Ritt ins Schattental - Christina Straßberger - E-Book

Ritt ins Schattental E-Book

Christina Straßberger

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Beschreibung

Ein Ferienjob in Wyoming. Über hundert Meilen im Sattel. Das größte Abenteuer ihres Lebens. Die siebzehnjährige Hanna verbringt den Sommer auf einer Pferderanch in Amerika. Gemeinsam mit dem jungen Cowboy Shane soll sie einige Touristen in ein abgelegenes Tal begleiten. Dabei verliebt sie sich nicht nur in die atemberaubende Landschaft ... Alles könnte perfekt sein, doch irgendjemand scheint einen gefährlichen Plan zu verfolgen und die Gruppe gerät in einen Strudel seltsamer Ereignisse. Hanna weiß nicht mehr, wem sie vertrauen kann, und der Fluch des Schattentals scheint sich zu erfüllen ...

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über die Autorin:

Christina Monika Straßberger, geb. 1993, ist verheiratet und lebt

mit ihrer Familie in der Nähe von Rosenheim.

Schon als Kind war sie eine begeisterte Reiterin und viele Jahre

selbst Pferdebesitzerin. Sehr früh begann sie, Geschichten über

ihre Lieblingstiere zu schreiben und träumte davon, ein Buch zu

veröffentlichen.

Auf einer Ranch in Idaho vertiefte sie ihre Kenntnisse im

Westernreiten und bekam die Idee für diese Geschichte.

Instagram: nina_unwritten

Lovelybooks: Christina Straßberger

„Wenn du dich auf ein Abenteuer und den Charakter eines

Pferdes einlässt, werden diese Eindrücke ein Teil von dir.

So kann ein einziger Ritt zu einer Reise werden.“

Inhaltsverzeichnis

Wyoming, 1896

1. Sommerpläne

2. Reise ins Ungewisse

3. Neue Gefühle

4. Die Sage vom Schattental

5. Unbekanntes Terrain

6. Aufregende Nächte

7. Spekulationen

8. Ein gefährlicher Zwischenfall

9. Auge in Auge

10. Nachtreiter

11. Neues Leben

12. Freunde und Lügner

Wyoming, 1896

John Roberts sah sich zufrieden um. Die gesamte Beute des letzten Raubzuges war gut versteckt. Genau dort, wo sein älterer Bruder Warren sie haben wollte. Es kam nicht oft vor, dass John ohne ihn im Schattental war, doch heute hatte es sich so ergeben. Dunkle Wolken zogen über den Himmel, im nächsten Moment begann es zu regnen. John ging zu seinem Pferd, einem schönen Blauschimmel. Er löste seinen schwarzen Wollmantel vom Sattel und zog ihn an. Dann saß er auf und machte sich auf den Heimweg. In wenigen Stunden würde er seine Verlobte Joanne in die Arme schließen. Warren hatte vor einiger Zeit ein Auge auf die schön Joanne geworfen, was zu Differenzen zwischen den Brüdern führte. Da Warren aber bereits verheiratet war, hatte John um ihre Hand angehalten.

Der junge Mann war noch nicht weit gekommen, als sich Reiter näherten. Das kam in diesem abgelegenen Tal nicht oft vor, deshalb war es so ein ideales Versteck für Diebesgut. John lenkte sein Pferd in eine Felsspalte, doch es war bereits zu spät. Man hatte ihn entdeckt und als er bemerkte, dass die Gruppe von Warren angeführt wurde, wusste er, dass alles aus war. Sein Bruder hatte ihn an die Kopfgeldjäger verraten. Warren hatte ihn zu diesem letzten Raub überredet, obwohl John eigentlich aufhören wollte. Hatte er ihn nur dazu gebracht, allein hierher zu reiten, um ihn auf grausame Weise ausliefern zu können? So würde er eine Belohnung und die Beute einkassieren. Und wollte er Joanne doch noch für sich gewinnen und ihn dafür aus dem Weg haben? Unbändige Wut und Hilflosigkeit stiegen in John hoch. „Ihr sollt alle verflucht sein! Besonders du, Warren Roberts, und alle, die auf dem Weg ins Schattental sind!“

1. Sommerpläne

„Das kann doch nicht dein Ernst sein, Hanna! Wir haben alles genau geplant!“

Es war der letzte Montagmorgen vor den Sommerferien. Noch bevor es zur ersten Stunde geläutet hatte, befand ich mich bereits in einem Streit mit meinem Freund Jakob. Um uns herum hatte sich die halbe Schülerschaft der Fachoberschule Rosenheim versammelt und wir erregten deutlich mehr Aufsehen, als mir lieb war.

