Rostige Zeiten - Jürgen Schuhmann - E-Book

Rostige Zeiten E-Book

Jürgen Schuhmann

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Beschreibung

Eine Auswahl von Gedichten aus den letzten Jahren über die Freuden und Widrigkeiten im Leben.

Das E-Book Rostige Zeiten wird angeboten von Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Zeitgenössische Gedichte, Persönliche Erfahrungen

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Seitenzahl: 98

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Zum Buch:

Eine Auswahl meiner Gedichte und Collagen aus den Jahren 2016 bis 2022.

Es ist die sehr persönliche Wahrnehmung und Deutung der Welt um mich herum,

meine Beschreibung der Freuden und Widrigkeiten des Lebens, der immer wiederkehrenden Auseinandersetzungen der Gefühle mit der Wirklichkeit.

Kurz und lang, gereimt und ungereimt, wütend und nachsichtig, graphisch hinterlegt oder nur mit Worten, politisch und privat, hoffnungslos hoffnungsvoll.

Vielleicht täuscht es ja, dass die Zeiten rostiger sind. Immerhin gibt es noch genügend polierte Flächen, viel funkelnden Geist und strahlende Menschen in den von mir diagnostizierten Rostigen Zeiten. Auch wenn der Optimismus schrumpft, die Hoffnung lässt sich nicht kleinkriegen.

Nur der Zeitgeist wird wahrscheinlich mein ständiger Antipode bleiben....

Autor:

Jürgen Schuhmann, Ochsenfurt

[email protected]

Umschlagbild:

Anton Kestel, Ochsenfurt

Satz, Gestaltung:

Konrad Grimm, Ochsenfurt

Gewidmet meinem Enkel Milo, der noch nicht lesen kann

Eines Tages, wenn er lesen und verstehen kann

und ich nicht mehr bin, kann er in diesem Buch

von Haltung, Geist und Werten seines Großvaters erfahren.

