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MÄRCHENHOCHZEIT AUF SIZILIEN von SARAH MORGAN „Hast du wirklich geglaubt, du könntest unbemerkt nach Sizilien zurückkommen?“ Wie erstarrt hört Francesca seine Stimme. Sie wollte ihre Mutter besuchen, stattdessen ist sie dem Mann in die Arme gelaufen, vor dem sie geflohen war: Milliardär Rocco Castellani – ihrem Ehemann! LOCKENDER RUF DER LIEBE von DIANA HAMILTON Der reiche Playboy Cesare schäumt vor Wut: Seine hinreißende Geliebte Bianca hat ihn verlassen! Unter einem Vorwand lockt er sie auf seine kleine Insel vor Sizilien und umwirbt sie gekonnt. Aber nur, damit diesmal er ihr den Laufpass geben kann! MEIN SIZILIANISCHER GELIEBTER von KATE WALKER Was erwartet Amber nach ihrer Rückkehr in der weißen Villa auf der Trauminsel Sizilien? Sie liebt den feurigen Italiener Guido Corsentino mit jeder Faser ihres Herzens, doch er scheint nur eins im Sinn zu haben: Rache, weil sie ihn vor einem Jahr verließ …
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Seitenzahl: 488
Sarah Morgan, Diana Hamilton, Kate Walker
ROMANA GOLD BAND 71
IMPRESSUM
ROMANA GOLD erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
Neuauflage in der Reihe ROMANA GOLD, Band 71 10/2022
© 2007 by Sarah Morgan Originaltitel: „The Sicilian’s Virgin Bride“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Annette Stratmann Deutsche Erstausgabe 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA EXTRA, Band 275
© 2002 by Carol Hamilton Dyke Originaltitel: „The Italian’s Trophy Mistress“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Veramaria Schwallbach Deutsche Erstausgabe 2004 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA EXTRA, Band 222
© 2007 by Kate Walker Originaltitel: „Sicilian Husband, Blackmailed Bride“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Alexa Christ Deutsche Erstausgabe 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA EXTRA, Band 277
Abbildungen: J2R / Getty Images, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 10/2022 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751510905
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, HISTORICAL, TIFFANY
Sie landete mitten in der Nacht mit einem kleinen Privatflugzeug, das sie von ihrem letzten Bargeld gechartert hatte. Ihr Gesicht war halb verborgen unter dem breitrandigen, tief in die Stirn gezogenen Hut, das Haar war straff zurückgebürstet und im Nacken geknotet. Sie trug einen schlichten schwarzen Mantel über der schwarzen Hose, kein Make-up und keinen Schmuck. So kleidete sich eine Frau, die keine Blicke auf sich ziehen wollte. Die sich verstecken musste.
Hätte der Pilot genauer hingesehen, hätte er ihren aschfahlen Teint und ihre zitternden Hände bemerkt, die den Griff der Reisetasche umklammerten. Vielleicht auch ihre funkelnden blauen Augen und das entschlossen vorgereckte Kinn. Doch er beachtete sie kaum, streifte sie nur beim Einsteigen mit einem flüchtigen Blick und verlor sofort das Interesse. Er tat genau das, wofür Chessie ihn fürstlich bezahlt hatte. Nun aber saß sie steif vor Anspannung auf ihrem Sitz und blickte ängstlich durch das kleine Fenster in die Dunkelheit hinaus.
Die Landung auf Sizilien stand kurz bevor, und Chessie hatte ein flaues Gefühl im Magen. Sie schloss die Augen, lehnte den Kopf ans Polster und atmete tief durch. Niemand würde sie aufhalten. Niemand wusste von ihrer Ankunft.
Während der letzten Monate hatte sie gelernt, ständig über die Schulter zu blicken, keinen Namen zu nennen, keine persönlichen Angaben zu machen und nur bar zu bezahlen. Sie hatte zu ihrem eigenen Schutz ein völlig anonymes Leben geführt.
Doch nun kehrte sie nach Sizilien zurück. Was für viele ein Paradies war, war für sie ein Gefängnis. Aber nicht mehr lange, tröstete sie sich. Irgendwann demnächst würde sie tun, was getan werden musste. Zunächst aber wollte sie ihre Mutter besuchen. Das erste Mal nach sechs langen Monaten …
Der Copilot kam nach hinten, um die Landung anzukündigen und ihr mitzuteilen, dass ein Wagen für sie bereitstand. Er sprach Englisch mit starkem italienischen Akzent, und Chessie antwortete in derselben Sprache, obwohl ihr Italienisch perfekt war. Sie fragte sich, wie er reagiert hätte, wenn er gewusst hätte, wer sie war. Doch das konnte niemand ahnen. Nichts in ihren Papieren verriet ihre wahre Identität.
„Va bene.“ Der Copilot nickte ihr zu. „Gute Reise.“
Gute Reise? Chessies Mund wurde trocken vor Angst, als die kleine Privatmaschine auf dem Rollfeld aufsetzte. Sie schnallte sich ab, griff nach ihrer Tasche und lief zögernd zum Ausgang. Es wird schon gut gehen, sagte sie sich, während sie die Treppe hinabstieg, eingehüllt in die warme, duftende Nachtluft Siziliens. Ihr Vater war tot, das Begräbnis vorüber. Niemand rechnete mit ihrer Heimkehr. Sie würde nur kurz ihre Mutter besuchen und sofort wieder abreisen.
Danach würde sie ihr Leben in Ordnung bringen. Nicht mehr weglaufen, sich nicht mehr verstecken. Das vergangene halbe Jahr hatte gezeigt, wozu sie fähig war.
Wie Suchscheinwerfer glitten die Lichter des herannahenden Wagens über das Rollfeld. Chessie bemühte sich, ihren rasenden Puls unter Kontrolle zu halten, als die Limousine neben ihr hielt. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, glitt sie blitzschnell auf die Rückbank. Erst als die Wagentür zufiel, merkte sie, dass dort jemand saß.
Oh nein! Starr vor Schreck, wagte sie nicht, ihn anzusehen. Sie wusste, wer er war, konnte seine Nähe förmlich spüren. Rocco Castellani. Milliardär und ein ausgemachter Schuft. Ihr Ehemann.
Mühsam beherrscht beobachtete Rocco, wie Chessie vergeblich die verriegelte Tür zu öffnen versuchte. Unter der breiten Hutkrempe sah er die Panik in ihren Augen. Ich habe sie unterschätzt, dachte er ärgerlich, aber auch leicht amüsiert. Von allen Frauen, die er kannte, war Francesca die einzige, die ihn je überrascht hatte.
„Buonasera, tesoro. Willkommen zu Hause.“ Er wechselte ins Englische, denn das war die Sprache, in der sie sich normalerweise unterhielten. Interessiert musterte er ihr blasses Gesicht. Offenbar hatte sie nicht erwartet, ihn hier anzutreffen. Wie konnte sie nur so naiv sein?
Er wartete auf eine Äußerung von ihr, doch sie saß völlig verkrampft neben ihm, sagte kein einziges Wort und klammerte sich verzweifelt an die Kante ihres Sitzes. Mit jedem anderen hätte er in dieser Situation Mitleid gehabt, nicht aber mit seiner Frau. Nach allem, was sie getan hatte, konnte sie froh sein, überhaupt in seinem Wagen sitzen zu dürfen!
„Du scheinst nicht damit gerechnet zu haben, mich zu sehen“, sagte er ungerührt. „Wir sind verheiratet, tesoro! Warum sollte ich meine Frau nicht vom Flughafen abholen?“
Jetzt erst wandte sie den Kopf und sah ihn an. „Woher wusstest du es?“, fragte sie mit erstickter Stimme.
„Dass du heute Abend ankommen würdest?“ Er lächelte. „Dachtest du, ich fände es nicht heraus? Ich interessiere mich für alles, was meine Frau tut. Dein Vater hat dich mir anvertraut, und ich nehme meine Verantwortung sehr ernst.“
„Du interessierst dich doch gar nicht für mich, Rocco.“ Ihre Stimme wurde energischer. „Du interessierst dich nur für dich selbst!“
Rocco beugte sich vor und nahm ihr den Hut vom Kopf. Ihr dunkles Haar löste sich aus der Spange und fiel in Wellen über ihre Schultern. Sie sah unglaublich jung aus. Viel zu jung, um so raffiniert zu sein.
„Du überraschst mich“, meinte er nachdenklich. „Wie viel verborgenes Temperament in dir schlummert! Als wir uns vor der Hochzeit kennenlernten, musste ich dir jedes einzelne Wort entlocken. Ich hielt dich für schüchtern.“
„Du kennst mich nicht, Rocco.“
„Stimmt, aber ich werde alles tun, um das zu ändern. Ich werde jede freie Minute darauf verwenden, unsere Bekanntschaft zu vertiefen.“
„Nein!“ Chessie schüttelte heftig den Kopf. „Du brauchst mich nicht kennenzulernen. Und was ich von dir weiß, reicht mir völlig.“
Wie widersprüchlich sie ist, dachte er. Wie kompliziert. Anfangs war sie ihm sanft und scheu erschienen, und nun erwies sie sich als wild und eigensinnig.