Hilflos zuckte ich die Schultern. „Es tut mir leid und ich verstehe, dass du sauer bist, aber ich muss nach Amerika reisen.“

Jakob war zu Recht wütend auf mich. Soeben hatte ich verkündet, dass ich nächste Woche nicht mit ihm und drei weiteren Pärchen in unseren lang ersehnten Kroatienurlaub fahren konnte. Stattdessen würde ich allein auf eine Pferderanch nach Wyoming fliegen.

„Warum musst ausgerechnet du dorthin?“

Ich seufzte. „Weil Onkel Caleb sich ein Bein gebrochen hat und Tante Josefine kurz vor der Entbindung steht. Sie brauchen dringend jemanden, der ihnen bei den Pferden und mit den Feriengästen hilft.“

„Kann das nicht irgendein Cowboy machen?“

Das hatte ich mich auch gefragt, doch so schnell konnten sie wohl niemand Geeigneten auftreiben.

„Nein.“

„Bezahlen Leute echt Geld dafür, dass sie eine Pferdeherde über mehrere Tage vor sich herjagen dürfen?“

Mein Freund, der mit Pferden überhaupt nichts am Hut hatte, wusste zwar, womit meine Verwandten in Amerika ihr Geld verdienten, Verständnis dafür hatte er jedoch nicht.

„Die Pferde werden dabei nicht gejagt. Aber ja, es gilt als ultimatives Wild-West-Erlebnis, Rinder, oder in diesem Fall eben Pferde, zu treiben.“

Jakob funkelte mich aus seinen hellblauen Augen an wie ein Husky. „Dann ist das dein letztes Wort?“

„Ja, ich fliege.“

„Schön.“ Er blickte sich um und schien kurz zu überlegen. Ganz in seiner Nähe stand Selina, die ihn schon lange anhimmelte. Und das wusste er genau. „He Selina, hast du schon Pläne für den Sommer? In unserem Ferienhaus ist gerade ein Platz frei geworden.“

Fassungslos starrte ich ihn an. Genauso gut hätte er ihr sein Bett anbieten können. Mich auf diese Weise vor der halben Schule zu demütigen, hätte ich ihm nie zugetraut. Jakob war sehr beliebt, und als wir vor einem Jahr zusammengekommen waren, hatte ich erst nicht begriffen, warum er sich ausgerechnet in mich verliebte. Ich war definitiv nicht besonders cool, keine Außenseiterin, aber einfach unauffällig. Tränen stiegen mir in die Augen und ich blinzelte ärgerlich.

Der Gong ertönte und die Schülertraube um uns löste sich widerstrebend auf. Selina lächelte kokett und versicherte, dass sie wahnsinnig gern mitkommen würde. Ich entfernte mich rasch, denn das wollte ich mir nicht weiter ansehen.

„Das kann er doch nicht machen!“ Meine beste Freundin Mila hatte alles mitangehört und hakte sich nun bei mir unter.

Kopfschüttelnd betrat ich das Klassenzimmer. „Ich verstehe ja, dass er sauer ist. Trotzdem hätte er auf keinen Fall vor mir und allen anderen Selina fragen dürfen.“

Mila nickte zustimmend. „Ich finde es übrigens auch schade, dass du nicht dabei bist. Aber ein Notfall bei deinen Verwandten geht natürlich vor.“

Kurz dachte ich über meine Familie nach. Tante Josefine war deutlich jünger als mein Vater. Die beiden waren auf unserem Bauernhof in Oberbayern aufgewachsen. Papa hatte den heimatlichen Hof übernommen, seine kleine Schwester verliebte sich vor einigen Jahren in den Amerikaner Caleb Thanner. So war aus der bayerischen Josefine Fischer eine amerikanisch klingende Josie Thanner geworden. Gemeinsam leitete das Ehepaar nun die Red Elm Ranch von Calebs Familie. Inzwischen hatten sie einen Sohn namens Max und ein weiteres Baby war unterwegs. Josefine hatte ich das letzte Mal vor ihrer Hochzeit getroffen, Caleb und Max hatte ich noch nie zu Gesicht bekommen.

