Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
2012 AD: Saarbrücken, Deutschland Zu Hause genießt Anna ihre wohlverdienten Ferien, doch die trügerische Ruhe der Idylle wird bald gestört. Alex hat herausgefunden, wer der Mörder seiner Frau ist, und macht Raphael für die Geschehnisse verantwortlich. Als die grausame Wahrheit darüber, was damals tatsächlich in Deir el Medine passierte, ans Licht kommt, nehmen die Ereignisse eine dramatische Wendung ... 1325 v. Chr.: Uaset, Kemet Das Schwarze Land versinkt im Chaos! Achanjatis unerschütterlicher Glaube an den einzigen Gott Aton spaltet Ägypten, stürzt das einst blühende Kemet in einen tiefen Abgrund. Die mächtige und rachsüchtige Sachmet lauert im Schatten, bereit, den verhaßten Pharao zu stürzen. In einem blutrünstigen Augenblick nutzt sie Bents Unachtsamkeit; das Unfaßbare geschieht! Das Land ist ohne Herrscher ... Doch es gibt Hoffnung: Ein geheimnisvoller Thronfolger, der rechtmäßige Erbe Pharaos, könnte Kemet retten. Kann Sahu-Re das drohende Verhängnis aufhalten, Sachmets Wut bändigen, das Kind finden? Erneut begibt sich die Hohepriesterin der Isis auf eine gefährliche Reise in den Norden, nach Achet Aton. Dort, in der verlassenen Stadt, verliert Bent jegliche Hoffnung. Doch es muß gelingen, ihr Orakel, das lebende Bild des Amun, und den Thronfolger zu finden, um das Schwarze Land zu retten!
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 351
Veröffentlichungsjahr: 2024
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Saarbrücken, Deutschland
Zu Hause genießt Anna ihre wohlverdienten Ferien, doch die trügerische Ruhe der Idylle wird bald gestört. Alex hat herausgefunden, wer der Mörder seiner Frau ist, und macht Raphael für die Geschehnisse verantwortlich. Als die grausame Wahrheit darüber, was damals tatsächlich in Deir el Medine passierte, ans Licht kommt, nehmen die Ereignisse eine dramatische Wendung …
Uaset, Kemet
Das Schwarze Land versinkt im Chaos!
Achanjatis unerschütterlicher Glaube an den einzigen Gott Aton spaltet Ägypten, stürzt das einst blühende Kemet in einen tiefen Abgrund. Die mächtige und rachsüchtige Sachmet lauert im Schatten, bereit, den verhaßten Pharao zu stürzen. In einem blutrünstigen Augenblick nutzt sie Bents Unachtsamkeit; das Unfaßbare geschieht! Das Land ist ohne Herrscher …
Doch es gibt Hoffnung: Ein geheimnisvoller Thronfolger, der rechtmäßige Erbe Pharaos, könnte Kemet retten. Kann Sahu-Re das drohende Verhängnis aufhalten, Sachmets Wut bändigen, das Kind finden? Erneut begibt sich die Hohepriesterin der Isis auf eine gefährliche Reise in den Norden, nach Achet Aton. Dort, in der verlassenen Stadt, verliert Bent jegliche Hoffnung. Doch es muß gelingen, ihr Orakel, das lebende Bild des Amun, und den Thronfolger zu finden, um das Schwarze Land zu retten!
Das Land am Nil seit Jahrzehnten das Reich meiner Leidenschaften und Träume. Die Lebens- und Denkweise der alten Ägypter, ihr unerschütterlicher Glaube an die Götter und an Ma‘at, die alles im Gleichgewicht hält, meine Maxime. Was mich inspiriert, all meinen Romanen Leben einhaucht: die versunkene Kultur, den Glanz der Pharaonen in all ihrer Pracht vor meinen Augen erstehen zu lassen! Deshalb schreibe ich.
(Aus dem Großen Atonhymnus)
„Es ist der Fluch!“
(Beni Gabor, Die Mumie)
Mein innigster Dank geht an Jürgen, der mit einem brillanten, genialen Einfall dieser Geschichte die entscheidende Dramatik verlieh!
PROLOG
DEUTSCHLAND, SAARBRÜCKEN
KEMET, UASET
DEUTSCHLAND, SAARBRÜCKEN
EPILOG
ÄGYPTEN, LUXOR
Real existierende Personen zur Zeit dieser Geschichte
Die wichtigsten Titel und am häufigsten gebrauchten Anreden
Der ägyptische Kalender (Die Monate beginnen immer am 15.)