Mein Dank geht an

meine Frau Brigitte Schuhmann

und meine Freundinnen

Irène Froehlich-Wiener

Lisa Schnicke-Heinze

Martina Esser

Nadya Daoud

für die Ermunterung und Unterstützung

Inhaltsverzeichnis

Und dann sitzt da einer

Kopfwäsche

Arbeit und Spiel

Immer dieses Suchen

Rostige Zeiten

Untrügliche Zeichen

Dringlich

Geräumiger Tag

Feuer

Löschwasser

Möglichkeiten

Schwierig

Mein Herd

Im Flussdelta

Meschugge

Zwischenspiel

Armutszeugnis

Sommerschreck

Bedenklich

Augenhöhe

Am Rand

Alleinerziehend

Abschied vom Sommer

Bedrohte Art

Diese Tage, diese Nächte

Kirchenasyl

Bitte freundlich

Spiegel

Wissen und Weisheit

Die Zeit ist ein Rahmen

Einsamkeit

April, April

Ihr Kinderlein kommet

Schoß des Schweigens

Selbstbestimmung

Symbiose

Ort und Zeit

Schizophrenes Biest

Homo sapiens

Wechselnde Zeiten

Zeit und Licht

Der kleine Vorteil

Fränkisches Rezept

Echte Demut

Recht und schlecht

Grundhaltungen

Bruchstücke

Verpackt

Bilanz

Keine Frage

Die nächste Sau

Stiller Genuss

Störenfriede

Keine Fragen mehr

Beweise

So, so

Geschenkt

Binsenweisheiten

Blaues Wunder

Schicksalsgemeinschaft

Phantasie ist reines Wasser

Lust und Frust

Vernunft und Konsorten

Wasser fürs Rind

Leuchtsteine

Zutritt verwehrt

Locker machen

Weltuntergang

Kraft

Fettansatz

Gewichtung

Erkenntnis

Über die Würde

Visum

Nicht leicht

Verunsicherung

Zuviel Eifer

Großes Theater

Reife Zeit

Fragezeichen

Glaube

Gleich um die Ecke

Wahlmöglichkeit

Was übrig bleibt

Leidenschaft

Nicht mit uns

Seiltanz

Schluss mit Lustig

Alternativlos

Der falsche Platz

Ach, Herr Doktor

Kostbarer Tag

Angst und Zweifel

Besser als gedacht

Gemach

Maskenball

Fragezeichen

Entwurf

Fluch und Segen

Dormiveglia

Erlaubter Kontakt

Sieben, zwei, eins

Diesseits, Jenseits

Suspekt

Umkehrschluss

Selbstberuhigung

Allzu menschlich

Unzuverlässig

Bänkelsänger

Regen braucht es

Verlogen

Lesen und Einlassen

Mein Neujahr

Verständigung

Blutsverwandt

Rette den Tag

Durch den Tag

Empfindliche Zeit

Erkenntnis

Großer Sommer

Frühling

Fallobst

Nicht leicht

Unterschied

Maßgenau

Alles ist möglich

Den Hintern heben

Gejammer

Hybris

Leichtigkeit

Falsche Erwartung

Haltung

Wahrheit

Maximierung

Licht I

Licht II

Sitzend ratlos

Löchriger Panzer

Der letzte Tanz

Rundumschau

So wie alle

Allgemeine Verunsicherung

Halbe Wahrheit

Hasenjagd

Gedanken über Gedanken

Leuchtturm versus Glühwürmchen

Winterkuss

Verlorene Blumen

Feier des Lebens

Auf dem Rechten sehen sie nicht

Irrgarten

Köstlich dümmlich

Neue Lage

Wohlgesonnen

Entwicklungshilfe

Weite Ruhe

Schlummer

Ballast abwerfen

Alpha und Omega

Ohne höheren Sinn

Und dann sitzt da einer

Ein Gedanke entert von außen den Kopf,

ein gehörtes Wort, eine gelesene Zeile,

welches Gewürz muss in den Suppentopf,

wer verschenkt Liebe, wer verschießt Pfeile.

Aus Myriaden von Eindrücken werden Ideen,

die unruhig werden und Einlass begehren,

trommelnd und pfeifend vorm Großhirn stehen,

sich nicht um geschlossene Pforten scheren.

Und dann sitzt da einer, der denkt und schreibt,

über Geist und Ungeist der Zeitläufte grübelt

und, weil flüchtiges Denken nicht kleben bleibt,

in die fragende Wand die Antworten dübelt.

Die Wand ist brüchig und ziemlich porös,

aus den Dübeln rutschen die grellen Bilder.

Und dann sitzt da einer und lächelt nervös,

die Wirklichkeit draußen ist wesentlich wilder.

Sie prallt an den Kopf, die fragenden Mauern,

findet Wege zum Hirn, provoziert den Geist.

Den Grübler jedoch muss niemand bedauern,

er beschreibt nur farbig, was Menschsein heißt.

Kopfwäsche

Der letzte Besuch der Poesie ist nicht lange her.

Er endete in einem veritablen Streit.

Sie besucht mich nicht allzu oft,

wohnt aber auch nicht gerade um die Ecke.

Es war mehr eine Beschimpfung als ein Streit

„Was fällt dir ein, meinen Namen zu benutzen?“

Ihr Zorn war ganz und gar nicht poetisch.

„Was du schreibst ist linguales graues Rauschen,

mit einem Füller voll verflüssigter Auspuffgase

geschrieben. Deine Verse fallen und steigen nicht,

die Töne scheppern wie verrostete Kotflügel, die

Pinsel für deine Bilder sind vom Rauhaardackel.

Mancher Spruch an der Klowand hat mehr Poesie.“

Aber..., also.....Ich war wie vom Blitz getroffen

aber die Tür war schon zu. Und ging wieder auf:

„Lass meinen Namen aus dem Spiel und den von

Lyrik auch. Schreib Gedichte. Gedichte kann jeder.

Diesmal war die Tür endgültig zu. Sehr laut auch.

Ich glaube, ich stand ziemlich einfältig herum.

Und wütend und beschämt und nachdenklich.

Auspuffgas! Dann leerte ich den Füller, mischte

neue Farben an und besorgte feinere Pinsel.

Seitdem schreibe ich Gedichte. Die kann jeder.

