Rocksongs, Scotch 'n' Christmas Cookies - Josie Charles - E-Book

Rocksongs, Scotch 'n' Christmas Cookies E-Book

Josie Charles

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Beschreibung

Hazel ist ein absoluter Weihnachtsfan. Für Brad gibt es nichts Schlimmeres als das "Fest der Liebe". Eine Woche vor Heiligabend zieht sie bei ihm ein ... Ausgerechnet ein paar Tage vor Weihnachten steht Konditorin Hazel plötzlich ohne Mann, Geld und Wohnung da. In New York kurzfristig eine bezahlbare Bleibe zu finden, ist fast unmöglich. Eine mysteriöse Anzeige kommt ihr da wie gerufen. In einer WG ist ein Zimmer frei und es gibt nur eine Bedingung, um einziehen zu dürfen – kein Weihnachten! Notgedrungen lässt sich Hazel darauf ein und das Chaos ist vorprogrammiert, denn ihr neuer Mitbewohner hält ein paar böse Überraschungen für sie bereit. Kann sich für Hazel doch noch alles zum Guten wenden? Manchmal geschieht ein Weihnachtswunder. Und wenn nicht, muss man eben selbst dafür sorgen!

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Seitenzahl: 186

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Rocksongs, Scotch 'n' Christmas Cookies

Ein Bad Boy zu Weihnachten - Buch 3

Josie Charles

Impressum

Nachdruck, Vervielfältigung und Veröffentlichung - auch auszugsweise - nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages!

Im Buch vorkommende Personen und Handlung dieser Geschichte sind frei erfunden und jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist zufällig und nicht beabsichtigt.

Copyright © 2021 dieser Ausgabe Obo e-Books Verlag,

alle Rechte vorbehalten.

M. Kluger

Fort Chambray 

Apartment 20c

Gozo, Mgarr

GSM 2290

Covergestaltung: Casandra Krammer – www.casandrakrammer.de

Covermotiv: © Wander Aguiar Photography

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Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Epilog

Noch ein Bad Boy zu Weihnachten?

Eingeschneit - Ein Weihnachtshörbuch!

Prolog

Hazel

10 Tage vor Weihnachten

»Du hast aber gut zu tun«, staunt Harry, der Kurierfahrer, der mich mit seiner ungestümen Art immer irgendwie an einen jungen Hund erinnert. Strahlend balanciert er die drei goldenen Kartons, die ich ihm gerade ausgehändigt habe, auf den Armen und versucht dabei irgendwie, mir seinen Scanner zum Unterschreiben hinzuhalten.

»Lebkuchenmännchen und Zuckerstangen«, sage ich. »Glaub mir, so kurz vor den Feiertagen sind alle ganz verrückt danach.« Diese Zeit des Jahres gefällt mir immer am besten. Ich backe total gerne Weihnachtssüßigkeiten, denn ich liebe Weihnachten einfach.

Harry verzieht das Gesicht. »Ich kann das Zeug seit November nicht mehr sehen.«

Grinsend unterschreibe ich, als er es endlich schafft, stillzuhalten. »Das liegt daran, dass du schon im August die ersten Dominosteine verdrückt hast.«

»Woher weißt du das? Stellst du mir etwa nach?«

»Du hast es mir erzählt.«

»Ich weiß, aber das bedeutet ja nicht, dass du nicht trotzdem ein Auge auf mich geworfen hast.«

Ich blicke auf und Harry zwinkert mir auf seine gewohnt welpenhafte Weise zu. Fast muss ich lachen. »Jetzt geh schon und bring mein Gebäck weg, bevor es vertrocknet.«

Mit einem schweren Seufzer wendet Harry sich ab. »Mein Herz ist gebrochen!«

Ich sehe ihm nach und glaube ihm kein Wort. Ich wette, eine Menge Frauen stehen auf seine lockere Art.

»Mach’s gut. Und schöne Feiertage!«

Auf der Treppe dreht er sich noch mal zu mir um, auch wenn ihm dabei fast die Pakete vom Arm rutschen. »Hey. Wir sehen uns doch wohl noch mal vor Weihnachten!«

»Bestimmt«, sage ich, doch versprechen kann ich es ihm nicht, denn normalerweise fahre ich meine Backwaren so oft wie möglich selber aus. Heute jedoch habe ich mir ein bisschen früher freigenommen. Aus einem guten und auf den ersten Blick ziemlich vernünftigen Grund – der mich auf den zweiten Blick jedoch ganz schön nervös werden lässt.

