Rinkitink in Oz - Die Oz-Bücher Band 10 - L. Frank Baum - E-Book

Rinkitink in Oz - Die Oz-Bücher Band 10 E-Book

L. Frank Baum

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Beschreibung

Im 10. Band der Oz-Reihe - Rinkitink in Oz - muss sich der junge Prinz Inga auf eine gefährliche Mission aufmachen. Die Insel Pingaree wird von wilden Kriegern aus dem Norden überfallen, die alles verwüsten und das gesamte Volk entführen, um es zu versklaven. Allein Prinz Inga und König Rinkitink, der zu Gast auf Pingaree weilt, entgehen durch einen Zufall der Gefangennahme. Gemeinsam mit Bilbil, einem mürrischen Ziegenbock, und unterstützt von der magischen Kraft dreier Zauberperlen machen sich die beiden auf, um Prinz Ingas Volk zu befreien... Empfohlenes Alter: 5 bis 10 Jahre. Große Schrift, auch für Leseanfänger geeignet.

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Seitenzahl: 242

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Inhalt.

Vorrede.

Kapitel 1: Der Prinz von Pingaree.

Kapitel 2: Die Ankunft König Rinkitinks.

Kapitel 3: Die Krieger aus dem Norden.

Kapitel 4: Die verlassene Insel.

Kapitel 5: Die drei Perlen.

Kapitel 6: Das Zauberboot.

Kapitel 7: Die Zwillingsinseln.

Kapitel 8: Rinkitink begeht einen großen Fehler.

Kapitel 9: Ein Geschenk für Zella.

Kapitel 10: Die List Königin Cors.

Kapitel 11: Zella geht nach Coregos.

Kapitel 12: Bilbils Wut.

Kapitel 13: Zella rettet den Prinzen.

Kapitel 14: Die Flucht.

Kapitel 15: Die Flucht der Herrscher.

Kapitel 16: Nikobob lehnt eine Krone ab.

Kapitel 17: Der Gnomenkönig.

Kapitel 18: Inga trennt sich von seiner Rosa Perle.

Kapitel 19: Rinkitink kichert.

Kapitel 20: Dorothy eilt zur Rettung.

Kapitel 21: Der Zauberer entdeckt eine Verzauberung.

Kapitel 22: Ozmas Bankett.

Kapitel 23: Das Perlenreich.

Kapitel 24: Der ertappte König.

Vorrede.

DIES ist die Geschichte von einem jungen Helden und zwar von einem, von dem ihr noch nie gehört habt. Es kommen auch Mädchen in der Geschichte vor, einschließlich unserer alten Freundin Dorothy, und einige der Charaktere müssen ein gutes Stück Weg wandern, ehe sie sich alle in der Smaragdstadt versammeln, um an Ozmas Bankett teilzunehmen. Ich denke, ihr werdet feststellen, daß diese Geschichte ganz anders ist als die anderen Geschichten von Oz, aber ich hoffe, ihr werdet sie deswegen nicht weniger mögen.

Wenn ich ein weiteres Oz-Buch schreiben darf, wird es von einigen aufregenden Abenteuern erzählen, die Dorothy, Betsy Bobbin, Trot und dem Patchwork-Mädchen im Land von Oz widerfahren sind, und davon, wie sie einige erstaunliche Kreaturen entdeckten, die niemals außerhalb eines Märchenlandes existieren könnten. Ich könnte mir vorstellen, daß ich diese Geschichte von Abenteuern in Oz zu der Zeit, in der ihr diese Geschichte von Rinkitink lest, schreiben werde.

Vergeßt nicht, mir oft zu schreiben und mir eure Anregungen und Ratschläge mitzuteilen, die ich stets zu schätzen weiß. Ich bekomme eine Menge Briefe von meinen Lesern, aber jeder einzelne ist eine Freude für mich, und ich beantworte sie, sobald ich die Zeit dafür finde.

„Ozcot“

bei Hollywood

in Kalifornien, 1916.

L. FRANK BAUM,

Königlicher Historiker von Oz

Kapitel 1.

Der Prinz von Pingaree.

WENN ihr eine Karte des Landes von Oz zur Hand habt, werdet ihr feststellen, daß der große Nonestische Ozean an die Küsten des Königreichs von Rinkitink brandet, zwischen welchem Land und dem Land von Oz ein Streifen des Landes des Gnomenkönigs sowie eine Sandwüste liegt. Das Königreich von Rinkitink ist nicht sehr groß und liegt nahe am Ozean, und alle Häuser und der Königspalast wurden in Ufernähe erbaut. Die Bevölkerung hält sich sehr viel auf dem Wasser auf, sie fahren mit ihren Booten hinaus und angeln, und der Reichtum Rinkitinks wird durch den Handel entlang der Küste und mit den nächsten Inseln erzielt.