Oktober 2024
(Inschrift Echnatons auf einer Grenzstele in Achet Aton)
26. Mai 2012 A.D.
„Was denkst du? Wie findest du den Vorschlag?“
Anna stellte das Milchkännchen zu dem Zuckerdöschen, legte Löffelchen auf die Untertassen, rückte die Tortenplatte mit der prächtigen Himbeer-Sahne-Torte näher.
„Ich weiß nicht!“
„Ach, komm, gibt deinem Herzen einen Ruck!“ Anna verschwand flink im Haus, schnappte die Kanne von der Kaffeemaschine, huschte wieder raus auf die schattige, vom üppig blühenden Geißblatt fast völlig versteckte Pergola auf der Terrasse. Kaum daß sie den duftenden Kaffee ausschenkte, bemerkte sie Helga, die, sich theatralisch in ihren Pajero wickelnd, wie eine Nymphe durch den Garten geschwebt kam. Seufzend trabte Anna zurück ins Eßzimmer, um ein weiteres Gedeck zu holen, drehte sich schnell in der offenen Terrassentür um. „Aber das bleibt vorerst unter uns! Verstanden!“
„Natürlich! Es hat geschellt.“
„Das wird Frau Becker sein. Sie war einkaufen. Die Arme stürzte sich in den Pfingstsamstag-Einkaufs-Wahnsinn. Setz dich, Helga! Hi!“
„Hi Süße! Hallo Liebes.“
Aus dem Gartenstuhl unter dem gelben Sonnenschirm ein paar Meter weiter hörte man ein Brummen und ein lautes: „Warten Sie, Frau Becker, ich mach das! Anna, bleib bei deinen Gästen!“ Raphael faltete die Zeitung zusammen, stand auf, eilte – sich ein T-Shirt überstreifend – an den drei Frauen vorbei.
„Sag Frau Becker“, rief Anna ihm nach, „daß die andere Himbeertorte im Kühlschrank für sie und ihren Mann ist! Ein kleines Geschenk von mir.“
„Danke!“, schallte es aus dem Haus. „Tschüs, schöne Feiertage!“
„War er das?“, fragte die Nachbarin, schaute Anna zu, die Helga das Kaffeegedeck hinstellte.
„Hm!“
„Wow! Schade, daß ich deine Party im letzten Jahr verpaßt, ich ihn da nicht kennengelernt hab. Aber da war ich in Cornwall.“
„Guck gefälligst woanders hin!“, zischte Anna lachend, setzte sich, wedelte mit ihrem Fächer. „Und du, Helga, hast deinen Gartenstuhl schön dicht bei die Hecke gestellt, um herüberzulinsen! Noch nie ‘nen Kerl in Badehosen gesehen? Oh Gott, ist das heiß… da hätte ich auch in Ägypten bleiben können. Fast fünfunddreißig Grad…“
„Was macht ihr an den Feiertagen? Anna, fahrt ihr in Urlaub?“
„Ich arbeite dort wo andere Urlaub machen. Vielleicht genieße ich einfach mal mein Haus und meinen Garten. Ich sollte mir ein Jacuzzi zulegen, was meint ihr? Mann, ist die Torte lecker!“
„Die ist wirklich fein!“
„Unn…“, Helga räusperte sich, pickte eine Himbeere auf, „…deiner? Kónn der éénfach so fúnn seiner Ahwed weggbleiwe?“
„Der hat sich definitiv ein paar ruhige Tage verdient.“
„Was arbeitet er?“, fragte die andere Nachbarin.
„Er hat eine Securityfirma… nimm dir noch’n Stück, Helga!“
„Isch muß gleisch gehn, Süßes. Harald unn isch sinn heit ówend zum Schwenker inngelad. Jesses…“ Sie linste schmachtend zu Raphael hin, der gerade wieder auf die Terrasse kam, sich neben Helga stellte, in einen Becher Kaffee einschenkte, ein klitzekleines, schmales Stückchen der Torte abschnitt, es im Stehen vernaschte. „Bischd doch é grossa Bub! Kannschda ruisch é großes Stigg holle! Odda muschde uff dei Figur achte?“
Raphael strahlte sie an, zog das T-Shirt hoch, packte Helgas Hand, legte die auf seinen perfekten Sixpack, schnurrte „Klar paß ich auf meine Figur auf!“
Helga kreischte wie ein Teenie, zog ihre Hand zurück, giggelte affig: „Du bischt ma vielleischt é Sahnestiggche! Isch gönns da Anna! Ohlegg, ihr Kinners, isch muß gehn. Machens gudd ihr Schätzja!“
„Tschüs, Liebes. Und paß mit deinem schicken Pajero und deinem prächtigen Hintern bei der Hecke auf!“, lästerte Anna, schaute Helga nach, die den Bauch einzog und durch die Lücke in der Hecke huschte, bemerkte Navajo, der auf leisen Sohlen geschlichen kam und sich auf Raphaels Platz kuschelte. Der schob den Kater „Mach mal Platz, Kumpel“, brummend zur Seite, ließ sich mit seinem Kaffee wieder im Liegestuhl nieder.
