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Nancy Morejón ist 1944 in Havanna geboren. Sie publiziert seit den 1960er Jahren Gedichte, Essays, Übersetzungen sowie Zeichnungen. Nancy Morejón hat in Kuba für ihr Werk zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Ihre Gedichte wurden in mehrere Sprachen übersetzt und sind Gegenstand zahlreicher akademischer Abhandlungen. Nancy Morejón leitet das Zentrum für karibische Studien in Havanna. Zu ihren wichtigsten Buchveröffentlichungen zählen: Richard trajo su flauta y otros argumentos (1967), Elogio de la Danza (1982), Cuaderno de Granada (1984) und Recopilación de textos sobre Nicolás Guillén (Hrsg., 1974).
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Seitenzahl: 42
Ruhmreiche Landschaft
Abwesenheit
Reste von Coral Island
Schiffskarte
Stilleben
Kirchturm gegen den Himmel
In einer Sitzung
Flasche ins Meer
Süden
Träumereien
Alkazar
Augenblick
Wieder, der Alkazar
Annäherung an Théophile Gautier
Nachahmung von Juana Borrero
Pogolotti
Antonia Eiriz
Die Handwerker
Ohnmächtige Chronik vor einem Baum
der Auswanderungen
Intuition
Elegie für einen 7. August
Oregano
Der Trottel, auf dem Hügel
Vor einem Spiegel
Verbene
Ana Mendieta
Papagei, der Manrique durchkreuzt
Peñalver 52
Das Café der Dichter
Frau mit Fisch
Zeichnung
Marina
Nachwort
Namensregister
Für Rosario Novoa und Adelaide de Juan,
die mich viel früher schon
in dieser weiten Landschaft wohnen ließen,
die ich ihnen jetzt zurückgebe.
Ohne Himmel einen Himmel, ohne Blau Blau malen.
Julio Cortázar
In these pages many mysteries are hinted at.
What if you come to understand one of them?
Rumi
J’ai seul la clef de cette parade sauvage.
Arthur Rimbaud
Man sieht den Sturz des Ikarus von der Bucht aus,
blau und grün, von Alamar.
Ein Tal, aus dem
ein Misanthrop mit Kapuze seinen Kopf reckt.
Obstbäume rings um die Gewässer
und ein kleines Männlein, allein, pflügend,
bis er sich im Regenbogen auflöst.
Dieses Männlein
ist verwandt mit Breughel dem Alten, meinem Bruder,
der die Einsamkeit der Seele malt,
von prächtigen Bauern umgeben.
Es wird Abend, und ich nehme mir die Flügel von Ikarus.
Wenn ich Papier zur Hand hätte
baute ich ein großes Schiff
um mich aufs Deck zu schleichen
und nur auf den Bahamainseln an Land zu gehen
oder auf den Biminis,
was das Beste wäre. Ich werde
meine Route nicht unterbrechen, bis ich
in die vielschichtigen Gewässer der Arktis gelange,
um mein Herz zurückzulassen
zwischen den Fjorden und dem spröden Eis,
die es schützen werden
vor deiner fernen Abwesenheit,
vor deiner ertragbaren Abwesenheit,
vor deiner Abwesenheit ohne Ende.
»Dieser Schrott, den man dort am Ufer sieht,
sind die Reste von Coral Island«,
sagte mein Vater,
verzaubert von den Säulen aus weißem Licht,
die sich von den rötlichen Zwischenräumen abhoben,
die vielleicht dem Bug dieses großen Transatlantikers,
der, sagt mein Vater, Coral Island war, als Fernglas dienten.
Wir fahren sitzend in einem alltäglichen Bus,
schnell und heiß wie dieser Monat Juli 1986.
Ich wollte ihn nicht fragen, weil es mir einen Stich ins Herz versetzte.
Ein Schwarm Schmetterlinge hinderte mich ebenfalls
Fragen zu stellen.
Mein Vater sah mich eigentümlich an.
Waren wir zwei eingestiegen,
um uns in jener Hymne der Vergangenheit wiederzuerkennen?
Mein Vater und ich einander ansehend, ohne etwas zu sagen.
Ich hatte nur Ohren für das Brechen der Wellen
gegen die Schutzbojen von Coral Island.
Und ich dachte an eine Liebesgeschichte,
an eine Leidenschaft vergangen auf Hundezähnen und
Meeresschaum.
Eine verrückte Leidenschaft mausetot,
verflossen,
aus der sich nicht einmal mehr
eine Säule weißen Lichtes ergibt
und auch nicht das offensichtliche Wunder, das
einmal Coral Island hieß.
»Dieser Schrott, den man dort am Ufer sieht,
sind die Reste von Coral Island«,
wiederholte mein Vater, ohne mich anzusehen.
Ich sehe alle Gewässer
aus der Tiefe des Meeres,
und dort bist du wie in einem schnell abnehmenden Mondviertel,
und dort bin ich, wortlos, beweglich zwischen dem Schaum,
der bis zu deinem Herzen segelt.
Und zu unserer Liebe drängen
die vier Himmelsrichtungen vor
und die Reste von Kähnen und Schiffen, die es schafften,
den Schiffbruch eines Vierteljahrhunderts zu überleben.
Wir werden uns ein Leben lang weiter lieben.
Und wir werden unsere Köpfe
im dichten Gold der stummen Allee erheben
bis wir, erneut, am Ufer der hundert Meere ankommen.
Bei Flut dein Körper und der meine.
Dort, bei Ebbe dein Mund und mein Körper und dein Glanz.
Auf dieser Schiffskarte gibt es keinen Platz für sie.
Ich liebe es, die Dinge in ihrem Licht
zu betrachten, ohne daß die Hand des Malers
(armer Rembrandt!) auch nur eine
ihrer Transparenzen berührt.
Ich liebe es, die Dinge
in den Tropen zu betrachten.
Was wäre die wirkliche Schönheit der Dinge?
Wo wäre die wirkliche Schönheit der Dinge?
Ein lebender Maiskolben und der Rauch, der sich
in den staubigen Gehölzen festsetzt
mit ihrem endlosen Flaschenmeer
und den kochenden Tiegeln des Sommers.
Die Säfte in den Krügen zu sehen
wie ein hängender Garten
von Babylon,
den ich jeden Morgen betrete.
Die präzisen Düfte der Vorspeisen wahrnehmen,
die Kind wie Greisin mögen.
Und die feuchten Gläser
und die Kokosreste
und die Basare der Vergangenheit, die unscharfen Stiche
und, vor allem, die Spinnweben der Immortellen
die sich zum Himmel heben
und einen Regenbogen bilden.
Wie stockt die Zeit,
wenn jemand liebevoll
einen namenlosen Kirchturm
gegen den klaren und frischen Himmel
des Monats April betrachtet. Ein paar Zweige
schienen sich
im abgenutzten Kreuz zu verästeln.
Unten, nach oben schauend,
rauchten und warteten inbrünstig einige Gläubige
(oder Gott weiß wer).
Dort, im Zentrum, die verrostete Glocke
in tiefer Stille
und das weiße Licht