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Die große ROYAL-Saga von Geneva Lee: Über 1 Millionen verkaufte Bücher der SPIEGEL-Bestsellerreihe im deutschsprachigen Raum!
Clara & Alexander – sie sollte die glücklichste Frau auf der Welt sein, doch ihre Liebe muss noch eine Hürde bestehen ...
Band 3 der großen, unvergesslichen ROYAL-Saga …
In wenigen Wochen wird sie den Mann heiraten, den sie liebt, dem sie verfallen ist mit Körper, Herz und Seele. Doch Alexanders Vater lehnt ihre Verbindung kategorisch ab, und Clara findet heraus, dass Alexander immer noch Geheimnisse vor ihr hat und sie heimlich beschatten lässt. Clara liebt Alexander, aber kann sie ihm auch vertrauen? Und ist ihre Liebe stark genug, um ihre Unabhängigkeit und ihr eigenes Leben für das Königshaus zu opfern?
Die gesamte ROYAL-Saga von Geneva Lee
Clara und Alexander:
Band 1 – Royal Passion
Band 2 – Royal Desire
Band 3 – Royal Love
Bella und Smith:
Band 4 – Royal Dream
Band 5 – Royal Kiss
Band 6 – Royal Forever
Clara und Alexander – Die große Liebesgeschichte geht weiter:
Band 7 – Royal Destiny
Band 8 – Royal Games (April 2020)
Band 9 – Royal Lies (Juni 2020)
Band 10 – Royal Secrets (August 2020)
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Seitenzahl: 397
Buch
Clara sollte die glücklichste Frau auf der Welt sein: In wenigen Wochen wird sie den Mann heiraten, den sie liebt, dem sie verfallen ist mit Körper, Herz und Seele. Doch Alexanders Vater lehnt ihre Verbindung kategorisch ab, und Clara findet heraus, dass Alexander immer noch Geheimnisse vor ihr hat und sie heimlich beschatten lässt. Clara liebt Alexander, aber kann sie ihm auch vertrauen? Und ist ihre Liebe stark genug, um ihre Unabhängigkeit und ihr eigenes Leben für das Königshaus zu opfern?
Autorin
Geneva Lee lebt gemeinsam mit ihrer Familie im Mittleren Westen der USA. Sie war schon immer eine hoffnungslose Romantikerin, die Fantasien der Realität vorzieht – vor allem Fantasien, in denen starke, gefährliche, sexy Männer vorkommen. Mit ihrer Royals-Saga, der Liebesgeschichte zwischen dem englischen Kronprinzen Alexander und der bürgerlichen Clara, begeisterte Geneva Lee die amerikanischen Leserinnen und eroberte auch die deutschen Bestsellerlisten.
Die Royals-Saga von Geneva Lee
Royal Passion
Royal Desire
Royal Love
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GENEVA LEE
RomanBand 3
Deutsch von Andrea Brandl
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Die Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel »Crown me« bei Westminster Press, Louisville.
Copyright der Originalausgabe © 2015 by Geneva Lee
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2016 by Blanvalet Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Redaktion: Susann Rehlein
Covergestaltung: © Johannes Wiebel | punchdesign,
unter Verwendung von Motiven von Shutterstock.com (LANTERIA; Pacrovka)
WR · Herstellung: kw
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-18202-1V007
www.blanvalet-verlag.de
Für meine nicht ganz so damenhaften Hofdamen: Bleibt smexy, ihr Süßen.
1
Die fahle Wintersonne schien durch das Küchenfenster. Am Himmel zogen vereinzelte lila Wolken vorüber, die die stillen Wohnstraßen in Notting Hill in ein für Februar ungewöhnlich strahlendes rosa Licht tauchten. Doch trotz der Schönheit dieses friedlichen Londoner Morgens hatte ich nur Augen für den Mann in der Küche. Er trug eine schwarze Seidenpyjamahose, die locker auf seiner schmalen Hüfte saß. Ich ließ den Blick auf seine deutlich hervortretenden Bauchmuskeln schweifen, und als er sich zur Theke umdrehte, um Kaffee einzuschenken, bewunderte ich ausgiebig das gemeißelte V seines Rückens, das ich so gern mit den Fingern erkundete. Sein schwarzes Haar war noch zerwühlt von unserem frühmorgendlichen Liebesspiel, das mir zwei fantastische Orgasmen beschert hatte. Doch so prachtvoll sein Körper auch sein mochte, war es doch sein Herz, mit dem er mich im Sturm erobert hatte. Mir stockte der Atem, als mir einmal mehr bewusst wurde, dass dieser unglaublich schöne Mann mir gehörte, so unfassbar es auch erscheinen mochte.
Alexanders sinnlicher Mund verzog sich zu einem wissenden Grinsen, während er mir einen Becher hinhielt. »Für dich, Süße.«
Vorsichtig nippte ich daran und nickte genießerisch.
»Und? Habe ich allmählich den Dreh raus?«, fragte er.
»Nicht übel«, bestätigte ich und trank noch einen Schluck.
»Dich aufzuputschen ist das Mindeste, was ich nach gestern Abend tun kann, selbst wenn es bedeutet, dass ich dafür Kaffee kochen muss.«
»Wenn du mich die halbe Nacht wachhältst …«, neckte ich ihn und versuchte, das Ziehen im Unterleib zu ignorieren, das sich bei der Erinnerung an die Gründe für meinen Schlafmangel einstellte. Allmählich war es zur Gewohnheit geworden, dass ich zu spät bei der Arbeit erschien.
Während der vergangenen Monate hatte sich eine entspannte morgendliche Routine entwickelt – inklusive der Grundsatzdebatte über Tee oder Kaffee als Start in den Tag. Wir hatten die Feiertage und die damit verbundenen familiären Verpflichtungen unbeschadet überstanden, was eine ziemlich reife Leistung war, wenn man bedachte, dass Alexanders Vater sich wünschte, ich würde mich in Luft auflösen, und die Ehe meiner Eltern immer noch am seidenen Faden hing. Trotzdem war unsere Beziehung enger und stabiler denn je. Die vielen Lügen und Geheimnisse, die sich einst zu einer Mauer zwischen uns aufgetürmt hatten, waren einem Fundament aus Vertrauen und Verständnis gewichen. Nun war es für mich an der Zeit, mich auf die Neuerungen zu konzentrieren, die dieses Jahr mit sich bringen würde. Nicht dass ich Alexander nicht gern heiraten würde – in Wahrheit konnte ich es kaum erwarten, seine Frau zu sein –, das Problem war eher, dass ich dadurch gezwungen sein würde, mich mit Menschen zu umgeben, von denen ich mich lieber fernhalten würde. Außerdem musste ich mich damit auseinandersetzen, dass sich mein Leben von Grund auf ändern würde.
Er legte die Hand um mein Kinn und zwang mich, meine Aufmerksamkeit auf ihn zu richten … weg von der Zukunft und auf die Gegenwart. »Du hast wieder diesen Ausdruck im Gesicht … Du machst dir viel zu viele Gedanken, Süße.«
Ich zwang mich zu einem Lächeln und schüttelte den Kopf. »Ich habe im Moment bloß eine Menge um die Ohren.«
»Aber schon bald ist da ein Punkt weniger, um den du dir Gedanken machen musst.« Trotz der Beiläufigkeit seiner Bemerkung sog ich scharf den Atem ein.
Da hätten wir es wieder – genau diese Art Unterhaltung wollte ich mit ihm nicht führen.