„So, wo sie weg ist:“, meinte die andere Besucherin, „Das ist nicht dein Ernst, was du mir da eben erzählt hast?“
„Mein vollster!“ Anna fuchtelte mit der Kuchengabel. „Von Anfang an, so wahr ich hier stehe! Was ist jetzt? Machst du es? Exklusiv! Sowas kriegst du nie wieder!“
„Hast du noch was anderes als den Kaffee? Ich glaub, ich brauch was Härteres.“
„Hugo?“
„Für den Anfang!“
„Was heißt hier für den Anfang!“ Anna schmunzelte, stand auf, rettete die Himbeer-Sahne vor der Hitze, ging Crémant, Gläser, Minze und Holunderblütensirup holen.
„Nochmal Süße: mein Angebot steht! Du kannst das! Wer sonst! Du hast einen Roman über Tut-Ench-Amun geschrieben und einen über Cheops. Da wirst du doch in der Lage sein, diese Geschichte aufzuschreiben! Katharina! Schätzchen! Die Chance einen Knüller, einen Bestseller zu schreiben, bekommst du nie wieder! Obendrein erfährst du alles aus erster Hand. Und ich will meine Erfahrungen, meine Erlebnisse – mein Vermächtnis, wenn du so willst – aufgezeichnet wissen. Ich will, daß du es bist, die mein geistiges Erbe verwaltet! Laß dir diese einmalige Gelegenheit nicht entgehen!“
Katharina starrte Anna eine Weile lang stumm an, zog aus Annas Päckchen eine Zigarette, gab sich Feuer, zog den blauen Dunst mit geschlossenen Augen gefühlt bis zum kleinen Zeh, blies genüßlich den Rauch aus.
„Du rauchst seit einem Jahr nicht mehr! Hast du das vergessen?“
„Es passiert nicht alle Tage, daß man mir eine derartig aufregende Offerte unterbreitet. Und was meine beiden Bücher angeht, das ist reine Phantasie, Anna. Einen Roman mit autobiographischem Hintergrund habe ich nie geschrieben. Ich müßte dir ständig auf der Pelle kleben, dich alles mögliche fragen, damit es authentisch … außerdem hast du Urlaub, pflegst eine neue Liebe, da hat man anderes im Kopf.“
„Ich will aber, daß du meine Geschichte aufschreibst! Ich will…“
„Meine Nerven! Sag mal! Hat dir deine Mami nie gesagt, wie das Zauberwort heißt? Aber du warst schon immer ein verwöhntes Gör. Jeden Wunsch hat man der verhätschelten Prinzessin im Hause Berger von den Augen abgelesen. Schon damals, als wir alle da drüben im Wald und auf der Straße spielten, warst du die mit der größten Klappe!“
„Entschuldige.“
„Natürlich.“
Anna grinste die Freundin aus Kindertagen an, „Weißt du noch, wie sie uns früher immer verwechselten, weil wir uns ähnlich sahen?“, kichernd. „Und als meine Mama mich suchen kam, mich an eurem Mittagstisch fand, Linsensuppe löffelnd. Die war so lecker!“
„Das Mittagessen bei deiner Mama war auch immer fein! Wir sehen uns heute noch ähnlich! Wie kann ich das und unsere Streiche vergessen! Wir tauschten doch manchmal die Kleider und täuschten aus der Ferne sogar unsere Mütter.“
„Würdest du bitte die Zeit und die Muße finden, meine Geschichte aufzuschreiben?“
Katharina bückte sich, zog aus ihrer dicken Louis Vuitton Monogram Canvas ein Diktiergerät, schaltete es ein, rückte theatralisch seufzend dies und ihr leeres Glas vor Anna.
„Also gut! Um der alten Zeiten willen! Mach noch’n Hugo und dann leg los, Mädchen, ich bin ganz Ohr!“
„Es war vor bald drei Jahren, im Dezember 2009, als es mir richtig bewußt wurde“, meinte Anna, schraubte das Fläschchen des Holunderblütensirups zu, stellte den Crémant in den Eiskübel, genehmigte sich ebenfalls eine Zigarette.
„Ich stand in meinem Ankleidezimmer, schaute in den Spiegel, fragte mich aufgeregt, was ich da vorhabe. Es war nicht richtig, nein! Ich hatte zu viele Mumien ausgegraben, in zu vielen Gräbern, zu vielen Scherben und Trümmern gewühlt… Die Sache mit der Statue warf mich zehn Jahre zuvor vollends aus der Bahn! Ich hätte die Toten ruhen lassen sollen, Katharina. Das war mir schon eine ganze Weile lang klar. Ich grub zu tief…“
„Wie kamst du zu der Erkenntnis?“
„Was ich im Spiegel erblickte, erschreckte mich. Ich war sechsundvierzig, hatte bloß meine Arbeit im Kopf. Unterbrach die Ausgrabungssaison, kam wegen diesem Quatsch extra aus Luxor her. Wo war die Zeit geblieben? War ich das, da in dem Spiegel? Wo war die junge Frau? Wo das Mädchen? Und diese aufgedonnerte Alte mir gegenüber, angezogen mit einem bodenlangen, hochgeschlitzten Kleid von Lagerfeld, auf Manolo Blahniks, abartig hoch, daß ich kaum stehen konnte, stierte zurück, höhnte Na und? Nein, das bin ich nicht! So wollte ich nie sein, schrie mein Herz dem Spiegelbild zu, während ich meine kribbelnde Handfläche betrachtete. Der Fund dieser Statue war meine Nemesis! Man hatte mich kurz danach, genaugenommen in der Silvesternacht 1999, vor dem Tod gerettet…“
„Was?“
„Ich bin fast rückwärts in einen Abgrund gestürzt. Hoch über dem Tal der Könige. Eine Frau packte mich bei der Hand, zog mich im letzten Moment zurück. Als ich wieder richtig denken konnte und mich umschaute, war da niemand! Kein Schwein! Ich stand allein da oben im Wind, in der Nacht, auf einem Hochplateau, mitten in der Wüste, im Nirgendwo und spürte ein Prickeln in meiner Hand, dort, wo die Frau mich festgehalten hatte. Was denkst du, weshalb ich jahrelang Therapiesitzungen absolvierte? Und ich fragte mich da vor dem Spiegel, was habe ich mit der Gabe des geschenkten Lebens gemacht? Und vor allem fragte ich mich: Wann habe ich mich verloren? Wo bin ich geblieben in den letzten zehn Jahren? Wann habe ich mich vergessen? Als ich mir in einem Anfall von Idiotie das Botox ins Gesicht jagen ließ? Als ich in Marbella, Cannes, Ibiza extravaganten, exzentrischen Urlaub machte, mich wegdröhnte? Während ich bei diversen Therapeuten auf der Couch lag, ihnen was von meinem ach so beschissenen Leben vorjammerte? Als ich im Jahr 2004 mit allen anderen XY- und Z-Promis anfing dümmliche Biographien zu schreiben? Wohin hat mich das gebracht, Katharina? Daß ich an jenem Abend vor dem Spiegel stehen durfte, nervös darauf wartete, daß es losging? Fotografen, Blitzlichtgewitter, kreischende Fans, welche auf die durchgeknallte, ausgeflippte Archäologin warteten und ein roter Teppich…“ Anna unterbrach sich, trank einen Schluck.
„Der Film war trotzdem ein voller Erfolg!“
„Nein, Liebes!“ Sie knallte das Glas auf den Tisch. „Der Film ist ein Fluch! Gequirlter Mist, Schund, etwas, was mich heute noch verfolgt und… das kann es nicht gewesen sein! Das war niemals mein Bestreben. Und jener Abend konnte nicht das Ziel, der Höhepunkt meines Lebens gewesen sein. Nicht diese abenteuerliche, idiotische Verfilmung meiner Arbeit, eine Mischung aus Doku und Spielfilm, ein billiger Verschnitt aus Indiana-Jones, Die Mumie, Lara Croft und Terra X. Nicht die Premiere dieses armseligen Schwachsinns…“
„Ach Anna!“
„Genau! Anna! So erwischte er mich! Eiskalt auf dem linken Fuß. Stürmte durch den Flur, abermals Anna rufend. Oh Gott, was mußte er so plärren? Sein Bist du bald fertig? hallte durch die Wohnung wie ein Omen. Und ich bin fertig, Katharina. Urplötzlich. Fertig mit mir und der Welt! Ich zog mir die Haarnadeln aus der teuren Hochsteckfrisur, öffnete den Kleiderschrank…“
„Schrank?“, spottete Katharina. „Ich soll tatsächlich das Wort Schrank verwenden? Bist du da sicher?“
„Ich öffnete die Tür zum begehbaren Kleiderschrank – wenn dir das lieber ist…“
„Nur fürs Protokoll“, Katharina hob das Diktiergerät hoch, flötete: „Sie öffnete die Tür zu dem riesigen Zimmer, in welchem sie ihre Haute Couture verwahrt!“
„Du dumme Nuß!“ Anna lachte. „Ich öffnete also die Tür zu dem Zimmer, in welchem ich meine und Georgs Klamotten aufbewahre, und wußte in dem Augenblick, ich mußte wieder zu mir selbst finden, wieder werden, was ich einmal gewesen bin. Nicht Georgs Anhängsel, sein Püppchen, Mäuschen… sein Vorzeige-Weibchen mit dem er bei seinen Maklertreffen, Geschäftsessen, Charity-Veranstaltungen angeben kann… Irgendwo hinten unten fand ich, was ich suchte. Die alte Schachtel!“
„Ich dachte, die stand vorm Spiegel!“ Katharina prustete lachend beinahe ihren Hugo aus.
„Darin … du kannst mich gern haben … eine alte Hose mit ausgebeulten Taschen, ein verwaschenes T-Shirt, dazu ein Paar derbe Arbeitsstiefel. O-ho!“, lachte Anna laut, trank einen Schluck vom Hugo, drückte die Kippe in den Aschenbecher. „Du hättest sein Gesicht sehen sollen! Als er die Tür öffnete, Sie kommt gleich! rief. Die Worte blieben Georgy im Hals stecken. Kannst du dir das vorstellen? Mein Schorsch und sprachlos! Schön, sagte ich gelassen und band die Stiefel zu. Du kennst ihn, wenn er sich in die Enge gedrängt fühlt, du kennst seine große Klappe, seine unglaubliche Arroganz, seine Rechthaberei… Ähm... Maus… nuschelte er. Oh, er weiß genau wie ich das hasse! Wie er mich damit hochnehmen kann! Die Limo kommt gleich, Anna, was machst du denn? Das kannst du doch nicht machen! Und ob, sage ich. Aber er, nein, er mußte wieder mal auftrumpfen und mir Aufgewärmtes um die Ohren hauen: Die Haute Couture, welche du trägst, Madame, versetzt mal wieder jeden Pariser Couturier in helle Aufregung. Da ist es auch diesen Herbst wieder! Dies traumhafte Outfit: Die Hose mit ihren ausgebeulten Taschen, das verwaschene, ausgeleierte T-Shirt! Fehlt noch das Kopftuch und die Zöpfchen, damit jeder meint, meine Gattin arbeitet in einer Kolchose. Très chic! Und erst diese klobigen Springerstiefel an deinen Füßen! Sie machen ein so schlankes, langes Bein! Dir fehlt nur noch der Patronengürtel, das Maschinengewehr, dann könntest du glatt bei einer Modenschau für Guerillakämpferinnen teilnehmen! Legst du die Tarnfarbe noch auf oder verzichtest du heute? Ich könnt ihm in solchen Momenten ans Schienbein treten!“ Anna trank aus, bezwang schnaufend ihren aufkeimenden Groll. „An dem Abend war ich kurz davor! Jedenfalls sagte ich ihm, ich werde mit diesem aufgeblasenen Mist aufhören! Zu der Premiere gehen, wie ich es für richtig finde, nicht in diesem aufgedonnerten Kostüm! Anschließend packe ich meine Sachen. Spätestens morgen bin ich auf dem Weg nach Hause! Hier ist dein Zuhause, blaffte er mich an. Katharina! Er machte mir weiß, Berlin sei mein zu Hause! Hier, maulte ich zurück, hier ist ein Protzbau. Ich hasse das Großstadtflair! Nichts als hohles Gepränge, Lärm und Gedränge. Ich will wieder meine Nachbarn sehen, meinen Garten nutzen, im Tante-Emma-Laden um die Ecke einkaufen, die Bäume des Waldes rauschen hören. Ach was rede ich!“ Anna winkte zornig ab, steckte sich abermals eine Zigarette an, legte sie in den Aschenbecher, stand auf, verschwand im Haus, kehrte mit drei Whisky zurück, brachte Raphael einen davon.