Ich schließe die Tür hinter Harry, drehe mich um und lasse meinen Blick durch Pauls und meine Wohnung wandern. Sollte ich die Jalousien runterlassen? Kerzen anzünden? Eine Spur aus Rosenblättern legen? Nee, das wäre zu kitschig, außerdem bestehen die einzigen Rosenblätter, die ich im Haus habe, aus Marzipan. Ich sehe Paul schon darauf ausrutschen und sich ein Bein brechen, was unserer Beziehung nicht gerade zuträglich wäre.

Andererseits hat er sich ja mehr Nervenkitzel gewünscht. Aber auch weniger Backkram. Also verzichte ich auf die Rosen und mache mich stattdessen auf den Weg ins Schlafzimmer, wo ich schon alles bereitgelegt habe. Viel ist es nicht: Im Grunde nur eine lange Bahn roter Satinstoff, die ich gestern in einem Tischdeckengeschäft gekauft habe. Total erotisch, ich weiß, aber wo das Zeug herkommt, muss Paul ja nicht wissen.

»Dann wollen wir mal«, murmle ich in die Stille der Wohnung hinein und ziehe mir meinen rosa Backpullover, den ich meistens trage, wenn ich in der Küche stehe, über den Kopf. Als Nächstes folgen die Jeans und die dicken Socken – dann jedoch zögere ich.

Irgendwie fühlt es sich komisch an, mitten am Tag allein in der Wohnung einen Striptease hinzulegen.

Aber na ja. Was tut man nicht alles für die Liebe?

Ich gebe mir einen Ruck, ziehe auch BH und Höschen aus, dann schnappe ich mir den roten Stoff und wende mich dem großen Spiegel zu, der an der Tür unseres gemeinsamen Kleiderschranks hängt. Wobei der Schrank eigentlich eher Paul als mir gehört, denn er besitzt ungefähr doppelt so viele Klamotten wie ich. Das hat einen einfachen Grund: Als Makler ist er dauernd unterwegs und muss dabei auch noch vorzeigbar sein. Ich hingegen arbeite von zu Hause aus und kann dabei theoretisch auch einen Dinosaurier-Onesie tragen. Was mir praktisch natürlich nie einfallen würde. Ich stehe nicht auf Dinos.

»Wie mach ich das jetzt ...«, murmle ich und lege mir den Stoff um die Hüfte. In dem YouTube-Video mit dem Titel Sich selbst als Geschenk verpacken – Tutorial sah es so einfach aus. Wenn ich mich recht erinnere, muss ich den Stoff zuerst vor meinen Brüsten überkreuzen, ihn über den Rücken wieder nach unten führen ... Ah ja. Und dann eine große Schleife vor meiner Körpermitte binden, damit nicht gleich alles zu sehen ist.

Ich drapiere die Schleife, betrachte mich – und komme mir unfassbar albern vor. Die Frau in dem Video sah so sexy aus, was aber wahrscheinlich daran lag, dass sie gemachte Brüste, gebräunte Haut und einen perfekt durchtrainierten, von Babyöl glänzenden Körper hatte.

Vielleicht sollte ich mich auch einschmieren. Olivenöl hätte ich da.

Aber so blass, wie ich im Moment bin, würde ich vermutlich einfach aussehen wie ein toter Fisch.

Prüfend nehme ich meine langen braunen Haare zurück. Ich könnte sie sexy hochstecken oder ...

Schritte im Hausflur sorgen dafür, dass ich sämtliche Stylingideen in die hinterste Ecke meines Gehirns verbanne und mit schnellen Schritten zum Bett hechte. Wir wohnen allein im obersten Stockwerk des Apartmenthauses, also kann es nur Paul sein, den ich da höre! Wieso kommt er jetzt schon? Ich versuche, unser Gespräch von gestern Abend abzurufen. Ich hab ihm gesagt, dass ich von drei bis fünf Lieferungen ausfahren und erst gegen halb sechs wieder hier sein würde. Er sagte daraufhin, dass er vor fünf auch nicht hier wäre. Jetzt ist es gerade mal zwanzig nach drei. Eigentlich wollte ich mich noch schminken, Musik anmachen ...

Aber na ja. Dann eben so. Ich schüttle eben das Bett auf, lege mich darauf und sortiere mein Haar über meine Schultern, was hoffentlich verführerisch aussieht. Tja, und jetzt? Soll ich mich schlafend stellen? Auf Dornröschen-Art? Oder soll ich ihm lasziv entgegenblicken, mir vielleicht auf die Unterlippe beißen oder so? Herrgott, ich bin einfach nicht gut in sowas und schaffe es im Endeffekt gerade noch, die Beine ein Stück anzuwinkeln, als ich auch schon den Schlüssel in der Wohnungstür höre.