»Ich werde meine Arbeit vermissen. Außerdem brauchen sie mich«, sagte ich. Für andere mochte es kein Traumjob sein, aber die Arbeit, die ich bei Peters & Clarkwell leistete, war wichtig. Zumindest für mich. Obwohl ich noch nicht lange dort war, hatten einige der Umwelt- und Sozialkampagnen, an denen ich mitgearbeitet hatte, weltweit für Aufsehen gesorgt. Das Schönste an meiner Arbeit war, dass ich tatsächlich dazu beitrug, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Reich würde ich dadurch ganz bestimmt nicht werden, was jedoch dank meines Treuhandfonds auch gar nicht nötig war. Allerdings hatte der Umstand, dass ich bald Mitglied der königlichen Familie sein würde, auch seinen Preis: Durch die vielen anderen Aufgaben würde ich nicht länger in meinem alten Job weiterarbeiten können. Das war eine bittere Pille, die ich immer noch nicht vollständig geschluckt hatte.
Alexanders blaue Augen funkelten. »Ich brauche dich an meiner Seite, und du musst nicht arbeiten.«
»Ich will aber. Mein eigenes Vermögen zu haben, ist keine Ausrede dafür, den ganzen Tag nur shoppen zu gehen und mich von einer Wellnessbehandlung zur nächsten zu hangeln.«
»Keine Angst, du wirst schon nicht wie deine Mutter«, erklärte Alexander rundheraus. Natürlich wusste er nur zu gut, dass genau das der wahre Kern meines Problems war. Zumindest dachte ich das, bis er fortfuhr. »Schon bald wirst du so viele Aufgaben haben, dass für Shoppingtouren und Schlammpackungen keine Zeit ist, glaub mir.«
Ich stellte meinen Kaffee weg und ließ meine Hand über seine Brust bis zu den Bändern seiner Pyjamahose wandern. »Zum Beispiel?«
Er schlang den Arm um meine Taille und zog mich mit einem Ruck an sich. Ich spürte, wie sein Schwanz zwischen uns anschwoll, bis kein Zweifel mehr bestand, was er von mir erwartete. »Könnten wir vielleicht damit anfangen, den ganzen Tag im Bett zu verbringen?«
»Sosehr mir die Vorstellung gefällt, dich nackt um mich zu haben, rede ich von deinen anderen Verpflichtungen. Man wird einige Erwartungen an dich haben, wenn du erst meine Frau bist, Süße.« Sein Tonfall war weich, obwohl er keine Anstalten machte, seinen Griff zu lockern.
»Oh.« Natürlich. Bereits vor Monaten hatte ich im Büro angekündigt, dass ich nur bis Februar bleiben würde. Wieso also wollte ich nicht wahrhaben, dass es demnächst so weit war? Weil das hieß, dass ich damit alles hinter mir ließ, was ich an der Uni gelernt hatte, und stattdessen versuchen musste, mich in den trüben Gewässern der königlichen Familie zurechtzufinden. Für die meisten war ich bloß eine amerikanische Aufschneiderin, die keinerlei Berechtigung hatte, den Thronfolger heiraten zu wollen. Meine Ausbildung, meine Herkunft – all das spielte keine Rolle für sie, was es noch schmerzlicher für mich machte, meiner Karriere den Rücken zu kehren.
Alexanders Lippen strichen an meinem Unterkiefer entlang. »Das ist doch kein Todesurteil.«
»Vermutlich nicht. Wenn du es nicht immer so darstellen würdest, als wäre es genau das«, gab ich zurück.
»Du wirst weiterhin im karitativen Bereich arbeiten, aber wenn wir erst verheiratet sind, stehen dir auch alle meine Ressourcen und Verbindungen zur Verfügung. Du wirst die wichtigsten Führungspersönlichkeiten der Welt kennenlernen und mit ihnen zusammenarbeiten, statt lediglich Online-Kampagnen ins Leben zu rufen.«
Ich hatte so einen Verdacht, dass er diese Begegnungen wesentlich glamouröser und gewichtiger darstellte, als sie es am Ende sein würden. Das Problem war, dass ich den Unterschied zwischen Engagement und Politik sehr wohl kannte. Und Alexander wusste das. Aber ich hatte mich entschieden – für ihn und damit gegen das Leben, wie ich es bisher kannte. Ich hatte bloß gehofft, ein bisschen mehr Zeit zu haben, um mich an alles zu gewöhnen. Aber bei Alexander gab es keine allmählichen Entwicklungen. Alles zwischen uns hatte sich in geradezu rasantem Tempo entwickelt – unser Kennenlernen auf der Abschlussparty in Oxford, unsere Affäre und die unvorhersehbare Tatsache, dass wir uns ineinander verliebt hatten. Wir hatten einen ziemlich holprigen Start hingelegt, doch seit wir uns im letzten Herbst zueinander bekannt hatten, lief alles in etwas ruhigeren Bahnen. Die Hochzeit würde in nicht einmal zwei Monaten stattfinden. Seit Wochen wusste ich nicht mehr, wo mir der Kopf stand.
»Ich würde lieber mit dir im Bett liegen, als mit irgendwelchen Politikern am Tisch sitzen zu müssen«, gestand ich seufzend. Doch so schwer es mir auch fiel, meine Karriere aufzugeben, hatte ich immer noch Alexander, der mich auffangen würde. Er war mein Fels in der Brandung, auch wenn ringsum die Wellen noch so hochschlugen. Er war mein Mittelpunkt. Alles, was ich brauchte. Solange er an meiner Seite war, bekam ich all das Neue in meinem Leben schon irgendwie in den Griff.
Seine Hände glitten zu meinem Hinterteil. »Wir könnten tatsächlich heute im Bett bleiben.«
»Vergiss es.« Ich verpasste ihm einen spielerischen Klaps. »Ich habe Tori versprochen, dass wir zusammen mittagessen gehen, und geschworen, pünktlich zu sein.«
»Sag deinem Boss einfach, wichtige Staatsangelegenheiten hätten dich aufgehalten.« Er presste sich gegen mich, um mir zu zeigen, welche Angelegenheiten er genau meinte.
Ich unterdrückte ein Stöhnen, und Alexander nutzte den kurzen Moment meiner Unkonzentriertheit schamlos aus und schob mir den Rock über die Hüften. Ein dumpfes Grollen drang aus seiner Kehle, als er über das hauchzarte Spitzenset aus Strumpfgürtel und dazu passendem Höschen strich und mit einem Finger den Stoff zur Seite schob, unter dem mein Geschlecht zum Vorschein kam. Ich spürte, wie die Erregung mich durchströmte.
»Ich kann dich nicht ohne anständige Verabschiedung gehen lassen«, raunte er mit samtiger Stimme.
»Dabei hatte ich heute Morgen schon zwei.« Doch es war sinnlos. Mein Körper reagierte augenblicklich mit wachsender Gier auf seine Zärtlichkeiten, und ich kam ihm nur allzu bereitwillig mit den Hüften entgegen.
»Oh Gott, ich liebe dich so sehr«, stöhnte er, als ich die Hand in den Bund seiner Pyjamahose schob und die Finger um seinen harten Schwanz schloss.
Die Arbeit konnte definitiv noch etwas warten.
Eine halbe Stunde später war ich endgültig zu spät dran. Vielleicht war es ja sogar gut, dass mein letzter Tag unaufhaltsam näher rückte. Wenn ich so weitermachen würde, müsste Bennett mich sowieso demnächst feuern. Ich schlug die rote Haustür hinter mir zu, schwang meine Tasche über die Schulter und winkte dem Rolls-Royce, der am Straßenrand geparkt stand. Norris, Alexanders Leibwächter, der inzwischen auch für mich zuständig war, konnte ich nicht entdecken, wusste aber, dass er mich bereits erwartete, um mich ins Büro zu fahren. In diesem Moment trat ich auf etwas Weiches. Ich blieb stehen und sah auf den Boden, dann bückte ich mich und hob mit zitternden Fingern die Rose auf. Ich ließ den Blick durch den kleinen Garten schweifen, der eigentlich ein Minimum an Privatsphäre gewähren sollte, und ließ die Überreste der Blume fallen.