Auch wir boten in Oberbayern Ferienunterkünfte und Ausritte an, aber im kleineren Stil. Auf unserem Hof gab es neben zahlreichen Milchkühen einige Pferde. Häufig führte ich die Gäste auf mehrstündigen Ritten. Gelegentlich auch auf Tagesritten, gemeinsam mit meiner Mutter. Ich liebte das Westernreiten und besaß eine Appaloosa Stute namens Trixie. Da ich Erfahrung im Umgang mit Touristen und Pferden vorweisen konnte, erschien ich Josie wie die Lösung für ihr Problem. Darüber hinaus war mein Englisch ganz passabel und die Sommerferien standen praktischerweise vor der Tür. Außerdem half man sich bei uns innerhalb der Familie, wann immer es möglich war. Als sie mich also gestern angerufen hatte, sagte ich sofort zu. Die Erlaubnis meiner Eltern hatte ich noch während des Telefongesprächs erhalten. Sie mochten Jakob nicht besonders und schienen alles besser zu finden, als dass ich meine Ferien mit ihm verbrachte.

„Auf jeden Fall kann ich Selina und Jakob im Auge behalten“, bot Mila an und riss mich damit aus meinen Gedanken.

Ich schüttelte den Kopf und lächelte matt. „Danke, aber das musst du nicht. Mach dir eine schöne Zeit mit deinem Freund und ignoriere die beiden.“

Milas Beziehung mit einem Kumpel von Jakob ging noch nicht lange. Wir hätten gemeinsam einen tollen Sommer in einem gemieteten Ferienhaus an der Küste Kroatiens verbringen können. Ein Teil von mir war enttäuscht, dass nichts aus endlosen Tagen am Strand, lustigen Partys und romantischen Nächten mit Jakob wurde. Doch andererseits freute ich mich darauf, die Ranch meiner Tante zu sehen, die ich bisher nur von Fotos kannte.

Nach Schulschluss machte ich mich im Sattel von Trixie auf den Weg zu einem kleinen See. Oft zeigte ich den Reitgästen diese Strecke, aber heute genoss ich es, nur für mich zu sein. In Gedanken war ich immer noch bei der Auseinandersetzung mit Jakob und der unangenehmen Situation in der Schule.

Vor mir lag ein menschenleerer, schattiger Waldweg. Aus dem Schritt heraus ließ ich meine Stute angaloppieren und genoss das berauschende Gefühl des kräftigen Pferdekörpers unter mir. Wie üblich schaffte ein schneller Galopp es, düstere Gedanken aus meinem Kopf zu vertreiben. Auf dem Rückweg aber, als ich Trixie abkühlen ließ, dachte ich schon wieder an die Sache mit meinem Freund. Wenn ich den Streit aus der Welt schaffen wollte, musste ich unbedingt mit ihm reden. Trixie schlug unwillig mit dem Kopf, um lästige Fliegen zu verjagen. Ich seufzte, brach einen Zweig ab und wedelte damit, um die Blutsauger von meinem Pferd fernzuhalten. So schön der Sommer war, er hatte auch unangenehme Seiten. Stechende Insekten und Hitze gehörten für mich auf jeden Fall dazu.

Das Gespräch mit Jakob ergab sich früher als erwartet. Als ich Trixie für die Nacht versorgt hatte und den Stall verließ, stand er an seinen schwarzen VW Golf gelehnt da. Jakob war ein Jahr älter als ich, also achtzehn, und das Auto war sein ganzer Stolz. Er trug ein helles T-Shirt und seine blonden Haare wurden vom Abendwind zerzaust. In diesem Moment erinnerte ich mich genau daran, warum ich mich letzten Sommer in ihn verliebt hatte.

„Hanna, es tut mir so leid!“ Er breitete mit einer hilflosen Geste die Arme aus. „Ich war traurig und verletzt. Keine Ahnung, was in mich gefahren ist. Wenn du möchtest, sage ich Selina wieder ab.“

Überrascht hob ich die Augenbrauen. Eine solche Entschuldigung passte nicht zu seinem selbstbewussten, manchmal etwas uneinsichtigen Charakter.

„Andererseits musst du so deinen Anteil nicht bezahlen“, fügte er hinzu, als täte er mir damit einen Gefallen.

„Soll ich mich etwa freuen, dass du so schnell Ersatz für mich gefunden hast?“

Er zuckte die Schultern und wich meinem Blick aus. Einige Sekunden sah ich ihn an, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Konnte ich ihm verzeihen und ihn bitten, ohne Selina zu fahren? Oder sollte ich ihm vertrauen? Behaupten, dass es mich nicht stören würde, wenn er mit ihr fuhr? Mila wäre schließlich die ganze Zeit dabei und könnte sehen, was sie taten. Allerdings hatten wir in letzter Zeit häufig gestritten und wenig gemeinsam unternommen. Wäre es vielleicht klüger, Schluss zu machen? Doch wie machte man das überhaupt?

2. Reise ins Ungewisse

„Wie zum Teufel soll ich das alles da reinbekommen?“ Hilflos fuhr ich mir durch meine mittellangen, dunklen Haare. Vor mir auf dem Bett lag ein riesiger Berg Klamotten. Daneben meine Reisetasche, die im Vergleich zu der Menge an Kleidung ziemlich mickrig wirkte. Am Fußende saß Mila und grinste mich aufmunternd an. Sie würde heute, in meiner letzten Nacht zu Hause, bei mir übernachten.

„Du musst die Sachen rollen, das spart Platz. Und pack die Schuhe zuerst ein“, riet sie.

Ich seufzte und steckte meine Westernboots aus hellblauem und braunem Leder unten in die Reisetasche. Milas neidischer Blick entging mir dabei nicht. Sie hatte zwar kein eigenes Pferd, ritt jedoch auch sehr gern.

„Irgendwann fliegen wir gemeinsam“, versprach ich und rollte eine Jeans zusammen.

„Ja, wenn ich im Lotto gewonnen habe. Du hast so ein Glück, dass deine Tante das Flugticket bezahlt und du für den Job sogar Geld bekommst.“

„Ich hätte es auch ohne Bezahlung gemacht.“

„Dachte ich mir. Außerdem verliebst du dich dort vielleicht und hast eine richtig schöne Sommerromanze.“ Milas Augen bekamen einen verklärten Ausdruck. Sie war eindeutig die romantischere von uns beiden.

Jakob und ich hatten uns getrennt. Er würde mit Selina in den Urlaub fahren und mir wohl nicht hinterhertrauern. Ich dagegen fühlte mich überhaupt nicht in der Stimmung für einen neuen Flirt.

„Jakob meinte auch, dass ich ihn ohnehin mit irgendeinem Cowboy betrogen hätte. Was denkt der sich eigentlich? Ich lache mir so schnell bestimmt keinen neuen Typen an! Diesen Sommer interessiere ich mich nur für Pferde“, behauptete ich und stopfte energisch ein T-Shirt in die Reisetasche.

„Wie auch immer, Jakob und du hattet ohnehin Schwierigkeiten in letzter Zeit. Wahrscheinlich ist es so besser für dich.“ Mila biss in ein Stück Schokolade und sah aus ihren beinahe runden, braunen Augen zu mir hinauf. Wir wurden aufgrund unseres Äußeren häufig für Schwestern gehalten.

„Schon. Aber es ist trotzdem ein seltsames Gefühl. Wir waren fast ein Jahr zusammen. Und dann ersetzt er mich einfach durch Selina.“ Bisher verspürte ich jedoch keinen heftigen Liebeskummer, wie er in Büchern beschrieben oder in Filmen gezeigt wurde. Eher war ich verwirrt und überrascht, wie schnell sich eine Beziehung in unserem Alter auflösen ließ. Ich hatte mein Profilbild geändert und Jakobs Sachen in eine Tüte gepackt. Das wars. Ich war wieder single. Inzwischen fühlte ich mich beinahe erleichtert, dass ich ohne einen Freund, der zu Hause auf mich wartete, in dieses Abenteuer aufbrechen konnte.

