Rhythmus des neuen Europa - Gerrit Engelke - E-Book

Rhythmus des neuen Europa E-Book

Gerrit Engelke

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Beschreibung

Mit nur 28 Jahren starb Engelke an der Front im Ersten Weltkrieg. Dieser Band, der seine Idee von einem geeinten Europa widerspiegelt, beinhaltet alle seine wichtigen Gedichte.

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Seitenzahl: 54

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Rhythmus des neuen Europa

Gerrit Engelke

Inhalt:

Schöpfung

Der rasende Psalm

Mensch zu Mensch

Stadt

Auf der Straßenbahn

Lokomotive

Die Fabrik

Wie bin ich heute selig

Der Zwerg

Dreizehn Jahre alt

Katzen

Der Briefbeutel

Wenn du kämst? wenn du kämst!

Der Mann spricht

An den Tod

Du Paradies

Der Töneschichter

Beethoven

Ich weiß: ich bin ein Leben

O göttliche Benommenheit

Zu viele Menschen, zu viele Straßen

An die Mutter in Seattle

Gott braust

Ich will heraus aus dieser Stadt

Neuer Stolz des Weltmenschen

Das Weltrad

Weltgeist

Alles zu Allem

Herbst

Seele!

Allheimat

Verlorenheit

Tagtaumel

Ich möchte hundert Arme breiten

Brand

Die Ahnen des Hauses

Der Tod im Schacht

Der alte Mann

Nachtgedanken

Blut – Strom

Alles in Dir

Lied der Kohlenhäuer

Der ewige Herzklang

Frage

Ein herbstlich Lied für Zweie

Nachtsegen

Die Frauen gehen an Don Juan vorüber

Wirbal (mit dem Blutspeer)

Schlummermelodie

O' Tehura

Weltfrühling

Ich bin nur ein Tropfen

Euridyke

Dorfabend

Saaten säen

Am Meerufer

Horch: deine Seele

Apassionata

Nach schwerem Traum

Der Wanderer im Schnee

Buch des Krieges

Mittags unterm Baume liegend

In Flut und Licht

Sonne

Romanze in allen Regenbogenfarben

An die Soldaten des großen Krieges

Rhythmus des neuen Europa , G. Engelke

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849611651

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Vladislav Gansovsky - Fotolia.com

Schöpfung

Nicht Raum, nicht Zeit, nur Nacht und Nacht.

Nur Nacht, von Nacht noch überdacht.

Ein trächtig Sausen wogend schwoll –

Da! plötzlichgroß ein donnernd »Ich«! erscholl –

Da: Er! – Er saß in Nacht,

Und Er – Er war die Nacht.

Der Anfang war erwacht.

Er saß im Anfangsnacht-Getreibe

Mit schwangerem Hirn und Leibe,

Um Seinen Körper rauchte Schweiß.

Ein helles Strahlen ging aus Seinem Kopf –

Und wurde dicht und hell: zum Silber-Mond-Kreis,

Aus Seinen Augen fiel ein Lichtgetropf:

Und irrte wirr im Dunkel:

Sterngefunkel.

Da scholl es wieder fürchterlich:

Das All-Gebär-Gebrüll: »Ich«!

Da riß Er auf mit Händekrallen Seine Stirn:

Und offen lag in Dampf: das rote Feuer-Hirn!

Er riß ein Stück heraus:

Er ballte eine Kugel draus

Und hielt das Glühen in die Nacht,

Er hing es in den Braus:

Die Sonne war erwacht!

Ein Glühgezisch, das Funken sprühte,

Das heiß die schwere Nacht durchglühte,

Daß Mond und jeder Stern verblühte

Und alles Dunkel schwand.

Hochoben hing der Sonne-Brand.

Da riß Er mit den Händekrallen

Aus Seinem Leib das Alles-Herz!

Schrie »Ich«! und »Ich«! in Dampf und Schmerz –

Und ließ es in die Tiefe fallen –

Er ließ es in die Tiefe fallen

Und setzte Seinen Fuß darauf.

Und setzte Seinen Fuß auf diese Welt

Auf Seine, Seine Welt,

Von Sonne überhellt.

Zum Letzten rief er wieder »Ich«:

Gedehnt und G0äterlich beschließend,

Als erster Wohlklang aus Ihm fließend,

Und ließ ein Teilchen Zeugungs-Hirn aus Seiner Hand

Tief abwärts fallen auf das neue, runde Land:

Und da! und da: der Same quoll;

Ein Wesen, neues Wesen schwoll:

Und stieg – und stand auf dem Geroll: –

Der Mensch! der Mensch! der Mensch!

Der sah den All-Gebärer nicht!

Er sah das Licht, nur Licht und Licht!

Er hob ergriffen seine Hände hoch,

Ein schäumend Stammeln seinem Mund entflog,

Das große Leuchten bog

Seine Knie –

Da brach aus seinem Munde jäh ein Sang:

Voll Rausch, voll niegehörtem Urwelt-Klang:

Vom wilden Leben hochgeschwellt:

Hinauf! Hinauf!

Zum ersten Tag! Zum Ewig-Tag!

Zum Tag der Welt.

Der rasende Psalm

Gott! Zeus! – Christ! Pan!

Gott!Baal! – Zeus! Pan!

Inder-Somar! Wolken-Donar!

Großer Lama! Schöpfer-Brahma!

Aller Götterhirne Schädelhaus!

Alles Götteratems Luftgebraus!

All-Hirn! Kraft-Stirn!

Zorn-Arm! Welt-Darm!

Lebenslunge! Kosmoszunge!

Alles Sommerblühens Baum,

Alles Narren-Denkens Schwinge,

Aller Tatenfäuste Daum,

Fleisch und Seele aller Dinge:

Anfangsall-Gebärer:

Ewig-Forternährer:

Wirf herab die Böllerpauke!

Wirf herab die Weltenpauke!

Aller Städtemenschen Herdenstrom

Will ich schlagen laut und barsch,

In Fabrik- wie Kirch- und Wolkendom,

Generalgewaltenmarsch!

Alle Laster, Leidenschaften,

Alles Werdens Mutterschaften,

Dirnenliebe, vielgeschmähte,

Alle Telegraphendrähte,

Alles Krankenhaus-Gestöhn,

Aller Hammer Schlag-Gedröhn,

Alle krummen Straßenstränge,

Allen Wirtshaus-Lärm,

Militärkapellen-Klänge,

Alles Mensch-Gedärm

Will ich auf die Pauke spannen,

Daraus Groß-Gesänge bannen!

Trotzig meine Pauke tragen:

Und mit harten Knöcheln schlagen!

Daß sie jedes Ding mit Ehrfurcht nennen,

Deinen Körper überall erkennen!

Deines Gipfel-Kopfes

Wolkenschaum-Gelock,

Deines Mundes-Topfes

Städtequalm-Geflock,

Deiner Brüste-Pamir-Platte,

Deines Bauches Straßen-Därme,

Deines Leibes Krater-Wärme,

Deiner Füße Länder-Matte,

Deiner großen Zornes-Pforte

Schwarz-Gewitterwolken-Graus,

Deiner tiefen Kosmos-Worte

Neunte-Symphonie-Gebraus.

Eifersvoll beschlag ich gell

Deiner Pauke Paukenfell:

Daß man hört durch mich!

Alles-Gottheit Dich!

Mensch zu Mensch

Menschen, Menschen alle, streckt die Hände

Ueber Meere, Wälder in die Welt zur Einigkeit!

Daß sich Herz zu Herzen sende:

Neue Zeit!

Starke Rührung soll aus euren Aufenthalten

Flutgleich wellen um den Erdeball,

Mensch-zu-Menschen-Liebe glühe, froh verhalten,

Ueberall!

Was gilt Westen, Süden, Nähe, Weitsein,

Wenn Euch Eine weltentkreiste Seele millionenfältigt!

Euer Mutter-Erde-Blut strömend Ich- und Zeitsein

Ueberwältigt!

Menschen! Alle Ihr aus einem Grunde,

Alle, Alle aus dem Ewig-Erde-Schoß,

Reißt euch fort aus Geldkampf, Krieg, der Steinstadt-Runde:

Werdet wieder kindergroß!

Menschen! Alle! drängt zur Herzbereitschaft!

Drängt zur Krönung Euer und der Erde!

Einiggroße Menschheitsfreunde, Welt- und Gottgemeinschaft

Werde!

Stadt

Zehntausend starre Blöcke sind im Tal errichtet,

Aus: Stein auf Stein um Holz- und Eisenroste hochgeschichtet;

Und Block an Block zu einem Berg gedrückt,

Von Dampfrohr, Turm und Bahn noch überbrückt,

Von Draht, der Netz an Netze spinnt.

Der Berg, von vielen Furchen tief durchwühlt:

Das ist das große Labyrinth,

Dadurch das Schicksal Mensch um Menschen spült.

Fünfhunderttausend rollt im Kreis das große Leben

Durch alle Rinnen fort und fort in ungeheurem Streben:

In Kaufhaus, Werkstatt, Saal und Bahnhofshalle,

In Schule, Park, am Promenadenwalle,

Im Fahrstuhlschacht, im Bau am Krahn,

Treppauf und ab, durch Straßen über Plätze,

Auf Wagen, Rad und Straßenbahn:

Da schäumt des Menschenstrudels wirre Hetze.

Fünfhunderttausend Menschen rollt das große Leben

Durch alle Rinnen fort und fort in ungeheurem Streben.

Und karrt der Tod auch Hundert täglich fort,

Es braust der Lärm wie sonst an jedem Ort.

Schleppt er vom Hammer-Block den Schmied,

Schleppt er vom Kurven-Gleis den Wagenleiter:

Noch stärker brüllt das Straßenlied:

Der Wagen fährt – der Hammer dröhnt weiter.

Auf der Straßenbahn

Wie der Wagen durch die Kurve biegt,

Wie die blanke Schienenstrecke vor ihm liegt:

Walzt er stärker, schneller.

Die Motore unterm Boden rattern,

Von den Leitungsdrähten knattern

Funken.

Scharf vorüber an Laternen, Frauenmoden,

Bild an Bild, Ladenschild, Pferdetritt, Menschenschritt –

Schütternd walzt und wiegt der Wagenboden,

Meine Sinne walzen, wiegen mit!: