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Die schönsten Liebesgeschichten aus der Welt von Sachmet, in jenem Augenblick erzählt, da die Helden in Erscheinung treten. Wer kennt ihn nicht, jenen sehnsüchtigen Schmerz der Liebe? Was gibt es Schöneres als die große Liebe, die einzige, die erste? Was ist tragischer als die verlorene, vergebliche Liebe und größer als Menschenliebe! Freuen Sie sich auf elf reizvolle, unterhaltsame Geschichten, mal frivol, mal tragisch, in denen sich alles um die ganz großen Gefühle meiner Helden dreht!
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Seitenzahl: 338
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Die schönsten Liebesgeschichten aus der Welt von Sachmet, in jenem Augenblick erzählt, da die Helden in Erscheinung treten. Wer kennt ihn nicht, jenen sehnsüchtigen Schmerz der Liebe? Was gibt es Schöneres als die große Liebe, die einzige, die erste? Was ist tragischer als die verlorene, vergebliche Liebe und größer als Menschenliebe! Freuen Sie sich auf elf reizvolle, unterhaltsame Geschichten, mal frivol, mal tragisch, in denen sich alles um die ganz großen Gefühle meiner Helden dreht!
Die Autorin:
Das Land am Nil seit Jahrzehnten das Reich meiner Leidenschaften und Träume. Die Lebens- und Denkweise der alten Ägypter, ihr unerschütterlicher Glaube an die Götter und an Ma‘at, die alles im Gleichgewicht hält, meine Maxime. Was mich inspiriert, all meinen Romanen Leben einhaucht: die versunkene Kultur, den Glanz der Pharaonen in all ihrer Pracht vor meinen Augen erstehen zu lassen! Deshalb schreibe ich.
Mein Dank geht diesmal nicht nur an Jürgen, der immer wieder mit tollen Ideen und Esprit meine Geschichten würzt.
Dank gebührt auch meinen treuen Leserinnen und Lesern!
Dieser Band ist ein Geschenk an sie!
Vollgepackt mit Geschichten aus der Welt von Bent und Anna, ohne daß die beiden Heldinnen meiner SACHMET-Reihe im
Mittelpunkt des Geschehens stehen!
FEIERE DEN SCHÖNEN TAG, WERDE DESSEN NICHT MÜDE.
BEDENKE, NIEMAND NIMMT MIT SICH, WORAN ER GEHANGEN; NIEMAND KEHRT WIEDER, DER EINMAL GEGANGEN
(Aus dem Lied des Harfners)
Stellen Sie sich manchmal die Frage: Ist dies ein menschengemachtes Werk oder steckt schon eine KI dahinter?
Mit diesem Logo versichere ich: das vorliegende Werk ist – wie alle meine Bücher – ausnahmslos ohne KI entstanden!
KEMET, SWENU
DEUTSCHLAND, SAARBRÜCKEN
KEMET, UASET
ÄGYPTEN, LUXOR
KEMET, YABU
EIN DORF, IN DER NÄHE VON KIEL
KEMET, UASET
KEMET, UASET
LUXOR, CORNICHE
SAARBRÜCKEN, STADTRAND IM HAUS DER FAMILIE THIEL
„Was bist du für ein wilder Stier!“, stöhnte sie, krallte sich in hitziger Leidenschaft an ihm fest. Er gab keine Antwort, strahlte sie an, stieß fester zu. Von unten ein scharfer Pfiff.
Verdammt!
Sie quietschte wie ein kleines Schweinchen, wild, süß wie Honig. Noch ein Pfiff.
Jetzt nicht!
„Mein Mann!“, jammerte sie keuchend, „Verschwinde!“
Jetzt gerade nicht! Ganz blöder Augenblick!
„Mach schon! Ich habe ihn unten gehört!“
Gleich
Noch zwei drei Stöße! Samut, halt‘s Maul da unten!
Sie quietschte lauter, als könne sie es kaum erwarten.