Vier Tagesreisen mit dem Boot nördlich von Rinkitink befindet sich die Insel Pingaree, und da unsere Geschichte hier beginnt, muß ich euch etwas über diese Insel erzählen. Am nördlichen Ende von Pingaree, wo es am breitesten ist, mißt das Land von Ufer zu Ufer eine Meile, aber am südlichen Ende ist es kaum eine halbe Meile breit. Und so kann Pingaree, obwohl es von Norden nach Süden vier Meilen lang ist, nicht als eine sehr große Insel bezeichnet werden. Sie ist jedoch außerordentlich hübsch, und den Möwen, die sich ihm vom Meer her nähern, muß sie als ein riesiger grüner Keil erscheinen, der auf den Wassern liegt, weil das Gras und die Bäume ihr eine smaragdgrüne Farbe verleihen.

Damals wuchs das Gras bis an den Rand der abfallenden Ufer, und die schönen Bäume nahmen den gesamten zentralen Teil von Pingaree ein und bildeten einen durchgehenden Hain, wo die Äste sich hoch oben trafen und für die gemütlichen Häuser der Bewohner darunter gerade genug Raum ließen. Diese Häuser waren überall auf der Insel verstreut, so daß es keine Stadt gab, es sei denn, man würde die ganze Insel eine Stadt nennen. Das Blätterdach hoch oben bildete einen Schutz vor Sonne und Regen, und die Bewohner im Hain konnten an den geraden Baumstämmen vorbei und über die grasbewachsenen Hänge bis zu den purpurnen Wassern des Nonestischen Ozeans blicken.

Im Norden, am breiten Ende der Insel, stand der königliche Palast König Kitticuts, des Herrn und Herrschers von Pingaree. Es war ein wunderschöner Palast, vollständig aus schneeweißem Marmor erbaut und mit Kuppeln aus poliertem Gold versehen, denn der König war überaus reich. Entlang der Küste von Pingaree wurden die größten und schönsten Perlen der Welt gefunden.

Diese Perlen wuchsen in den Schalen großer Austern, und die Leute brachen die Austern aus ihren unterseeischen Verankerungen, suchten die milchweißen Perlen heraus und trugen sie pflichtschuldig zu ihrem König. Daher konnte Seine Majestät einmal im Jahr sechs seiner Boote mit sechzig Ruderern und vielen Säcken wertvoller Perlen ins Königreich Rinkitink schicken, wo sich eine Stadt namens Gilgad befand, in der König Rinkitinks Palast auf einer felsigen Landspitze stand und mit seinen hohen Türmen als ein Leuchtturm diente, um Seeleute zum Hafen zu führen. In Gilgad wurden die Perlen von Pingaree vom Schatzmeister des Königs angekauft, und wenn die Boote zurück zur Insel fuhren, waren sie mit Vorräten teurer Güter und den nötigen Mengen an Nahrungsmitteln beladen, die das Volk und die königliche Familie von Pingaree benötigten.

Die Bewohner von Pingaree besuchten nie ein anderes Land als das von Rinkitink, und so gab es nur wenige andere Länder, in denen man wußte, daß es eine solche Insel gab. Im Südwesten lag eine Insel, die Insel der Phreex, wo die Einwohner keine Verwendung für Perlen hatten. Und weit nördlich von Pingaree – sechs Tagesreisen mit dem Boot, so hieß es – lagen Zwillingsinseln namens Regos und Coregos, die von einem wilden und kriegerischen Volk bewohnt wurden.

Viele Jahre bevor diese Geschichte beginnt, besuchten zehn große Schiffsladungen dieser wilden Krieger von Regos und Coregos Pingaree und landeten plötzlich am nördlichen Ende der Insel. Dort begannen sie zu plündern und zu erobern, wie es ihre Gewohnheit war, aber die Leute von Pingaree, obwohl sie weder so zahlreich noch so stark waren wie ihre Feinde, waren in der Lage, sie zu besiegen und sie alle ins Meer zurückzutreiben, wo ein großer Sturm die Krieger aus Regos und Coregos und ihre Boote überwältigte und zerstörte, so daß kein einziger Krieger in sein eigenes Land zurückkehrte.

Diese Niederlage des Feindes schien um so wunderbarer, als die Perlentaucher von Pingaree im Grunde sanftmütig und friedlich waren und auch untereinander selten stritten. Ihre einzigen Waffen waren ihre Austernrechen; und doch ist es eine Tatsache, daß sie ihre grimmigen Feinde aus Regos und Coregos von ihren Ufern vertrieben haben.

