Russland, Ukraine und die Zukunft - Gerhard Mangott - E-Book

Russland, Ukraine und die Zukunft E-Book

Gerhard Mangott

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Beschreibung

Es ist der schwerste militärische Konflikt in Europa seit Jahrzehnten, und seine Folgen sind kaum absehbar. Der Krieg Russlands in der Ukraine ist auch ein Konflikt, der die Welt spaltet: geopolitisch, etwa zwischen China und den USA, und ideologisch, was gerade die hitzigen Debatten über die Militärhilfe für die Ukraine in Europa zeigen. Doch Ideologie ist fehl am Platz, wenn man verstehen will, wie es zu diesem Krieg kam und wohin er führen wird. Der renommierte Russland-Experte Gerhard Mangott analysiert präzise und verständlich Hintergründe, Folgen und die Frage, ob in Russland ein Massenumsturz von unten oder eine Palastrevolte gegen Wladimir Putin denkbar ist – und was das für Russland, für Europa und für die Welt bedeuten würde.

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Gerhard Mangott

Russland, Ukraine und die Zukunft

Aus der Reihe »Auf dem Punkt«

Herausgegeben von Hannes Androsch

Vorwort des Herausgebers

Vorbemerkung

1Die Vorgeschichte

2Der Beginn des russischen Angriffskrieges

3Die Reaktionen des Westens

4Kriegsziele, Verhandlungsbereitschaft und ein mögliches Kriegsende

5Konsequenzen des Krieges — für die Kriegsparteien, den Westen und den Rest der Welt

6Die Zukunft Putins und die Vergangenheit Prigožins

Ausblick

Anmerkungen und Quellen

Der Autor

Impressum

Vorwort des Herausgebers

Unsere Welt befindet sich in tiefgreifendem, rasantem Wandel. Der Umbruch der Gesellschaft mit ihrer zunehmenden Komplexität und der Umbruch politischer Ordnungen führen zu neuer Unübersichtlichkeit, welche wachsende Verunsicherung erzeugt.

Um dies abzuwenden, bedarf es Orientierung und zukunftsfähiger Perspektiven. Und es wird fundiertes Wissen über die großen Themen der Gegenwart benötigt, um durch die Flut von Daten, Halbwahrheiten und Fake News navigieren zu können und sich zurechtzufinden. Aus diesem Grund nehmen führende Intellektuelle, Expertinnen und Experten in der Reihe Auf dem Punkt zu den großen Fragen unserer Zeit Stellung.

Egon Bahr, der Architekt der Ostpolitik von Willy Brandt, wusste: Frieden in Europa gibt es nicht ohne oder gegen Russland. Doch man weiß nicht, wie ein solcher mit einem irregeleiteten Russland möglich sein kann, nachdem Putin die Sicherheits- und Friedensordnung Europas mutwillig zerstört hat, auch wenn westliche Fehleinschätzungen und Fehlverhalten ihm dabei behilflich waren.

Russland, eine riesige eurasische Landmasse mit etwa 17 Millionen Quadratkilometern, ist ein Land mit schrumpfender multiethnischer Bevölkerung und einer Wirtschaftsleistung von Spanien. Es ist zwar rohstoff-, raketen- und atomwaffenreich, allerdings ohne Zugang zur Welt, also zu »Warmwassermeeren« wie dem Indischen Ozean und, trotz zwölf russisch-türkischer Kriege, dem Mittelmeer. Russland kontrolliert auch nicht die Ostsee oder das Schwarze Meer.

Nach der Überwindung der langen Mongolenherrschaft begann das Reich, sich durch ständige Expansion zu dieser Landmacht zu entwickeln. Der Zerfall der Sowjetunion hat zum Bestreben geführt, diesen Rückschlag wettzumachen, um Eurasien von Lissabon bis Wladiwostok kontrollieren zu können.

In Moskau will man nicht wahrhaben, dass man bei diesem Bestreben zum Vasallen Chinas wird. Zugleich ist die Auseinandersetzung neben den Konflikten im Nahen Osten und Afrika ein Teil der epischen Auseinandersetzung um globale Dominanz zwischen China und den USA. In diesem bedrohlichen Umfeld muss Europa zusammenfinden, um mit autonomer Stärke Mitspieler und nicht Spielball der Mächtigen zu sein.

Dr. Hannes Androsch

Vorwort

Der russische Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 war zwar nicht der Beginn des russischen Krieges in der Ukraine — dieser hatte mit der Besetzung der Krim und der Anstiftung/Unterstützung des Aufruhrs in der Ostukraine schon 2014 begonnen —, aber seine brutale und völkerrechtswidrige Eskalation.1 Für die breitere Öffentlichkeit war der Kriegsausbruch schockierend und weitgehend unerwartet gewesen. Bei genauerer Betrachtung kam der Krieg aber nicht plötzlich und unerwartet. Gerade deshalb muss er kontextualisiert werden. Was sind die Entwicklungslinien hin zum russischen Überfall? Welche Akteure haben durch welche Handlungen und Entscheidungen das Ausbrechen des Krieges mitbeeinflusst? Dazu muss zuerst einmal die Vorgeschichte erzählt werden, ohne dabei durch Hinweise auf Verantwortlichkeiten anderer Akteure diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg rechtfertigen zu wollen. Das ist schlicht und ergreifend nicht möglich. Nichts rechtfertigt den russischen Überfall. Historische Kontextualisierung darf dabei auch nicht auf Relativierung zielen.

Es braucht aber diese historische Kontextualisierung, um die schrittweise Entfremdung zwischen der Ukraine und Russland sowie zwischen dem globalen Westen und Russland zu verstehen. Es geht darum, die Wahrnehmung der Konfliktgeschichte aufseiten beider Kriegsparteien zu verstehen; das ist aber nicht gleichbedeutend damit, Verständnis zu haben, wie eine Seite gehandelt und entschieden hat. Verstehen ist auch ein zentrales Anliegen dieses Buches.

Deshalb beginnt dieses Buch nicht mit dem Februar 2022, sondern im Jahr 2013. Nach der Rekonstruktion der Ukrainekrise seit 2013 werden die Motive und Interessen Russlands diskutiert; es gilt auch zu zeigen, wie sehr sich Russland im Hinblick auf den Verlauf des Krieges verschätzt hat. Ausgelotet werden dann auch Möglichkeiten für eine Verhandlungslösung, zumindest über eine Waffenruhe. Auch eine Debatte über die denkbaren und realistischen Kriegsziele wird notwendig sein. Abschließend widmet sich das Buch den (geopolitischen) Konsequenzen für die Ukraine, für Russland und den globalen Westen. Es wird diskutiert, ob in Russland bei einem negativen Kriegsverlauf eine Massenrevolte von unten oder eine Palastrevolte stattfinden könnte, die das Ende der Präsidentschaft Vladimir Putins besiegeln würde.

Es ist dies ein Buch zu einem bedrückenden Thema, zu einem Krieg, aus dem es — zumindest bei Drucklegung des Buches im Dezember 2023 — keine Auswege zu geben scheint. Das Geschehene und zu Erwartende will von mir so objektiv wie möglich nachgezeichnet werden. Ich versuche zu vermeiden, zum Aktivisten zu werden, der sich an die Seite einer der Kriegsparteien stellt, sondern will der — von mir so gesehenen — nüchternen und distanzierten Rolle des wissenschaftlichen Beobachters gerecht werden. Auch darin unterscheidet sich dieses Buch von vielen anderen.

Es geht darum, die Wahrnehmung der Konfliktgeschichte aufseiten beider Kriegsparteien zu verstehen. Das ist aber nicht gleichbedeutend damit, Verständnis zu haben, wie eine Seite gehandelt und entschieden hat.

1

Die Vorgeschichte

Eine Geschichte von zwei Annäherungen

Der Überfall auf die Ukraine hat eine lange Vorgeschichte. So wie es nicht zulässig ist, in dieser Vorgeschichte Rechtfertigungsgründe für den russischen Überfall zu finden, so wichtig ist es trotzdem, diese zeitliche und historische Kontextualisierung vorzunehmen. In diesem Buch möchte ich zumindest bis zu der Krise in und um die Ukraine im Jahr 2013 zurückgehen. Diese Krise hatte neben inneren Faktoren eben auch eine Integrationsrivalität zwischen der Europäischen Union und Russland als Grundlage. Beide Akteure waren daran interessiert, die Ukraine in ihr Integrationsprojekt miteinzubeziehen.

Die Europäische Union hat 2009 die sogenannte »Östliche Partnerschaft«2 beschlossen. Damit sollten Staaten im Westen und Süden Russlands näher an die EU herangeführt werden. Es ging um Belarus, die Ukraine, Moldau, Armenien, Aserbaijan und Georgien. Aserbaijan hatte allerdings kein Interesse, sich vertraglich an die EU zu binden, und erteilte den Plänen der EU eine Absage. Auch Belarus kam als Verhandlungspartner nicht infrage. Zu autoritär war die politische Verfasstheit des Landes unter Alexander Lukašenko, das schon damals als »Europas letzte Diktatur« bezeichnet wurde.

Den verbliebenen vier Nachbarstaaten Russlands bot die EU »Assoziationsabkommen« an. Sie bestanden aus einem politischen und einem wirtschaftlichen Teil. Im politischen Teil verpflichten sich die Staaten zu Marktwirtschaft, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und einer guten Regierungsführung. Sie versprechen auch den Kampf gegen die Korruption und sichern der Europäischen Union zu, ihre Außen-, Sicherheitsund Verteidigungspolitik immer mehr an die der EU anzunähern. Der wirtschaftliche Teil besteht aus einem Freihandelsabkommen. Damit sollte eine DCFTA, eine »deep and comprehensive freetrade area« eingerichtet werden. Es ist ein vertieftes, umfassendes Freihandelsabkommen, mit dem der Marktzugang von Waren, Gütern und Dienstleistungen zum Binnenmarkt der EU ermöglicht werden soll. Wichtig ist, dass diese Abkommen keine Beitrittsperspektive beinhaltet haben. Angestrebt wurde also nicht ein Beitritt dieser Staaten zur EU, sondern nur die wirtschaftliche und politische Annäherung.

Die Europäische Union hat immer betont, dass es ihr nicht darum gehe, mit dieser Annäherung an die östlichen Grenzländer eine Einflusssphäre zu schaffen. Genau genommen ist es das natürlich, wenn ein »Ring aus Freunden«, wie das genannt wurde, erarbeitet wird. Freilich, die EU konnte diese Einflusszone etablieren, weil diese Länder selbst näher an die Europäische Union heranrücken wollten. Es war also die Anziehungskraft der EU mit ihren positiven Effekten und einem Versprechen der Prosperität, die zu dieser Annäherung führte, und kein Druck oder gar Zwang.

Russland auf der anderen Seite wollte seinen Einfluss ebenfalls absichern. Aber weniger durch die begrenzte russische Kraft der Anziehung, sondern durch wirtschaftlichen und finanziellen Druck, die Kraft des Zwangs. Russland hatte seit 2010 sein eigenes Integrationsprojekt verfolgt. 2010 wurde eine Zollunion zwischen Russland, Belarus und Kasachstan gegründet und ab 2012 die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft. Mit dem 1. Jänner 2015 schließlich sollte eine Eurasische Union geschaffen werden (was letztlich scheiterte).

Die Ukraine war für Russland ein wichtiges Puzzlestück dieses Integrationsprojektes. Russland ging es vorrangig aber nicht um wirtschaftliche und finanzielle Gründe, vielmehr waren es die historischen, ethnischen, linguistischen und kulturellen Verbindungen, die das Land, das Russland immer in seiner Eigenstaatlichkeit angezweifelt hat, in den russischen Orbit einbinden sollten.

Beide, die Europäische Union und Russland, wollten die Ukraine in den eigenen Integrationsraum einbeziehen. Die Ukraine war für beide ein Schlüsselstaat. Beide Seiten machten klar, dass es ein Entweder-oder sein müsse. Teil des russischen Integrationsprojektes zu sein und gleichzeitig ein EU-Assoziationsabkommen zu unterzeichnen, war nicht möglich. Die Länder müssten sich entscheiden. Eine trilaterale Vereinbarung über die Ukraine unter der Einbindung Russlands wurde zurückgewiesen. Der damalige Präsident der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, sagte, man unterhalte sich über Beziehungen zur Ukraine nicht mit Dritten. (»Wir holen prinzipiell keine Dritten dazu, wenn wir bilaterale Gespräche führen.«3) Auch der EU-Erweiterungskommissar Štefan Füle bekräftigte am 13. September 2013, dass es nicht möglich sei, das Assoziationsabkommen zu unterzeichnen und der von Russland geführten Zollunion beizutreten. Russland drohte damit, das seit 1993 bestehende Freihandelsabkommen mit der Ukraine zu kündigen, sollte das Assoziationsabkommen mit der EU unterzeichnet werden. Das Abkommen wurde letztlich nach Ausbruch der Kriegshandlungen im Juli 2014 von Russland gekündigt.

Die ukrainische Führung um den 2010 gewählten Präsidenten Viktor Janukovič hatte das Assoziationsabkommen mit der EU schon fertig verhandelt und initialisiert, alles, was noch fehlte, war seine Unterschrift. Unterzeichnet werden sollte das Abkommen zusammen mit den Abkommen mit Georgien und der Moldau (Armenien hatte auf starken russischen Druck hin auf die Unterzeichnung verzichtet) auf einem »Gipfel der Östlichen Partnerschaft« in Vilnius am 29. November 2013. Wenige Tage davor, am 20. November, verkündete die ukrainische Führung plötzlich, das Abkommen nicht unterzeichnen zu wollen und die Verhandlungen auszusetzen. Präsident Janukovič machte dafür Druck aus Russland verantwortlich. Das war zweifellos richtig, doch es gab noch andere Faktoren für seine Entscheidung, die gegen den Willen der Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung war: Janukovič brauchte dringend Finanzhilfe. Von der Europäischen Union konnte er sie nicht in ausreichender Höhe erwarten. Sie stellte zwar Hilfen, jedoch nicht in der gewünschten Höhe von mehreren Milliarden Euro, in Aussicht. Er war damit auf einen Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) angewiesen. Die Bedingungen für eine neuerliche Kreditlinie des IWF waren aber sehr hart, mit sozialen Konsequenzen, die eine Wiederwahl von Janukovič, dessen Popularität ohnehin sehr stark gesunken war, ziemlich unmöglich gemacht hätten.

Für Janukovič zählte vor allem der Machterhalt, als er die Verhandlungen mit der EU ausgesetzt hat. Russland hatte die Situation noch verschärft. Schon im Sommer 2013 übte der Kreml mit ersten Handelserschwernissen Druck auf die Ukraine aus. Gleichzeitig bot Russlands Präsident Vladimir Putin der Ukraine einen Kredit von 15 Milliarden Dollar an — ohne jegliche Vorbedingungen. Für Janukovič war das natürlich sehr reizvoll. Er hätte plötzlich finanziellen Spielraum gehabt, ganz ohne einschneidende Reformen durchsetzen zu müssen. Das Kreditabkommen zwischen der Ukraine und Russland wurde schließlich im Dezember 2013 unterzeichnet; das Finanzvolumen sollte in mehreren Tranchen ausbezahlt werden.

Erste Proteste

Die Entscheidung von Janukovič, das Assoziationsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen, löste unmittelbar Proteste aus, die nicht von den Oppositionsparteien, sondern zivilgesellschaftlich organisiert wurden. Vor allem junge Menschen, Studierende und Schüler, hatten in der Annäherung an die EU eine Wohlstands- und Freiheitsperspektive gesehen. Und auch ein Instrument, um das autoritäre, oligarchische Herrschaftssystem der Ukraine zu überwinden. Diese jungen Leute besetzten den Unabhängigkeitsplatz, den Maidan, in Kiev (ukrainisch Kyïv).4

Auf dem Gipfel der »Östlichen Partnerschaft« hat die Ukraine dann das Assoziationsabkommen wie angekündigt nicht unterzeichnet. Am Tag danach ordnete Janukovič an, dass die ukrainische Spezialpolizei Berkut (zu Deutsch: »Adler«) den Unabhängigkeitsplatz räumen sollte. Das gelang nicht. Der Polizeieinsatz scheiterte nicht nur, er führte auch zu einer weiteren Mobilisierung Demonstrierender. Immer mehr Menschen schlossen sich den Protesten auf dem Maidan an.

Die ukrainische Bevölkerung war aber nicht in ihrer Gesamtheit für die Annäherung an die Europäische Union. Sie war gespalten. Die West- und Zentralukraine wollten sich mehrheitlich der EU annähern, die Süd- und Ostukraine befürworteten in hoher Zahl eine engere Zusammenarbeit mit Russland. Im Außenhandel zeigte sich diese Spaltung; so wickelte die Ukraine im Jahr 2013 ungefähr 26 Prozent ihres Außenhandels mit Russland und 25 Prozent mit der EU ab.5 Es ist daher nicht völlig richtig zu sagen, dass sich 2013/14 das ukrainische Volk für die Annäherung an die EU entschieden hat. Die Frage, in welche Richtung man sich orientieren sollte, ob West oder Ost, spaltete die ukrainische Bevölkerung vielmehr.

Die Proteste auf dem Maidan hielten Monate an und blieben lange gewaltfrei. Erst im Jänner 2014 kam es zu ersten Zusammenstößen zwischen Demonstrierenden und der Spezialpolizei Berkut. Zu dieser Zeit radikalisierte die politische Führung ihr Verhalten gegenüber den Protesten. So wurde ein Gesetz erlassen, das die Demonstrationen kriminalisieren sollte. Bei der Abstimmung kam es allerdings zu mehreren Unregelmäßigkeiten und es fehlte sogar eine Mehrheit, um das Gesetz zu verabschieden. Janukovičs »Partei der Regionen« sorgte dafür, dass das Gesetz dennoch als rechtmäßig zustande gekommen eingestuft wurde. Zwischen dem 18. und 20. Februar 2014 eskalierte die Situation schlussendlich völlig. Es gab bewaffnete Zusammenstöße zwischen einem radikalisierten und bewaffneten Teil der Demonstrierenden und den Einsatzkräften von Viktor Janukovič. Angeblich sind damals mehr als hundert Menschen ums Leben gekommen. Umstritten ist, ob Gewalt auch von den radikalisierten Flügeln der Maidanbewegung ausgegangen war. Inwieweit russische Einheiten direkt in die Kämpfe involviert waren, ist ebenso unklar.

Dadurch beunruhigt, starteten die Außenminister Polens, Frankreichs und Deutschlands eine Vermittlungsmission und versuchten, eine Vereinbarung zwischen Janukovič und den drei führenden Oppositionsparteien auszuhandeln. Das ist letztlich auch gelungen. Dieser Kompromiss bestand aus drei Punkten: Erstens sicherten beide Seiten zu, eine »Regierung der nationalen Einheit« zu bilden. Zweitens kamen sie überein, die ukrainische Verfassung zu ändern, um das Parlament, die Verchovna Rada, zu stärken und das Präsidentenamt zu schwächen. Schließlich sagte Janukovič zu, spätestens im Dezember 2014 als Präsident zurückzutreten.