Kürzlich bekam ich einen Anruf von der Poesie.

Sie war freundlich und witzig. Es ist gut wie es ist.

Arbeit und Spiel

Die Erinnerung ist ein lockeres Mädchen

mit nackten Beinen, sehr kurzem Rock

und wachen, funkelnden Augen.

Sie hebt sich deutlich ab vom Gedächtnis,

einem eher introvertiert wirkenden Wesen,

die Augen meist nach innen gerichtet.

Ich sitze häufig am Rand der tiefen Grube

meiner Vergangenheit und beobachte sie,

so wie man Kindern beim Spielen zusieht.

Das Gedächtnis steigt meist vorsichtig hinab,

gesichert mit Seil und Helm auf dem Kopf,

Schaufel, Eimer und Rucksack immer dabei.

Nach stundenlangem Graben darf ich sie sehen,

die Schätze, die oft schwer sind und erdig.

Es sieht nach Arbeit aus, nicht nach Spiel.

Die Erinnerung hingegen hüpft in die Grube,

singt vor sich hin, braucht nicht Spaten und Eimer.

Mit einem Blick erspäht sie das Glänzende,

das Runde, das immer leicht Wirkende.

Rätselhaft Geformtes lässt ihre Augen leuchten.

Auf den schweren Brocken tanzt sie herum.

Es sieht nach Spiel aus und nicht nach Arbeit.

Meine Vergangenheit ist ihr einziger Spielplatz,

die Grube ihr ultimatives Abenteuer.

Ich mag beide, gerade wegen ihrer Unterschiede.

Aber, um ehrlich zu sein, der Erinnerung mit ihrer

Begeisterung zum Polieren der Fundstücke und

ihrem Augenzwinkern ist schwerer zu widerstehen.

Immer dieses Suchen

Es wurde nicht besser, es wurde schlimmer.

Ständig war ich dabei, etwas zu suchen;

den Lebenssinn, den Schlüssel zum Zimmer,

das Rezept für den Rhabarberkuchen.

Ich suchte nach den mystischen Orten,

an denen die Phantasien sich verstecken,

hob Deckel von Töpfen mit heimlichen Worten,

um mit ihnen die Löcher des Selbstbetrugs,

des Zweifels zu stopfen und abzudecken.

Ich ging durch die Straßen mit verengten Pupillen

und suchte und lernte bald zu verstehen:

Man muss Gassen durchstreifen, nicht die Alleen,

nicht die glatten Straßen mit schweigenden Villen,

um dem Geist der Zeit aus dem Weg zu gehen.

Ich suchte die Wärme jenseits der Gruft,

wo nie Sonne auf erfrorene Gedanken fällt,

um zu erfahren, dass auch heiße Luft

sich wie Frost strangulierend um Knospen legt

und die Lust am Erblühen gefangen hält.

Die puren Essenzen von Sonne und Regen

zog ich auf Vorrat in große Flaschen.

Für mich gab es nur ein dafür, ein dagegen

und ich suchte die Ufer von Flüssen und Seen,

um die Zweifel mit Zorn oder Liebe zu waschen.

Dann sah ich ein Zeichen und habe verstanden:

Das Finden ist Herr, das Suchen Vasall.

Es kam von den Bremer Stadtmusikanten:

Etwas Besseres als den Tod findest du überall.

Rostige Zeiten

Der Gegenwart müssen die Ohren klingen

beim Rasseln der Säbel, wachsendem Leid.

Miserable Sänger machen sich breit,

die lauthals nach falschen Noten singen.

Die Lieder der Hoffnung erfrieren im Wind,

ihr Klang zerschellt auf schwarzen Pfaden.

Auf den Scherben tanzt ein kleines Kind,

sieht nicht die Lügen, nur Golddukaten.

In den Glaspalästen dröhnt das Schweigen,

die Plutokratie schnitzt ihre Schranzen,

während die Straßengeister ihren Reigen

auf dem dünnen Seil der Einfalt tanzen.

Die Gegenwart sieht mit Gleichmut zu,

wie die Nichtigkeiten über die Ufer treten,

die Straßen fluten mit dem nächsten Coup

und wie Menschen zu tauben Göttern beten.