Jemand war hier gewesen.
In diesem Augenblick trat Norris zu mir. Trotz seiner gewohnt neutralen Miene verriet seine angespannte Körperhaltung, dass er dasselbe dachte wie ich: War eine Rose vor der Haustür lediglich ein Ausdruck von Bewunderung oder eine Drohung?
»Haben Sie jemanden gesehen?«, fragte ich wohl wissend, wie albern diese Frage war. Hätte Norris jemanden in der Nähe des Hauses beobachtet, wäre derjenige längst auf dem Weg ins nächste Polizeirevier.
Er hob die Rose auf und inspizierte sie. Aus einem Impuls heraus zupfte ich ein Blütenblatt ab und zerdrückte es zwischen den Fingern. Es fühlte sich ganz kalt an, beinahe gefroren. Womöglich hatte die Rose die ganze Nacht hier gelegen, folglich hatte sich derjenige, der sie hingelegt hatte, an den Sicherheitsleuten vorbeigeschmuggelt, die das Haus rund um die Uhr zumindest grob im Auge behielten.
»Miss Bishop«, sagte Norris bedächtig und schob mich zur Haustür, »warten Sie bitte drinnen, während ich mit Alexander spreche.«
Ausgeschlossen. Mein Leben war schon jetzt völlig aus den Fugen, und ich durfte nicht zulassen, dass mich jede vermeintliche Drohgebärde in Angst und Schrecken versetzte. Und mich zu verbarrikadieren, war definitiv keine Lösung. »Ich muss aber dringend zur Arbeit. Ich bin jetzt schon spät dran.«
»Es dauert nur einen Moment«, beharrte er.
Mit einem frustrierten Schnauben ließ ich mich von ihm wieder ins Haus führen. Schließlich blieb mir kaum eine andere Wahl. So gern ich so tun würde, als wäre alles wie immer, war ich darauf angewiesen, dass Norris mich zur Arbeit fuhr, deshalb musste ich entweder allein draußen warten oder wieder hineingehen. Auf diese Weise konnte ich wenigstens sicher sein, dass ich nichts Wichtiges verpasste. Seit mein durchgeknallter Exfreund Daniel vor ein paar Monaten bei unserer Einweihungsparty auf mich losgegangen war, hatte Alexander die Sicherheitsmaßnahmen verstärken lassen. Daniel saß in Untersuchungshaft und wartete darauf, wegen versuchten Mordes und einer Reihe weniger dramatischer Vergehen vor Gericht gestellt zu werden. Alexander und Norris beschränkten ihre Gespräche rund um meine Sicherheit sorgsam auf ein Minimum – zumindest solange ich in der Nähe war. Nach seinem Heiratsantrag hatte ich nur allzu gern in meiner Blase der Glückseligkeit geschwebt, aber dieser Vorfall änderte alles schlagartig. Wenn irgendetwas vor sich ging, musste ich Bescheid wissen.
Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, erschien Alexander im Flur. Seine Miene verriet nichts – eine Fähigkeit, die er in all den Jahren im Blickfeld der Medien perfektioniert hatte –, doch seine starre Körperhaltung ließ keinen Zweifel daran, dass er in höchster Alarmbereitschaft war. Ich wusste nicht recht, ob ich zu ihm treten oder neben der Tür stehen bleiben sollte … ob ihn meine Nähe beruhigen oder nur noch mehr in Aufruhr versetzen würde. Nach dem Verlust seiner Mutter und seiner Schwester hatte er schreckliche Angst, auch mich zu verlieren, und Daniels Übergriff hatte diese Furcht nur noch verstärkt, ganz egal, wie eng das Sicherheitsnetz auch immer sein mochte.
Norris reichte ihm die Rose. Keiner der beiden Männer sagte etwas, doch ihre Mienen sprachen Bände.
»Was ist hier los?«, fragte ich.
»Könnten Sie bitte kurz draußen warten?«, bat Alexander seinen Leibwächter.
So viel zum Thema Informationen.
»Erklär mir jetzt bitte, dass die Rose das Geschenk eines glühenden Verehrers ist«, sagte ich, sobald die Tür hinter Norris zugefallen war.
»Kann sein«, sagte er, doch viel wichtiger war, was er nicht sagte.
»Daniel sitzt doch in Untersuchungshaft und wartet auf seinen Prozess«, fuhr ich fort.
»Clara.« Der warnende Unterton in seiner Stimme war unüberhörbar, doch ich beachtete ihn nicht.
»Hör auf, mich wie ein kleines Kind zu behandeln«, schimpfte ich. »Seit Monaten lässt du dieses Haus wie ein Versuchslabor für Atomwaffen bewachen. Wenn irgendetwas vor sich geht, muss ich darüber Bescheid wissen.«
Selbst in unseren eigenen vier Wänden standen wir rund um die Uhr unter Bewachung, doch die meiste Zeit konnte ich so tun, als würde ich es nicht bemerken. Die Männer, die Alexander angeheuert hatte, waren ehemalige Soldaten, die ihren Beruf ganz ausgezeichnet beherrschten. Doch trotz aller Diskretion spürte ich, dass sie stets da waren. Bei der Arbeit konnte ich ohne bewaffnete Eskorte vor der Tür nicht einmal über Mittag einen Happen essen gehen. Was hier lief, ging weit über die üblichen Maßnahmen hinaus, selbst wenn die größte Bedrohung für meine Sicherheit eigentlich hinter Schloss und Riegel saß. Es sei denn …
In diesem Moment fiel der Groschen. Erschrocken schlug ich die Hand vor den Mund. »Oh Gott.«
Alexanders Arme schlossen sich um mich, noch bevor ich die Worte aussprechen konnte. »Du bist in Sicherheit.«
Aber das war ich nicht. Nicht, wenn …
»Wie lange schon?« Meine Stimme klang hohl.
»Es besteht keine Gefahr. Nicht, solange Norris und das Team …«
Ich unterbrach ihn mit einer Geste. »Wie lange schon?«
»Seit St. Moritz«, antwortete er mit ungewöhnlich leiser Stimme.
»Seit St. Moritz?«, krächzte ich. Das war mehrere Monate her: Damals war Pepper mit irgendwelchen Anschuldigungen, Alexander hätte sie unter Drogen gesetzt, an die Öffentlichkeit gegangen, und Alexander hatte mit einer einzigen Frage mein ganzes Leben von Grund auf verändert. »Und du wusstest die ganze Zeit Bescheid? Schon als du mir einen Antrag gemacht hast?«
»Ja.«
Ich stieß ihn von mir, weil ich plötzlich das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu bekommen. Der Raum ringsum begann sich zu drehen. Die Schutzmauern, die ich so sorgsam um mich errichtet hatte, fielen wie ein Kartenhaus in sich zusammen, und eine Welle der Panik erfasste mich, die ich nicht länger ignorieren konnte.