König Kitticut war noch ein Junge gewesen, als dieser bemerkenswerte Kampf ausgetragen wurde, und jetzt waren seine Haare grau; aber er erinnerte sich gut an den Tag; und in den folgenden Jahren war seine einzige ständige Sorge eine neuerliche Invasion seiner Feinde. Er fürchtete, sie könnten eine viel zahlreichere Armee auf seine Insel schicken, um sie zu erobern und um sich zu rächen. In diesem Fall könnte es wenig Hoffnung geben, sie erfolgreich zu bekämpfen.

Diese Sorge König Kitticuts führte dazu, daß er scharf nach fremden Booten Ausschau hielt und einer seiner Männer ständig am Strand patrouillierte; aber er war zu weise, um einer Besorgnis zu erlauben, ihn oder seine Untertanen unglücklich zu machen. Er war ein guter König und lebte sehr zufrieden in seinem hübschen Palast mit seiner schönen Königin Garee und ihrem einzigen Kind, Prinz Inga.

Der Reichtum Pingarees stieg Jahr für Jahr; und das Glück der Menschen wuchs ebenfalls. Vielleicht gab es keinen Ort außerhalb des Landes von Oz, wo sich Zufriedenheit und Frieden deutlicher bemerkbar machten als auf dieser hübschen Insel, die sich am Rande des Nonestischen Ozeans versteckte. Wären diese Bedingungen ungestört geblieben, hätte es in dieser Geschichte nichts über Pingaree zu erzählen gegeben.

Prinz Inga, der Erbe aller Reichtümer und der Königskrone von Pingaree, wuchs umgeben von jedem Luxus auf; aber er war ein wackerer kleiner Kerl, wenngleich etwas zu ernst und nachdenklich, und er konnte es nie ertragen, eine einzige Minute lang müßig zu sein. Er wußte, wo sich die besten Austern entlang der Küste befanden, und war erfolgreicher darin, Perlen zu finden als jeder andere Inselbewohner, obwohl er noch so klein war. Er hatte ein eigenes kleines Boot und einen Rechen, um die Austern hochzuziehen, und er war sehr stolz, wenn er eine große weiße Perle zu seinem Vater tragen konnte.

Es gab keine Schule auf der Insel, da die Leute von Pingaree weit entfernt von dem Stand der Zivilisation waren, der unseren modernen Kindern solche Vorteile wie Schulen und gelehrte Professoren bietet, aber der König besaß mehrere handgeschriebene Bücher, deren Seiten aus Schafleder waren. Als intelligenter Mann konnte er seinem Sohn etwas Lesen, Schreiben und Rechnen beibringen.

Wenn Prinz Inga seine Lektionen lernte, ging er für gewöhnlich in den Hain nahe dem Palast seines Vaters und stieg in die Äste eines hohen Baumes, wo er sich eine unter dem Blätterdach verborgene Plattform mit einem bequemen Sitz gebaut hatte. Dort, wo niemand ihn störte, beugte er sich über das Schafsleder, auf dem die merkwürdigen Zeichen der pingaresischen Sprache geschrieben waren.

König Kitticut war so stolz auf seinen kleinen Sohn, wie er nur sein konnte, und er legte bald ein großes Vertrauen in Ingas Urteil und hielt ihn für würdig, in vielen Staatsangelegenheiten um Rat gefragt zu werden. Er lehrte den Jungen die Bedürfnisse der Menschen und wie man sie gerecht regiert, denn er wußte, daß Inga eines Tages an seiner Stelle König sein würde. Eines Tages rief er seinen Sohn an seine Seite und sagte zu ihm:

„Unsere Insel erscheint jetzt sehr friedlich, Inga, und wir sind glücklich und wohlhabend, aber ich kann diese schrecklichen Leute von Regos und Coregos nicht vergessen. Meine ständige Angst ist, daß sie eine Flotte von Booten schicken werden, um diejenigen ihres Volks zu suchen, die wir vor vielen Jahren besiegt haben und die danach vom Meer verschlungen wurden. Wenn die Krieger in großer Zahl kommen, können wir ihnen vielleicht nicht widerstehen, denn mein Volk ist kaum kampftauglich. Sie würden uns sicherlich viel Leid zufügen.“

„Sind wir denn weniger mächtig als zu Zeiten meines Großvaters?“, fragte Prinz Inga.

Der König schüttelte nachdenklich den Kopf.

„Das ist es nicht“, sagte er. „Damit du diese legendäre Schlacht vollkommen verstehen kannst, muß ich dir ein großes Geheimnis anvertrauen. Ich besitze drei magische Talismane, die ich stets mit größter Sorgfalt bewacht habe und deren Existenz ich vor jedem anderen verborgen habe. Aber da ich sterben und das Geheimnis verloren gehen könnte, habe ich beschlossen, dir zu sagen, was diese Talismane sind und wo sie verborgen sind. Komm mit mir, mein Sohn.“

Er ging durch die Räume des Palastes voraus, bis sie in den großen Bankettsaal kamen. Dort blieb er in der Mitte des Raumes stehen, bückte sich und berührte eine versteckte Feder auf dem Fliesenboden. Sofort sank eine der Fliesen nach unten, und der König griff in den Hohlraum und zog einen seidenen Beutel hervor.

Diesen Beutel öffnete er und zeigte Inga, daß er drei große Perlen enthielt, von denen jede so groß wie eine Murmel war. Eine hatte einen blauen Farbton und eine war von einer zarten Rosenfarbe, die dritte aber war schneeweiß.

„Diese drei Perlen“, sagte der König in einem feierlichen Ton, „sind die wunderbarsten, die die Welt je gekannt hat. Sie waren Geschenke an einen meiner Vorfahren von der Meerjungfrauenkönigin, einer mächtigen Fee, die er einmal vor ihren Feinden retten konnte. Aus Dankbarkeit für diesen Gefallen schenkte sie ihm diese Perlen. Jede der drei besitzt eine erstaunliche Macht, und wer auch immer ihr Besitzer ist, kann sich selbst als Glückspilz bezeichnen. Die mit dem blauen Farbton wird der Person, die sie trägt, eine so große Stärke verleihen, daß keine Kraft ihr widerstehen kann. Die mit dem rosigen Schimmer wird ihren Besitzer vor allen Gefahren schützen, die ihn bedrohen könnten, ganz gleich aus welcher Quelle sie kommen mögen. Die dritte Perle – diese schneeweiße – kann sprechen, und ihre Worte sind immer weise und hilfreich.“

„Wie, Vater!“, rief der Prinz erstaunt aus; „Sagt Ihr mir, daß eine Perle sprechen kann? Es klingt unmöglich.“

„Dein Zweifel beruht auf deiner Unkenntnis der Feenkräfte“, erwiderte der König ernst. „Hör zu, mein Sohn, und du wirst erkennen, daß ich die Wahrheit sage.“

Er hielt Inga die weiße Perle ans Ohr und der Prinz hörte eine kleine Stimme deutlich sagen: „Dein Vater hat recht. Stelle niemals die Wahrheit dessen in Frage, was du nicht verstehst, denn die Welt ist voller Wunder.“

„Ich bitte um Verzeihung, lieber Vater“, sagte der Prinz, „denn ich hörte die Perle deutlich sprechen, und ihre Worte waren voller Weisheit.“

„Die Kräfte der anderen Perlen sind noch größer“, fuhr der König fort. „Wenn ich arm an allem wäre, würden mich diese Perlen reicher machen als jeden anderen Herrscher auf der Welt.“

„Das glaube ich“, erwiderte Inga und sah die schönen Perlen voller Ehrfurcht an. „Aber sagt mir, Vater, warum fürchtet Ihr die Krieger von Regos und Coregos, wenn Ihr über diese wunderbaren Kräfte verfügt?“

„Über diese Kräfte verfüge ich nur, während ich die Perlen bei mir habe“, antwortete König Kitticut, „und ich traue mich nicht, sie ständig zu tragen, aus Angst, daß sie verlorengehen könnten. Deshalb halte ich sie sicher in diesem Hohlraum verborgen. Meine einzige Gefahr liegt in der Möglichkeit, daß meine Wächter die Annäherung unserer Feinde nicht entdecken und den kriegerischen Invasoren dadurch ermöglichen könnten, mich gefangenzunehmen, ehe ich die Perlen an mich bringen könnte. In diesem Fall wäre ich ziemlich machtlos. Mein Vater besaß die magischen Perlen zur Zeit des Großen Kampfes, von dem du so oft gehört hast, und die Rosa Perle bewahrte ihn vor Schaden, während die Blaue Perle es ihm und seinen Leuten ermöglichte, den Feind zu vertreiben. Oft habe ich vermutet, daß der zerstörerische Sturm durch die Meerjungfrauen verursacht wurde, aber dafür habe ich keinen Beweis.“

„Ich habe mich oft gefragt, wie wir diesen Kampf gewinnen konnten“, bemerkte Inga nachdenklich. „Aber die Perlen werden uns helfen, falls die Krieger wiederkommen, nicht wahr?“