Durch äußere Pracht schimmert innere Leere,

ein Abklatsch Potemkinscher Architektur.

Die Fassade gereicht nur der Einsicht zur Ehre:

Auch die teuersten Dinge schweigen nur.

Der Gasdruck im Kessel der Menschheit steigt.

Wo Streichhölzer die Köpfe zusammenstecken,

spielt kein Orchester, wird nicht mehr gegeigt,

es singt ein Chor von Verwüstung und Schrecken.

Die Gegenwart muss mehr als die Finger heben.

Die Dämme zu flicken ist nicht mehr die Zeit.

Sonst wird sie eine Zukunft in Rost erleben;

auch Schrott hat eine glänzende Vergangenheit.

Untrügliche Zeichen

Wenn die Farben ineinander laufen,

sich Himmelblau mit Licht vermengt,

die Maulwürfe im Erdloch schnaufen,

weil eine Schaufel sie bedrängt,

Menschen aus Eimern Sangria saufen

und sich ihr Blick auf Sex verengt,

die Dielen wieder Eis verkaufen,

die Sonne bleiche Haut versengt,

im Biergarten die Kerle raufen,

weil plötzlich da „last order“ hängt,

die Mädchen weiße Kleider hissen,

dann ist es Sommer, musst du wissen.

Dringlich

Die Fragen werden dringlicher.

Säuerliche Gerüche wabern um die Köpfe.

Misstrauen schleicht durch die Straßen.

Höhnisches Gelächter prallt an die Fenster.

Hass und Dummheit aalen sich in der Sonne

und werfen täglich schwerere Schatten.

Gewissheiten und Anstand zerbröseln.

Das Schwungrad der Freiheit verliert an Masse.

Lügen werden stolz an die Leine gehängt

verdecken die durchgewetzte Weste der Toleranz.

Das Gift der Zwietracht wird Nahrungsmittel.

In einst farbigen Klanggalerien knarren schwarze Raben.

Einfach gestrickte Gemüter lesen die neuen Leviten,

nutzen virtuos die Zunge als Trompete der Gewalt.

Ihre Parolen reißen Löcher der Scham in die Seele.

Gesichter mit weit aufgerissenen Augen und Mündern

erscheinen wie verstörende Allegorien von Bosch.

Aus maßlos siedendem Zorn wird ein Lagerfeuer,

aus unruhiger Nacht nicht bewohnbarer Tag.

Mitgefühl wird aus Sätzen gelöst, fällt zu Boden wie Stein.

Und die Halde wird größer, die Steine schwerer.

An den Farben der hellen Zeit wird heftig gekratzt.

Das schmutzige Braun darunter ist kein schöner Anblick

und es ist kein schöner Geruch, wenn Liebe verfault.

Die Fragen werden dringlicher.

Ist das noch mein Land, meine ehemals vertraute Welt,

in der Braun unter meinen Sohlen nur Staub war,

wo an den Rändern der Wege freundliches Grün lächelte

und ich gelassen durch meinen Himmel spazierte?

Warum stehe ich da wie ein Schaf auf vertrockneter Weide,

kaue am Schweigen als beruhigende Droge

und decke die Ausscheidungen gewissenhaft zu

mit säuberlich geschriebenen Buchhalterzeilen?

Die Antworten werden dringlicher.

Die Zeit zwischen Jetzt und der Dämmerung wird kürzer.

Geräumiger Tag

Ein früher Blick durch das geöffnete Fenster.

Die Stille korrespondiert mit dem diesigen Himmel.

Die verworrenen Träume der Nacht lösen sich auf

in den zarten Farben der frühen Früchte.

Nicht gesprochene Worte verlieren sich

im einladenden, freundlich zuhörenden Raum.

Das Morgenlicht ist noch nicht gebündelt,

die Sonne noch nicht Meister über Licht und Schatten.

Sie bläst gerade erst ihre Backen auf am Horizont.

Vom Glühen der Welt ist noch nichts zu sehen,

es liegt noch kein gebratenes Licht über dem Land.