»Ich wollte nicht, dass du Angst hast. Das hätte doch nichts geändert.«
»Es hätte verdammt noch mal alles geändert.« Aber das stimmte nicht. Zu wissen, dass Daniel sich irgendwo dort draußen herumtrieb, hätte mir keineswegs ein Gefühl der Sicherheit gegeben. In diesem Fall war Wissen nicht gleichbedeutend mit Macht. Das änderte aber nichts an der Tatsache, dass ich es jetzt wusste. »Wie konnte das passieren?«
»Mit Hilfe eines übereifrigen Anwalts.« Alexanders Lippen verzogen sich zu einem freudlosen Lächeln. »Als man mich in Kenntnis gesetzt hat, war er längst über alle Berge.«
»Über alle Berge?«, wiederholte ich ungläubig und spürte, wie unterschiedlichste Emotionen Besitz von mir ergriffen, die ich nicht recht zuordnen konnte. Wie konnte er einfach verschwinden? Selbst wenn er vorläufig aus der Haft entlassen worden war, standen doch immer noch meine Anschuldigungen gegen ihn im Raum.
»Für jemanden ohne militärischen Hintergrund hat er es ziemlich gut drauf, unter dem Radar zu bleiben.«
Diesmal wehrte ich mich nicht, als Alexander mich in die Arme nahm, sondern schmiegte mich in der Gewissheit an ihn, dass er alles tun würde, mich zu beschützen. Aber was sollte ich davon halten, dass allem Anschein nach nicht einmal Norris Daniel aufstöbern konnte und keiner von Alexanders Männern mitbekommen hatte, dass er hier gewesen war und mir eine Rose vor die Tür gelegt hatte? Allein bei der Vorstellung gefror mir das Blut in den Adern.
Ich löste mich von ihm und ging zur Tür. »Ich muss jetzt los.«
»Clara, wenn ich …«
»Ich will nichts hören«, unterbrach ich ihn. Seit Monaten hatte ich Alexanders Beschützerinstinkt übertrieben gefunden, weil ich schlicht und einfach davon ausgegangen war, dass der Verursacher seiner Paranoia hinter Gittern saß. »Ich weiß nicht, was schlimmer ist. Dass Daniel aus der U-Haft entlassen wurde, oder dass du mir diese Tatsache vorenthalten hast. Du hast mich belogen. Ich muss in Ruhe nachdenken.«
»Clara«, rief er scharf, doch ich schenkte ihm keine Beachtung.
»Ich dachte, wir hätten so etwas nicht länger nötig. Bis später, X.« Ich ging, bevor er mir noch weitere Ausreden präsentieren konnte. Natürlich wusste ich, dass er mich nur hatte beschützen wollen, aber das schmälerte weder das Ausmaß seines Verrats, noch machte es die Tatsache wett, dass mein mühsam errungenes inneres Gleichgewicht ein weiteres Mal jäh zerstört worden war. Ich wollte einfach nur in Ruhe verdauen, was ich soeben begriffen hatte:
Niemand konnte mich wirklich beschützen.
2
Kaum saß ich am Schreibtisch, erschien ein vertrauter Rotschopf an der Eingangstür zu meinem Kabuff. Ich winkte die müde lächelnde Tori herein, die sich mit einem Seufzer auf meinen Besucherstuhl fallen ließ und ihr kleines Bäuchlein rieb, das sich seit Kurzem zu wölben begann. Wie es aussah, stand ihr Frust meinem eigenen in nichts nach, und keine von uns schien sich auf einen angenehmen Wochenstart zu freuen. Ich konnte nur hoffen, dass ihr Ärger nicht von durchgeknallten Exfreunden oder übertrieben besorgten Verlobten herrührte. Andererseits war sie mit einem der warmherzigsten, nettesten Männer zusammen, daher war meine Sorge vermutlich unbegründet.
»So schlimm?«, fragte ich mitfühlend, lehnte mich mit überkreuzten Armen auf meinem Stuhl zurück und wartete geduldig. Zugegeben – sie sah tatsächlich ziemlich mitgenommen aus. Unter ihren Augen lagen dunkle Ringe, die wegen ihres hellen Teints noch deutlicher hervortraten, und ihr normalerweise üppig gewelltes Haar hing in einem schlaffen Pferdeschwanz über ihren Rücken.
»Ich hinke mit der PostAid-Kampagne hinterher. Eigentlich hätte ich am Wochenende nacharbeiten wollen, aber ich bin todmüde. Dabei sollte es im zweiten Drittel eigentlich leichter werden.«
»Du solltest wohl mal mit deinem Boss reden«, bemerkte ich trocken und zwinkerte ihr zu.
»Ich glaube, er ist noch kaputter als ich. Die Zwillinge hatten die Grippe. Wir sind alle völlig fertig.« Wieder blickte sie auf ihr Bäuchlein. »Ich habe keine Ahnung, wie ich die nächsten fünf Monate überstehen soll. Mein armer Rücken ist jetzt schon total im Eimer. Ich habe mir überlegt, mir einen von diesen ergonomischen Stühlen zu besorgen, aber nachdem ich einen Blick aufs Preisschild geworfen hatte, war’s das.«
»Das hier ist die Vorstellung meines Workaholic-Vaters von einem perfekten Weihnachtsgeschenk.« Ich tippte mit dem Finger auf die Armlehne meines nagelneuen Schreibtischstuhls, wobei ich geflissentlich unterschlug, dass das extravagante Geschenk ein weiterer Versuch gewesen war, mich milde zu stimmen – eine absolut lächerliche Geste, wenn man bedachte, dass ich meinen Vater weder gemieden noch ihm irgendwelche Vorwürfe gemacht hatte, nachdem ich ihn in Begleitung einer anderen Frau gesehen hatte. Meine Mutter und meine Schwester waren mit ähnlich kostspieligen Gaben bedacht worden. Aber wir alle wussten nur zu gut, dass kein Geschenk der Welt wettmachen konnte, was er meiner Mutter angetan hatte. »Ehrlich gesagt, brauche ich ihn nicht.« Ich stand auf und schob ihn ihr hin. Damit konnte ich mit dem emotionalen Bestechungsversuch meines Vaters wenigstens noch ein gutes Werk tun.
»Ehrlich?« Ihre Miene hellte sich auf, doch dann schossen ihr ohne Vorwarnung Tränen in die Augen. »Ich vergesse ständig, dass das ja deine letzte Arbeitswoche ist.«
»Und ich vergesse ständig, dass du im Moment bei jedem noch so kleinen Anlass in Tränen ausbrichst«, zog ich sie auf. »Aber sieh es doch mal von der positiven Seite. Jetzt bekommst du wenigstens einen neuen Schreibtischstuhl.«
Sie rang sich ein Lächeln ab. »Da fühle ich mich gleich noch viel mieser. Der Arzt hat angerufen und gesagt, ich soll unbedingt heute noch vorbeikommen. Könnten wir unser Mittagessen vielleicht verschieben?«
»Kein Problem.« Ich hoffte, dass meine Fröhlichkeit nicht allzu gezwungen klang. Sosehr ich mich über das Baby freute, machte mich die Aussicht, auf eine meiner letzten gemeinsamen Mittagspausen mit Tori verzichten zu müssen, traurig.
Mir war schon jetzt klar, wie schwer es mir fallen würde, meine professionelle Fassade zu wahren, wenn es an den Abschied ging. Immerhin würde der Kontakt zu Bennett und Tori nicht abreißen – sie standen auf der Gästeliste meiner Verlobungsfeier und der Hochzeit selbst. Allerdings würde Tori den ausschweifenden Junggesellinnenabschied, den Belle für mich organisiert hatte, wegen ihrer Schwangerschaft auslassen müssen. Gleichzeitig freute ich mich unbändig darauf, in wenigen Monaten das Baby in den Armen halten zu dürfen. Inzwischen hatte sich eine tiefe Freundschaft zu den beiden entwickelt, allerdings rührte meine Zuneigung teilweise auch daher, dass ich sie um ihre vermeintlich normale Beziehung beneidete – die beiden konnten einfach ins Kino gehen, wohingegen Alexander und ich stets von einem Pulk von Fotografen verfolgt wurden und unsere Gesichter am nächsten Morgen unweigerlich in den Klatschblättern fanden. Ich schnappte mir Block und Stift und machte mich auf den Weg ins Büro meines Chefs zu einer meiner letzten morgendlichen Besprechungen mit ihm. An der Tür blieb ich stehen, doch Bennett winkte mich, den Telefonhörer am Ohr, zu sich herein.