„Sie sind so wirkkräftig wie eh und je“, erklärte der König. „Ich habe wahrlich vor keinem Feind viel zu befürchten, mein Sohn. Aber für den Fall, daß ich unerwartet sterbe und das Geheimnis für den nächsten König verloren geht, habe ich es jetzt in deine Obhut gegeben. Bedenke, daß diese Perlen das rechtmäßige Erbe aller Könige von Pingaree sind. Wenn ich zu irgendeinem Zeitpunkt von dir genommen werden sollte, Inga, bewahre diesen Schatz gut und vergiß nicht, wo er verborgen ist.“

„Ich werde es nicht vergessen“, sagte Inga.

Dann legte der König die Perlen in ihr Versteck zurück und der Junge ging in sein Zimmer, um über das wunderbare Geheimnis nachzudenken, das ihm sein Vater an diesem Tag anvertraut hatte.

Kapitel 2.

Die Ankunft König Rinkitinks.

EIN paar Tage darauf, an einem hellen und sonnigen Morgen, als die Brise sanft und freundlich vom Ozean wehte und die Bäume mit ihren belaubten Zweigen winkten, rannte der königliche Wächter, dessen Aufgabe es war, am Ufer zu patrouillieren, mit der Nachricht zum König, daß sich ein seltsames Boot der Insel näherte.

Zuerst war der König in großer Sorge und machte einen Schritt auf die verborgenen Perlen zu, aber im nächsten Augenblick fiel ihm ein, daß ein einzelnes Boot, selbst wenn es voller Feinde wäre, keine Macht hätte, ihn zu verletzen. Also zügelte er seine Furcht und ging zum Strand hinunter, um herauszufinden, wer die Fremden sein könnten. Viele der Männer von Pingaree versammelten sich ebenfalls dort, und Prinz Inga folgte seinem Vater. Als sie am Wasser ankamen, blickten sie alle gespannt auf das sich nähernde Boot.

Es war ein ziemlich großes Boot, wie sie bemerkten, und von einem Baldachin aus purpurner Seide beschirmt, die mit Gold bestickt war. Es wurde von zwanzig Männern gerudert, zehn auf jeder Seite. Als es näher kam, konnte Inga sehen, daß sich im Heck, auf einem hohen, gepolsterten Staatsstuhl sitzend, ein kleiner Mann befand, der so dick war, daß er fast so breit wie hoch war. Dieser Mann trug ein lockeres, seidiges purpurfarbenes Gewand, während auf seinem Kopf eine Kappe aus weißem Samt saß, die mit goldenen Bändern verziert war und um deren Mitte ein Kreis aus Diamanten verlief. Am anderen Ende des Bootes stand ein seltsam geformter Käfig, und mehrere große Sandelholzkisten standen nahe der Mitte.

Als das Boot sich dem Ufer näherte, erhob sich der dicke kleine Mann und verbeugte sich mehrere Male in Richtung derjenigen, die sich versammelt hatten, um ihn zu begrüßen, und während er sich verbeugte, schwenkte er energisch seine weiße Mütze. Sein Gesicht war rund wie ein Apfel und beinahe ebenso rosig. Als er aufhörte, sich zu verbeugen, lächelte er so freundlich und gut gelaunt, daß Inga dachte, daß er ein sehr lustiger Kerl sein müsse.

Der Bug des Bootes landete am Strand und bremste dabei so plötzlich, daß der kleine Mann überrascht wurde und beinahe kopfüber ins Meer stürzte. Aber er schaffte es, mit der einen Hand den Stuhl und mit der anderen die Haare eines seiner Ruderer zu ergreifen, und fand so sein Gleichgewicht wieder. Dann, indem er wieder seine juwelenbesetzte Kappe schwang, rief er fröhlich:

„Nun, hier bin ich endlich!“

„Das sehe ich“, erwiderte König Kitticut, der sich respektvoll verneigte.

Der dicke Mann blickt in die ernsten Gesichter vor ihm und brach in ein übermütiges Gelächter aus. Vielleicht sollte ich sagen, daß es halb Lachen und halb Gekicher war, denn die Geräusche, die er machte, waren merkwürdig und drollig und verleiteten jeden Zuhörer dazu, mit ihm zu lachen.

„He, he – ho, ho, ho!“, dröhnte er. „Habt mich nicht erwartet, wie ich sehe. Kchi-hi-hi-iek! Das ist lustig – es ist wirklich lustig. Wußtet nicht, daß ich komme, oder? Ho, ho, ho, ho! Das ist wahrlich amüsant. Aber einerlei, nun bin ich hier.”

„Seid still!“, sagte eine tiefe, schroffe Stimme. „Ihr macht euch lächerlich.“

Jeder sah sich um, um zu sehen, woher diese Stimme kam, aber niemand war in der Lage festzustellen, wer die zurechtweisenden Worte ausgesprochen hatte. Die Ruderer des Bootes waren alle ernst und still und gewiß hatte niemand am Ufer gesprochen. Aber der kleine Mann wirkte nicht im mindesten erstaunt oder sogar verärgert.

König Kitticut wandte sich nun an den Fremden und sagte höflich:

„Ihr seid im Königreich von Pingaree willkommen. Vielleicht werdet Ihr geruhen, an Land zu kommen, und so gütig sein, uns darüber zu benachrichtigen, wen wir die Ehre haben, als einen Gast willkommen zu heißen.“

„Danke, das werde ich“, erwiderte der kleine dicke Mann, der von seinem Platz im Boot watschelte und mit einigen Schwierigkeiten auf den Sandstrand trat. „Ich bin König Rinkitink aus der Stadt Gilgad im Königreich Rinkitink, und ich bin nach Pingaree gekommen, um den Monarchen zu besuchen, der so viele schöne Perlen in meine Stadt schickt. Ich wollte diese Insel schon lange besuchen; und, wie ich schon sagte, hier bin ich!“

„Ich freue mich, Euch zu begrüßen“, sagte König Kitticut. „Aber warum hat Eure Majestät so wenige Begleiter? Ist es für den König eines großen Landes nicht gefährlich, weite Reisen in einem einzigen schwachen Boot, und mit nur zwanzig Männern zu unternehmen?“

„Oh, ich denke schon“, antwortete König Rinkitink mit einem Lachen. „Aber wie hätte ich es sonst tun können? Meine Untertanen würden mir nicht erlauben, irgendwohin zu gehen, wenn sie es wüßten. Also bin ich einfach weggelaufen.“

„Weggelaufen!“, rief König Kitticut überrascht aus.

„Lustig, nicht wahr? He, he, he – wu, hu!“, lachte Rinkitink, und das kommt den fröhlichen Tönen seines Gelächters so nahe, wie ich es mit Buchstaben ausdrücken kann. „Daß ein König vor seinem eigenen Volk davonläuft, hu – kchi-hi-hi-iek! Aber ich mußte es tun, versteht Ihr.“

„Warum?“, fragte der andere König.

„Sie haben Angst, daß ich in Schwierigkeiten gerate. Sie vertrauen mir nicht. Kchi-hi-hi-iek – ach, du liebe Güte! Trauen ihrem eigenen König nicht. Lustig, nicht wahr?“

„Auf dieser Insel kann Euch nichts passieren“, sagte Kitticut und gab vor, die merkwürdige Art seines Gastes nicht zu bemerken. „Und wann immer es Euch beliebt, in Euer eigenes Land zurückzukehren, werde ich Euch eine passende Begleitung aus meinem eigenen Volk mitgeben. In der Zwischenzeit leistet mir in meinen Palast Gesellschaft, wo alles getan werden soll, um es Euch bequem und Euch glücklich zu machen.“

„Danke sehr“, antwortete Rinkitink, kippte seine weiße Kappe über sein linkes Ohr und schüttelte herzlich die Hand des anderen Königs. „Ich bin mir sicher, daß Ihr mir einen angenehmen Aufenthalt verschaffen könnt, wenn Ihr viel zu essen habt. Und was das Glücklichsein angeht – ha, ha, ha, ha! – nun, das ist mein Problem. Ich bin zu glücklich. Aber halt! Ich habe Euch ein paar Geschenke mitgebracht. Bitte befehlt Euren Männern, sie in den Palast zu tragen.“

„Gewiß“, antwortete König Kitticut sehr erfreut, und sofort gab er seinen Männern die nötigen Anweisungen.

„Und übrigens“, fuhr der dicke kleine König fort, „sie sollen auch meinen Ziegenbock aus seinem Käfig lassen.“

„Einen Ziegenbock!“, rief der König von Pingaree aus.

„Jawohl, mein Ziegenbock Bilbil. Ich reite ihn stets, wohin auch immer ich gehe, weil ich überhaupt nicht gern spazieren gehe, wo ich doch ein bißchen fülliger bin – was, Kitticut? – ein bißchen fülliger! Hu, hu, hu-kch, iek!“

Die Pingaree-Männer begannen, den großen Käfig aus dem Boot zu heben, aber gerade dann schrie eine schroffe Stimme: „Seid vorsichtig, ihr Strolche!“, und da die Wörter aus dem Maul des Ziegenbocks zu kommen schienen, waren die Männer so erstaunt, daß sie den Käfig mit einem plötzlichen Plumps auf den Sand fallen ließen.

