Resilienz – die Strategie der Stehauf-Menschen - Monika Gruhl - E-Book

Resilienz – die Strategie der Stehauf-Menschen E-Book

Monika Gruhl

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Beschreibung

Die emotionale Stärke, die uns durch Krisen trägt, heißt Resilienz. Gerade in unserer aktuellen Zeit sind wir auf diese innere Widerstandskraft angewiesen, welche uns Hindernisse überwinden lässt. Die Resilienztrainerin Monika Gruhl zeigt, dass jeder Mensch ein Stehauf-Mensch sein kann. Denn Resilienz ist lernbar. Die Autorin erläutert, welche Grundhaltungen und Fähigkeiten uns resilient machen und wie wir diese erwerben können. Mit einem Sonderkapitel zur Überforderungsfalle und vielen praktischen Übungen für den Alltag. Damit wir Schicksalsschläge verkraften und gestärkt aus ihnen hervorgehen können.

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Das Buch

Was ist das Geheimnis der Menschen, die nach einer Niederlage bald wieder aufstehen? Warum schaffen es manche, den alltäglichen Stress so gelassen zu bewältigen? Sie verfügen über eine zentrale Kraft im Leben: Resilienz. Die emotionale Stärke, die uns durch Krisen trägt. Wir erwerben sie in unserer Kindheit und können sie auch im Erwachsenenalter trainieren – wie ein Schutzschild für die Seele. Monika Gruhl ist Resilienzcoach und zeigt in diesem Buch, aus welchen psychischen Ressourcen sich Resilienz zusammensetzt und wie wir diese aufbauen können. Anhand vieler Beispiele wird deutlich, wie sich alte Muster ablegen und neue Gewohnheiten entwickeln lassen. Ein wertvoller Wegweiser für persönliches Wachstum und innere Stärke. Mit praktischen Trainingseinheiten, Listen und Übungen, die sofort umsetzbar sind.

Die Autorin

Monika Gruhl, geboren 1953, ist eine der führenden deutschen Spezialistinnen für Resilienz. Im von ihr gegründeten Resilienzzentrum Osnabrück ist sie als Trainerin, Einzel- und Teamberaterin, Coach und Mediatorin tätig.

Weitere Informationen über sie und ihre Arbeit: www.resilienzzentrum.de

Titel der Originalausgabe von 2008:

Die Strategie der Stehauf-Menschen

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2022

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Sabine Hanel

Umschlagmotiv: Roger Clark ARPS BPE1/shutterstock

E-Book Konvertierung: Newgen publishing

ISBN E-Book: 978-3-451-82688-7

ISBN Print: 978-3-451-03356-8

Inhalt

Einleitung

1.Resilienz als zentrale Kraft im Leben

1.1Was Resilienz bedeutet

1.2Wofür Sie Resilienz brauchen

1.3Wie Resilienz funktioniert

1.4Was Resilienz für Sie und Ihr Leben bedeutet

2.Die 3 Grundhaltungen

2.1Optimismus

2.2Akzeptanz

2.3Lösungsorientierung

3.Die 4 Fähigkeiten

3.1Sich selbst regulieren

3.2Verantwortung übernehmen

3.3Beziehungen gestalten

3.4Zukunft gestalten

4.Resilienz als Prozess

4.1Das Zusammenspiel der Merkmale

4.2Balance zwischen den Resilienzfaktoren

5.Wie starke Menschen mit Resilienz der Überforderungsfalle entkommen

5.1Resilienz als Schlüsselkompetenz in Belastungssituationen

5.2Sieben effiziente Strategien aus der Überforderungsfalle

5.3Selbstwahrnehmung, Selbstrespekt und Selbstsorge

6.Das Leben meistern – Übungsfelder im Alltag

6.1Wege zu mehr Optimismus

6.2Wege zu mehr Akzeptanz

6.3Wege zu mehr Lösungsorientierung

6.4Wie Sie sich selbst besser steuern

6.5Wie Sie Selbstverantwortung übernehmen

6.6Wie Sie Ihre Beziehungen erfolgreich gestalten

6.7Wie Sie mehr Einfluss auf Ihre Zukunft nehmen können

Schlussgedanken

Anmerkungen

Informationen

Einleitung

Bewahre mich vor dem naiven Glauben, es müsste im Leben alles gelingen.Schenke mir die nüchterne Erkenntnis, dass Schwierigkeiten, Niederlagen, Misserfolge, Rückschläge eine selbstverständliche Zugabe zum Leben sind, durch die wir wachsen und reifen.

Antoine de St. Exupéry

Wie viele Schwierigkeiten haben Sie schon überwunden, bis Sie dahin kamen, wo Sie jetzt sind? Welche Hindernisse im Alltagsleben haben Sie beiseite geräumt? Einige davon wahrscheinlich immer wieder? Welche Schicksalsschläge haben Sie vielleicht schon einstecken müssen und sich dann im Leben neu orientiert? Welche Verluste haben Sie schon kompensiert? Welche Krisen überwunden? Die Strategien, die Sie dazu genutzt haben und die Eigenschaften und Fähigkeiten, die Sie dafür aktiviert haben – sicher auch unbewusst –, gehören zu Ihrem Repertoire an Resilienz. Mit Resilienz werden die inneren Kräfte bezeichnet, die es uns ermöglichen, Krisen und Schwierigkeiten nicht nur zu überwinden, sondern gestärkt daraus hervorzugehen.

Resilienz brauchen Sie im beruflichen Umfeld, wo sich für viele Menschen durch betriebsbedingte Kündigungen oder steigende Arbeitsbelastung der Druck erhöht. Sie ist wichtig im privaten Leben, wo Beziehungsprobleme oder finanzielle Einschränkungen den Stresspegel hochschnellen lassen. Und Resilienz ist unentbehrlich, wenn Sie einschneidende Ereignisse wie Krankheit, Tod und andere schwerwiegende Verluste verkraften müssen.