Wir redeten den ganzen Abend über Pferde, Jungs, den Kroatienurlaub und darüber, wie es in Amerika wohl sein würde. Als ich einschlief, hatte ich das Gefühl, den gesamten Gesprächsbedarf des Sommers bereits im Vorfeld mit Mila durchgekaut zu haben.

Am nächsten Tag saß ich in einem riesigen Airbus auf der Startbahn des Münchener Flughafens. Auf meinem Schoß lag eine Decke der Fluggesellschaft und in der Hand hielt ich einen Ausdruck mit reiterlichen Fachbegriffen auf Deutsch und Englisch. Die wollte ich auf dem Flug auswendig lernen, um den Gästen Anweisungen geben zu können. Ich war aufgeregt wie ein kleines Kind. Eine so weite Strecke im Flugzeug hatte ich noch nie zurückgelegt. Nun war ich auf mich allein gestellt und hatte nur eine ungefähre Ahnung, was mich erwarten würde.

Zur Red Elm Ranch gehörten knapp hundert Pferde. Normalerweise begleiteten Caleb und ein anderer Cowboy die Gäste mit der Herde. Josie lieferte mit einem Fahrzeug das Gepäck und die Verpflegung. Doch in ihrem momentanen Zustand konnte sie sich nicht allein um alles kümmern. Am Telefon hatte sie gesagt, dass ich Calebs Job übernehmen und mit einem jungen Cowboy reiten sollte. Josie und eine Tante von Caleb wollten für den Gepäcktransport sorgen.

Auf dem langen Flug hatte ich genug Zeit für ausführliche Überlegungen. Wie der Cowboy wohl sein würde, mit dem ich den ganzen Sommer zusammenarbeiten musste? Würde ich ein Lieblingspferd haben oder wäre es besser, keine große Bindung aufzubauen? War ich überhaupt fit genug für so viele Stunden im Sattel? Hielt ich es aus, fast den ganzen Sommer im Zelt zu schlafen? Was, wenn ich krank werden würde? Irgendwann fielen mir die Augen zu.

Ich ritt auf einem Pferd durch heftigen Regen. Es war dunkel um mich herum und ich konnte nicht einmal die Farbe des Pferdes erkennen, auf dem ich saß. Ein beklemmendes Gefühl von Angst und Einsamkeit machte sich in mir breit und ich fröstelte unwillkürlich.

Als die Maschine den Flughafen von Denver ansteuerte, erwachte ich. Die Decke war verrutscht und durch die Klimaanlage im Flugzeug fror ich tatsächlich. Das berühmte, zeltartige Dach des drittgrößten Flughafens der Welt tauchte vor mir auf. Dahinter erhoben sich majestätisch die Gipfel der Rocky Mountains. Die Erinnerung an den Traum hatte mich trotz des herrlichen Anblicks noch fest im Griff. Ein böses Omen? Oder hatte ich im Schlaf einfach nur versucht, meine Unsicherheit zu verarbeiten?

Als ich mit steifen Gliedern das Flugzeug verließ, gelang es mir endlich, das ungute Gefühl abzuschütteln. Drei Stunden Aufenthalt hatte ich hier bis zu meinem Anschlussflug nach Jackson Hole in Wyoming. Ich kaufte etwas zu Essen und freute mich, als ich das erste Mal mit amerikanischen Dollars bezahlen durfte. Dann knipste ich ein Selfie und schickte es an Mila. Auf der Ranch würde ich solche Dinge nicht tun können, denn dort gab es kein W-Lan. Lediglich ein einziger Computer mit Internetzugang stand dort zur Verfügung. Er wurde für die Buchungen benötigt. Während des Rittes würden wir komplett von der Außenwelt abgeschnitten sein und hatten nur ein Funkgerät für den Notfall.

Das kleine Flugzeug, das mich zum Zielflughafen bringen würde, startete pünktlich. Es war sehr viel lauter und beengter als der große Airbus, in dem ich gekommen war. Für mich fühlte es sich bereits jetzt sehr abenteuerlich an. Leicht nervös knabberte ich an einer Salzstange und trank einen Schluck Cola hinterher. Die Landschaft war atemberaubend. Die Maschine flog an einem tiefblauen See vorbei und direkt auf eine beeindruckende Gebirgskette zu. Der Eingang zum Flughafen wurde von einer großen Anzahl an Geweihen, die zu einem Bogen drapiert waren, markiert.