Mit einem leisen Quietschen öffnet sie sich und ich lausche gespannt, denn ich kann von hier aus zwar ins Wohnzimmer blicken, die Tür jedoch nicht erkennen.

Mit vielen kleinen Schritten betritt Paul die Wohnung. Schmunzelnd denke ich, dass er es wohl eilig hat, nach Hause zu kommen. Die Tür wird geschlossen und ich vernehme ganz eindeutig ein Schmatzen. Ein ziemlich lautes Schmatzen sogar. Wahrscheinlich hat er sich unterwegs was zu essen gekauft.

Ich halte die Luft an und spüre, wie mein Herz ein bisschen schneller schlägt. Hoffentlich gefällt ihm meine Überraschung und er erkennt sie als ernsthafte Bemühung an, wieder mehr Schwung in unser Liebesleben zu bringen. Ich sehe ja selbst ein, dass das in der letzten Zeit ein bisschen zu kurz gekommen ist.

Wieder dieses Schmatzen, dazu ein leises, genüssliches Stöhnen. Was hat er sich denn nur gekauft? Paul ist eigentlich der totale Gesundheitsfanatiker, aber er wird wohl kaum dermaßen lustvoll eine Möhre verspeisen.

Ich bin versucht, seinen Namen zu rufen, damit er endlich ins Schlafzimmer kommt, verkneife es mir aber. Soll er ruhig erst aufessen. Warum auch immer er das dort hinten an der Tür macht.

»Oh Gott«, höre ich ihn flüstern und runzle die Stirn.

Langsam wird es seltsam.

Wer weiß, vielleicht fehlt ihm ja auch was und ich habe sein Stöhnen total fehlinterpretiert. Möglicherweise hat er sich verschluckt, bricht gerade an der Tür zusammen und ...

»Ich werde dich jetzt aussaugen wie ein Vampir, also entspann dich und genieß es.«

Woh. Moment. Was zur Hölle war das jetzt? Eine Frauenstimme, ganz eindeutig. Aber was hat eine fremde Frau in unserer Wohnung zu suchen? Und wieso um alles in der Welt ...

Ich spüre, wie mir von einer Sekunde auf die andere eiskalt wird.

Mechanisch stehe ich vom Bett auf und tappe barfuß auf die Schlafzimmertür zu. Eine leise Stimme in meinem Inneren flüstert noch, dass ich es lassen, dass ich mir das nicht antun soll, aber es ist zu spät.

Im Türrahmen bleibe ich stehen und sehe herüber zum Eingang der Wohnung, in der Paul und ich seit zwei Jahren gemeinsam leben.

Er lehnt an der Tür und hat die Augen geschlossen. Weder zieht er sich gerade ein Stück Pizza rein noch ist er dem Tod nahe. Er wirkt tatsächlich vollkommen entspannt, wie er so dasteht, mit der Hose in den Kniekehlen, und sich von einer Frau mit fusseligen blonden Haaren einen blasen lässt.

»Hey, Edward Cullen!«, rufe ich. »Das ist mein Verlobter, den du da gerade aussaugst!«

Ich höre selbst, dass meine Stimme nicht so tough ist, wie ich möchte, sondern stattdessen ziemlich brüchig klingt.

Eine Sekunde lang geschieht gar nichts und dann irgendwie alles zugleich: Paul reißt die Augen auf und stößt die billige Blondine von sich, als könne er dadurch irgendwas ungeschehen machen. Protestierend fällt sie auf ihren Hintern, während Paul nach dem erstbesten Gegenstand – in dem Fall seiner Aktentasche – tastet und sie wie ein Feigenblatt vor seine Männlichkeit hält.

»Hazel!«, entfährt es ihm und er starrt mich an. Dabei scheint ihm mein seltsames Outfit aufzufallen, denn er mustert mich von oben bis unten. »Was ... was hast du denn da an?«

»Ich wollte dich überraschen«, erwidere ich, »aber du treibst es ja lieber mit ...«

Ich deute auf die Blondine, die sich gerade wieder aufrappelt und sich mit einer verlegenen Grimasse zu mir umdreht.