Ist Ihnen eigentlich bewusst, wie Sie das bisher geschafft haben? Welche Gedanken, Gefühle und Handlungen Sie dabei weitergebracht, und welche Sie blockiert oder zurückgeworfen haben? Die meisten Menschen können gar nicht so ohne Weiteres genau beschreiben, wie ihnen solche Siege gelungen sind. Und vielen gelingt es häufig nicht, ihre Strategien und Methoden gezielt auf Situationen zu übertragen, in denen sie aktuell stecken oder die auf sie zukommen können. Denn meistens denken und handeln wir unbewusst, besonders, wenn wir unter Stress oder in Schwierigkeiten sind. Nicht selten machen wir uns sogar ein anderes Bild von unseren Vorgehensweisen, als es der Realität entspricht. Manche schaffen sich dabei ein Wunschbild, sie sind überzeugt, dass sie so reagieren, wie sie sich am liebsten sehen würden. Andere unterschätzen sich und machen sich und ihre Fähigkeiten kleiner, als sie in Wirklichkeit sind. Beide Vorstellungen hindern uns daran, unsere persönlichen Ressourcen wahrzunehmen, gezielt einzusetzen und systematisch zu entwickeln.

Wenn Sie sich häufig in der Rolle desjenigen wiederfinden, der Menschen in seinem Umfeld unterstützt, führt oder inspiriert, haben Sie schon einmal einen Aspekt von Resilienz gut ausgeprägt. Denn einer der wirksamen Schutzfaktoren gegen Probleme, Stress und ungünstige Vorkommnisse ist es, in Verbundenheit zu anderen Menschen zu leben, sich mitzuteilen und auf andere einzugehen.

Wenn Sie sich um andere kümmern, kann das auch Sie selbst stärken und bereichern. Voraussetzung für diese segensreiche Rückwirkung ist allerdings, dass Sie aus freiem Herzen handeln und ohne dass die Menschen auf der anderen Seite Ihnen dafür etwas schuldig sind. Anderen freiwillig etwas Gutes tun, sie ermutigen oder aufmuntern und einen wenigstens kleinen positiven Unterschied in ihrem Leben zu bewirken, macht uns selbst glücklich und stolz und schenkt uns Energie. Wovon wir dabei zehren, ist die Erfahrung, nicht allein auf der Welt zu sein, Verbundenheit mit anderen Menschen zu spüren und im Zusammenwirken zu etwas Größerem beizutragen. Für diese beseelende Erfahrung ist es zweitrangig, auf welcher Seite ich gerade stehe, ob ich nehme oder gebe – das tiefe Gefühl von Verbundenheit strahlt auf alle Beteiligten, die sich ihm überlassen.

Allerdings hört man angesichts der steigenden Anforderungen und Belastungen in unserer Gesellschaft häufig warnende Stimmen. Man müsse lernen sich abzugrenzen, man sei in Gefahr sich zu verströmen und lande letztlich im Burnout, wenn man sich zu viel um andere kümmert. Diese Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen. Sie entsteht jedoch nicht, indem Sie sich um andere Menschen kümmern. Sie entsteht, indem Sie sich dabei selbst vergessen, also nicht selbst bestimmen und steuern, was Sie in welchem Umfang übernehmen können und wollen. Gehören Sie zu den Menschen, die sich für stark halten oder von anderen als grenzenlos belastbar betrachtet werden? Das fünfte Kapitel zeigt Ihnen, welche Aspekte zu berücksichtigen und zu integrieren sind, damit Sie in Ihrem Einsatz nicht erschöpft werden und ihn nicht als lästige oder beschwerliche Pflicht empfinden. Lernen Sie noch bewusster als bisher Ihre Kräfte einschätzen und lenken, damit Sie mit Ihrem Engagement und Ihrer Stärke nicht nur das Leben anderer erleichtern und verschönen, sondern gleichzeitig selbst dabei Lebensfreude, Dankbarkeit und Sinnhaftigkeit erleben.

Denn Resilienz ist lernbar und trainierbar. Für die gerade Schwachen kann das bedeuten ihre Stärke zu entwickeln, indem sie sich etwas zutrauen, über ihre Komfortzone hinausgehen und die Dinge in die Hand nehmen. Für die gerade Starken kann es bedeuten, ihre Belastungsgrenze zu senken, nicht immer sofort in die Bresche zu springen und (vermeintliche) Schwäche auszuhalten. Wenn Sie in der Lage sind, automatisierte Denkmuster und Verhaltensweisen, die Ihnen nicht guttun, zu erkennen, können Sie auch einen Kurswechsel einleiten und durchhalten. Schließlich haben Sie alle Gewohnheiten irgendwann gelernt und können sie durch neu gelernte ablösen.

Ohne es bewusst anzustreben, trainieren Sie Ihre innere Stärke immer dann, wenn Sie sich den Aufgaben und Herausforderungen Ihres Lebens stellen. Sie müssen also die Weiterentwicklung und Stabilisierung Ihrer Resilienz keineswegs nur dem Zufall überlassen. Sie kann gezielt geübt, entwickelt und gefestigt werden. Um Ihnen das zu erleichtern, haben wir in dieser Trainingsausgabe für jeden Resilienzaspekt gezielte Übungen und Anleitungen aufgenommen. Nutzen Sie die Beispiele in den Übungen als Anregung, um sich Ihre persönlichen Gegebenheiten bewusst zu machen. Spielen Sie diese Situationen und Konstellationen anhand der Übungsanleitung möglichst lebensnah durch um einen mentalen und emotionalen Zugang zu möglichen Veränderungen zu bekommen. So erreichen Sie den größten Trainingseffekt.

Dieses Buch ist entstanden vor dem Hintergrund meiner Arbeit im Training und Coaching. Deshalb fließen auch Geschichten und Fragestellungen vieler Teilnehmer mit ein. Die Fallbeispiele beschreiben keine real existierenden Personen, sie sind aus vielen in der Wirklichkeit vorhandenen Facetten zusammengesetzt. So sind sie gleichzeitig fiktiv und authentisch. Liebe Leserinnen, bitte fühlen Sie sich auch angesprochen, wenn ich nur die männliche Form verwende. Der einzige Grund dafür ist die bessere Lesbarkeit und sprachliche Einheitlichkeit.

Ihre Resilienz im Rahmen persönlicher Entwicklung gezielt zu stärken und zu vergrößern, ist eine beachtliche, persönliche Veränderungsinitiative. Indem Sie neue Gewohnheiten in Ihrer Art zu denken, zu fühlen, zu fragen und zu reagieren entwickeln, lassen Sie manche alten hinter sich. Dafür ist es naheliegend, dass Sie sich selber bewusst wahrnehmen und Ihre eigenen Bewältigungsstrategien realistisch einschätzen. Sie können dieses Bild von sich selbst noch abrunden, indem Sie zusätzlich andere um eine ehrliche Einschätzung bitten. So erkennen Sie, welche Elemente von Resilienz Sie ausgeprägt haben und welche Sie eher vernachlässigen. Diese können Sie dann gezielt üben und erweitern. Ein gut gepflegter Fundus an Bewältigungsstrategien ist die Grundlage für ein reiches und gelingendes Leben, was immer es für Sie bereithält.

1.Resilienz als zentrale Kraft im Leben

1.1Was Resilienz bedeutet

Krisen sind Angebote des Lebens,sich zu wandeln.Man braucht noch gar nicht zu wissen,was neu werden soll;man muss nur bereit und zuversichtlich sein.

Luise Rinser

Menschen streben nach einem glücklichen, erfüllten Leben, in dem sie Sinn finden, Werte verwirklichen, mit anderen in Beziehung sind und persönlich wachsen und reifen. Entsprechend dieser Grundannahme der humanistischen Psychologie haben Wissenschaftler und Praktiker sich lange Zeit ausführlich damit befasst, was diese Bestrebungen einschränkt oder behindert. Der Schwerpunkt der Forschung in der Persönlichkeitspsychologie lag darauf, zu untersuchen, unter welchen Bedingungen Störungen oder Fehlentwicklungen zustande kommen.

Die pädagogischen und psychologischen Ansätze hatten also traditionell eher die Einflüsse im Blick, die Menschen in ihrer Entwicklung gefährden können. Eine Neuausrichtung dieser Konzepte lenkte schließlich die Aufmerksamkeit darauf, dass es Menschen gibt, die sich trotz einer Häufung sogenannter Risikofaktoren sehr positiv entwickeln. Daraufhin hat man in Studien zunehmend untersucht, welche Eigenschaften und Fähigkeiten sie ausgeprägt haben, um trotz ungünstiger Bedingungen zu gedeihen. Diese Stärke, die es Menschen offensichtlich ermöglicht, Lebenskrisen ohne langfristige Beeinträchtigung zu meistern, wird Resilienz genannt. Sie setzt sich zusammen aus unterschiedlichen Haltungen, Eigenschaften und Strategien, die beobachtet und beschrieben werden können.

In den siebziger Jahren veröffentlichte die amerikanische Psychologin Emmy Werner zusammen mit Ruth Smith Ergebnisse und Schlussfolgerungen ihrer Langzeitstudie in Kauai auf Hawai. Über 40 Jahre lang hatten sie Kinder beobachtet und begleitet, deren familiärer Hintergrund eine Vielzahl von Risikofaktoren für gutes Gedeihen aufwies – wie Gewalt in der Familie, Armut, niedriger Bildungsstand und andere. Dabei stellte sich heraus, dass gut ein Drittel der Kinder sich hervorragend entwickelte – trotz der vorhandenen Risiken und der damit verbundenen schlechten Prognosen. Diese Kinder hatten bestimmte Eigenschaften und Lebensstrategien, die es ihnen ermöglichten, an den schwierigen und problematischen Verhältnissen nicht zu zerbrechen, sondern daran zu wachsen.

In Studien hat sich gezeigt, dass es nicht in erster Linie die Probleme, Schicksalsschläge oder Katastrophen selbst sind, die das Leben gelingen lassen oder nicht. Entscheidend für persönliche Entwicklung und gelingendes Leben ist die Art und Weise, wie Menschen diesen Widrigkeiten begegnen. Ob Sie an Krisen und Ungemach zerbrechen oder gereift und gestärkt daraus hervorgehen, hängt davon ab, wie resilient Sie sind. Wenn Sie es schaffen, mit den Problemen fertig zu werden, die sich Ihnen in den Weg stellen, so sind Sie zuletzt in ihrer Persönlichkeit gereifter, als Sie es wären, wenn Sie diesen Problemen nicht begegnet wären. Schmerzliche Erfahrungen können helfen, sich von unrealistischen Vorstellungen zu lösen und eingefahrene Gleise zu verlassen. In unabänderlichen Verlusterlebnissen können wir einen neuen oder noch verborgenen Sinn entdecken und schwierige Lebensbedingungen als besonderes Lernfeld betrachten.

Wörtlich bedeutet Resilienz Elastizität. Sie wird auch als Anpassungsfähigkeit oder Widerstandsfähigkeit bezeichnet. Sie lässt Menschen wie ein Gummiband in ihren normalen Zustand zurückschnellen oder sich wie ein Stehaufmännchen immer wieder aufrichten, egal was ihnen widerfährt. Andere bezeichnen Resilienz als ein seelisches Immunsystem. 2005 entsteht auf einem Kongress in Zürich folgende Definition: Resilienz ist »die Fähigkeit von Menschen, Krisen im Lebenszyklus unter Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für persönliche Entwicklung zu nutzen.«1 Dieser Ansatz versteht die Ausprägung von Resilienz als qualitativen Entwicklungsprozess von Individuen, der nicht nur die ursprüngliche Lage wiederherstellt, sondern sie überwindet.

Eine solche Entwicklung setzt voraus, dass wir Probleme, Leid und Schmerz nicht verdrängen, sondern aufmerksam wahrnehmen und annehmen, dass wir sie verarbeiten und in unsere persönliche Erlebnis- und Erfahrungswelt integrieren. Bei Menschen, die uns mit ihrer Weisheit oder Tiefgründigkeit beeindrucken – und das können durchaus auch jüngere Menschen sein – spüren oder erfahren wir oft, dass gerade ihre Schicksalsschläge und deren Verarbeitung zur Reife ihrer Persönlichkeit beigetragen haben. Und vielleicht können Sie auch in Ihrem eigenen Leben feststellen, dass gerade außergewöhnliche Schwierigkeiten und deren Überwindung Sie zu der Person gemacht haben, die Sie sind.

1.2Wofür Sie Resilienz brauchen

Wo das Behagen aufhört und die Notbeginnt, da setzt die Erziehung ein, die unsdas Leben geben will.

Hermann Hesse

Es kommt also weniger darauf an, was Ihnen widerfährt im Leben, sondern vielmehr, wie Sie mit dem umgehen, was Ihnen widerfährt. Resilienz ist ein ständiger Prozess, der Risiken und Widrigkeiten nicht eliminiert, sondern Ihnen hilft, besser damit umzugehen. Im engeren Sinn wird mit Resilienz die innere Stärke von Menschen beschrieben, die schwere Schicksalsschläge und außergewöhnliche Widrigkeiten überwunden haben.

Doch Resilienz brauchen Sie auch, wenn Ihnen solche traumatischen Geschehnisse in Ihrem bisherigen Leben erspart geblieben sind. Widrigkeiten und Krisen gehören nun einmal zum Leben dazu. Die meisten Menschen müssen im Lauf ihres Lebens mit körperlichen, seelischen oder geistigen Störungen oder Beeinträchtigungen bei sich selbst oder in ihrem Umfeld zurechtkommen. Wenn Ihr Partner ernsthaft erkrankt oder Ihre Tochter eine Angststörung entwickelt, sind Sie auch gefordert, diese Situation für sich selbst zu bewältigen. Resilienz ist nicht nur ein Schutz gegen die Möglichkeit, unvorstellbarem Leid ausgesetzt zu sein. Sie ist eine grundsätzliche Geisteshaltung, die auch in allen Aspekten des gewohnten Alltagslebens dienlich ist. Sie bietet bei einmaligen, einschneidenden Ereignissen im Leben wie auch bei immer wiederkehrenden, alltäglichen ein Reservoir an emotionaler Stärke und praktischen Fähigkeiten.

Nicht nur die unvorhersehbaren Veränderungen und Umbrüche haben großen Einfluss auf unser Leben und unsere persönliche Entwicklung, sondern auch die sogenannten »normativen Krisen«2. Das sind vorhersehbare Lebenswendepunkte wie Pubertät, Heirat, Ende der Berufstätigkeit. An ihnen wird deutlich, wie unerlässlich es für jeden ist, sich immer wieder an neue Lebensumstände anpassen zu können. Wir müssen Vertrautes aufgeben. Wir müssen unser Selbstbild oder unsere persönlichen Lebensziele korrigieren. Liebgewordene Beziehungen enden, und andere werden neu geknüpft. Neue Belastungen verlangen die Aktivierung neuer Ressourcen. Daher ist die Entwicklung von Resilienz nie abgeschlossen.

Und doch ist sie keine feste Größe oder einmalige Errungenschaft, sondern ein lebenslanger Prozess. Keiner kann vorhersagen, wer welchem Druck ausgesetzt sein wird, oder welche Ereignisse wen besonders hart treffen. Auch wenn Sie ein weitgehend sorgenfreies Leben führen, können unerwartete Situationen Sie jederzeit an Ihre körperlichen, mentalen und seelischen Grenzen bringen. Resilienz ist nicht in erster Linie als Absicherung gegen die Möglichkeit unfassbar tragischer Krisen zu begreifen; vielmehr ist sie als eine Reserve-Fähigkeit zu verstehen, die jeder Mensch braucht. Sie ermöglicht Ihnen, auf künftige Schwierigkeiten vorbereitet zu sein, und aktiviert Ihr Potenzial für Veränderung und lebenslange persönliche Entwicklung. Eine resiliente Grundhaltung nützt Ihnen in allen Aspekten des Alltagslebens. Indem Sie Ihre Resilienz stärken, schaffen Sie sich Bewältigungsreserven, ein Polster für schlechtere Zeiten.

1.3Wie Resilienz funktioniert

Hindernisse machen uns groß.

André Chénier

Wie reagieren Sie auf unerwartete Ereignisse oder Änderungen? Schmieden Sie umgehend neue Pläne, lenken Sie sich ab, akzeptieren Sie das Unvermeidliche oder resignieren Sie schnell? Diese »Vorlieben« zeigen, ob Ihr Spektrum von Bewältigungsstrategien eher konstruktive oder eher schlecht angepasste Möglichkeiten aufweist. Sie können eine Veränderung als Herausforderung betrachten, als eine Bedrohung oder als eine neue Möglichkeit. Wie Sie eine Erfahrung wahrnehmen, beeinflusst wiederum, wie Ihre Reaktion ausfällt. Die gute Nachricht: Sie können sowohl Ihre Wahrnehmung als auch Ihre Erwartungen und Reaktionen steuern.

Resilienz ist also keine feststehende Eigenschaft, die Sie haben oder nicht haben. Sie ist ein lebenslanger, aktiver Prozess, der sich zwischen Ihnen und Ihrer Umwelt abspielt. Es ist die unzureichende Verarbeitung von negativen Erfahrungen, Einschränkungen und Belastungen, die zu Problemen und unangepassten Reaktionen führt, es sind nicht die Ereignisse oder Vorfälle an sich. Sich erfolgreich anpassen zu können, ist eine Kernfähigkeit der Lebensbewältigung. Menschen werden im Leben immer wieder mit unberechenbaren Ereignissen konfrontiert, bei denen sie mit ihrem gewohnten Verhaltensprogramm an ihre Grenzen kommen. Es lässt sich nie mit Sicherheit vorhersagen, welche Herausforderungen für den Einzelnen seine resilienten Fähigkeiten in besonderem Maß erfordern. Es kann sein, dass jemand seine Arbeitslosigkeit ausgezeichnet bewältigt und drei Jahre später den Boden unter den Füßen verliert, weil seine Frau ihn verlässt – oder umgekehrt. Einige Situationen verlangen mehr Resilienz als andere, und manche Menschen brauchen sozusagen jedes Gramm.

Die persönliche Grundausstattung an Resilienz entsteht in der Wechselwirkung zwischen genetischer Anlage und Einflüssen der Umgebung. Menschen unterscheiden sich aber nicht nur in ihren Anfangstalenten, sondern auch in ihrer Fähigkeit, Resilienz zu steigern. Einzelne Schutzfaktoren werden mehr oder weniger stark ausgeprägt. Bestimmte Eigenschaften zu entwickeln, fällt dem einen schwerer als dem anderen, manchmal erscheint der ganze Prozess mühsam und beschwerlich. Wenn wir unsere Muskeln und unseren Kreislauf nicht trainieren, geraten wir schon bei leichter körperlicher Bewegung aus der Puste oder bekommen Muskelkater, größere Anstrengungen überfordern uns schnell. Mit Resilienz ist es genauso. Wer seine Denk- und Verhaltensgewohnheiten nicht immer wieder überprüft und trainiert, wird schon von Kleinigkeiten aus der Bahn geworfen und hat sogar Probleme, seine vorhandenen Fähigkeiten zu aktivieren. Das Training ist nie abgeschlossen. Doch es zahlt sich aus. Sie werden im Lauf der Zeit fähiger, die Wechselfälle des Lebens zu bewältigen. Sie werden besser darin, sich anzupassen und Veränderungen zu integrieren. Jeder profitiert davon, seine Resilienz zu stärken, egal wie intelligent, reich oder verwöhnt er ist.

1.4Was Resilienz für Sie und Ihr Leben bedeutet

Die Dinge sind nie so, wie sie sind.Sie sind immer das, was man aus ihnenmacht.

Jean Anouilh

Wie resilient sind Sie? Wo haben Sie erlebt, dass Sie resilient waren? Oder es gerne gewesen wären? In welchen aktuellen Situationen könnten Sie (mehr) Resilienz gebrauchen? Was könnte auf Sie zukommen?

Resilient zu sein heißt nicht, dass Sie frei sind von Stress und Druck, von Konflikten und Widrigkeiten, sondern dass Sie mit diesen Problemen erfolgreich umgehen können, wenn sie auftauchen. Resiliente Menschen erleben nicht weniger Ängste und Unsicherheiten als andere, wenn sie mit einschneidenden Ereignissen konfrontiert werden, sie lassen sich nur nicht davon überwältigen. Sie verfügen über wirksame Methoden, um wieder in Balance zu kommen.

Im Prinzip bedeutet Resilienz, nach Turbulenzen die Kontrolle wiederzugewinnen. Diesen Anpassungsprozess durchläuft jeder Mensch auf seine eigene Art und Weise. Resilienz beschleunigt diese Anpassung, indem sie ungünstige und problemverschärfende Verhaltensweisen minimiert und die innere Balance wiederherstellt. Sie können Resilienz erlernen und trainieren, indem Sie sich resiliente Geisteshaltungen, Denk- und Verhaltensgewohnheiten zu eigen machen. An kleinen Herausforderungen lässt sich exemplarisch lernen und üben, wie man große Krisen meistert. Die sieben Resilienzfaktoren bilden die entscheidenden Bausteine für Ihr persönliches Krisenmanagement. Wenn Sie diese Schutzfaktoren in jeweils passender Kombination nutzen, haben Sie eine starke Kraft für persönliche Entwicklung zur Verfügung.

Wer resilient ist, kann Veränderungen und Umbrüche generell besser bewältigen. Da wir gesamtgesellschaftlich zunehmend mit Ungewissheit, Unbeständigkeit und Kurzlebigkeit zurechtkommen müssen, ist eine gute Anpassungsfähigkeit eine Kernfähigkeit der Lebensbewältigung. Darüber hinaus ist sie auch eine Kompetenz der bewussten Lebensgestaltung und persönlichen Entwicklung. Resiliente Menschen sind nicht nur in der Lage, Schwierigkeiten zu »managen«, sondern gerade im Überwinden dieser Schwierigkeiten Stärken zu entwickeln und als Persönlichkeit zu reifen. Das ist verbunden mit beständiger innerer Arbeit.