„Nun! Was habe ich euch gesagt!“, rief die Stimme wütend. „Ihr habt die Haut von meinem linken Knie gescheuert. Warum um alles in der Welt habt ihr mich nicht sanft abgesetzt?“

„Na, na, Bilbil“, sagte König Rinkitink beruhigend; „schimpf sie nicht aus, mein Junge. Denke daran, daß dies Fremde sind und wir ihre Gäste.“ Dann wandte er sich an Kitticut und bemerkte: „Ihr habt keine sprechenden Ziegen auf eurer Insel, nehme ich an.“

„Wir haben hier überhaupt keine Ziegen“, antwortete der König; „und wir haben auch keine Tiere, gleich welcher Art, die reden können.“

„Ich wünschte, mein Tier könnte auch nicht sprechen“, sagte Rinkitink, zwinkerte Inga lustig zu und schaute dann zum Käfig. „Es ist manchmal sehr unhöflich und bedient sich einer Sprache, die nicht respektvoll ist. Zuerst dachte ich, es wäre in Ordnung, einen sprechenden Ziegenbock zu haben, mit dem ich mich unterhalten könnte, wenn ich auf seinem Rücken um meine Stadt ritt; aber – kchi-hi-hi-iek! – der Schelm behandelt mich, als wäre ich ein Schornsteinfeger statt eines Königs. He, he, he, kchi, iek! Ein Schornsteinfeger – hu, hu, hu! – und das mir als einem König! Lustig, nicht wahr?“ Das Letztere war an Prinz Inga gerichtet, den er zur großen Verlegenheit des Jungen vertraulich unter dem Kinn kraulte.

„Warum reitet Ihr nicht auf einem Pferd?“, fragte König Kitticut.

„Ich könnte nicht auf seinen Rücken klettern, da ich eher stämmig bin, deshalb. Kchi-hi-hi-iek! – stämmig – hu, hu, hu!“ Er machte eine Pause, um die Tränen der Heiterkeit aus seinen Augen zu wischen, und fügte dann hinzu: „Aber auf Bilbils Rücken kann ich mit Leichtigkeit steigen.“

Er öffnete jetzt den Käfig und der Ziegenbock trat langsam heraus und sah sich mürrisch um. Einer der Ruderer holte aus dem Boot einen schön mit silbernen Disteln bestickten Sattel aus rotem Samt hervor, den er auf dem Rücken des Ziegenbocks befestigte. Der dicke König legte sein Bein über den Sattel, setzte sich bequem hin und sagte:

„Zeigt uns den Weg, edler Gastgeber, und wir werden folgen.“

„Was! Den steilen Hügel hinauf?“, rief der Ziegenbock. „Runter von mir, Rinkitink, oder ich rühre mich nicht vom Fleck.“

„Aber – bedenke doch, Bilbil“, widersprach der König. „Wie soll ich den Hügel hinaufkommen, wenn ich nicht reite?“

„Zu Fuß!“, knurrte Bilbil.

„Aber ich bin zu dick. Wirklich, Bilbil, ich muß mich sehr über dich wundern. Habe ich dich nicht diesen ganzen Weg hierher gebracht, damit du etwas von der Welt sehen und das Leben genießen kannst? Und jetzt bist du so undankbar, daß du dich weigerst, mich zu tragen! Es ist recht und billig, daß du dich revanchierst, mein Junge. Das Boot hat dich an dieses Ufer getragen, weil du nicht schwimmen kannst, und jetzt mußt du mich den Hügel hinauftragen, weil ich nicht klettern kann. Na, Bilbil, ist das nicht vernünftig?”

„Schon gut“, sagte der Ziegenbock schließlich, „seid still, und ich werde Euch tragen. Aber Ihr macht mich sehr müde mit Eurem unaufhörlichen Geschnatter, Rinkitink.“

Nach diesem Protest begann Bilbil den Aufstieg und trug den dicken König ohne Schwierigkeiten auf seinem Rücken.

Prinz Inga und sein Vater und alle Männer von Pingaree waren sehr erstaunt, diesen Streit zwischen König Rinkitink und seinem Ziegenbock zu hören; aber sie waren zu höflich, um sich in Gegenwart ihrer Gäste kritisch zu äußern. König Kitticut ging neben dem Ziegenbock her, der Prinz folgte ihm, und zuletzt kamen die Männer mit den Sandelholzkisten.

