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Studienarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Skandinavistik, Note: sehr gut, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (Germanistisches Institut), Veranstaltung: Proseminar "Von Odin und Gandalf- Die Rezeption des alten Nordens in skandinavischen und anderen Literaturen", Sprache: Deutsch, Abstract: Gegenstand dieser Arbeit ist Richard Wagners Rezeption des Nibelungenstoffes in Form seiner 1863 zum ersten Mal offiziell erschienenen Tetralogie Der Ring des Nibelungen. Bei der Schaffung dieses Werkes hat Wagner eine Technik verwendet, die Volker Mertens „Mythensynthese“ nennt und folgendermaßen beschreibt: „Er fügt eine Zahl unterschiedlicher, teils aus verschiedenen Traditionen stammender, teils selbsterfundener Mythen zusammen zu seinem neuen Mythos“. Im folgenden sollen zunächst die wichtigsten der mittelalterlichen Quellen, auf die Wagner bei der Schaffung dieses neuen Mythos zurückgegriffen hat, und die Art und Weise, wie er dabei mit diesen Quellen umgegangen ist, genauer betrachtet werden. Des weiteren werden Texte aus der wissenschaftlichen Literatur zu Wagners Zeit und die Art und Weise, wie diese Texte möglicherweise seine Schaffensweise beeinflusst haben, zu untersuchen sein.
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Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Wagners mittelalterlichen Quellen
1.1 Das Nibelungenlied
1.2 Die Lieder-Edda und die Snorra-Edda
1.3 Die Þiðreks Saga und die Völsunga Saga
2. Wagners Sekundärliteratur
Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Gegenstand dieser Arbeit ist Richard Wagners Rezeption des Nibelungenstoffes in Form seiner 1863 zum ersten Mal offiziell erschienenen Tetralogie Der Ring des Nibelungen. Bei der Schaffung dieses Werkes hat Wagner eine Technik verwendet, die Volker Mertens „Mythensynthese“ nennt und folgendermaßen beschreibt: „Er fügt eine Zahl unterschiedlicher, teils aus verschiedenen Traditionen stammender, teils selbsterfundener Mythen zusammen zu seinem neuen Mythos“[1].
Im folgenden sollen zunächst die wichtigsten der mittelalterlichen Quellen, auf die Wagner bei der Schaffung dieses neuen Mythos zurückgegriffen hat, und die Art und Weise, wie er dabei mit diesen Quellen umgegangen ist, genauer betrachtet werden. Des weiteren werden Texte aus der wissenschaftlichen Literatur zu Wagners Zeit und die Art und Weise, wie diese Texte möglicherweise seine Schaffensweise beeinflusst haben, zu untersuchen sein.
Eine Übersicht über die mittelalterlichen Quellen, die dem Ring zugrunde liegen, und über die wissenschaftlichen Texte, die bei der Entstehung dieses Werkes von Bedeutung waren, hat Wagner selbst in Form eines Briefes erstellt, den er am 9. Januar 1856 an den Weimarer Regierungsrat Franz Müller schrieb. Dieser hatte um Auskunft über die für den Ring von Wagner verwendete Literatur gebeten, und Wagner schickte ihm daraufhin folgende Liste:
1. „Der Nibelungen Noth u. die Klage“ herausgegeb. von Lachmann.
2. „Zu den Nibelungen etc.“ von Lachmann.
3.Grimm’sMythologie.
4. „Edda“.
5. „Volsunga-Saga“ (übersetzt von Hagen-Breslau).
6. „Wilkinga- und Niflungasaga“. (ebenso.-)
7. Das deutsche Heldenbuch – alte Ausgabe. auch erneuert von Hagen. – Bearbeitet in 6 Bänden von Simrock.
8. „die Deutsche Heldensage“ von Wilh. Grimm.
9. „Untersuchungen zur deutschen Heldensage“ von Mone – (sehr wichtig.)
10. „Heimskringla“ – übersetzt von Mohnike. (glaub’ ich!) (nicht von Wachter – schlecht!)[2]
Wie aus dem Bestand seiner seit 1842 zusammengestellten Bibliothek, der Dresdener Bibliothek, die sich seit 1971 weitgehend vollständig im Richard-Wagner-Archiv in Bayreuth befindet[3], eindeutig hervorgeht, kannte Wagner den Text des Nibelungenliedes nicht nur aus Karl Lachmanns Ausgabe von 1826 (Nr. 1 auf seiner Liste) und aus dem Kommentar und dem Wörterbuch von Lachmann und Wilhelm Wackernagel aus dem Jahre 1843 (Nr. 2 auf der Liste), sondern außerdem aus Karl Simrocks neuhochdeutscher Übersetzung von 1843[4].
Das wahrscheinlich um 1200 im heutigen Österreich in mittelhochdeutscher Sprache anonym niedergeschriebene und in 39 Kapitel gegliederte Epos zerfällt inhaltlich in zwei Teile, von denen Wagner nach Ulrich Müller „hinsichtlich der Handlungsführung nur den ersten verwendet hat“[5]. Die Ereignisse, die sich um Siegfrieds Ermordung durch Hagen ranken, sind aus diesem ersten Teil des Nibelungenliedes übernommen und bilden den Handlungsablauf von Siegfrieds Tod[6] (später hieß das Stück dann Götterdämmerung), das für Wagner, der zunächst kein mehrteiliges Drama geplant hatte, den Ausgangspunkt für das Entstehen seiner Tetralogie darstellte.[7] Entsprechend ist dieser zuerst entstandene Teil des Ringes vom mittelhochdeutschen Nibelungenlied, das wiederum den Ausgangspunkt für Wagners Beschäftigung mit dem Nibelungenstoff darstellte, am stärksten geprägt. So sind z.B. die Namen wesentlicher Personen in der Götterdämmerung und im Siegfried identisch mit denen aus dem ersten Teil des Nibelungenliedes (Gunther, Hagen[8]). Auf den zweiten Teil des mittelalterlichen Epos hat Wagner nur vereinzelt zurückgegriffen. Als wichtige Anregungen wären die Donau- Nixen (bei Wagner die Rheintöchter) und Hagens nächtliche Wacht (bei Wagner zu Beginn des zweiten Aufzugs in der Götterdämmerung[9]) zu nennen. Vieles aus dem Nibelungenlied hat Wagner jedoch auch völlig weggelassen, beispielsweise Siegfrieds königliche Herkunft sowie das gesamte höfische Ambiente.[10]
Im Laufe seiner Beschäftigung mit dem Nibelungenstoff und seines zur Vorbegründung immer weiter zurückgreifenden Ausbaus der Ringdichtung nahm Wagner mehr und mehr Abstand vom Nibelungenlied. Für ihn gehörte dieses Epos „in die Dimension der Geschichte“ wie Jürgen Kühnel es ausdrückt, da es „nicht herauslösbar aus einer ganz bestimmten historischen - sozial- und kulturgeschichtlichen - Situation“[11] war. Die „Wirklichkeit des Lebens künstlerisch darzustellen“, ist jedoch Wagners Auffassung zufolge, wie er in seiner 1851 fertiggestellten ästhetischen Schrift Oper und Drama deutlich darlegt, nicht die Aufgabe des Dramas, sondern die des „schildernden, beschreibenden Romane[s]“[12]. In seiner Konzeption stellt „der Roman [...] den Mechanismus der Geschichte dar“, das Drama dagegen, das auf dem Mythos gründet, „gibt uns den Menschen“[13]. In der ebenfalls 1851 verfassten Schrift Eine Mitteilung an meine Freunde schreibt er:
Um meinen Helden, und die Verhältnisse, die er mit ungeheurer Kraft zu bewältigen strebt, um endlich selbst von ihnen überwältigt zu werden, zu einem deutlichen Verständnisse zu bringen, musste ich mich, gerade dem geschichtlichen Stoffe gegenüber, zum Verfahren des Mythos hingedrängt fühlen: die ungeheure Masse geschichtlicher Vorfälle und Beziehungen, aus der doch kein Glied ausgelassen werden durfte, wenn ihr Zusammenhang verständlich zu überblicken sein sollte, eignete sich weder für die Form, noch für das Wesen des Dramas. Hätte ich dieser notwendigen Forderung der Geschichte entsprechen wollen, so wäre mein Drama ein unübersichtliches Konglomerat von dargestellten Vorfällen geworden[14].