„Dein dunkles Haar zeugt von deiner italienischen Abstammung.“ Er wickelte spielerisch eine ihrer Locken um den Finger. „Und die blauen Augen hast du von deinen englischen Vorfahren geerbt.“
Mit ihren großen saphirblauen Augen und den vollen rosigen Lippen war sie der Inbegriff von Jugend und Unschuld. Doch Rocco wusste, dass sie ihre Unschuld für immer verloren hatte. An einen anderen Mann. Ärger und eine noch viel hässlichere, gefährlichere Regung flammte in ihm auf – Eifersucht.
So fühlt es sich also an, dachte er, während er gegen den brennenden Neid ankämpfte, der seine eiserne Selbstdisziplin ins Wanken brachte. So fühlt es sich an, betrogen zu werden. Eine dunkle, bedrohliche Erinnerung aus längst vergangenen Zeiten stieg in ihm auf, aber er unterdrückte sie rasch. Sieh immer nach vorn, nie zurück, lautete sein Motto. Chessie mochte ihre Unschuld verloren haben, aber sie gehörte immer noch ihm.
„Fass mich nicht an!“ Mit einem Ruck entzog sie sich ihm und rückte so weit wie möglich von ihm ab. „Ich will zum Haus meines Vaters“, sagte sie, ohne ihn anzusehen.
Rocco, der sie am liebsten an sich gezogen hätte, um jeden Gedanken an einen anderen Mann aus ihrem Kopf zu verbannen, musterte nachdenklich ihr Profil.
„Kommt das nicht reichlich spät? Dein Vater wurde vor zwei Wochen beerdigt!“ Zu seinem Erstaunen reagierte sie nicht auf seine scharfen Worte, und er fuhr fort: „Hieltest du als sein einziges Kind es nicht für nötig, ihm die letzte Ehre zu erweisen?“
Sie sah ihn mit einem merkwürdigen Ausdruck in den Augen an. „Nein.“
„Und warum nicht?“
„Meine Beziehung zu meinem Vater geht dich nichts an, Rocco. Ich schulde dir nichts, schon gar keine Erklärungen. Und ich bin nicht deinetwegen hier, sondern wegen meiner Mutter.“
„Deine Mutter ist nicht mehr da.“
„Was?“ Erschrocken sah sie ihn an. „Wo ist sie?“
„Ich habe keine Ahnung“, erwiderte er, und Chessie ergriff verzweifelt seinen Arm.
„War sie beim Begräbnis? Bitte, ich muss es wissen!“
„Ja, aber sie ist gleich danach weggefahren.“
„Dem Himmel sei Dank“, flüsterte sie. „Du kannst den Wagen jetzt anhalten. Ich fliege zurück und werde dich nie wieder behelligen. Leb ruhig so weiter wie bisher.“
„Das habe ich auch vor, aber du kehrst nicht zum Flughafen zurück“, erwiderte er ruhig. „Wir haben viel zu besprechen, tesoro.“
Chessie, die wusste, dass sie ihre Hoffnung auf eine baldige Abreise begraben konnte, überlegte fieberhaft, was sie tun sollte. Wie hatte sie nur so dumm sein können zu glauben, sie könne unbemerkt sizilianischen Boden betreten? Wie hatte sie vergessen können, wer ihr Ehemann war? Man nannte ihn il lupo. Den Wolf.
Bereits als Teenager hatte er seine erste Million verdient und seitdem zielstrebig immer mehr Geld angehäuft. Er war schlau und unberechenbar, darüber hinaus leidenschaftlich, draufgängerisch und gefährlich gut aussehend. Rocco war der Traum aller Frauen. Selbst Chessies scharfer Verstand setzte in seiner Nähe aus.
Angespannt und ohne zu lächeln saß er jetzt neben ihr, und eine beinahe unnatürliche Ruhe ging von ihm aus. Chessie fand seine eiserne Selbstdisziplin beängstigend. Alles an ihm war dunkel und bedrohlich – seine Augen, sein Haar, sein brodelndes Temperament. Er verfügte über mehr Macht und Einfluss, als ihr Vater je besessen hatte. Der Gedanke verursachte ihr eine Gänsehaut.
Er war der Inbegriff des erfolgreichen Geschäftsmannes, aber Chessie ließ sich von seinem kultivierten Äußeren nicht täuschen. Die sündhaft teuren, handgefertigten Schuhe, der exzellent geschnittene Maßanzug und das schöne, markante Gesicht waren nur Tarnung, um seine Widersacher in Sicherheit zu wiegen. Chessie wusste, dass sich hinter dem charmanten Lächeln, dem die Frauen reihenweise erlagen, die unbarmherzige Kälte eines Barrakudas verbarg. Wie immer er sich auch kleidete oder auftrat, ihr machte er nichts vor.
Rocco Castellani war ein echter Sizilianer und Chessie eine der wenigen, die wussten, was das bedeutete. Auch ein Wolf im Schafspelz war ein Wolf.
„Du willst doch unsere Ehe wohl nicht fortsetzen, oder?“ Sie musste ihn falsch verstanden haben!
„Warum nicht?“
„Weil sie beendet ist.“ Sie hatte ihn verlassen. Welcher Sizilianer würde das verzeihen?
Er lächelte kühl. „Sie hat noch nicht einmal begonnen, tesoro. Wir haben viel nachzuholen, und ich freue mich darauf.“
Ihr Herz hämmerte wie wild in ihrer Brust. „Warum bist du eigentlich hier? In den Zeitungen stand, du seist in New York!“ Chessie hatte sich fest darauf verlassen.
„Du darfst nicht alles glauben, was in den Zeitungen steht. Aber es schmeichelt mir, dass du dich offenbar auch während deines Urlaubs um meine Belange gekümmert hast.“ Ohne seine Frau aus den Augen zu lassen, beugte er sich vor und gab dem Chauffeur mit gedämpfter Stimme einige Anweisungen.
„Du scheinst mich vermisst zu haben“, fuhr er fort, „aber das muss dir nicht peinlich sein. So gehört sich das für eine Ehefrau. Und jetzt sind wir ja wieder zusammen.“ Er wirkte erstaunlich ruhig, aber Chessie bekam feuchte Handflächen. Sie wusste, dass sie Rocco gegen sich aufgebracht hatte. Und dass er ein unerbittlicher Gegner war.
„Woher wusstest du, dass … dass ich in dem Flugzeug bin?“ Ausgerechnet jetzt schien ihr neues Selbstbewusstsein sie im Stich zu lassen!
Roccos Mundwinkel zuckten. „Nach dem Tod deines Vaters war deine Rückkehr nach Sizilien nur eine Frage der Zeit. Geduld ist nicht meine Stärke, aber ich habe mich beherrscht. Ich nehme an, dein Liebhaber ist dir inzwischen langweilig geworden?“
Chessie sah ihn schockiert an. „Welcher Liebhaber?“
„Als meine Frau wurdest du selbstverständlich von meinen Sicherheitsleuten überwacht. Wenn du also abstreiten willst, dass du unsere Hochzeitsfeier mit Carlo Mancini verlassen hast …“, er zuckte scheinbar gelangweilt mit den Schultern, „dann verschwendest du deine Zeit. Ich hoffe nur, du hattest Spaß mit ihm im Bett.“ Eine seiner Stärken war, in jeder Situation einen kühlen Kopf zu bewahren, aber er war zornig, das spürte sie. Sehr zornig.
Im Gegensatz zu ihrem Vater hatte Rocco gelernt, sein aufbrausendes sizilianisches Temperament zu zügeln und es zu seinem Vorteil einzusetzen. Anstatt seinen Gegner offen anzugehen, beobachtete er ihn, entlarvte seine Schwächen und holte im richtigen Moment zum vernichtenden Schlag aus. Eine Wirtschaftszeitung hatte ihn einmal als meisterhaften Strategen, geschickten Taktierer und gnadenlosen Konkurrenten bezeichnet. Rocco Castellani gab sich nicht mit Gefangenen ab.
Außer mit ihr. Durch die Heirat mit ihm war sie zu seiner Gefangenen geworden. Was einer der Gründe gewesen war, weshalb sie ihn verlassen hatte, und zwar zusammen mit Carlo, dem Gärtner ihres Vaters, der zufällig zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen war. Sie wäre nie auf die Idee gekommen, dass Rocco sie und Carlo für ein Liebespaar halten könnte. Nicht im Traum wäre ihr eingefallen, sich an ihrem Hochzeitstag mit einem Liebhaber zu vergnügen. Dass Rocco es ihr zutraute, bewies nur, wie unterschiedlich sie beide waren.
Er wusste nicht, was Liebe war. Er hatte noch nie in seinem Leben eine Frau wirklich geliebt. Und sie saß hier in seinem Wagen in der Falle! Dabei war sie so vorsichtig gewesen …
„Woher wusstest du von meiner Ankunft? Ich habe doch bar bezahlt!“
„Nicht so viel wie ich.“ Gelassen blickte er auf seine Armbanduhr. „Deine Naivität ist rührend. Nur gut, dass du deinen Liebhaber nicht mitgebracht hast. Das wäre peinlich für alle Beteiligten geworden.“
Chessie grub verzweifelt die Fingernägel ins Polster. Der letzte Rest ihrer mühsam aufrechterhaltenen Selbstsicherheit brach in sich zusammen. Rocco schien ernsthaft zu glauben, sie habe ein Verhältnis mit Carlo! Typisch Sizilianer, dachte sie. Eifersucht und Besitzansprüche trübten seinen klaren Verstand. Sein Zorn hatte nichts mit verschmähter Liebe zu tun, sondern entsprang nur dem Gefühl, öffentlich gedemütigt worden zu sein. Er glaubte tatsächlich, sie habe ihre Jungfräulichkeit an einen anderen Mann verloren!
Einen Moment lang war sie wie betäubt, doch dann nahm sie all ihren Mut zusammen. Wenn sie kämpfen wollte, dann jetzt!
„Ich komme nicht mit, Rocco. Ich will nicht mit dir verheiratet sein. Ich verlange die Scheidung.“ Sie hatte die Worte so lange geübt, dass sie ihr erstaunlich leicht über die Lippen kamen. Es war geschafft! Keine schlaflosen Nächte mehr, kein endloses Pläneschmieden darüber, wie sie es ihm am besten beibrachte. Sie hatte es ausgesprochen.
„Wie kannst du so etwas sagen? Bei unserer letzten Begegnung hast du mir vor dem Priester dein Jawort gegeben!“
„Weil ich dich für einen netten Menschen hielt.“
Er wirkte amüsiert. „Francesca, tesoro, ich bin nett“, raunte er und senkte die Lider mit den dichten dunklen Wimpern. „Zumindest zu alten Damen und Kindern.“
„Das mag sein, aber weder die einen noch die anderen zählen zu deinem Bekanntenkreis.“
„Aber wenn …“, er beschrieb eine großzügige Geste mit seiner sonnengebräunten Hand, „dann wäre ich nett zu ihnen.“
„Nur um sie anschließend auszurauben.“ Chessie wandte sich ab, denn sein Blick irritierte sie. „Du denkst immer nur an dich.“
„Im Gegenteil, ich habe an kaum etwas anderes als an dich gedacht, seit du mir nach der Hochzeit davongelaufen bist. Hast du vergessen, dass du es gar nicht erwarten konntest, mich zu heiraten? Du warst doch ganz verrückt nach mir!“
Sie errötete vor Verlegenheit, doch es abzustreiten, wäre eine dreiste Lüge gewesen. Natürlich war sie in ihn verliebt gewesen, obwohl sie es nicht beabsichtigt hatte. Ursprünglich war die Heirat mit Rocco nur ein Weg gewesen, ihrem Vater zu entkommen. Die Chance, sich endlich den ersehnten Freiraum zu schaffen.
Als sie ihn dann besser kennenlernte, war es ihr wie allen anderen Frauen ergangen, die seinen Weg kreuzten – sie war seinem rauen, faszinierenden Charme erlegen. Was sie ihm allerdings nie gesagt hatte. Zu erfahren, dass er von ihren Gefühlen wusste, war ihr so peinlich, dass sie am liebsten im Boden versunken wäre.
Wie muss er hinter meinem Rücken über mich gelacht haben, dachte sie und sah beschämt zum Fenster hinaus. Models und Filmstars rissen sich um Rocco. Wie konnte da ein so unbeholfenes, schüchternes Mädchen wie sie eine Chance bei ihm haben?
„Ich dachte, ich sei in dich verliebt, weil ich nicht wusste, wer du wirklich bist. Einen Mann wie dich könnte ich niemals lieben!“ Sie hatte ihre Gefühle viel zu lange unterdrückt. „Du hast mich dazu gebracht, dir mein Jawort zu geben, aber für dich war es nur ein Geschäft! Das ist nicht die Art von Ehe, die ich mir wünsche. Ich will eine richtige Ehe!“
„Eine richtige Ehe?“, wiederholte er spöttisch. „Du trägst meinen Ring am Finger. Was willst du mehr?“
„Du verstehst es nicht, oder?“ Chessie zwang sich, ihn anzusehen. Den Ehemann, vor dem sie davongelaufen war. „Es geht nicht um den Ring oder um irgendwelche Versprechen, Rocco. Es geht um Gefühle. Um Vertrauen, Liebe – all die Dinge, von denen du keine Ahnung hast.“
„Aber Carlo, ja?“ Sein Sarkasmus brachte sie in Rage.
„Du bist so scheinheilig!“, stieß sie hervor. „Was glaubst du, warum ich die Hochzeitsfeier verlassen habe?“ Sie sah, wie sich seine Augen verengten, aber nun war sie nicht mehr zu bremsen. „Wie kannst du es wagen, mir vorzuwerfen, ich hätte einen Liebhaber, während du selbst so unverschämt warst, deine … deine Freundin zu unserer Hochzeit einzuladen? Welcher Mann verhält sich so, Rocco? Welcher Mann heiratet vor den Augen seiner Freundin eine andere Frau? Mutet seiner Frau zu, seine Geliebte zu bewirten? Hast du denn gar keine Gefühle, keine Moral …?“
Erschrocken über ihren Zornausbruch, hielt sie inne. Bei ihrem Vater hatte sie gelernt, den Mund zu halten, die Augen niederzuschlagen und keine Widerworte zu geben. Nie zuvor hatte sie so offen ihre Meinung gesagt. Unwillkürlich drückte sie sich tiefer in ihren Sitz, aber Rocco musterte sie nur erstaunt.
„Das ist die längste Rede, die ich je von dir gehört habe“, meinte er. „Vor der Hochzeit warst du immer sehr einsilbig und hast kaum gewagt, mich anzusehen.“
Sie errötete heftig, denn er hatte recht. Nahezu all ihre Begegnungen hatten in Gegenwart ihres Vaters stattgefunden, und aus bitterer Erfahrung hatte sie lieber geschwiegen, als seinen Zorn herauszufordern.
„Nun, jetzt sehe ich dich an und spreche mit dir“, erwiderte sie, bemüht, sich ihre Nervosität nicht anmerken zu lassen. „Und ich habe eine äußerst schlechte Meinung von dir, Rocco. Für dich zählt nur Profit. Du bist immer auf deinen eigenen Vorteil bedacht und missachtest die Gefühle deiner Mitmenschen. Ich hatte sechs Monate Zeit, darüber nachzudenken, was du getan hast. Du hast mich geheiratet, nur um das Geschäft meines Vaters übernehmen zu können. Das allein ist schlimm genug, aber ich hatte gehofft, du würdest mich zumindest respektieren. Und du lädst deine Geliebte zu unserer Hochzeit ein!“ Es war ihr deutlich anzumerken, dass sie den Schmerz und die Demütigung noch nicht verwunden hatte.
„Das ist doch kindisch. Es waren zweihundert Gäste auf der Feier!“
„Mich interessiert nur die große Blondine, die die Finger nicht von dir lassen konnte. Deine Freundin.“
„Exfreundin“, korrigierte er.
„Und warum habt ihr euch auf der Terrasse geküsst?“
Er unterdrückte ein Gähnen. „Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht mehr. Manche Frauen sind von Natur aus anhänglich. Vielleicht hat sie sich nur verabschiedet.“
Anhänglich? Chessie erinnerte sich nur zu gut an den leidenschaftlichen Kuss der beiden, der sie rasend eifersüchtig gemacht hatte. Sie hatte Rocco nie so geküsst. „Warum hast du sie überhaupt eingeladen?“
Sein Blick wurde kalt. „Deine Rolle als Ehefrau gibt dir nicht das Recht, mein Verhalten zu kritisieren. Offen gesagt, ich verstehe nicht, worüber du dich beklagst! Ich habe dich geheiratet. Du hast das große Los gezogen!“
„Das große Los?“ Fassungslos sah sie ihn an, suchte vergeblich nach einer Spur von Reue oder schlechtem Gewissen in seinem sonnengebräunten Gesicht, doch da war nichts.
„Aber ja“, erwiderte er sanft. „Ich biete dir mehr als jeder anderen Frau.“
„Du meinst, ich soll dankbar sein, dass ich meinen Ehemann mit einem halben Dutzend anderer Frauen teilen darf?“, empörte sie sich.
„So viel Leidenschaft hätte ich dir gar nicht zugetraut. Wie reizvoll! Das erklärt einiges.“ Nachdenklich betrachtete er ihr Gesicht. „Aber deine Eifersucht ist lächerlich.“
„Ich bin nicht eifersüchtig. Dazu müsste ich Gefühle für dich haben, was absolut nicht der Fall ist.“ Nicht mehr. Einst hatte sie die Aussicht darauf, ihn zu heiraten, in einen wahren Glückstaumel versetzt, aber das waren kindische Fantasien gewesen. Die Wirklichkeit sah völlig anders aus. „Du hast mich in aller Öffentlichkeit blamiert, Rocco. Was hätte ich tun sollen? Im Kreise deiner Exfreundinnen feiern und stolz sein, dass du mich auserkoren hast? Sag mir eins – wenn du mit der Blonden zusammen sein wolltest, warum hast du nicht sie geheiratet?“
„Lorna ist Amerikanerin, Geschäftsfrau und sehr eigenständig. Sie wäre nicht die passende Ehefrau gewesen.“
„Du meinst wohl, sie war zu klug, um dich zu heiraten, und da hast du dir lieber eine dumme kleine Sizilianerin gesucht! Aber du hast dich getäuscht, Rocco. Mich zu heiraten war ein Fehler. Ein großer Fehler!“
Seine Miene blieb unbewegt. „Ich mache niemals Fehler. Du dagegen hast einen gravierenden Fehler begangen, als du davongelaufen bist. Aber jetzt bist du wieder da und kannst versuchen, es wiedergutzumachen. Wenn du dir Mühe gibst, werde ich dir vielleicht sogar verzeihen.“
Ihr verzeihen? Frustriert sah sie ihn an, aber er schien sich keiner Schuld bewusst zu sein. Genau wie ihr Vater war er offenbar der Meinung, eine Ehefrau gehöre ins Haus, während er ausging und sich amüsierte.
„Es gibt sicher genug andere Frauen, die dich trösten können.“ Chessie schluckte. Weshalb machte es ihr so viel aus, dass ihm die Hochzeit nichts bedeutet hatte? Ihre Ehe war zu Ende. Und sie verabscheute Rocco!
Er musterte sie kühl. „Du hast in die Heirat eingewilligt.“
„Weil ich nicht wusste, dass ich nur Teil eines Handels war. Du und mein Vater, ihr habt um mich geschachert wie um eine Ware! Keiner von euch hat auch nur eine Sekunde lang an mich gedacht. An meine Wünsche, meine Bedürfnisse.“
„Viele Ehen kommen auf diese Weise zustande, und wir waren einander nicht fremd. Vergiss nicht, wie viel Zeit wir hatten, uns besser kennenzulernen“, betonte er, und Chessie wusste, worauf er anspielte. Auf das eine Mal, als ihre Neugier über ihre Schüchternheit siegte, damals als sie Rocco geküsst hatte.
Seine warmen Lippen auf ihrem Mund, seine Hände an ihren Oberschenkeln … Von Gefühlen überwältigt, hatte sie sich damals gewünscht, er würde sie ausziehen und ihre Neugier befriedigen, doch er hatte es nicht getan. Inzwischen war ihr klar, warum. Weil er sie nicht attraktiv fand. Er hatte sie aus völlig anderen Gründen geheiratet.
Trotzdem hatte sie diesen Kuss nie vergessen. Selbst jetzt wurde ihr heiß, als sie daran dachte. Ihr Blick fiel auf seinen Mund, und sie spürte dieselbe Erregung wie damals in sich aufsteigen. Erschrocken hob sie den Kopf, sah Roccos wissendes Lächeln und wandte sich beschämt ab.
„Ich habe dich nie wirklich kennengelernt“, erklärte sie aufgewühlt und war froh über den langen schwarzen Mantel, der ihren Körper verhüllte. „Du hast nichts von dir preisgegeben, Rocco. Für dich war ich nichts weiter als eine Bewerberin.“
„So? Für welche Stelle?“, fragte er belustigt.
„Die deiner Ehefrau. Unbegrenztes Gehalt, einzige Voraussetzung: gehorsame Jungfrau, die brav zu Hause sitzt und dir nicht widerspricht.“ Wieder glitt ihr Blick zu dem Mund, der sie so leidenschaftlich geküsst hatte. Und nicht nur sie!
„Du wolltest eine Frau, die deine zahlreichen Affären stillschweigend duldet“, fuhr sie fort. „Du hast dir die Falsche für den Job ausgesucht. Ich kündige. Wenn du das nächste Mal heiratest, solltest du die Bewerberin genauer unter die Lupe nehmen.“
„Warum, wenn die perfekte Ehefrau doch vor mir sitzt?“
Machte er Witze? Ein stolzer, arroganter Mann wie Rocco wollte doch keine Frau, die ihn am Hochzeitstag verlassen hatte! Er würde sie gehen lassen, und sie würde frei sein. Endlich!
„Das ist nicht dein Ernst! Du hast mich doch nur geheiratet, weil mein Vater wollte, dass du seine Geschäfte weiterführst. Seine Wahl fiel auf dich, weil du als Einziger genauso skrupellos bist wie er. Gratuliere!“
Rocco sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Mit skrupellos meinst du wohl meine Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, ohne mich von Emotionen leiten zu lassen. Schwer nachvollziehbar für eine Frau, das gebe ich zu.“
„Emotionen sind wichtig, Rocco. Mein Vater und du, ihr habt aus Habgier gehandelt.“ Wie hatte sie sich jemals in ihn verlieben können?
„Die Firma deines Vaters schrieb rote Zahlen, also kannst du mir wohl kaum Habgier unterstellen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Schon eher Großzügigkeit.“
„Rote Zahlen?“, fragte Chessie schockiert.
„Natürlich. Das Geschäft mit seinem Olivenöl war auf den regionalen Markt begrenzt, und er hatte keine Ahnung, wie er es vergrößern und wettbewerbsfähig machen sollte.“
„Mein Vater besaß ein äußerst erfolgreiches Unternehmen!“ Chessie dachte daran, wie viele wichtige Leute in der Villa ihres Vaters ein- und ausgegangen waren und ihn immer äußerst respektvoll behandelt hatten.
„Die Firma war korrupt und schlecht geführt“, widersprach Rocco ruhig, „und die Geschäftsmethoden deines Vaters stammten aus dem Mittelalter.“
Chessie schüttelte ungläubig den Kopf. „Das wusste ich nicht. Mein Vater hat nie mit mir darüber gesprochen. Ich durfte bei der Olivenernte und im Büro helfen, aber über Einzelheiten war ich nicht informiert. Hätte er einen Sohn gehabt …“
„Aber er hatte eine Tochter“, warf Rocco ein.
„Wenn die Firma bankrott war, wieso wolltest du sie dann übernehmen?“
„Nennen wir es eine Laune von mir.“ Er lächelte vage. „Den sentimentalen Wunsch, ein sizilianisches Traditionsunternehmen in meiner Sammlung zu haben.“
„Du bist so sentimental wie ein hungriger Löwe.“
Er lächelte. „Meinst du? Nun schön, ich gebe zu, dass Kalkül dahinterstand. Ich habe ein Gespür für lukrative Marktlücken. Der Geschäftsstil deines Vaters war miserabel, aber das Produkt ist erstklassig. Besseres Olivenöl gibt es nirgends auf der Welt. Ich werde es als Spezialität vermarkten.“
Chessie, die mit Oliven aufgewachsen war, konnte dieser Idee nicht viel abgewinnen. Sie wusste nur, dass die Ernte harte Arbeit war. „Olivenöl gibt es im Überfluss.“
Roccos Blick blieb an ihren Lippen hängen. „Meins nicht“, betonte er. „Beste Qualität findet immer ihre Liebhaber, und Extra Vergine ist das Beste.“
Sein anzüglicher Blick ärgerte und verwirrte sie. „Typisch Sizilianer! Selbst das Öl muss jungfräulich sein.“
Er beugte sich dicht zu ihr herüber. „Wenn ich so auf Jungfräulichkeit versessen wäre, würde ich mir wohl kaum die Mühe machen, dich zurückzuholen“, sagte er und legte die Hand an ihre Wange, sodass sie ihn ansehen musste. „Und wenn ich ein typischer Sizilianer wäre, hätte ich deinem pickeligen Teenagerfreund längst den Garaus gemacht. Ich versuche, die Angelegenheit zivilisiert zu behandeln, aber erinnere mich lieber nicht an deine Untreue. Ab heute ist das Thema tabu.“
Chessie war wie hypnotisiert von seinen dunklen Augen mit den dichten schwarzen Wimpern. Ihr Puls raste. Rocco sah so gut aus, dass es wehtat, ihn nur ansehen und nicht küssen zu dürfen.
„Warum hast du mich geheiratet? Es klingt, als hätte mein Vater dich bezahlen müssen, damit du ihm die Firma abnimmst!“
Er sah ihr einen Moment lang schweigend in die Augen, und sie fragte sich, ob er auch diese unwiderstehliche Anziehungskraft zwischen ihnen spürte. Dann lehnte er sich zurück.
„Ich fand, es sei Zeit zu heiraten. Andernfalls hätte ich den Bedingungen deines Vaters nie zugestimmt.“
„Aber du hattest doch genug Auswahl! Warum wolltest du gerade mich?“
„Geliebte sind nett, aber eine Ehefrau muss andere Anforderungen erfüllen. Ich wollte eine Sizilianerin heiraten.“
„Ich bin halbe Engländerin.“
„Aber du hast einen sizilianischen Vater und bist in Sizilien aufgewachsen, das genügt mir.“
„Weil ich weiß, was in Sizilien von einer Ehefrau erwartet wird?“ Sie reckte energisch das Kinn vor. Wie oft hatte sie diese Szene in Gedanken geprobt! „Glaube mir, Rocco, ich bin eine miserable sizilianische Ehefrau. Lass dich lieber schnell von mir scheiden, bevor ich dir zeige, wie viel englisches Blut in meinen Adern fließt!“
Er saß völlig unbeweglich da. „Zum letzten Mal – ich habe nicht die Absicht, mich von dir zu trennen. Du bist und bleibst meine Ehefrau.“
Er wollte keine Scheidung?
Chessie war wie erstarrt. Sie hatte immer gewusst, dass sie Rocco eines Tages wieder unter die Augen treten musste und eine Auseinandersetzung unausweichlich wäre. Doch sie war davon ausgegangen, dass er problemlos in die Scheidung einwilligen würde. Ihm lag nichts an ihr, wie er bei der Hochzeit ausreichend bewiesen hatte, die Firma gehörte ihm, und ihr Vater war tot. Weshalb also sollte er mit ihr verheiratet bleiben?
„Wir können eine schnelle, diskrete Scheidung erwirken“, drängte sie. „Ich will kein Geld und werde dir keine Schwierigkeiten machen.“
„Vergiss es.“ Sein Blick war eisig. „Kommt nicht infrage. Falls dein Liebhaber in den Startlöchern steht, um dich zu heiraten, kann er lange warten.“
Sie öffnete den Mund, um die Sache mit Carlo richtigzustellen, doch dann kam ihr eine bessere Idee. Wenn sie Rocco davon überzeugen konnte, dass sie wirklich eine Affäre mit einem anderen Mann hatte, willigte er vielleicht doch noch in die Scheidung ein. Es war eine riskante Strategie, aber einen Versuch wert.
„Carlo und ich legen keinen Wert aufs Heiraten“, erwiderte sie, gespannt auf seine Reaktion. „Hauptsache, wir sind zusammen.“
Zorn blitzte in seinen Augen auf, doch seine Stimme blieb ruhig. „Dann mach dich auf eine Enttäuschung gefasst. Ich betrachte die Ehe als einen Bund fürs Leben.“
„Warum klingt das aus deinem Mund nur so unromantisch?“ Sie lachte bitter. „Ich bekomme lebenslänglich, und du amüsierst dich! So einen Bund fürs Leben hatte mein Vater auch mit meiner Mutter geschlossen. Ich weiß, was ein Sizilianer darunter versteht! Mach dir keine Illusionen, Rocco. Wenn wir je eine Chance hatten, dann hast du sie zerstört. Nicht einmal an deinem Hochzeitstag konntest du treu sein!“
„Du musst mir gerade eine Moralpredigt halten“, erwiderte er spöttisch, und Francesca merkte, dass sie in ihre eigene Falle getappt war. Jetzt konnte sie nur noch an seinen verletzten Stolz appellieren.
„Ich bin keine Jungfrau mehr, Rocco. Ich hatte Sex! Willst du eine Frau, die ständig an einen anderen Mann denkt?“
Im ersten Moment wirkte er starr vor Wut, doch dann erwiderte er scheinbar gelassen: „Das ist Schnee von gestern. Wenn du erst in meinem Bett liegst, wirst du keinen Gedanken mehr an andere Männer verschwenden. Der Einzige, nach dem du dann rufen wirst, bin ich.“
Als er sie erröten sah, fügte er triumphierend hinzu: „Entscheide dich, cara mia. Erst protzt du mit deinem Liebhaber, dann spielst du die Unschuld vom Lande. Was bist du wirklich – Jungfrau oder Vamp?“
Jungfrau, dachte sie verzweifelt, doch dieses Bekenntnis hätte ihr nicht weitergeholfen. „Du kannst mich nicht zwingen zu bleiben“, sagte sie verzweifelt. „Ich kam her, um meine Mutter zu sehen. Wenn sie nicht da ist, reise ich ab.“
„Das wirst du nicht tun. Du bist meine Frau, und das werde ich dir in Erinnerung rufen, sobald wir in meiner Villa sind.“
Chessies Herz schlug heftig. Sie war es nicht gewohnt, raffinierte Spielchen zu spielen, schon gar nicht mit Männern wie Rocco. Er war ihr haushoch überlegen. Plötzlich bereute sie die leichtfertige Lüge, zu der sie sich hatte hinreißen lassen.
„Du willst deine Besitzansprüche geltend machen, aber das ist nicht nötig“, erklärte sie. „Ich hatte keine Affäre mit Carlo, ich kenne ihn kaum. Ich wollte nur, dass du in die Scheidung einwilligst.“
„Was ich nicht tun werde. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass du dir alle drei Minuten eine neue Geschichte ausdenkst.“ Er sah sie scharf an. „In Zukunft will ich seinen Namen nicht mehr hören. Nur eine Frage noch – du bist mit ihm davongerannt und behauptest, du hättest keine Affäre mit ihm?“
„Er hat mich gefahren, das ist alles. Er hat mich gerettet.“
„Gerettet wovor, tesoro?“, fragte er sarkastisch. „Vor einem bequemen Luxusleben, Geld im Überfluss und einer Schar von Bediensteten, die dir jeden Wunsch von den Augen ablesen?“
Ernüchtert sah sie ihn an. Rocco war genau wie ihr Vater. „Darauf lege ich keinen Wert“, sagte sie. Wie gern hätte sie ihm erzählt, was sie sich wirklich wünschte: Freiheit. Doch das würde ein Mann wie Rocco Castellani nie verstehen.
„Ich weiß, du hast dich lieber mit diesem Jüngelchen aus dem Staub gemacht. War es schön mit ihm, tesoro? Ich erinnere mich noch gut an unseren ersten Kuss. Wie du dich damals an mich geschmiegt hast …“
Ihre Wangen röteten sich. Er hatte also gespürt, wie sehr sie diesen Kuss genossen, welche Sehnsucht er in ihr geweckt hatte! Damals hatte sie geglaubt, Rocco finde sie attraktiv und schätze sie um ihrer selbst willen. Für ihn aber war es nur ein Geschäft gewesen. Wieso hatte sie das alles nicht früher durchschaut?
Noch kurz vor der Hochzeit schien für sie der Himmel voller Geigen zu hängen, und sie hatte Licht am Ende des Tunnels gesehen. Endlich würde sie ihrem Vater entkommen können und noch dazu ihren Traummann heiraten. Rocco Castellani war ein international tätiger Geschäftsmann. Zusammen würden sie die ganze Welt bereisen!
Die Aussicht auf ein neues Leben hatte ihr neuen Auftrieb gegeben. Vorbei war das einsame Leben als Mauerblümchen! Als Roccos Ehefrau würde man sie überall mit offenen Armen empfangen. All die spindeldürren Mädchen aus der Klosterschule, die sie ihrer Größe und ihrer üppigen Kurven wegen verspottet hatten, würden vor Neid erblassen, wenn sie erst mit dem begehrtesten Junggesellen der westlichen Welt verheiratet war.
Rocco Castellani hatte sich für sie entschieden. Er hatte über ihre Größe, ihre Rundungen und ihre Schüchternheit hinweggesehen und ihr wahres Ich erkannt. Das zumindest hatte sie geglaubt. Realisieren zu müssen, wie sehr sie sich getäuscht hatte, war die größte Demütigung ihres Lebens gewesen.
„Seien wir ehrlich, Rocco“, begann sie. „Du wolltest mich gar nicht heiraten. Wie viel hat dir mein Vater geboten?“
Er verzog keine Miene. „Ich habe keine Lust, über Geschäfte zu sprechen.“
„Geschäfte? Es geht um unsere Heirat, Rocco! Um dein Eheversprechen!“
„Das habe ich abgelegt.“
Er sagte es so nüchtern, dass sie sich abwenden musste, um nicht zu zeigen, wie verletzt sie war. „Du hast bekommen, was du wolltest. Die Firma.“
„Ja, und ich war rund um die Uhr damit beschäftigt, das Chaos zu beseitigen, das dein Vater angerichtet hat“, erwiderte er grimmig. „Jetzt würde ich mich gern meiner Ehe widmen.“
Chessie blickte in seine unergründlich dunklen Augen. Ihr Herz schlug schneller, aber sie versuchte, sich einzureden, dass sie nichts für ihn empfand. Hastig wandte sie sich ab und sah aus dem Fenster.
„Zu Hause in meiner Villa sind wir ungestört, cara mia, und können uns in Ruhe besser kennenlernen“, versprach er.
Zornig fuhr sie zu ihm herum. „Ist deine Freundin gerade anderweitig beschäftigt?“
„Sei nicht albern.“
Der Wagen hielt an einem kleinen Jachthafen. „Wo sind wir?“, fragte Chessie.
„Das weißt du nicht?“ Er musterte sie erstaunt, nannte schulterzuckend den Namen des Ortes. „Meine Villa liegt eine kurze Bootsfahrt entfernt auf einer Insel. Du bist rundum von Wasser umgeben, nur für den Fall, dass du mit dem Gedanken spielst, zu deinem Liebhaber zurückzukehren.“
Chessie sank das Herz. Sie hatte ihn nie gefragt, wo er wohnte, wenn er auf Sizilien war. „Ich will nicht mehr auf einer Insel gefangen sein!“, protestierte sie. Auf einer Insel gab es keine Freiheit. Dort konnte sie niemals das Leben führen, das sie sich erträumte. „Ich will aufs Festland! Ich will etwas erleben, neue Erfahrungen sammeln!“
„Das kannst du auch in meinem Bett“, erwiderte er rau, und Chessie spürte glühende Hitze in sich aufsteigen.
„Du hast eine lächerlich hohe Meinung von dir. Hältst du dich etwa für den besten Liebhaber aller Zeiten?“
„Warum nicht? Ich hatte immer den Ehrgeiz, in allem der Beste zu sein.“
„Ich möchte dich ja nicht kränken, Rocco, aber ich bevorzuge zärtliche Männer.“
„Ich kann sehr zärtlich sein.“
Sie gab sich alle Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr seine warme dunkle Stimme sie erregte. „Arrogante sizilianische Männer reizen mich nicht.“
„Nein?“ Er kam ihr so nahe, dass sie seinen verlockenden Mund dicht vor sich sah. „Kein bisschen?“
„Kein bisschen.“ Sie presste die Knie zusammen.
Einen quälenden Moment lang ließ er den Blick auf ihren Lippen ruhen, bevor er sich lächelnd zurücklehnte. „Ich weiß ja nicht, was der unreife Bursche dir beigebracht hat, aber bei mir wirst du lernen, was Leidenschaft ist.“
„Du arroganter Kerl!“ Sie holte aus und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige.
Blitzschnell ergriff er ihr Handgelenk. Seine Augen blitzten vor Zorn. Chessie konnte kaum glauben, was sie getan hatte, als sie den roten Streifen auf seiner Wange sah. Wie oft hatte sie nachts wach gelegen und sich ausgemalt, wie es sein würde, sich endlich zu wehren? Den Mut zu haben, sich und ihre Mutter gegen ihren Vater zu verteidigen? Ein einziges Mal hatte sie es versucht, und die Folgen waren ihr unvergessen geblieben. Damals hatte sie gelernt, den Blick zu senken, ihren Zorn zu verbergen und nur hinter dem Rücken die Fäuste zu ballen. Bis heute.
Rocco hielt ihr Handgelenk fest, tat ihr aber nicht weh.
„Lass mich los!“, verlangte sie. „Und glaub ja nicht, dass ich mich entschuldige. Du hast es nicht besser verdient!“
„Scheint eine temperamentvolle Beziehung zu werden“, meinte er gelassen.
Wütend versuchte sie, sich loszureißen. „Lass mich gehen, Rocco! Und wenn du versuchst, mich in ein Boot zu zwingen, dann schreie ich und erzähle jedem, dass du mich entführen willst. Ich werde …“ Weiter kam sie nicht, denn plötzlich spürte sie seinen Mund auf ihrem.
Sein stürmischer Kuss erstickte jeden weiteren Protest. Chessies Hände glitten über den rauen Stoff seines Jacketts, während Rocco ihr Gesicht in beide Hände nahm und mit geübter Zunge ihren Mund erkundete. Ihre Gefühle waren so intensiv, so atemberaubend, dass sie nicht mehr klar denken konnte.
Zitternd vor Verlangen, legte sie die Arme um seine breiten Schultern und schmiegte sich an ihn. Er küsste sie immer leidenschaftlicher, schob den Arm unter ihre Knie und hob sie schwungvoll auf seinen Schoß. Einige Knöpfe sprangen ab, als er ungeduldig erst ihren Mantel, dann ihre Bluse aufriss.
„Du hast viel zu viel an“, raunte er, die Lippen an ihrem Mund. „Das muss sich ändern.“
Kommandier mich nicht herum, wollte sie erwidern, doch dann spürte sie seine Hände an ihrer nackten Brust und stöhnte leise vor Erregung.
Er flüsterte etwas auf Italienisch, steckte die Finger in ihr Haar und küsste sie erneut. Es wurde ein nicht enden wollender Kuss, begleitet von verführerischen Liebkosungen. Willenlos vor Verlangen, gab sich Chessie seinen Zärtlichkeiten hin, und als er sich schließlich von ihr löste, war sie so aufgewühlt, dass sie sich widerstandslos von ihm durch die warme Nachtluft zum Boot tragen ließ.
„Rocco …“, protestierte sie leise, als sie wie aus weiter Ferne die Stimme eines anderen Mannes hörte. Sie wand sich in seinen Armen, doch er hielt sie fest, ging an Bord und brachte sie, nachdem er einige knappe Anweisungen erteilt hatte, in die elegante Kajüte unter Deck.
„Entschuldige die Unterbrechung, aber in zwanzig Minuten erreichen wir die Insel. Dann können wir da weitermachen, wo wir aufgehört haben.“ Er wirkte so nüchtern, als befinde er sich mitten in einer geschäftlichen Besprechung.
Ganz im Gegensatz zu Chessie, die nicht fassen konnte, was soeben geschehen war. Sie hatte völlig den Verstand verloren, als Rocco sie geküsst hatte. Dabei mochte sie ihn doch nicht einmal!
Wütend und verlegen, richtete sie sich auf dem Sofa auf, auf das er sie hatte sinken lassen, und versuchte, ihre aufgerissene Bluse unter dem Mantel zu verbergen. Rocco musste ihr den BH abgestreift haben, denn ihre vollen Brüste waren halb entblößt.
„Du hast meine Sachen zerrissen.“
„Kauf dir neue, oder zieh einfach gar nichts an. Wenn wir zu zweit sind, kannst du gern nackt herumlaufen“, erwiderte er ungerührt. „Stört mich nicht.“
Aber mich, dachte sie zornig. Sie hatte ihren Körper noch nie gemocht. In der Schule war sie vor Verlegenheit tausend Tode gestorben, weil die Natur sie so viel üppiger ausgestattet hatte als all die zierlichen Mädchen um sie herum.
Immer noch bebend vor Erregung, musterte sie Rocco, der sich einen Scotch eingeschenkt hatte und sich einen großen Schluck genehmigte. „Bin ich jetzt deine Gefangene?“
„Nein, cara mia“, erwiderte er freundlich. „Du bist meine Frau, und ich erwarte von dir, dass du dich entsprechend verhältst.“
„So wie du bei unserer Hochzeit?“
„Keine Sorge, du hast mich ganz für dich allein.“
Entmutigt ließ sie sich zurücksinken. Ihre einzige Hoffnung bestand darin, dass Rocco seinen Ruf als erfolgreicher Geschäftsmann sicher nicht dem Einsiedlerdasein auf einer einsamen Mittelmeerinsel verdankte. Früher oder später würde er wieder abreisen müssen, und dasselbe würde sie tun, nur in die entgegengesetzte Richtung. Und wenn sie schwimmen musste!
„Wann fliegst du wieder nach New York?“
Er lächelte. „Wenn ich genug von unserem Liebesleben habe.“
„Ich bin nicht so dumm zu glauben, dass du meinetwegen deine Geschäfte vernachlässigst.“
„Von Vernachlässigen kann keine Rede sein. Im Zeitalter moderner Technologie kann ich von der Insel aus arbeiten. Das heißt, wir können uns ungestört unserer Leidenschaft hingeben.“
Der Glanz in seinen Augen und das Lächeln auf seinen Lippen machten Chessie nervös. Sie erhob sich. „Wie kannst du nur so leichtfertig darüber reden? Für mich bedeutet eine Ehe mehr als Sex, nämlich Partnerschaft, Respekt und …“ Liebe erwähnte sie lieber nicht. Er würde sich nur darüber lustig machen.
„Respekt?“, wiederholte er. „Du meinst den Respekt, den du mir erwiesen hast, als du mit deinem Liebhaber durchgebrannt bist? Übrigens, mein Personal freut sich schon darauf, dich willkommen zu heißen.“
Mit anderen Worten, sie sollte ihn nicht blamieren. „Jeder weiß doch, dass wir die letzten sechs Monate nicht zusammen verbracht haben!“
„Nein, das weiß niemand. Ich bin direkt nach der Hochzeit nach New York geflogen. Alle dachten, du wärst bei mir, sogar dein Vater.“ Vorwurfsvoll fügte er hinzu: „Den du ohne ein Wort verlassen hast, obwohl es ihm nicht gut ging. Er starb, ohne sich von dir verabschieden zu können. Die Familie ist das Wichtigste im Leben, und du warst nicht bei seiner Beerdigung!“
Chessie schwieg betreten. Rocco Castellani ahnte nicht einmal, wie ihr Leben ausgesehen hatte! Niedergeschlagen setzte sie sich wieder aufs Sofa.
„Deine Reue kommt zu spät. Dein Vater ist tot“, erklärte Rocco, der ihre Reaktion völlig falsch interpretierte.
„Reue?“ Sie hätte ihm gern gesagt, was für ein Mensch ihr Vater in Wahrheit gewesen war, brachte aber kein Wort über die Lippen. Es fiel ihr immer noch schwer, sich jemandem anzuvertrauen. Erst recht einem arroganten Sizilianer wie Rocco, der ihrem Vater so ähnlich war! Verzweifelt musste sie sich eingestehen, dass sie einen rücksichtslosen Mann gegen den anderen eingetauscht hatte. Sie war vom Regen in die Traufe geraten!
„Rocco …“
„Lassen wir die Vergangenheit ruhen. Alles, was zählt, ist die Zukunft.“ Er zog sie hoch. „Wir sind da. Willkommen in deinem neuen Zuhause! Die Sonne geht auf, und ich muss telefonieren. Leg dich hin und ruh dich inzwischen aus, du wirst es brauchen.“
Rocco drehte sein Weinglas zwischen den Fingern und beobachtete seine Frau, die ihm gegenüber auf der Veranda am gedeckten Tisch saß. Er achtete sorgsam darauf, sich nichts von seinem Ärger und seiner Ungeduld anmerken zu lassen.
Seit ihrer Ankunft in der Villa am frühen Morgen hatte er versucht, die zahlreichen Probleme zu lösen, die seit seiner überstürzten Abreise aus New York aufgetreten waren. Ein wichtiger Geschäftsabschluss stand bevor, und in der Führungsetage seines Unternehmens herrschte höchste Anspannung. Es war kein guter Zeitpunkt, um sich nach Sizilien zurückzuziehen. Aber auch kein guter Zeitpunkt, um seine Braut allein zu lassen.
Sein Gefühl sagte ihm, dass sie bei der erstbesten Gelegenheit wieder davonlaufen würde. Schlimmer noch, sich mit ihrem Liebhaber treffen. Wer hätte gedacht, dass sie so anstrengend ist? Ärgerlich schenkte er sich Wein nach. Chessie war ihm ein Rätsel.
Äußerlich wirkte sie unschuldig und erstaunlich jung. Ein blaues Band hielt ihr dunkles Haar zusammen, ihr unscheinbares Kleid sah aus wie das einer Klosterschülerin. Auf den ersten Blick war sie genau die Frau, die er hatte heiraten wollen. Bescheiden, warmherzig, die perfekte Ehefrau. Keine, die mit ihrem Liebhaber auf und davon lief!
Nachdem er sie am Flughafen abgefangen hatte, hatte sie ihm allerdings ein ganz anderes Bild von sich präsentiert. Verschwunden war die stille, unterwürfige Francesca, und statt ihrer saß ihm eine temperamentvolle, willensstarke junge Frau gegenüber, die ihre eigene Meinung vertrat. Er hatte sie unterschätzt, aber das passierte ihm nicht noch einmal. Ohne seine Erlaubnis würde sie nirgendwohin reisen!
Dass sie sechs Monate lang spurlos verschwunden gewesen war, ärgerte ihn maßlos. Sein Sicherheitspersonal hatte beobachtet, wie sie in Carlo Mancinis Wagen gestiegen war, dann jedoch ihre Spur verloren. Es war ihr tatsächlich gelungen, seine Leute abzuhängen!
Grimmig blickte Rocco in sein Weinglas und dachte daran, wie Bruno Mendozo, Francescas Vater, seine Tochter zum Gegenstand der Verhandlungen gemacht hatte. Roccos erster Impuls war gewesen, Mendozos Ansinnen abzulehnen. Zwar hatte er sich tatsächlich mit dem Gedanken getragen zu heiraten, aber seine Braut wollte er sich selbst aussuchen.
Dann aber lernte er Chessie kennen und stellte fest, dass sie genau seiner Vorstellung eines braven sizilianischen Mädchens entsprach. Noch dazu himmelte sie ihn an! Was mehr konnte ein Mann sich wünschen? Das Ganze schien ihm ein lohnendes Geschäft zu sein, und er willigte ein.
Als er sie jetzt blass und schweigend in ihrem hochgeschlossenen Kleid am Tisch sitzen sah, fragte er sich, was in ihr vorgehen mochte. Vermisste sie ihren Liebhaber?
Sich auszumalen, wie seine Ehefrau in den Armen eines anderen Mannes lag, machte ihn rasend. Wieder verspürte er den Drang, sie an sich zu reißen und zu küssen, bis ihr jede Erinnerung an Carlo Mancini verging, doch er nahm sich zusammen. Später, sagte er sich, und leerte sein Glas. Später würden sie zusammen ins Bett gehen …
Lustlos stocherte Chessie in ihrem Essen. Ihr war der Appetit vergangen. Sie konnte nicht glauben, dass sie bei Rocco auf Sizilien war! Warum ging alles in ihrem Leben schief? Hatte sie nach all den Jahren mit ihrem Vater nicht die Freiheit verdient?
Nach der kurzen Überfahrt hatte sie für den Rest des Tages auf dem breiten Bett in dem luxuriös ausgestatteten Schlafzimmer gelegen und grübelnd an die Decke gestarrt, doch ihr war kein brauchbarer Fluchtplan eingefallen. Zum Schwimmen war es definitiv zu weit, und Roccos Personal würde ihr bestimmt nicht helfen, aufs Festland zu gelangen!
Sie hob den Kopf und suchte den Horizont mit den Augen ab. Die mit Weinlaub umrankte Terrasse grenzte direkt an den goldgelben Sandstrand, dahinter erstreckte sich das endlose Blau des Meeres. Es war eine Idylle, aber Chessie sah nur die Ausweglosigkeit ihrer Lage. Sie musste hier weg!
In diesem Augenblick merkte sie, dass Rocco sie beobachtete. Schnell senkte sie den Kopf, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen. Diese unergründlich dunklen Augen, die vor Leidenschaft sprühten und bei deren Anblick jede Frau schwach wurde.
Doch darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken. Nicht über Rocco, nicht über seinen Ruf als Frauenheld und schon gar nicht über den Kuss auf dem Boot. Der sie zutiefst verwirrt hatte, obwohl sie wusste, dass er nichts zu bedeuten hatte.
Sie war keine der Frauen, denen Rocco Castellani normalerweise auch nur einen zweiten Blick schenkte. Chessie sah im Geiste die gertenschlanke Blondine vor sich, die bei der Hochzeit die Arme um ihn geschlungen hatte. Kein Wunder, dass er sich ständig Wein nachschenkt, dachte sie bitter. Wahrscheinlich muss er sich Mut antrinken, um seine Drohung wahr zu machen und mit mir ins Bett zu gehen!
Verzweifelt fragte sie sich, wie es so weit kommen konnte. Warum hatte sie Rocco Castellani geheiratet? Sie ließ die Gabel sinken, führte ihr Glas zum Mund, dachte an jenen Tag zurück, als ihr Vater ihr mitgeteilt hatte, dass er sie verheiraten wollte …
„Nun, was sagst du dazu?“, fragte Bruno Mendozo scharf. „Bist du verstummt?“
Nein, sie war nicht verstummt. Sie war schockiert! Wohlweislich vermied sie es, ihren Vater anzusehen, hielt den Blick auf ihre flachen bequemen Schuhe gerichtet und krümmte sich innerlich vor Scham. Ihr Vater wollte ihr einen Ehemann kaufen, noch dazu Rocco Castellani! Das war die größte Schmach ihres Lebens.
Sie musste sich nicht erst die Hänseleien ihrer ehemaligen Mitschülerinnen in Erinnerung rufen, um zu wissen, dass sie mit ihren üppigen Formen und ihrem rabenschwarzen Haar alles andere als Rocco Castellanis Traumfrau war. Er würde sie nicht haben wollen. Warum auch? Warum sollte ein weltgewandter Geschäftsmann wie er ein Mädchen vom Lande heiraten?
Das Schlimmste war, dass sie ein zerschlissenes Foto von ihm mit sich herumtrug, das sie aus einer Zeitschrift ausgeschnitten hatte und nachts unter ihrem Kopfkissen versteckte.
Es war kindisch, aber Rocco hatte die lebhaftesten Fantasien in ihr geweckt. Er sah einfach umwerfend aus! Und Träume waren doch der einzige Lichtblick in ihrem traurigen Leben. Rocco Castellani war ihr heimlicher Held, ihr tapferer Ritter, ihr strahlender Prinz, der sich bislang noch von keiner Frau hatte einfangen lassen.
Sein Image als Macho hatte sie nicht gestört, im Gegenteil. Sein rauer Charme, sein zweifelhafter Ruf und seine kühne Weigerung, sich nach den Wünschen anderer zu richten, hatten ihn nur noch anziehender gemacht. Nächtelang hatte sie wach gelegen und davon geträumt, von ihm geliebt zu werden.
Doch sie hatte schon damals gewusst, dass es weder sein Reichtum noch sein Äußeres waren, was ihr am meisten imponierte, sondern seine Stärke. Rocco Castellani war stark und mächtig und unabhängig von der Meinung anderer. Er war der Einzige, der es mit ihrem Vater aufnehmen konnte.
Und nun brachte ihr Vater sie in die peinlichste Situation ihres Lebens, indem er von Castellani verlangte, sie zu heiraten! Obwohl sie sicher war, dass keine noch so hohe Summe Rocco dazu bewegen würde, den Rest seines Lebens mit einer Frau wie ihr zu verbringen. Und das war das Demütigendste von allem.
„Geh und bürste dein Haar“, befahl ihr Vater. „Er wird gleich hier sein.“
Entsetzt sah sie ihn an. Ihr Haar bürsten? Rocco Castellani traf sich mit Models und Schauspielerinnen! Welchen Unterschied machte es, ob sie frisiert war oder nicht? Was sie brauchte, waren zehn Zentimeter weniger in der Länge und diverse Kilo Gewichtsverlust, und das sofort!
Nach einem hilfesuchenden Blick auf ihre Mutter, die wie üblich schwieg, eilte Chessie in ihr Zimmer und wusch sich das Gesicht. Als sie zum Kamm griff, hörte sie den Wagen vorfahren, schlich zum Fenster und beobachtete in banger Erwartung, wie Rocco Castellani aus seinem schicken schwarzen Sportwagen stieg.
Il lupo! Vor Aufregung ließ sie den Kamm fallen. Der Wolf. Er war ein Draufgänger, kühn und skrupellos. Und der bestaussehende Mann, der ihr je begegnet war. Sein dichtes schwarzes Haar glänzte in der Sonne, seine Augen waren hinter einer Sonnenbrille verborgen, aber Chessie wusste, dass sie genauso dunkel wie sein Haar waren. Er war weit über eins achtzig groß, muskulös und durchtrainiert, und trug sein männliches Selbstbewusstsein so lässig zur Schau wie seinen eleganten Anzug. Er war einfach unwiderstehlich!
Sie dagegen … Der Blick in den Spiegel war ernüchternd. Rocco Castellani würde vor Schreck in Ohnmacht fallen oder einen Lachanfall bekommen bei der Vorstellung, sie zu heiraten. Wenn sie wenigstens einen Schrank voll schicker Klamotten besessen hätte! Doch ihre Sachen waren alle unförmig und trist, denn ihr Vater erlaubte keine figurbetonte Kleidung. Sie sah aus wie eine Vogelscheuche! Deprimiert und auf die größte Niederlage ihres Lebens gefasst, machte sie sich auf den Weg nach unten.
Die beiden Männer unterbrachen ihr Gespräch, als Chessie den Raum betrat. Ihr Vater stellte sie vor, aber ihr fiel nichts ein, womit sie die peinliche Situation hätte retten können, und so schwieg sie verlegen. Wenn Rocco Castellani auch nur einen Funken Verstand besaß, machte er sich jetzt schnellstens aus dem Staub!
Doch er blieb. Stand breitbeinig vor ihr und brach schließlich mit warmer, dunkler Stimme das Schweigen. „Sie haben einen wundervollen Garten, Bruno. Darf Francesca mich herumführen? Keine Sorge“, fügte er hinzu, als er die Missbilligung in den Augen ihres Vaters sah, „Ihre Tochter ist bei mir gut aufgehoben.“
Gut aufgehoben? Chessie presste die Lippen zusammen. Sie wollte nicht gut aufgehoben sein, sie wollte der Enge ihres Zuhauses entfliehen! Sie wollte leben, echte Leidenschaft kennenlernen! Wenn Rocco Castellani einen Annäherungsversuch machte, hatte sie nichts dagegen.
Alle Mädchen, die sie kannte, hatten bereits erste Erfahrungen mit Jungen und Sex gemacht. Sie dagegen durfte im reifen Alter von einundzwanzig Jahren nicht mit einem Mann spazieren gehen? Was sollte Rocco von ihr denken?
Doch ihr Vater hatte ein Einsehen, und so schlenderten sie und Rocco kurz darauf zusammen durch den Garten. Er heiter und entspannt, sie verlegen und von tausend Ängsten geplagt. Zu ihrem Erstaunen wirkte Rocco aber nicht gelangweilt, sondern war ausgesprochen nett zu ihr. Mit geduldigem Nachfragen gelang es ihm, sie in eine Unterhaltung zu verwickeln.
Und er brachte sie zum Lachen. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal Grund zum Lachen gehabt hatte! Jedes Mal, wenn er sie besuchte, sorgte Rocco dafür, dass er eine Zeit lang mit ihr allein war. Beim vierten Treffen hielt Chessie ihn für den nettesten Menschen der Welt. Beim fünften war sie endgültig in ihn verliebt.
Doch als er dann um ihre Hand anhielt, sah sie betreten zu Boden. „Du fragst mich nur, weil mein Vater es von dir verlangt.“
„Da kennst du mich aber schlecht“, erwiderte er mit seiner warmen Stimme. „Ich tue nie etwas, das ich nicht will. In dieser Hinsicht bin ich extrem egoistisch.“ Er hob ihr Kinn an und sah ihr in die Augen.
Chessie war völlig verwirrt. Sie konnte nicht glauben, dass es tatsächlich sein Wunsch war, sie zu heiraten. „Ich bin nicht die richtige Frau für dich.“
„Du bist die Richtige, sonst würden wir dieses Gespräch nicht führen.“
Ungläubig sah sie ihn an. „Aber warum?“
Seine Miene verriet, dass er es nicht gewöhnt war, sein Verhalten erklären zu müssen. „Weil wir eine gute Ehe führen werden“, behauptete er. „Wir bringen einander zum Lachen, und du bist exakt die Frau, die ich mir vorstelle.“
Chessie glaubte zu träumen. Sie war das Mädchen, über das alle gelacht hatten. Die Vogelscheuche. Und nun hatte der Hinreißendste aller Männer, Rocco Castellani, sie auserwählt! Am liebsten hätte sie ihn dem ganzen Dorf vorgeführt.
„Francesca“, meinte er amüsiert, „ich warte auf eine Antwort. Sagst du Ja?“
Wann hatte je ein Mann nach ihrer Meinung gefragt? „Ja“, erwiderte sie schüchtern. „Ja, natürlich!“ Wie hätte sie Nein sagen können? Mit ihm an ihrer Seite stand ihr die ganze Welt offen!
Und sie würden glücklich miteinander werden. Die Einsamkeit war vorbei. Endlich konnte sie anfangen zu leben!
Chessie tauchte aus ihren Erinnerungen auf und merkte, dass Rocco sie noch immer beobachtete. Entschlossen schob sie ihren Teller von sich.
„Iss“, sagte er. „Du löst deine Probleme nicht, indem du dich zu Tode hungerst.“
Erst recht nicht, indem ich noch dicker werde, dachte sie missmutig. „Ich habe keinen Hunger.“
Sie blickte verstohlen zum Haus, konnte aber niemanden vom Personal entdecken. „Ich muss wissen, wo meine Mutter ist. Kannst du es für mich in Erfahrung bringen? Du hast doch Beziehungen.“
Er füllte erneut sein Glas. „Sie hätte zu Hause bleiben und um deinen Vater trauern sollen, wie es sich gehört.“
„Wage nicht, meine Mutter zu kritisieren!“ Erregt sprang Chessie auf. „Wenn du wüsstest, was sie all die Jahre durchgemacht hat!“
Rocco sah sie erstaunt an. „Ich habe den Eindruck, das Leben mit deinem Vater war nicht gerade angenehm. Setz dich, Francesca. Du machst mich nervös.“
Sie blieb stehen und umklammerte die Tischkante, ihre Wangen vom Wein gerötet. „Du kannst mich nicht …“
„Chessie, setz dich.“
Sie tat wie ihr befohlen. Es war das erste Mal, dass er sie nicht Francesca genannt hatte, sondern Chessie, und aus seinem Mund klang es verwirrend intim.
„Macht es dir Spaß, mich herumzukommandieren?“, fragte sie ärgerlich.
„Nach dem Essen werde ich dir zeigen, was mir Spaß macht“, erklärte er mit Samtstimme, und Chessie rutschte tiefer in ihren Stuhl.
„Falls du Sex meinst … Ich habe nicht das geringste Bedürfnis, mit dir ins Bett zu gehen!“
Er lächelte. „Natürlich hast du das. Du bist wütend wegen Lorna, aber mit ihr ging es nur um Sex, und ich habe schon lange vor der Hochzeit Schluss gemacht.“ Er zuckte mit den Schultern, als sei die Sache damit erledigt. „Du hast keinen Grund zur Eifersucht.“
„Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich nicht eifersüchtig bin? Ich mag dich einfach nicht! Und seit wann geht es bei dir nicht nur um Sex? Warst du jemals verliebt?“
Rocco beugte sich vor, ein spöttisches Funkeln in den Augen. „Werde erwachsen, Chessie. Beziehungen können sich auf verschiedenen Ebenen abspielen.“
„Soweit ich weiß, gibt es bei dir nur eine, und das ist die horizontale.“
Er winkte gereizt ab. „Und bei dir? Hör auf, die empörte Jungfrau zu spielen! Vergessen wir alles, was gewesen ist.“
Inzwischen bereute sie bitter, die Affäre mit Carlo erfunden zu haben. „Ich finde dich nicht sonderlich anziehend und habe keine Lust, mit dir zu schlafen“, wiederholte sie grimmig.
„Fünfzehn Sekunden.“ Lächelnd prostete er ihr zu. „Mehr brauche ich nicht, um dich vom Gegenteil zu überzeugen.“ Wieder betrachtete er eingehend ihren Mund, und sie spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg.
„Ist dir je in den Sinn gekommen, dass ich die Erste sein könnte, bei der dein Charme versagt?“
„Nein.“
Nervös griff sie nach ihrem Weinglas, nippte zuerst nur daran, leerte es dann aber in einem Zug. „Schmeckt gut. Kann ich noch mehr davon haben?“
Lachend schenkte er ihr nach, doch als sie kurz darauf ihr Glas erneut füllen wollte, schüttelte er energisch den Kopf und schob die Weinflasche zur Seite.
„Erst musst du etwas essen.“ Chessie, die sich wunderte, weshalb ihr plötzlich so schwindelig war, musterte ihn feindselig.
„Sag mir nicht, was ich zu tun habe!“
„Dann benimm dich nicht wie ein Kind.“
„Du würdest auch trinken, wenn du in meiner Lage wärst.“
„In welcher Lage?“, wollte er wissen.
„Schon gut.“ Sie dachte gar nicht daran, ihm zu gestehen, dass sie lieber sterben würde, als sich vor ihm auszuziehen. Mangelndes Selbstbewusstsein machte eine Frau nicht attraktiver, und sie fand sich schon unattraktiv genug. Plötzlich war sie nur noch müde. Die anstrengende Reise, das Wiedersehen mit Rocco, die Tatsache, dass ihre Mutter nicht da war …
„Kann ich schlafen gehen?“, fragte sie.
Rocco überlegte kurz. „Es ist auch dein Zuhause. Du kannst tun und lassen, was du willst.“