Resilienz heißt allerdings ganz und gar nicht »immer stark« zu sein. In schweren Krisen sind Zusammenbruch, Verzweiflung und Desorientierung zeitweilig angemessen und sogar heilsam. Sie sind eine Voraussetzung, um Wiederherstellung und Erneuerung in ihrer ganzen Tiefe und Tragweite zu erleben. Erst dadurch wird die Krise wirklich verarbeitet und die neuen Aspekte werden integriert. Kurz gesagt: Gerade durch die Krisenerfahrung kommt der Zuwachs an Resilienz. Mit der Art der Verarbeitung entscheiden Sie darüber, ob Sie eine Erschütterung übergehen, sie lediglich überstehen oder gestärkt daraus hervorgehen. Resilient zu sein bedeutet mehr, als nur mit dem Dasein zurechtzukommen und sein Leben unter Schadensbegrenzung irgendwie zu bewältigen. Es bedeutet, zu gedeihen und seinen Weg zu finden. Es bedeutet, immer wieder die Steine auf diesem Weg zu überwinden und daraus Vitalität, Stärke und Lebensmut zu ziehen.

Ein resilienter Lebensstil durchzieht alle Lebensbereiche: Arbeit, Privatleben, Familie, Freunde, Teams. Ein Mangel in einem dieser Felder greift auf die anderen über. Ebenso wirkt sich die Erfahrung, eine Herausforderung in einem Bereich gemeistert zu haben, auf Ihre gesamte Lebensqualität aus. Sie sind der Architekt für die Balance in Ihrem Leben, die Balance zwischen den Resilienzfaktoren und die Balance zwischen sich ständig ändernden Umständen und Prioritäten.

2.Die 3 Grundhaltungen

Wie verschiedene Studien3 belegen, lassen sich als wesentliche Bestandteile von Resilienz sieben Schutzfaktoren beschreiben, die sich wechselseitig beeinflussen. Resiliente Menschen zeichnen sich durch eine effiziente Kombination von Eigenschaften aus, die auf drei Grundhaltungen beruht: Optimismus, Akzeptanz und Lösungsorientierung.

2.1Optimismus

Mitten im Winter habe ich erfahren,dass es in mir einen unbesiegbarenSommer gibt.

Albert Camus

Wenn Sie vor einer schwierigen Aufgabe oder Situation stehen, worauf richten Sie automatisch Ihre Aufmerksamkeit? Geht Ihnen eher durch den Kopf, welche Probleme sie beinhaltet und welche Konsequenzen folgen könnten, wenn Sie nicht damit fertig werden? Belasten Sie sich mit Gedanken an Ihre Unerfahrenheit mit dieser speziellen Anforderung? Oder denken Sie zuerst daran, was Sie an dieser Aufgabe reizt? Geht Ihnen durch den Sinn, wie viele Probleme Sie schon gelöst haben? Machen Sie sich bewusst, was der Lohn ist, wenn Sie es schaffen?

Optimisten und Pessimisten unterscheiden sich in der Art und Weise, wie sie sich selbst, andere Menschen und die Welt sehen, fühlen und erleben. Wenn Probleme auftauchen, aktivieren Optimisten automatisch ihre Strategien für Krisenmanagement, während Pessimisten sich auf die desolaten Anteile der Situation und mögliche kommende Schwierigkeiten konzentrieren.

Positive Weltsicht

Wie sehen Sie Ihre Umgebung? Wie ist Ihre grundsätzliche Haltung gegenüber anderen Menschen? Was erwarten Sie von der Zukunft?

Mit welcher Grundhaltung wir auf die Welt schauen und auf die Menschen in unserer Umgebung zugehen, wirkt wie ein Sieb für unsere Wahrnehmung. Aus ein und derselben Situation filtern wir ganz unterschiedliche Aspekte heraus. Wir sehen, hören und verarbeiten bevorzugt die Anteile, die wir erwarten und die unsere Vorannahmen bestätigen. Resiliente Menschen betrachten neue Situationen und Gegebenheiten vor allem als unerwartete Chancen, Gedanken an zukünftige Möglichkeiten geben ihnen einen Energieschub. Rückschläge oder Enttäuschungen buchen sie zumindest im Nachhinein als Erfahrungen ab, die sie weiterbringen. Wenn die Umstände nicht so sind, wie sie es sich vorstellen, suchen sie nach dem Guten im Schlechten.

Patrick und Sven sind zwei befreundete Bereichsleiter in einer Pflegeeinrichtung. Beide sind davon ausgegangen, dass sie so lange in ihrer Funktion bleiben, bis sie weiter aufsteigen oder in Rente gehen. Als ein neuer Träger die Einrichtung übernimmt, werden die beiden Abteilungen zusammengelegt. Patrick gelingt es schnell, dieser Konstellation etwas Positives abzugewinnen. Als Optimist fallen ihm etliche Vorteile und Gestaltungsmöglichkeiten ein. »Vielleicht können wir uns die Leitung teilen, dann könntest du deine Weiterbildung machen und ich ein paar Sonderaufgaben übernehmen. Oder die Aufgaben werden ganz anders zugeschnitten, dann hätten wir Gelegenheit, unsere verschiedenen Interessen und Fähigkeiten ins Spiel zu bringen. Ist doch auch schön, wenn man wieder mal was Neues anfangen kann.« Sein Kollege Sven dagegen ist durch schlimmste Befürchtungen regelrecht gelähmt: »Sie werden uns beide gegeneinander ausspielen und unsere Freundschaft geht den Bach runter! Und die Kollegen werden ihren Frust an uns auslassen.« Durch seine negative Weltsicht fließt seine Energie in Richtung Grübeln, Sorgen und Vermeiden. Das bestätigt und verstärkt wiederum seine negative Wahrnehmung und erstickt Lösungsideen im Keim. Wie eine Person ein Ereignis wahrnimmt, sagt mehr über die Person aus als über die Situation an sich. Optimisten suchen auch in schwierigen Situationen nach positiven Aspekten, die darin enthalten sind: mindestens eine Herausforderung, an der sie etwas lernen können. Ihre positive Grundstimmung setzt mentale Energien frei und bringt sie auf kreativere Lösungen.

Positives Selbstbild

Wie denken Sie über sich selbst? Was trauen Sie sich zu? Bringen Sie sich selbst Respekt und Wertschätzung entgegen? Sprechen Sie sich selbst in schwierigen Zeiten Mut zu? Oder werten Sie sich und Ihre Fähigkeiten in Gedanken und Selbstgesprächen ab?

Resiliente Menschen sehen sich grundsätzlich in der Lage, mit den Wechselfällen des Lebens fertig zu werden. Ihr Selbstwertgefühl ist im Kern weitgehend unabhängig von äußeren Einflüssen. Schicksalsschläge oder Misserfolge führen sie nicht in erster Linie auf eigenes Versagen oder persönliche Unzulänglichkeiten zurück. Patrick ist überzeugt, dass er die neue Situation meistern kann. Er geht davon aus, dass er gegebenenfalls lernen kann, was er dazu braucht, und dass er dabei auf Hilfe und Unterstützung zählen kann. Auch wenn sie vorübergehend Enttäuschungen, Leid und Frustration ertragen müssen, fühlen Optimisten sich nicht auf Dauer hilflos ausgeliefert. Patrick ist überzeugt, dass er sowohl auf seine Kollegen und Vorgesetzten als auch auf die Entwicklungen in der Einrichtung zumindest teilweise Einfluss nehmen kann. Sven dagegen versucht erst gar nicht, seine Probleme aktiv anzugehen und Lösungsmöglichkeiten durchzuspielen. Gerade dadurch vermindert er seine Fähigkeiten, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen und die damit verbundenen Widrigkeiten zu überwinden. Menschen mit einem negativen Selbstbild deuten Schwierigkeiten oder Rückschläge oft als Beweis für ihre eigene Unfähigkeit oder Minderwertigkeit. Wer hingegen fest davon überzeugt ist, dass er es trotz aller Unsicherheiten und Unwägbarkeiten schaffen kann, ist viel eher bereit, erste kleine Schritte zu gehen, und erfährt dadurch Schubkraft für die nächsten, vielleicht schwierigeren Phasen.

Ein optimistisches Selbstbild zu haben, ist nicht gleichzusetzen mit unkritischer Selbstüberschätzung. Resiliente Menschen bagatellisieren ihre Unzulänglichkeiten nicht und leugnen nicht, dass ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten begrenzt sind. Doch sie glauben an ihre Selbstwirksamkeit4: Sie sind überzeugt, dass sie ihre Probleme lösen und ihr Leben meistern können. Weder machen sie sich klein und geben sich selbst die Schuld am Lauf der Dinge noch fühlen sie sich persönlich gekränkt oder vom Schicksal benachteiligt.

Realistischer Optimismus

Resiliente Optimisten machen sich ein sehr klares Bild von ihrer Lebenssituation: Sie konzentrieren sich auf das Positive, ohne dabei die Schwierigkeiten aus dem Blick zu verlieren. Der Optimismus resilienter Menschen ist weder Wunschdenken noch blinde Vertrauensseligkeit oder Ignorieren der Realitäten. Es ist die Überzeugung, dass in nahezu jeder Schwierigkeit ein verborgener Gewinn steckt. Wir müssen nur die Fähigkeit entwickeln, ihn zu finden.

Resiliente Menschen halten den Prozess vom naiven zum fundierten Optimismus5 durch. Sicher haben Sie auch schon erlebt, dass Sie schwungvoll mit neuen Vorsätzen gestartet sind, dann aber gemerkt haben, wie mühsam es ist, das Ganze wirklich durchzuziehen. Häufig werden dann neue Wege resigniert abgebrochen oder das Vorhaben verläuft stillschweigend im Sande. Wenn bei der Umsetzung von Vorhaben und Vorsätzen der anfängliche Enthusiasmus durch neue Informationen oder unerwartete Schwierigkeiten erlahmt, suchen resiliente Menschen praktikable Lösungswege und angemessene Erfolgsstrategien. Sie ignorieren gravierende Risiken und Hindernisse nicht, sondern bereiten sich darauf vor. Und sie sind bereit, sich anzustrengen, um sie zu überwinden. So entsteht ein fundierter Optimismus, das bedeutet Zuversicht und Vertrauen auf einen guten Ausgang im Bewusstsein der damit verbundenen Mühen und Schwierigkeiten. Resiliente Menschen entwickeln und erweitern beständig ihre Möglichkeiten, zu einem positiven Ausgang beizutragen.

In komplexen Situationen hilft eine leichte Tendenz zur Selbstüberschätzung, um Wagnisse einzugehen, neue Erfahrungen zu machen, Grenzen zu überschreiten und dazuzulernen. Wer immer versucht, alle riskanten oder problematischen Einzelheiten, die mit einer Entscheidung verbunden sind, zu bedenken und einzukalkulieren, wird sich auf viele grundsätzlich positiven Vorhaben gar nicht einlassen können.

Zusammenfassung:

Ausgeprägt negative Sichtweisen schränken unsere Wahrnehmung für Positives ein und »vergiften« sie. Resiliente Menschen entwickeln und festigen ihre positive Weltsicht, indem sie besonders den erfreulichen Aspekten ihrer Umgebung ihre Aufmerksamkeit schenken, ohne jedoch Probleme, Gefahren und Risiken zu ignorieren.

Menschen mit einem negativen Selbstbild nehmen Fehlschläge leicht persönlich. Sie glauben, dass diese nur ihnen widerfahren und führen das auf ihre eigene Minderwertigkeit zurück. Menschen mit einem positiven Selbstkonzept dagegen ist bewusst, dass viele Vorfälle gar nichts mit ihnen persönlich zu tun haben, sondern vielen anderen auch passieren oder passieren könnten. Ein negatives Selbstbild hält uns davon ab, die Bewältigung von Schwierigkeiten in Angriff zu nehmen und geeignete Fähigkeiten zu erlernen.

Realistische Optimisten hoffen auf einen positiven Ausgang und arbeiten aktiv darauf hin. Sie gehen nicht naiv davon aus, dass die Dinge automatisch und ohne jedes Zutun eine positive Wendung nehmen. Resiliente Menschen freuen sich, wenn das geschieht, sind aber auch bereit, das Ihre zu tun, um gewünschte Ergebnisse hervorzubringen.

Wege zu mehr Optimismus: s. Kap. 6.1.

Woran Sie fehlenden Optimismus erkennen

So wie wir eingeschliffene Verhaltensweisen lernen, die wir nach Bedarf »abspulen« können, so entwickeln wir auch Denkgewohnheiten, die automatisiert ablaufen und uns nicht bewusst sind. Auf bestimmte Reize, z. B. Ereignisse oder Verhaltensweisen anderer Menschen, reagieren Sie unwillkürlich: Ihnen schießen ganz bestimmte vertraute Gedankenmuster durch den Kopf. Diese wirken sich unvermittelt auf Ihre Befindlichkeit aus; mit Ihren Gedanken können Sie sich lähmen, beruhigen oder motivieren.

Dauer und Wechsel:»Nach Sonne kommt immer Regen.«

Pessimistische Menschen erinnern sich und andere immer wieder daran, dass die guten Zeiten und die glücklichen Momente vorbeigehen. Sie neigen dazu, zu vergessen, dass dieser Satz auch umgekehrt gilt. Ihre vorherrschenden Gedanken an den Wechsel zum Schlimmeren beeinträchtigen auch ihre glücklichen Momente. In der Krise dagegen fühlen sie sich bestätigt, dass sie es schon vorher gewusst (und gesagt) haben.

Verallgemeinerung: »Alles ist verloren.«

Pessimistische Menschen verallgemeinern Fehlschläge und Misserfolge. Wenn sie in einem Fall eine Enttäuschung oder Niederlage hinnehmen müssen, weiten sie diese Erfahrung auf weitere Bereiche aus oder schreiben sie fest für alle Zeiten. Indem sie fest davon ausgehen, dass ihnen Ähnliches immer wieder passieren wird, schaffen sie durch ihre Erwartungen die besten Voraussetzungen dafür, dass es auch so kommt.

Persönliche Zuschreibung: »Das passiert nur mir.«

Pessimistische Menschen suchen die Ursache für Fehlschläge und Misserfolge bei sich selbst. Indem sie alles ihrer eigenen Unzulänglichkeit, Minderwertigkeit oder ihrem Pech zuschreiben, blenden sie aus, dass andere ebenso betroffen sind, aber ganz anders darauf reagieren. Da sie sich in der Regel wenig in andere hineinversetzen oder unvoreingenommenes Interesse an dem zeigen, was andere bewegt, nehmen sie gar nicht wahr, mit welchen Schwierigkeiten andere zu kämpfen haben.

2.2Akzeptanz

Alle Dinge geschehen aus Notwendigkeit.Es gibt in der Natur kein Gutes und keinSchlechtes.

Spinoza

Wie reagieren Sie, wenn die Dinge nicht so laufen, wie Sie es sich vorstellen? Was löst es bei Ihnen aus, wenn Sie von anderen Menschen enttäuscht sind? Welche Haltung haben Sie gegenüber einem Unglück, das Ihnen widerfahren ist oder widerfährt? Was geht in Ihnen vor, wenn Sie an Ihre Grenzen kommen?

Resiliente Menschen wissen und akzeptieren, dass Unglück, Enttäuschung und Widrigkeiten Teile des Lebens sind, die sich weder vermeiden noch spurlos beseitigen lassen. Andere lehnen sich auf gegen Umstände, auf die sie keinen Einfluss haben, oder hadern dauerhaft damit, dass sich die Dinge anders als erwünscht entwickelt haben. Mara trauert noch als Fünfzigjährige einem verpassten Studium hinterher. Ralf grübelt, ob er nicht eine entscheidende Karrierechance versäumt hat, und will sich nicht damit abfinden, dass seine Kinder andere Lebenspläne verfolgen, als er vorgesehen hat. Menschen mit einer akzeptierenden Grundhaltung hingegen nutzen ihre mentale und emotionale Energie dafür, unabänderliche Gegebenheiten konstruktiv zu verarbeiten und in ihr Leben zu integrieren. Bei einschneidenden und schwerwiegenden leidvollen Erfahrungen nehmen sie sich ausreichend Zeit wahrzunehmen, was geschehen ist, und sich nach und nach der veränderten Realität anzupassen. Akzeptanz bedeutet nicht, sich fatalistisch in alles zu fügen. Akzeptanz heißt, sich Schritt für Schritt der Wirklichkeit zu öffnen, um sie zu begreifen und anzunehmen. Danach gilt es zu überlegen, wie man weitergehen will. Sowohl Ereignisse als auch Fähigkeiten und Eigenschaften enthalten immer positive und negative Anteile. Wenn wir dies anerkennen, statt einen Teil abzulehnen oder aus unserem Bewusstsein zu verdrängen, können wir die verschiedenen Seiten zumindest vorübergehend integrieren. Dass sie nicht studieren konnte, ist für Mara vielleicht eine große Enttäuschung gewesen, doch es hat auch ihren Wissensdurst und ihr Interesse an akademischen Fragestellungen wachgehalten. Dass Ralf die Möglichkeit nicht wahrgenommen hat, für seine damalige Firma ins Ausland zu gehen, hat viel zur Verwurzelung seiner ganzen Familie beigetragen. Dass sein Sohn weder ein Studium noch einen Auslandsaufenthalt ins Auge fasst, obwohl Ralf ihm das gerne ermöglichen würden, zeigt auch, mit wie viel innerer Unabhängigkeit dieser sein Leben gestaltet.