»Hi, Maggie Hale, ich bin ... Herrje, Sie sind ja total nackt! Du hast Recht, Paulie, sie ist wirklich verrückt!«

Im nächsten Moment schlägt sie sich die Hand vor den Mund. Aber gesagt ist gesagt.

»Verrückt«, flüstere ich und nehme Paul ins Visier. »Du bumst also wild in der Gegend herum und erzählst dabei, ich wäre verrückt.«

»Ich sagte nicht verrückt, ich sagte verwirrt, verplant, gestresst, mit dem Kopf immer woanders. Komm schon, Hazel! Du weißt doch selbst, dass wir Probleme haben!«

»Ja«, bringe ich hervor, wobei ich es endlich schaffe, die alberne Schleife zu öffnen und mir den Stoff wie ein Laken umzuwickeln. »Und die löst man am besten, indem man sich von einer Wildfremden einen blasen lässt! Tipp Nummer eins in jedem Beziehungsratgeber!«

»Ich bin keine Wildfremde«, plärrt abermals die Blonde dazwischen. »Ich kenne Paul, seit er mich im Private Pussy tanzen sehen hat!«

Im Private Pussy. Mein sogenannter Verlobter treibt sich also auch noch in Stripläden herum. Mehr muss ich wirklich nicht wissen! Mit einem ungläubigen Schnauben wende ich mich ab und stürme auf den Kleiderschrank zu. Dieser Bastard! Während ich arbeite, treibt er es also mit Stripperinnen in unserer Wohnung. Wo noch? Im Bett? In der Wanne? Auf meiner Arbeitsplatte vielleicht?

Ich spüre, wie mir schlecht wird, und schlucke die Übelkeit herunter. Kotzen kann ich später noch, jetzt muss ich erst mal diesen Mistkerl loswerden. Da will man seinem Freund ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk machen, und was hat man davon?

»Hazel.« Pauls Stimme aus dem Schlafzimmer. Er muss mir gefolgt sein – hoffentlich allein!

Ich ziehe den ersten Schwung seiner Anzüge von der Kleiderstange und schleudere ihn raus ins Schlafzimmer. »Verschwinde!«

»Hazel ...«

Den zweiten Stapel lasse ich gleich folgen. Dieser Arsch kann zusehen, wo er die Feiertage verbringt, hier bei mir jedenfalls nicht. Soll er doch bei seiner Stripperin einziehen. Private Pussy! Schlimmer geht es ja wohl nicht.

»Hazel!« Halb bedeckt von den Klamotten, die ich ihm entgegengeschleudert habe, kämpft sich Paul zu mir in den Schrank. »Jetzt hör auf damit!«

»Was? Denkst du, ich werde einfach ignorieren, was ich da gerade gesehen habe?!«

»Nein, ich ...«

»Das war’s mit uns, ich hoffe, das ist dir klar. Und darum kannst du auch deine Sachen packen, du egoistischer, schwanzgesteuerter ...«

»Hazel.« Paul hebt die Hände. »Das ist ja gerade, was ich dir zu sagen versuche: Wenn du meinst, dass du mich verlassen musst, kannst du deine Sachen packen. Das hier ist nämlich meine Wohnung.«

Ich sehe ihn an und brauche einen Moment, um seine Worte zu verarbeiten. Plötzlich entwaffnet lasse ich die Arme sinken und realisiere, dass er Recht hat.

Es ist seine Wohnung.

Ich bin damals bei ihm eingezogen.

Er ist der mit dem Geld.

Ich bin die, die Monat für Monat mit Mühe und Not ein Drittel zur Miete beisteuert.

Oh, Mist.

Paul atmet tief durch, dann sagt er: »Hör zu. Du musst doch nicht gleich Schluss machen. Wo sollst du denn auch hin? Lass uns über alles reden, ich bin sicher, du wirst mir das verzeihen können, wenn du dir Mühe gibst, meine Lage ein Stück weit zu verstehen. Und dann feiern wir nächsten Sommer unsere Hochzeit, ganz wie geplant. Komm schon. Es würde meiner Mom das Herz brechen, wenn wir uns jetzt trennen.«

Ich erwidere seinen Blick. Lange. Lasse jedes seiner Worte auf mich wirken. Dabei weiß ich selbst nicht, ob aus Ungläubigkeit, Entsetzen oder Abscheu. »Ich sag dir, was wir tun werden, Paul«, erwidere ich schließlich. »Du gehst jetzt. Ich packe meine Sachen. Und wenn du heute Abend wiederkommst, bin ich weg.«

»Ha ...«

»Verschwinde!«, fauche ich ihn an, und das wirkt.

Paul zuckt zurück, sieht mich noch einen Moment irritiert an, dann trottet er aus dem Schrank, als hätte ich ihm gerade den Dauerlutscher weggenommen. Nun ja. Dabei habe ich den Lolli wenn dann seiner kleinen Nutte geklaut, oder nicht?

Fassungslos wende ich mich wieder den Klamotten zu und ziehe meinen Koffer aus dem obersten Fach. Nicht heulen. Nicht kotzen. Pack einfach deine Sachen, Hazel.

Es wird schon irgendwie weitergehen.

1

Hazel

7 Tage vor Weihnachten

»Ich hätte gern 30 Lebkuchensterne, 30 von Ihren köstlichen Zuckerstangen und 150 Dominosteine«, dringt es blechern aus dem Hörer.

»Hm«, erwidere ich und richte mich auf dem Sofa halbwegs in eine sitzende Position auf.

»Miss Fields? Klappt das bis morgen?«

»Hm. Weiß nich’. Vielleich’ isses bessa, Sie kauf’n das Zeug im näxten Supamarkt. Da krieg’n Sie zwaa nur noch Reste, is’aber wenigstns billich.«

»Miss Fields? Geht es Ihnen nicht gut? Sie klingen so ...«

»Besoff’n. Ich bin totaaaaa –«

»Hazel!«, zischt Emma und nimmt mir mein Handy aus den Fingern. »Spinnst du? Was soll das denn?« Sie holt tief Luft, setzt ein Lächeln auf und drückt sich das Telefon ans Ohr. »Guten Tag, hier ist Hazel Fields. Tut mir sehr leid, ich bin unterwegs und so eine durchgedrehte Obdachlose hat mir gerade das Handy aus den Fingern gerissen. ... Ja, unglaublich, was in New York los ist. ... Ja, es wird immer schlimmer!«

Ich sehe ihr nach, während sie ans Fenster tritt und es öffnet, um etwas Straßenlärm reinzulassen. Klar, so klingt das Gespräch realistischer. Emma hat es einfach drauf. Ich hingegen hab einfach nur Kopfschmerzen. Na ja, eigentlich ist mir dazu auch noch ziemlich schlecht. Angewidert sehe ich auf die halb leere Flasche Billig-Glühwein, die vor mir auf Emmas Wohnzimmertisch steht. Dann sehe ich auf Rory, der in einem Sessel mir gegenüber sitzt und mich vorwurfsvoll ansieht.

Rory und Emma sind meine besten Freunde. Sie sind ein Paar und total glücklich. Ich bin sicher, die Vorweihnachtszeit ist für sie der romantische Höhepunkt des Jahres. Zumindest war das vermutlich so, bis die durchgedrehte Obdachlose bei ihnen eingezogen ist.

»Was?«, frage ich Rory gereizt, als er mich weiter wortlos anstarrt.

»Du hast Pommes in den Haaren.«

»Unsinn, das is’ ...« Ich betaste meinen langen wirren Zopf, während Emma das Gespräch beendet und sich zu uns umdreht.

»Essen in den Haaren ist ihr kleinstes Problem! Du hast gerade eine Riesenbestellung reinbekommen, Hazel. Könntest du dich jetzt bitte aufraffen und mit dem Backen anfangen?«

»Du has’ die Bestellung angenomm’n?«, frage ich fassungslos.

Emma verschränkt die Arme vor der Brust. »Natürlich habe ich, schließlich brauchst du Geld.«

Geld, ja. Oh Gott, warum muss sie mich daran erinnern? Als ich Pauls Wohnung verlassen habe, befanden sich 345 Dollar auf meinem Konto und 67 in meinem Portemonnaie. Das Portemonnaie ist mittlerweile leer – schon krass, wie teuer Alkohol und Fast Food sind.

Ich besitze also ganze 345 Dollar, was in New York noch nicht einmal reicht, um sich ein Regal in einer Besenkammer zu mieten. Also muss ich arbeiten, denn ich kann nicht ewig auf Ems und Rorys Sofa leben. Herrgott. Die beiden wollen sicher abends gemütlich hier sitzen, sich anschmachten, was Liebespaare halt so tun. Stattdessen beherbergen sie mich und müssen mir beim sozialen Abstieg zusehen.

Okay, ich sehe ein, dass das so nicht weitergehen kann.

»Na schön«, sage ich und stehe auf. »Was hatt’n die alte Schachtel b’stellt? Ich werd sofort ...« Kaum habe ich mich vom Sofa hochgekämpft, muss ich mich auch schon an der Lehne abstützen. »Mann, is’ mir schwindelig. Jemand muss Schnaps in’en Glühwein gekippt hab’n!«

»Das warst du selbst«, erwidert Rory sachlich. »Gestern Abend, während du Pauls Fotos im Kamin verbrannt hast, hast du den 20 Jahre alten Single Malt meines Vaters in deine Glühweinflasche gekippt, und zwar komplett.«

Ich sehe ihn an, dann Emma, die ihm nickend beipflichtet.

Warum wissen die zwei das noch und ich nicht? Haben sie etwa nicht mit mir getrunken? Herrje. Alleine trinken ist der Anfang vom Ende. Auf einmal ist mir mein Verhalten einfach unglaublich peinlich, vor allem, weil Em und Rory ihr Leben so einwandfrei im Griff haben. Wie machen sie das nur? Em arbeitet bei einer Bank, Rory ist Anwalt, beide sind immer perfekt gekleidet, Emmas kupferrote Haare glänzen und Rorys jungenhaftes Gesicht ist stets glattrasiert. Keine Ecken, keine Kanten. Die habe ich an Paul auch nie entdecken können. Bin ich eigentlich die einzige Vollkatastrophe weit und breit?

Seufzend lasse ich mich zurück aufs Sofa sinken.

»Hazel«, sagt Emma verständnisvoll und setzt sich neben mich. »Hör mal. Wir wissen alle, wie sehr dich die Trennung von Paul mitnimmt. Und du weißt hoffentlich, dass du dich bei uns ausheulen kannst, solange du willst. Aber gleichzeitig musst du an deine Zukunft denken.«

»Ja«, stimmt Rory zu. »Wenn du dich jetzt hängen lässt, verlierst du all deine Kunden und stehst in einem halben Jahr wieder bei Hooters. Willst du das?«

»Erinner mich doch nich’ daaaaaran!«, stöhne ich und drücke mir ein Kissen vors Gesicht. Ja, ich habe mal bei Hooters gearbeitet – mein absoluter Tiefpunkt. Aber wenn man Geld sparen will, um sich selbstständig zu machen, sagt man nicht nein zu einem lukrativen Kellnerjob. Ich habe Paul bei Hooters kennengelernt. Eigentlich hätte mir gleich klar sein müssen, dass er ein untreuer Arsch ist, so wie er mir und den anderen Kellnerinnen auf den Hintern gegeiert hat.

»Hör auf dich zu ersticken, Selbstmord ist keine Lösung.« Emma nimmt mir das Kissen vom Gesicht.

»Ich weiß nich’, was ich sons’ tun soll«, gebe ich zu.

»Ganz einfach. Du trinkst jetzt einen starken Kaffee ...«

Während Em spricht, steht Rory bereits auf und geht in die Küche.

»Ich besorge in der Zeit Lebkuchen, Zuckerstangen und Dominosteine aus dem Supermarkt und du rührst einen schönen Zuckerguss an, damit wir das Zeug ein bisschen veredeln können. Dann bringe ich es zu deiner Kundin und du überlegst dir in der Zeit, wie es weitergehen soll. Fertigst einen Wunschzettel an dich selbst an. Okay?«

Ich nicke. Das klingt alles vernünftig – bis auf die Sache mit dem Wunschzettel, denn mit so einer blöden Wunschliste fing alles erst an.

Es war zu Beginn der Adventszeit, als Paul die Idee hatte, dass wir einander einen Wunschzettel schreiben sollten. Auf meinem stand eigentlich nur, dass ich mir wünsche, dass wir weiter so glücklich bleiben. Und bei ihm? Na ja. Er schrieb: Ich wünsche mir, dass du weniger Zeit mit deiner Geschäftsidee und mehr Zeit mit mir verbringst. Unser Liebesleben könnte eine Auffrischung gebrauchen.

Das war für mich wie ein Schlag vor den Kopf und jetzt, im Nachhinein, ist es das erst recht. Scheinheiliger Affe! Wahrscheinlich hat er damals schon lange die Stripperin gev...

»Hazel.«

Ich sehe auf und blicke in Emmas strenges Gesicht.

»Eins nach dem anderen: Kaffee, Zuckerguss, Wunschliste. Alles klar?«

Zeitgleich hält mir Rory eine dampfende Tasse unter die Nase und auch, wenn mir allein vom Geruch schlecht wird, greife ich schließlich zu.

Wünsche an mich selbst. Ich wünsche mir, dass ...