Als sie sich dem Palast näherten, kamen die Königin und ihre Zofen heraus, um sie zu begrüßen, und der königliche Gast wurde in Staatsmanier zum prächtigen Thronsaal des Palastes eskortiert. Hier wurden die Kisten geöffnet und König Rinkitink präsentierte all die schönen Seiden und Bänder und den Schmuck, mit denen sie gefüllt waren. Jeder der Höflinge und Hofdamen erhielt ein schönes Geschenk, und der König und die Königin bekamen viele kostbare Geschenke und Inga nicht weniger. So verging die Zeit angenehm, bis der Kämmerer verkündete, daß das Abendessen serviert würde.

Bilbil der Ziegenbock erklärte, daß er es vorziehe, das süße, üppige Gras zu essen, das im Palastgelände reichlich wuchs, und Rinkitink sagte, daß das Tier es niemals ertragen könnte, in einem Stall eingeschlossen zu sein. Also nahmen sie den Sattel von seinem Rücken und erlaubten ihm zu wandern, wohin er wollte.

Während des Abendessens teilte Inga seine Aufmerksamkeit zwischen den hübschen Geschenken, die er erhalten hatte, und den lustigen Sprüchen des feisten Königs, der lachte, wenn er nicht aß, und aß, wenn er nicht lachte und sich sehr zu amüsieren schien.

„Vier Tage lang habe ich in diesem engen Boot verbracht“, sagte er, „ohne eine andere Belustigung, als die Ruderer zu beobachten und mich mit Bilbil zu streiten; deshalb bin ich sehr froh, wieder mit so freundlichen und liebenswürdigen Leuten zusammen und an Land zu sein.“

„Ihr tut uns eine große Ehre“, sagte König Kitticut mit einer höflichen Verbeugung.

„Ganz und gar nicht, lieber Freund. Dieses Pingaree muß eine wunderbare Insel sein, denn seine Perlen werden auf der ganzen Welt bewundert; und ich leugne nicht die Tatsache, daß mein Königreich ohne den Handel mit euren Perlen ein armes Land ohne Reichtümer und Prunk wäre. So habe ich mir viele Jahre lang gewünscht, hierherzukommen, um Euch zu sehen, aber mein Volk sagte: „Nein! Bleibt zu Hause und benehmt Euch, sonst geschieht etwas.“

„Wird man Eure Majestät nicht in Eurem Palast in Gilgad vermissen?“, erkundigte sich Kitticut.

„Ich glaube nicht“, antwortete Rinkitink. „Seht Ihr, einer meiner schlauen Untertanen hat ein Pergament mit dem Titel ‚Wie man gut sein soll‘ geschrieben, und ich glaubte, daß es mir nützen würde, es zu studieren, da ich das Bestreben, gut zu sein, als eine der schönen Künste betrachte. Ich hatte gerade meinen Großkanzler ausgescholten, weil er zum Frühstück gekommen war, ohne seine Augenbrauen zu bürsten, und war so traurig und reumütig, die Gefühle des armen Mannes verletzt zu haben, daß ich entschied, mich in mein Zimmer zurückzuziehen und das Pergament zu studieren, bis ich wüßte, wie man gut ist – hi, hich, kich, iek, iek! –, wie man gut ist! Eine schlaue Idee ist das, nicht wahr? Mächtig schlau! Und ich erließ ein Dekret, daß niemand mein Zimmer betreten sollte, unter der Androhung meines königlichen Mißfallens, bis ich bereit wäre, herauszukommen. Sie haben furchtbare Angst, mir zu mißfallen, wenn sie auch keine Angst vor mir haben. Dann steckte ich das Pergament in meine Tasche und entwischte durch die Hintertür zu meinem Boot – und hier bin ich. Oh, hu-hu, kch-iek! Stellt Euch den Aufruhr vor, den es in Gilgad geben würde, wenn meine Untertanen wüßten, wo ich gerade bin!“

„Ich würde gerne dieses Pergament sehen“, sagte der ernst dreinblickende Prinz Inga, „denn wenn es einen lehrt, gut zu sein, muß es sein Gewicht in Perlen wert sein.“

„Oh, es ist eine schöne Abhandlung“, sagte Rinkitink, „und mit einer Gänsefeder schön geschrieben. Glaub mir: Du wirst es genießen – ti, hi, hi! – viel Spaß.“

Er nahm eine Schriftrolle aus Pergament aus der Tasche, die mit einem schwarzen Band zusammengebunden war, und nachdem er sie sorgfältig entrollt hatte, las er folgendes: