

Weniger Kritik – Mehr Selbstreflexion

Weniger Kult – Mehr Kultus

Weniger Lärm – Mehr Stille

Weniger Leistung – Mehr Lust

Weniger Lügen – Mehr Wahrhaftigkeit

Weniger machen – Mehr geschehen lassen

Weniger Macht – Mehr Ohnmacht

Weniger Männlichkeit – Mehr Weiblichkeit

Weniger Meinung – Mehr Einsicht

Weniger mind – Mehr Seele

Weniger müssen – Mehr Muße

Weniger Oberflächlichkeit – Mehr Tiefgang

Weniger Profilierung – Mehr Profil

Weniger Rechtfertigung – Mehr Gewissen

Weniger reden – Mehr schweigen

Weniger reisen – Mehr ankommen

Weniger Reizbarkeit – Mehr Auseinandersetzung

Weniger Religion – Mehr Spiritualität

Weniger Schein – Mehr Echtheit

Weniger Sex – Mehr Erotik

Weniger Sicherheit – Mehr Freiheit

Weniger Stress – Mehr Harmonie

Weniger Sucht – Mehr Sehnsucht

Weniger Trägheit – Mehr Einsatz

Weniger Unzufriedenheit – Mehr Zufriedenheit

Weniger Wille – Mehr Hingabe

Weniger Wohlstand – Mehr Wohlergehen

Eigene Seiten

Weiterführende Literatur

Personenregister

Anmerkungen

Vorwort

Dieses Buch war eine Sturzgeburt, die Eruption einer gequälten Seele. Es ist aus einer Niederlage entstanden. Vor einiger Zeit hatte ich in den Niederlanden (wo ich wohne) eine Klage gegen eine schlimme sexistische Reklame eingereicht, die für mich ein Zeichen des offensichtlichen Untergangs unserer Kultur war. Diese Klage habe ich in zweiter Instanz verloren – leider. Alle Mitglieder der Kommission waren Rechtsanwälte; sie konnten und wollten mir in meiner Sorge um den Zustand unserer Kultur nicht folgen. Normalerweise war diese Kommission zuständig für Konflikte im Wettbewerbsrecht, sozusagen um die Marktwirtschaft gegenüber sich selbst zu schützen. Darin waren diese Leute sicher kompetent, aber sie fühlten sich nicht berufen, den Untergang unserer Kultur zu stoppen.

Da stand ich also mit meiner Naivität, meiner Hoffnung, meiner Besorgtheit, meiner Betroffenheit. Ist das noch Kultur? Wenn nicht, was ist es dann? Wem nützt dieser Niedergang? Wer profitiert davon? Und wer hatte die Idee, dies Fortschritt zu nennen?

Zugleich war mir bewusst, dass wir auch die globale Klima-Umwelt-Katastrophe dem Raubtier-Kapitalismus und unserem Lebensstil zu verdanken haben. Aber was konnte ich tun? Innerlich war ich auf der Suche nach Formen von zivilem Widerstand, nach Resistance. Denn einfach nur »dagegen« zu sein, das reicht diesmal nicht. Dafür ist der Siegeszug des globalen Turbo-Kapitalismus schon zu weit fortgeschritten. Dagegen sein? Gegen die allgegenwärtige Verweltlichung, gegen den zunehmenden Werteverlust, gegen die Demontage des Göttlichen? Gegen den Raubbau am Planeten Erde? Im Angesicht der globalen Katastrophe darf es nicht nur um politischen Widerstand gehen, eher muss es um einen generellen Kurswechsel gehen, um eine Kehrtwende. Um eine Art »Be-kehrung« – und damit um einen individuellen Reset: Nicht länger reden, sondern handeln. Nicht länger von anderen fordern, sondern es selbst tatsächlich anders machen. Aus resist wurde reset: zurück zum Ausgangspunkt und die Einstellungen überprüfen. Ein individueller Reset bedeutet, Selbstreflexion zu betreiben – und dann vor allem den Egoismus aufzugeben. Erst wenn wir unser Ego an die Leine legen, bekommen andere Menschen, die Natur und das Klima wieder eine Chance.

Als die Schreibarbeiten fast abgeschlossen waren, kam der »Corona-Schock«, der mit einem Schlag dem extrovertierten, auf Wohlstand und Vergnügen ausgerichteten Lebensstil ein Ende bereitet hat. Das Virus hat geschafft, was bisher keinem der Bücher über Spiritualität gelungen ist: Es hat die Verbundenheit von allen und mit allem deutlich gemacht und damit auf eine sehr direkte Weise die Erkenntnisse dieses Buches bestätigt. Die Not, die uns inzwischen beschäftigt, gilt jedoch weniger dem mangelnden Bewusstsein in Bezug auf diese Krise(n), sondern eher der Frage: »Was macht aus Wissen Handeln?«1. Bewusstwerdung kann nur der erste, längst überfällige Schritt sein. Jetzt müssen wir nur noch lernen, unsere Erkenntnisse in tatsächliches Handeln umzusetzen. Nur noch? Wir reden hier über ein Projekt!

Wo ist hier der Ausgang?

Wie viele Menschen betrachte auch ich den Zustand unserer Kultur, der ganzen Welt und des Planeten mit Sorge. Es scheint, dass die Welt in einer Art Endzeit angekommen ist – und mit der Welt auch die Schöpfung. Egal, wie die Schöpfung entstanden ist (was immer noch nicht geklärt ist!): Wir haben nur die eine, und der geht es schlecht. Sie ist keine menschliche, technologische Erfindung, von der es irgendwann eine Version 2.0 geben wird. Schöpfung ist etwas Lebendiges, und was lebendig ist, kann sterben. Sie ist also kostbar – und wir sind Teil der Schöpfung. Wenn wir mit ihr schlecht umgehen, dann gehen wir auch schlecht mit uns selbst um und umgekehrt. Sollte die Schöpfung untergehen, dann gehen wir mit ihr unter. Alle reden deshalb von den Veränderungen, die notwendig sind, wenn dieser Planet noch eine Chance bekommen soll.

Aber wie kann aus dem, was uns jetzt bewusst ist, tatsächliches Handeln werden? Die Lösung wird in jeder Hinsicht in Einfachheit liegen. Aber damit wissen wir immer noch nicht, wie das gehen soll. Jedenfalls darf es zukünftig nicht länger so sein, über Veränderung nur zu schlaumeiern, sondern es muss darum gehen, tatsächliche Veränderungen anzustoßen – beginnend bei uns selbst! Aber werden wir das schaffen?

Erst die Ursache – dann die Lösung

Auch wenn viele Politiker immer noch auf der Ebene von Symptombekämpfung denken, so ist doch offensichtlich, dass es dafür bereits zu spät ist. Lösungen sind nur dann wirkliche Lösungen, wenn sie sich auf die tatsächlichen Ursachen beziehen. Ansonsten würden wir Symptome bekämpfen oder unterdrücken, die an anderer Stelle und in anderer Form wiederauftauchen. Um zu einer Lösung im Sinne von wirklicher Gesundung zu kommen, ist es nötig, das Problem an der Wurzel zu packen. Wir sollten deshalb auf die Suche nach den tiefer liegenden Ursachen dieser allumfassenden Krise gehen. Dafür müssen wir unter der Oberfläche der offensichtlichen Symptome suchen. Erst wenn wir die tiefer liegenden Ursachen verstanden haben, können wir tragfähige Lösungen für die Zukunft entwickeln.

Deshalb verlassen wir in diesem Buch die Ebene der sichtbaren Symptome und kümmern uns um die Hintergründe und die wirklichen Ursachen dieser Krise. Es geht dabei weniger um Kritik, sondern eher um Reflexion – und um Selbstreflexion: Wir werden bei uns selbst und unseren Haltungen ankommen! Denn sowohl die Ursachen als auch die Lösungen für diese globale Krise liegen in unserem Mensch-Sein. Wenn wir zu viel verbrauchen (Ressourcen, Energie, Nahrungsmittel) oder allen Warnungen zum Trotz Corona-Partys feiern, dann ist dies eine Aggression, mit der wir andere Menschen und den Planeten schädigen – und letztlich uns selbst! Wir konzentrieren uns in diesem Buch also weniger auf die Begriffe, die zurzeit sowieso in der Diskussion sind (Klima, CO2, Umwelt, Bio, Corona …), sondern untersuchen unseren auf Genuss und Luxus ausgerichteten Lebensstil. Dabei nehmen wir die für unsere Kultur typischen Verhaltensweisen, Einstellungen und Haltungen unter die Lupe, die diese Probleme erzeugt haben.

Dringend nötig: Selbstreflexion

Durch die Betonung der Denkfähigkeit haben Menschen auch gelernt zu reflektieren, also über Dinge und Zusammenhänge nachzudenken und sie zu erforschen. Dieses Reflektieren ermöglicht uns inzwischen zwar ein gewisses Umweltbewusstsein, zugleich aber sind wir noch wenig selbst-reflektiert. Diese Kluft erzeugt in Bezug auf die Klima-Umwelt-Krise eine Schizophrenie, die uns zwar alles von anderen fordern lässt (von anderen Menschen, Politikern, Wirtschaftsbossen), uns selbst jedoch außen vor lässt. So nehmen wir uns zwar das Recht, andere zu kritisieren und von ihnen etwas zu fordern, zugleich aber weigern wir uns, eigene Fehler einzugestehen, eigene Ansprüche zu reduzieren und uns selbst Grenzen zu setzen. All das sind Verhaltensweisen, die psychologisch gesehen der Pubertät zugeordnet werden können!

Unser Bewusstsein und unser tatsächliches Verhalten stimmen also nicht überein. Da wir alle aber ein Teil des Ganzen sind, erzeugt diese Kluft eine Unwahrhaftigkeit, die auf eine subtile Weise lähmend wirkt und kraftlos macht. Mit Unwahrhaftigkeit lässt sich der Zustand der Welt nicht verbessern. Es wird Zeit, dass wir die Pubertät hinter uns lassen und erwachsen werden. Erwachsen werden bedeutet, nicht länger nur zu fordern oder zu kritisieren, sondern selbst Verantwortung zu übernehmen.

Wenn der Planet überleben soll, und wenn wir alle überleben wollen, werden Selbstreflexion und individuelle Veränderung also zwingend nötig sein. Es wird Zeit, dass wir über uns selbst nachdenken und unsere destruktiven Haltungen und Gewohnheiten ernsthaft unter die Lupe nehmen. Hat unser ausuferndes Konsumverhalten vielleicht eine tiefer liegende Ursache? Woher kommt unsere Maßlosigkeit, unsere Rücksichtslosigkeit? Aus welcher Haltung oder Grundeinstellung heraus hat sich dieser Lebensstil entwickelt?

Spirituell betrachtet, sitzt hinter dieser Fehlentwicklung das Ego mit seiner Gier und seinem Trieb des Haben-Wollens, der uns erst in die Überfülle, dann in den Überdruss und am Ende in den Untergang treibt. Zudem sorgt das Ego mit seiner Hitze, mit seiner Tendenz, sich selbst wichtig zu nehmen, für Aggression und für Konflikte. Das Ego zurückzunehmen wäre deshalb der Beginn des Cool-downs. Erst ein Cool-down des Egos ermöglicht einen Cooldown des Planeten! Wir müssten nur diese Ur-Ursache korrigieren, und alle weiteren, konkreten Lösungen würden sich daraus ergeben. Nur? Wir reden hier wirklich über ein Projekt!

Der Kapitalismus – das sind wir!

Was den Zustand des Planeten betrifft, so sind die offensichtlichen Ursachen der Katastrophe direkt wahrnehmbar: Unser enormer Energieverbrauch, unser übertriebener Konsum und unsere mangelnde Bereitschaft, uns einzuschränken. Zwar sind viele Errungenschaften unserer Zivilisation durchaus gut, aber die Art und Weise, in der wir Gebrauch davon machen, ist inzwischen krankhaft geworden. Unser Verhältnis zur Welt ist durch eine »imperiale Lebensweise«2 geprägt. Globaler Turbo-Kapitalismus, Profitmaximierung und Geldgier, Marktanteile und Monopole sowie Monokultur in der Agrarwirtschaft treiben uns und den Planeten in den Untergang.

Wenn wir hier jedoch über den globalen Turbo-Kapitalismus und seine Raubtiermentalität reden, dann sollten wir dabei nicht übersehen, dass dieses Phänomen zugleich seine Entsprechung auf individuellem Niveau hat. Viele Menschen kennen in ihrer gnadenlosen Ich-Fixierung nichts anderes mehr als Selbstbereicherung, persönlichen Genuss und eigenen Nutzen. Auf diese Weise beuten wir andere Menschen aus und kommt unser Planet ins »Schwitzen«. Die Auswirkungen sind inzwischen so dramatisch, dass manche Menschen die Situation für unumkehrbar halten; sie erfahren Aussichtslosigkeit und Ohnmacht.

Die Frage ist tatsächlich, ob man den globalen Abwärtstrend noch aufhalten kann. Und ob und wie man neue Entwicklungen initiieren und voranbringen kann. Aber haben wir überhaupt Macht und Einfluss? Falls wir Macht haben, dann hört sie für die meisten Menschen an der Grenze der eigenen Person auf. Das ist nicht viel Macht, aber es reicht aus, um etwas zu verändern. Und das ist gut so, denn bei den notwendigen Veränderungen werden die individuelle und die globale Entwicklung zusammenwirken müssen. Obwohl wir (heimlich) immer noch glauben, unser eigenes Verhalten sei unbedeutend, wird die individuelle Veränderung uns nicht erspart bleiben. Es geht nicht ohne uns und unsere Bereitschaft, etwas zu verändern! Zum Glück funktioniert der globale Turbo-Kapitalismus nicht ohne uns, und genau darin liegt unsere Chance! Deshalb haben wir als Einzelne sehr wohl Einfluss auf die globale Entwicklung. Diesen Einfluss sollten wir nutzen!

Unsere Kultur – das sind auch wir!

Wenn wir die tiefer liegenden Ursachen der Krise verstehen wollen, kann es sinnvoll sein, zunächst die kulturellen Hintergründe zu beleuchten. Unsere westliche Kultur hat in den vergangenen 200 Jahren einen Prozess der Verweltlichung durchlaufen, der in der philosophischen Strömung der Aufklärung seinen Anfang genommen, aber offensichtlich bis heute sein Ende noch nicht erreicht hat.

Die Aufklärung brachte Fortschritt im weltlichen Sinne mit sich, während die Religion weitgehend losgelassen wurde. Mit der Abwendung von Religion und Kirche(n) ging aber auch der natürliche Bezug zu einer höheren Dimension verloren, egal, ob wir sie Gott, höhere Macht, absolute Wahrheit, höchstes Bewusstsein oder kosmische Ordnung nennen.

Die neue Orientierung brachte die Betonung des rationalen Denkens und eine Reduktion der Weltsicht auf die Materie, auf die physikalische (diesseitige) Dimension mit sich. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist eine ausschließlich materialistische Naturwissenschaft; eine Medizin, die die Seele und damit die Ganzheit des Menschen ignoriert; eine Technologie, die alles für machbar und für erlaubt hält; ein Lebensstil, der den Planeten plündert.

Zudem rückte das Ich immer mehr in den Mittelpunkt; es begann, sich übertrieben auszudehnen. Mit der dadurch entstehenden Ich-Fixierung ging logischerweise der Bezug zu anderen Menschen, zum großen Ganzen und zum Göttlichen verloren. Das Ergebnis dieser Fehlentwicklung sind ein übertriebener Individualismus und eine Freiheit ohne Verantwortung. Eine allzu freiheitliche Kultur aber verliert ihre ethisch-moralische Orientierung. Sie endet in schamlosem Egoismus und in der Entfesselung von unguten Trieben (Gewalt und Porno in Film und TV). Zusammen mit dem Raubbau am Planeten Erde ist die Menschheit also dabei, sich mit ihrer radikalen Verweltlichung den universellen Werten zu entziehen.

Insgesamt ist auf diese Weise eine kulturelle Unwucht entstanden. Und dies nicht nur in der westlichen Gesellschaft, sondern inzwischen auch in den Kulturen, die sich am westlichen Wohlstand und Lebensstil orientieren. Im Zuge dieser Entwicklung, die Fortschritt genannt wird, wurden essenzielle Aspekte des Lebens wie Familie und Verbundenheit immer mehr vergessen und zurückgelassen, während Nebensächlichkeiten wie Geld und Erfolg attraktiver wurden. Diese ungute Entwicklung schadet nicht nur dem Planeten, sie schadet auch uns selbst, und zwar ganz konkret. Abgesehen von den gesundheitlichen Auswirkungen ist ein Individualismus entstanden, der in sozialer Isolation und Einsamkeit endet. Das Ergebnis ist eine Welt der Fülle und der Überfülle, die sich kalt und leer anfühlt.

Die östlichen Religionen wie Hinduismus und Buddhismus sehen die Ursache für den Zustand der Welt und der Menschheit in der verminderten moralischen Qualität des sogenannten »Eisernen Zeitalters«. Die Kennzeichen dieses Zeitalters sind ein zunehmender Ich-Bezug und eine deshalb nachlassende Ethik. Auch die Klima-Probleme sind aus dieser Sicht eine Folge dieser unguten Entwicklung. Wenn dies stimmt – und die Vermutung liegt nahe –, dann kann eine wirkliche Lösung der Probleme nur erfolgen, wenn die Menschheit in ihrer Entwicklung ein höheres ethischmoralisches Niveau erreicht, von dem sie zurzeit aber weit entfernt ist.

Die 7 Todsünden der modernen Welt

Reichtum ohne Arbeit

Genuss ohne Gewissen

Wissen ohne Charakter

Geschäft ohne Moral

Wissenschaft ohne Menschlichkeit

Religion ohne Opferbereitschaft

Politik ohne Prinzipien

Mahatma Gandhi

Die Bedeutung der geistigen Dimension

Die einseitige Betonung des Materialismus kann nur durch die Einbeziehung der geistigen Dimension überwunden werden. Für die Gesundung des Planeten und der Menschheit gehören nämlich beide Dimensionen zusammen. Die Wende wird nur gelingen, wenn wir für beide Dimensionen die nötige Sorge aufbringen. Deshalb ist es nötig, einerseits über unseren ökologischen Fußabdruck nachzudenken, aber andererseits auch über unsere generelle materialistische Ausrichtung sowie über die geistigen Ursachen dieser Fehlentwicklung – und dann zuerst dort die nötigen Korrekturen vorzunehmen. Die Materie selbst ist schlaff und tot, eine Wende kann sich nur aus der geistigen Dimension heraus ereignen: Aus neuen geistigen Haltungen und Impulsen, die uns zugleich Kraft und Entschlossenheit geben.

Die Rolle der (christlichen) Kirchen kann in diesem Zusammenhang äußerst kritisch gesehen werden. Auch wenn es mit Franziskus von Assisi (13. Jahrhundert) einen Vorzeige-Heiligen gibt, für den die Schöpfung einen hohen Stellenwert hatte, und auch wenn die katholische Kirche gute Lehr-Dokumente zu Schöpfung und Umweltfragen hervorgebracht hat, so lässt ihre reale Politik bisher doch eher die Zusammenarbeit mit dem Kapitalismus sehen als mit grünen »Spinnern«. Dass sich diese ungute Ausrichtung inzwischen – dank sei Papst Franziskus – geändert hat, ist erfreulich, aber die Wende kommt zu spät. Nachdem die katholische Kirche allzu lange mit der Gegenseite kooperiert hat, glaubt man ihr dieses grüne Mäntelchen einfach nicht.

Hinzu kommt, dass die protestantische Variante des Christentums im (soziologischen) Verdacht steht, beim Kapitalismus Geburtshilfe geleistet zu haben. Es ist logisch, dass die christlichen Kirchen sich damit keine Freunde gemacht haben. Denn auch bei einer Religion kommt es nicht darauf an, was sie glaubt oder sagt, sondern darauf, was sie tut. Wegen dieser offensichtlichen Doppelmoral lehnen viele Menschen inzwischen die Kirchen (weniger die Religion) ab und richten sich – vor allem im alternativen Bereich – eher auf eine persönliche Spiritualität und auf eigene religiöse Erfahrungen aus.

Mit dem Begriff Spiritualität sollten wir aber vorsichtig sein, denn Spiritualität ist inzwischen ein Containerbegriff geworden, in den jeder hineinpackt, was er gerade möchte. Auf diese Weise ist der Begriff ein regelrechter Joker geworden, den man für alles Mögliche einsetzen kann: Spiritualität passt immer, sogar zur Legitimierung eines äußerst egoistischen Verhaltens. Manche Menschen übertragen sogar ihr Leistungsdenken auf Spiritualität oder leiten eine starre Identität davon ab. Dann wird Spiritualität schnell zu einer weiteren Feder am Hut, mit der sich das Ego schmücken möchte. Auf diese Weise wird Spiritualität ihrem eigentlichen Anliegen entfremdet und im Grunde pervertiert. Sie wird zu einem »Besitz« und damit zu »spirituellem Materialismus« (Chögyam Trungpa).

Bei anderen Menschen geht es eher um eine softe Spiritualität. Sie liebäugeln zwar mit spirituellen Techniken und Ideen, ohne aber entsprechende Konsequenzen für den eigenen Lebensstil folgen zu lassen. Softe Spiritualität versucht, den ich-bezogenen Lebensstil mit einem spirituellen Mäntelchen zu (ver-)kleiden. Konsequenzen sind weiter nicht beabsichtigt, weil sie unweigerlich das Ich beschneiden würden.

Spiritualität ohne Konsequenzen ist ein Kompromiss, jedoch ein äußerst menschlicher: Wir wollen das eine haben, ohne das andere herzugeben. Sie kann auf diese Weise zur nächsten Droge werden, mit der wir uns aus der Realität kicken. Nur hat die Entwicklung der Welt inzwischen einen Punkt erreicht, an dem wir mit dieser spirituellen Schummelei nicht weiterkommen.

Spiritualität als Lebensweise

Wenn wir den Planeten retten wollen, wird es zukünftig eher um Spiritualität als Lebensweise gehen. Was zählt, ist nicht, was wir glauben oder welche Rituale wir praktizieren, sondern was wir tun und wie wir leben. Wir können bestimmte Prinzipien selbst ausprobieren und ihre Wirkung beobachten. Auf diese Weise machen wir eigene Erfahrungen, und erst die werden uns wirklich überzeugen.