»Verstehe«, sagte er, drehte sich auf seinem Bürostuhl um und blickte konzentriert auf die verspiegelte Fassade des Gherkin, Gurke, genannten auffälligen Wolkenkratzers direkt nebenan, in dem sich das fahle Sonnenlicht spiegelte.
Bei seinem Anblick stürzte ich geradewegs in die nächste Gefühlsachterbahn. Letzte Woche hatte mir meine Mutter netterweise einen Artikel über die fünfundzwanzig stressigsten Ereignisse im Leben eines Menschen in die Hand gedrückt. Bei zehn Übereinstimmungen hatte ich frustriert aufgehört zu zählen, aber in Wahrheit trafen vermutlich deutlich mehr Punkte auf mich zu. Der Druck und die Anspannung angesichts all der bevorstehenden Veränderungen machten mich wohl ähnlich anfällig für Tränenausbrüche wie Tori, doch ich beschloss, mich am Riemen zu reißen. Schließlich beendete Bennett das Telefonat, drehte sich zu mir um und fragte, wie es mir gehe. Nein, ich würde nicht weinen; zumindest nicht heute schon, sondern erst an meinem letzten Arbeitstag.
Stattdessen stürzte ich mich kopfüber in die Strategien, die ich übers Wochenende zu Papier gebracht hatte – der einzige Vorteil von Alexanders zahlreichen Verpflichtungen bestand darin, dass mir etwas mehr Zeit für Projekte außerhalb meiner normalen Arbeitszeit blieb. Eine Stunde später war es mir gelungen, Bennett für halbwegs alles zu gewinnen, was ich mir überlegt hatte.
»Was werde ich nur ohne dich anfangen?«, seufzte er, nachdem ich die Details für eine großangelegte Gesundheitskampagne heruntergerattert hatte, die wir mit der BBC auf die Beine stellen würden.
Ich drohte ihm mit dem Finger. »Fang bloß nicht wieder damit an.«
»Du willst den Kerl doch nicht ernsthaft heiraten, oder?«
»Apropos heiraten«, konterte ich spitz. »Wann machst du aus Tori endlich eine ehrbare Frau?«
»Hey, ich habe sie gefragt!« Lachfältchen erschienen um seine braunen Augen, und er hob die Hände. »Sobald sie das erste Mal wieder acht Stunden Schlaf am Stück bekommt, schleppt sie mich in die nächste Kirche, hat sie gesagt.«
»Zu meiner Verteidigung muss ich anführen«, erklärte Tori, die hinter mir in die Tür getreten war, »dass ich gerade wie ein Zombie aussehe. Ich wünsche mir nur ein einziges halbwegs anständiges Foto von meinem Hochzeitstag, auf dem ich nicht aussehe, als würde ich gleich jemanden anspringen und ihm das Hirn aus dem Schädel fressen.«
Unter schallendem Gelächter kehrte ich in mein Büro zurück, um mich der wachsenden Zahl an Projekten zu widmen, die ich noch an den Start bringen wollte, bevor ich die heiligen Hallen endgültig verließ. Eine Stunde später hatte ich sämtliche Akten sortiert und an die jeweiligen Projektmanager delegiert, die sich um die Umsetzung kümmern würden. Auf dem Rückweg zu meinem Büro läutete mein Handy. Lolas Gesicht prangte auf dem Display. Eilig rannte ich in mein Kabuff zurück, ehe ich das Gespräch annahm. Mein Alltag war häufig genug Gegenstand reißerischer Berichterstattung, und Spekulationen über die Ehe meiner Eltern waren so ziemlich das Letzte, was ich gerade gebrauchen konnte. Es mochte lächerlich sein, für ein Millionenpublikum aufzulisten, was ich in der Lebensmittelabteilung des Supermarkts kaufte, aber die Leute auch noch einzuladen, sich über die Eheprobleme meiner Eltern auszulassen, kam nicht infrage.
»Hey, Lola«, stieß ich atemlos hervor.
»Bist du einen Marathon gelaufen, oder was?«, fragte sie und fügte leicht verärgert hinzu: »Und wieso flüsterst du?«
»Ich bin auf der Arbeit«, antwortete ich mit sanfter Stimme. Sosehr ich meine Schwester liebte, aber in ihrer Unverblümtheit mangelte es ihr etwas an Einfühlungsvermögen.
»Ich dachte, du arbeitest in einem Büro und nicht in einer Bibliothek.«
Wieder einmal konnte ich nur über die eigenwillige Mischung aus britischer und amerikanischer Kultur staunen, die in meiner Schwester miteinander verschmolzen. Bei unserer Übersiedelung nach Großbritannien war sie noch klein genug gewesen, um sich einen leichten britischen Akzent anzugewöhnen, doch ihre Direktheit war typisch amerikanisch. Ich dagegen sprach eher wie eine Amerikanerin, wählte meine Worte jedoch wie viele Briten mit Bedacht. Meistens zumindest.
»Ich habe mir überlegt, es wäre vielleicht ganz nett, wenn mein Privatleben ein Stück weit privat bliebe«, gab ich zurück und verdrehte unwillkürlich die Augen – ein Glück, dass sie mich nicht sehen konnte. »Deshalb will ich nicht, dass unsere Familienangelegenheiten in den Zeitungen breitgetreten werden.«
Zwar hatte ich keinen Anlass zur Vermutung, dass einer meiner Kollegen bei Peters & Clarkwell Informationen über mich an die Klatschpresse verkaufen würde, aber seit meiner Verlobung mit Alexander hatte sich in den Medien ein geradezu hysterisches Interesse an mir entwickelt. Es gab nichts, worüber nicht berichtet wurde – von meiner Vorliebe für Eier von freilaufenden Hühnern bis hin zu meinem Charakter, über den sich in Interviews plötzlich Menschen ausließen, die vor Jahren einmal ein Seminar an der Uni mit mir besucht hatten.
»Mom ist ganz heiß darauf, in der Zeitung zu stehen«, wandte Lola ein.
Normalerweise hätte ich ihr zugestimmt, aber die beharrliche Weigerung meiner Mutter zuzugeben, dass Dad fremdging, war ein untrügliches Anzeichen dafür, dass sie eine klare Grenze zog. Eine pikante Enthüllungsstory wäre eine lukrative Angelegenheit – und könnte meine Mutter schwer in Mitleidenschaft ziehen. Natürlich würde Lola niemals zugeben, dass sie es genoss, ebenfalls auf den Titelseiten abgebildet zu sein. Unsere gemeinsamen Gene spiegelten sich dahingehend wider, dass sie wie eine jüngere, schlankere und besser gekleidete Version von mir aussah; deutlich besser, wenn ich ehrlich war. Mittlerweile war sie zu einer Art Trendsetterin avanciert und hatte einen regelrechten Hype um die New Yorker Kate-Spade-Handtaschen ausgelöst. Sämtliche Klatschblätter stürzten sich auf sie, analysierten ihre Garderobe bis ins Detail und nahmen sie in die Liste der zehn begehrtesten Junggesellinnen auf. Für meinen Geschmack war das eindeutig zu viel des Guten, andererseits war es immer noch besser, die Presse auf diese Weise von dem abzulenken, was sich gerade hinter den Kulissen abspielte. Außerdem schien es Lola nicht zu stören.
»Sie will, dass ich mir ein Kleid und einen Hut für einen gewissen hochoffiziellen Anlass kaufe«, fuhr sie fort. »Bitte sag mir, dass du bald deinen letzten Arbeitstag hast. Sie besteht darauf, dass wir zusammen losziehen.«
»Geh doch erst mal mit ihr etwas Hübsches für die Verlobungsfeier nächstes Wochenende kaufen«, wiegelte ich ab.
»Den Hut dafür hat sie schon seit Monaten im Schrank«, erklärte Lola nachdrücklich. »Sie wird dich nächste Woche beim Familientreffen fragen, das schwöre ich dir. Mach dich schon mal drauf gefasst.«
»Natürlich wird sie das.« Seufzend sah ich auf die Uhr. »Ich muss jetzt Schluss machen. Ich hab’s eilig.«
»Wenn du Mom noch länger warten lässt, wird es erst richtig unangenehm für dich«, warnte Lola und legte auf.
Ich zwang mich, jetzt nicht übers Shoppen nachzudenken. Das war ein weiterer Grund, weshalb ich meinen Job vermissen würde: Er bot eine willkommene Abwechslung zu dem Tamtam um meine bevorstehende Hochzeit. Vor allem jetzt, wo Alexander wieder einmal Geheimnisse vor mir hatte und sein Vater sich nach wie vor weigerte, uns seinen Segen zu geben … und Daniel immer noch dort draußen frei herumlief. Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals, und ich hatte Mühe, gegen meine Angst anzukämpfen. Noch konnte ich mich zumindest in meiner Arbeit vergraben und brauchte mich nicht mit der Realität zu konfrontieren.
Einige PowerPoint-Präsentationen und Berichte später sah ich auf die Uhr und stellte fest, dass es fast Mittag war – auf meinen an regelmäßige Essenszeiten gewöhnten Magen war definitiv Verlass, denn er knurrte, doch Appetit hatte ich keinen. Ohne Tori, die mich davon ablenken würde, dass ich unter Dauerbeobachtung stand, sowie ich das Bürogebäude verließ, hatte ich keine große Lust, vor die Tür zu gehen. Mein Handy gab einen Summton von sich. Ich schaltete den Wecker ab, der mich ans Essen erinnern sollte, und stellte fest, dass es in Wahrheit nicht die Weckfunktion war, sondern jemand anrief.
»Hier Clara Bishops Büro«, meldete ich mich mit gespielter Förmlichkeit.
»Ist die Schlampe da?«, fragte Edward mit übertrieben britischer Trockenheit.
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Alexanders jüngerer Bruder Edward war das einzige Mitglied der königlichen Familie, das ich liebend gern ertrug. »Ich fürchte, sie ist gerade beschäftigt.«
»Zu schade. Ich wollte sie wissen lassen, dass ihre Anwesenheit bei einem Mädelsabend am Wochenende dringend erwünscht ist.«
Ich prustete in den Hörer. Seit seinem Coming-out zelebrierte er seine sexuelle Orientierung mit bemerkenswertem Genuss. Was ihn nur liebenswerter machte. »Mädelsabend, ja?«
»Ich weiß genau, was du sagen willst, aber was mir an gewissen Stellen an Ausstattung fehlt, mache ich durch Attitude wieder wett. Und Drama gibt’s noch obendrauf.«
»Sag bloß nicht, auch ihr habt Ärger im Paradies.«
»Nein, nein, ich bin geläutert«, konterte er sarkastisch. »Ich will mich nur mit meinen beiden Lieblingsbräuten ein bisschen amüsieren. Belle ist dabei, und sollte Alexander einen Abend ohne dich und deine Vagina nicht aushalten, können wir es auch bei dir machen.«
»Du bist so was von schamlos.«
»Genau deshalb liebst du mich ja so, gib’s zu.«
In diesem Punkt konnte ich nicht widersprechen. »Ich werde …«
Die Worte blieben mir im Hals stecken, als Alexander sich auf den Stuhl neben mir setzte und mit einem überheblichen Grinsen zusah, wie ich mühsam um meine Fassung rang.
»Entschuldige … ich war gerade abgelenkt. Ich rufe gleich zurück«, presste ich schließlich hervor.
»Sag ihm, ich lasse ihn schön grüßen«, erklärte Edward.
Ich holte tief Luft und steckte das Handy in meine Handtasche.
»Hättest du nicht eine Nachricht schicken können?«, platzte ich heraus – endlich gestattete ich mir, den Tumult in meinem Inneren ausbrechen zu lassen.
»Wir müssen reden.« Seine Stimme war leise, aber fest. Dominant. Voller Kraft und Entschlossenheit. Ein leises Schwindelgefühl ergriff Besitz von mir, als ich gegen die Wirkung ankämpfte, die er auf mich hatte.
Diesen Tonfall kannte ich. Er hatte das Kommando, und sosehr mich das im Bett mittlerweile auch erregen mochte, wollte ich mich jetzt nicht davon einlullen lassen. »Auf einmal willst du also reden? Ist irgendetwas passiert, das du nicht hinter meinem Rücken regeln kannst?«
»Süße …«
»Ich habe jetzt Mittagspause und muss etwas essen.«
Und ich musste um jeden Preis ein Wortgefecht im Büro vermeiden.
»Genau deshalb bin ich hier.« Er trat näher und strich mit dem Finger über meinen Arm. Die Berührung zeigte schlagartig Wirkung. Ein Schauder lief von meinem Arm bis hinauf zu meinem Nacken, und ich spürte, wie ich mich ihm instinktiv entgegenneigte, als wäre er ein Magnet, der mich anzog, so wie es seit dem Tag unserer ersten Begegnung war.
Aber so einfach würde ich mich nicht einwickeln lassen. »Ich hatte eine Verabredung zum Mittagessen, schon vergessen?«
»Die abgesagt wurde.« Er zuckte viel zu unschuldig die Achseln.
»Das ist ja nicht zu fassen.« Ich schnappte mir meine Tasche und machte mich auf den Weg zum Aufzug, doch er war schneller. Noch bevor ich eintreten konnte, hatte er meinen Arm genommen und hielt mich fest.
»Hast du etwa den ganzen Laden hier verwanzt?«, zischte ich in der Hoffnung, dass keiner meiner Kollegen etwas davon mitbekam.
Alexander zeigte sich ungerührt und stand mit einer geradezu übernatürlichen Gelassenheit neben mir, die mich beinahe in den Wahnsinn trieb. Als die Aufzugtüren aufglitten, bedeutete er mir mit einer Geste einzutreten. Meine Verärgerung schlug in lodernde Wut um, als er in aller Seelenruhe den Knopf drückte. »Ich werde informiert, wenn sich deine Termine ändern.«
»Ist dir eigentlich bewusst, wie durchgeknallt das klingt?«, brach es aus mir heraus.
»Das ist eine reine Sicherheitsmaßnahme. Dein Leben könnte in Gefahr sein.« Seine Gelassenheit schürte meine Wut noch weiter.
»Könnte! Könnte! Du könntest mich auch in den Irrsinn treiben!« Nach Daniels brutalem Übergriff hatte ich mich aus purer Angst mit erweiterten Sicherheitsmaßnahmen einverstanden erklärt. Aber vielleicht sah ich das Ganze auch falsch … Vielleicht hatte er ja recht, und ich musste die Situation nüchterner betrachten. »Du warst mir gegenüber nicht ehrlich. Ich habe mich mit den erweiterten Sicherheitsmaßnahmen einverstanden erklärt, damit du dich besser fühlst. Eigentlich dachte ich, dass wir bald damit aufhören können, aber jetzt stellt sich heraus, dass die ganze Zeit eine konkrete Gefahr bestand. Wie würdest du dich fühlen, wenn jede Sekunde deines Lebens beobachtet, aufgezeichnet und an jemanden kommuniziert wird, ohne dass du etwas davon weißt?«
Er zog nur eine Braue hoch. »Mein ganzes Leben war so. Jede einzelne Minute.«
»Stimmt.« Ich ließ mich gegen die kühle Metallwand sinken. Natürlich. Und das war bis heute so. Für ihn war all das völlig normal, sprich, es würde auch für mich irgendwann völlig normal werden müssen. Ich rührte mich nicht vom Fleck, als der Aufzug das Erdgeschoss erreichte.
Sanft legte Alexander die Hand um meinen Oberarm und schob mich in die Eingangshalle. Diesmal machte er keine Anstalten, sich bei mir unterzuhaken, sondern dirigierte mich wortlos hinaus auf den Bürgersteig.
»Ich hätte dir gegenüber aufrichtiger sein müssen«, gestand er schließlich. »Wir können das gleich besprechen, aber jetzt müssen wir erst mal dafür sorgen, dass du etwas zu essen bekommst.«
Entschlossen schob ich den Gurt meiner Handtasche hoch und deutete auf ein Bistro in einem der Nebengebäude, von dem ich wusste, dass es hauptsächlich von Businesstypen besucht wurde, die viel zu wichtig und geschäftig waren, um uns zu beachten. Alexander nahm meine Hand, als wir die Straße überquerten, und achtete darauf, auf der Seite zu gehen, von der der Verkehr kam, auch wenn kaum Autos unterwegs waren. Wenige Momente später hielt er mir die Tür auf, und wir betraten das schwach erleuchtete Restaurant, in dem sich leise Musik mit gedämpften Unterhaltungen mischte.
»Zwei Personen«, sagte Alexander zu der Hostess, die am Eingang die Speisekarten stapelte. Als sie aufsah, fiel ihr förmlich die Kinnlade herunter.
»Selbstverständlich«, sagte sie und fuhr mit zitternden Fingern über ihre Tischbelegungsliste.
Alexander beugte sich vor und sah ihr tief in die Augen. »In einer ruhigen Ecke bitte …«
Meine Knie wurden weich, sodass ich Mühe hatte, mich auf den Beinen zu halten. Er schloss die Finger fester um meine Hand, wobei sich der mächtige Rubinring tief in meine Handfläche bohrte. Der Schmerz mischte sich mit meinem Frust, gleichzeitig spürte ich eine unerwartete Erregung in mir aufwallen.
Nahezu unbemerkt von den anderen Gästen folgten wir dem Mädchen in den hinteren Teil des Restaurants zu einem einigermaßen abgelegenen Tisch, trotzdem konnte ich mein leises Unbehagen nicht abschütteln. Wurden wir beobachtet? Folgte uns ein Security-Team? Gab es überhaupt jemals so etwas wie Privatsphäre für uns?
»Sind Sie mit dem Tisch einverstanden?«, fragte sie und knetete nervös die Hände, während Alexander meinen Stuhl zurechtrückte.
»Ja, absolut«, antwortete er freundlich und legte den Kopf schief. Ihr Blick schweifte von ihm zu mir und zurück, dann machte sie einen angedeuteten Knicks und verschwand eilig.
Mir war die Begierde in ihrem Blick nicht entgangen. Und in Wahrheit konnte ich ihr keinen Vorwurf daraus machen, schließlich war er nicht nur der Prince of Wales, sondern verströmte eine unverhüllte Sinnlichkeit, der sich wohl die wenigsten Frauen entziehen konnten. Nichtsdestotrotz war ich auf diese heftige Reaktion nicht gefasst gewesen. Eigentlich neigte ich nicht zur Eifersucht, die Schlange Pepper Lockwood war eine absolute Ausnahme, trotzdem musste ich mich zwingen, meinen Griff um die Armlehnen meines Stuhls zu lockern und mich zu beruhigen. Ich wusste, dass ich inzwischen völlig paranoid war. Alexander hatte mich zwar ein weiteres Mal belogen, aber als jetzt diese vermeintliche Rivalin aufgetaucht war, hatte mein Körper ganz klar signalisiert, dass mein Geliebter mir ganz allein gehörte.
»Du bist so still.« In seiner Stimme lag kein Vorwurf, sondern etwas anderes – Schmerz.
Langsam hob ich den Kopf und wappnete mich innerlich für den Stromschlag, der mich immer durchzuckte, wenn sich unsere Blicke begegneten. Auch jetzt durchfuhr es mich heiß, doch diesmal konzentrierte ich mich darauf, das glühende Verlangen als Treibstoff für meine Wut zu nutzen. Verrat und Lust waren eine hochexplosive Mischung, und es kostete mich meine gesamte Selbstbeherrschung, so leise zu sprechen, dass nur er mich hören konnte. »Ich komme mir vor, als hätte ich die ganze Zeit mit einer Lüge gelebt.«
»Ich hätte dir das von Daniel sagen müssen«, wiederholte er. »Aber irgendwie war nie der richtige Zeitpunkt. Eigentlich hatte ich erwartet, dass wir ihn schon vor Monaten schnappen.«
»Das ist aber kein Grund, mir die Wahrheit vorzuenthalten.«
»Ich dachte schon vor Wochen, die ganze Angelegenheit wäre im Handumdrehen erledigt. Vor Monaten. Und je länger es sich hinzog, umso schwieriger wurde es, dir alles zu erzählen.«
Ich fegte die lahme Ausrede mit einer knappen Geste vom Tisch. »Das hätte dir doch ein Zeichen sein müssen, dass es falsch ist, was du tust.«
»Süße.« Er nahm meine Hand und küsste jeden einzelnen Fingerknöchel, ehe er an meinem Ringfinger innehielt, als wollte er mich behutsam an das Versprechen erinnern, das ich ihm gegeben hatte.
»Bilde dir bloß nicht ein, dass ich vergesse, was du getan hast, nur weil du einen auf sexy machst und mir Honig ums Maul schmierst«, schimpfte ich leise.
»Findest du mich denn sexy?« Es war unmöglich, beim Anblick dieses verwegenen Lächelns den Drang zu unterdrücken, ihn auf der Stelle zu küssen.
»Auch darum geht es jetzt nicht, X.«
»Wir sind hergekommen, um zu reden, was wir ja tun, aber ich wollte dir auch sagen, dass ich die Stadt verlassen muss«, erklärte er, ohne den Blick von mir zu lösen.
Ich nickte und musste schlucken. »Für wie lange?«
»Mein Vater will, dass ich an einem Jubiläumsabendessen teilnehme, und ich hätte gern, dass du mitkommst.«
»Aber ich kann nicht«, platzte ich spontan heraus. Bald würde die Zeit kommen, da meine Anwesenheit obligatorisch war, aber bis dahin wollte ich den letzten Rest Freiheit genießen, der mir noch blieb.
Meine Absage schien Alexander zu überraschen.
»Ich habe etwas vor«, fügte ich eilig hinzu. »Außerdem ist es meine letzte Woche im Büro.«
»Also hat es nichts mit unserem Streit heute Morgen zu tun?«
»Nein.« Ich hielt inne. »Obwohl … doch. Vielleicht gibt uns eine kurze Auszeit Gelegenheit, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen.«
»Na gut, aber eines will ich klarstellen.« Alexander packte die Armlehne meines Stuhls und zog ihn näher zu sich heran. Das Scharren der Stuhlbeine auf dem Holzboden schien förmlich durch meinen ganzen Körper zu hallen und brachte meine ohnehin angespannten Nerven vollends zum Vibrieren. Überdeutlich spürte ich die Hitze, die er verströmte und die mich wie magisch anzog, obwohl ich versuchte, mich ihr zu entziehen. Er hatte mich angelogen, aber die Geborgenheit in seinen Armen war wichtiger als alles andere. Sie war die einzige Wahrheit, die ich brauchte. Was er getan hatte, war bloß ein Beweis für seine ganz eigene Art, mich zu lieben. Das machte es noch schwerer, auf Distanz zu bleiben, vor allem da ich mich so sehr nach seinem Trost sehnte.
Er beugte sich vor, bis sein Atem meinen Hals streifte. Tief sog ich seinen herrlich würzigen, warmen, erdigen Geruch ein und schloss die Augen, als seine Hand sich über meinem Knie schloss und unter meinen Rock wanderte. Spielerisch glitten seine Finger über die weiche Haut meiner Schenkel nach oben.
»Was ich tue, dient nur deinem Schutz, Süße. Nicht nur vor jedem, der dir etwas antun will, sondern auch vor dir selbst.« Mit der freien Hand strich er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und hob mein Kinn an. Erwartungsvoll schlug ich die Augen auf, wohl wissend, was er von mir wollte – nein, verlangte. Unsere Gesichter trennten nur wenige Zentimeter, wir waren uns so nahe, dass wir uns jederzeit küssen könnten. »Die Angst ist dein Feind. Sie kontrolliert dich, wenn du es zulässt, und dann bemühst du dich die ganze Zeit vergeblich, die Kontrolle zurückzugewinnen.«
Also kontrollierte er die Angst für mich. Er beschützte mich vor mir selbst. Manchmal hatte ich den Verdacht, er könnte immer noch wollen, dass ich ihn fürchtete. Schließlich hatte er anfangs alle Hebel in Bewegung gesetzt, um unsere Beziehung zu sabotieren. Ich schluckte und hielt seinem Blick stand, während er mit den Fingerspitzen über den Spitzenrand meines Höschens strich, das ganz feucht war, trotz meiner Verwirrung. Seine Lider wurden schwer, als er merkte, wie erregt ich war.
»Möchten Sie gern bestellen?«
Die Stimme des Kellners riss mich aus meinen Träumereien. Abrupt schlug ich die Augen auf, während Alexander mit ausdrucksloser Miene die Speisekarte überflog, ohne seine Hand wegzunehmen.
»Ich hätte gern die Lammkeule und den Fenchelsalat«, erklärte er ungerührt, während er die Spitzenborte zur Seite schob und seinen Finger zwischen meine Schamlippen gleiten ließ. Ich biss mir auf die Innenseite der Wange, um nicht laut aufzustöhnen. Doch Alexander blieb dermaßen gelassen, dass kein Mensch je auf die Idee gekommen wäre, dass er mich gerade unter dem Tisch mit der Hand vögelte.
»Und für Mademoiselle?«, erkundigte sich der Kellner.
Ich spürte, wie mir die Hitze in die Wangen stieg, und wagte es nicht, ihn anzusehen, geschweige denn, mich vom Fleck zu rühren. Wenn ich jetzt den Mund aufmachte, würde er auf der Stelle merken, was hier los war, also klammerte ich mich an den letzten Funken Selbstbeherrschung, der mir noch geblieben war. Allein die Vorstellung, erwischt zu werden – dass ein Wildfremder mitbekommen könnte, was wir hier trieben –, hielt mich davon ab, auch nur einen Muckser zu machen, während meine Erregung mit jeder einzelnen von Alexanders Liebkosungen wuchs.
»Sie nimmt dasselbe«, kam Alexander mir zu Hilfe, wobei er mit dem Daumen meine Klitoris umkreiste, und streckte dem Kellner die Speisekarte hin, ehe er zwei Finger in mich schob. Ich zwang mich zu einem höflichen, wenn auch angestrengten Lächeln, als der Kellner den Rückzug antrat. Kaum war er verschwunden, presste ich mein Gesicht gegen Alexanders breite Schulter und grub meine Zähne in seine Haut, um nicht laut zu stöhnen.
»Genau so läuft es zwischen uns«, stieß er mit heiserer Stimme hervor, die mir verriet, wie sehr auch er an sich halten musste. »Wenn ich dich um etwas bitte, wovon ich glaube, dass es das Beste für dich ist, wirst du gehorchen. Ich lebe für genau zwei Dinge, Clara – um dir Lust zu spenden und um dich zu beschützen. Und in keinem der beiden werde ich Zurückhaltung üben. Verstehst du das, Süße? Falls ja, dann nicke.«
Er krümmte die Finger und fing an, meinen G-Punkt zu massieren. Es war mir unmöglich, einen Ton herauszubringen, aber immerhin gelang es mir zu nicken.
Und ich verstand.
Mein Körper gehörte ihm.
Ich gehörte ihm.
»Und jetzt wirst du für mich kommen«, befahl er flüsternd. »Ich will deine Zähne in meiner Schulter spüren, weil du verhindern musst, dass du schreist. Ich will, dass du deine Spuren auf meinem Körper hinterlässt, während ich dich hier und jetzt, vor all diesen Leuten, nehme.«
Ich presste die Lippen aufeinander, um das ungezügelte Schluchzen zu unterdrücken, das seine Worte in mir heraufbeschworen. Ich konnte seine Dominanz ebenso wenig leugnen wie die Tatsache, dass ich Luft zum Atmen brauchte. Er machte mich wütend, aber die Wut stachelte meine Begierde nur noch weiter an. Und das wusste er. Er wusste, dass ich allein ihm gehörte.
3
»Wieso hat Hugh Grant eigentlich in all seinen Filmen diesen leicht dusseligen Charme?«, fragte Edward, setzte sich mit einer Schüssel Popcorn neben uns aufs Gästebett und widmete sich wieder dem Fernseher.
Ich schaufelte mir aus seiner Schüssel eine Ladung Popcorn in die Hand und schob mir ein paar davon in den Mund. »Das macht er nur für die grauenhaften amerikanischen Zuschauerinnen.«
»Zieht die Nummer etwa bei dir?«, wollte er lachend wissen. Seine Augen funkelten vor Vergnügen. »Das muss ich mir merken.«
Belle starrte ihn mit hochgezogenen Brauen an. »Du bist vergeben«, erinnerte sie ihn. »Zwing mich nicht, David eine SMS zu schicken.«
»Wo ist er heute Abend überhaupt?«, fragte ich.
»Regt euch ab. Muss ich euch daran erinnern, dass ich als englischer Prinz mit jeder Menge grauenhafter Amerikaner zu tun habe?« Edward winkte ab und zeigte dann auf mich. »Vor allem mit diesem Exemplar hier. Ich bin für jede Hilfe dankbar. Und sei es von Hugh Grant.«
»Das beantwortet meine Frage nicht«, beharrte Belle, während ein wissendes Lächeln um ihre vollen Lippen spielte.
»Du nervst.« Edward schüttelte den Kopf. Für einen kurzen Moment sah er wieder einmal wie die jüngere Ausgabe von Alexander aus: unfassbar attraktiv und trotzig. Er senkte den Kopf und blickte in die Popcornschüssel, deren Inhalt plötzlich tausendmal interessanter zu sein schien als der süße Hugh im Fernsehen. Hier war eindeutig etwas faul.
Belle hatte das offenbar auch bemerkt. Sie setzte sich auf und versperrte ihm die Sicht auf den Fernseher. »Raus damit, Eure Hoheit. Du wirkst ja unbehaglicher als eine Bordsteinschwalbe in der Kirche.«