Ich geb dir ja was du willst … jetzt, oh Mann …
„Du mußt gehen!“, schnaufte sie völlig außer Atem, schubste ihn. „Schnell!“
„War mir ein Vergnügen, Schönheit!“ Ranofer drückte seiner Bettgefährtin einen schnellen, flüchtigen Kuß auf die Stirn, schnappte seinen Gürtel vom Sessel, warf ihn über die Balustrade der Dachterrasse, sammelte seinen Schurz, das Hemd und die Latschen ein, schwang sich über die Brüstung, suchte und fand die Deckenbalken, ließ sich daran in die schmale Gasse zwischen den Häusern hinab, wickelte im Laufen seinen Schurz um die schlanken, nackten Lenden, trat voller jugendlich unbekümmerter Frechheit laut lachend auf die große, breite Straße.
„Du bist ein Affe! Ein eitler Affe!“, maulte Samut, der Schmiere gestanden hatte. „Das war verdammt knapp!“
Ranofer grinste frech, fuhr sich durch das kurze, strubbelige, schwarze Haar, „Das war verdammt heiß!“, lachend, riß Samut übermütig sein Hemd aus der Hand, schlüpfte hinein.
„Wenn der dich erwischt hätte! Ein Bulle von Kerl.“
„Hat er aber nicht!“
„Wir sollten längst zurück sein!“
„Was bist du pingelig!“ Ranofer band den Gürtel fest, überprüfte den Sitz des Schwertes, des Messers, richtete seinen Kragen und den ledernen Brustharnisch, der ihn als Offizier von Pharaos Armee auswies.
„Chaba wird dir den Kopf abreißen und meinen gleich mit!“
„Mit dem werd ich fertig!“
„Aber natürlich! Der feine Herr Offizier! Läßt seine Beziehungen spielen! Willst du ihm um den Bart gehen? Dem lieben Onkel schmeicheln? Ihm eine gewaltige Lüge auftischen?“
„Tju! Genau in der Reihenfolge!“ Ranofer hörte seinem lamentierenden Freund gar nicht zu, schaute bewundernd pfeifend der jungen Frau hinterher die gerade an ihnen vorbeischlenderte, erntete dafür einen glühenden, schmachtenden Blick aus geschminkten, feurigen, dunklen Augen.
„Em Hotep, Schönheit!“
„Anch Uda Seneb, Herr Offizier“, säuselte sie zurück.
„Komm schon! Das ist nicht dein Ernst!“ Samut zog ihn am Arm weiter zu den Fähren.
„Entschuldige Schönheit!“ Ranofer machte eine übertriebene Verbeugung, „Die Pflicht ruft!“
„Kein Weiberarsch ist vor dir sicher!“
„Wenn die Hintern auch so niedlich sind!“
„Hast du jemals eine ehrlich geliebt?“, fragte Samut auf der kurzen Überfahrt nach Yabu. 1 „Dich auf eine festgelegt?“
„Die Welt ist voll schöner Frauen, Bübchen. Warum bei einer bleiben?“
„Wenn mir die Richtige über den Weg läuft, mach ich mit dem Soldatenleben ein für alle Mal Schluß!“
„Das kannst du mir doch nicht antun, du Stinker!“
„Du bist viel zu alt für so einen Blödsinn! Wie alt bist du? Zwanzig? Wird Zeit, daß du dir eine suchst.“
„Neunzehn. Und du? Bist auch kein Kind von Traurigkeit!“
„Ich übertreib‘s aber nicht so wie du!“
„Ahaneith schleppt laufend welche an, die ich ehelichen soll. Meine Fresse, eine hübscher als die andere. Ein unerschöpflicher Quell … ich hab da so mein Lieblingsplätzchen im Garten …“
„Du bist echt ein Ferkel!“
„Willst du mir jetzt was von wegen Sittlichkeit erzählen?“
„Nein!“, brauste Samut auf. „Von Anstand! Wie kannst du deine Tante dermaßen hintergehen? Irgendwann kommt das raus, irgendwann hast du eins der Mädchen geschwängert, und dann?“
Ranofer zuckte lässig mit den Schultern. „Was soll’s.“
„Irgendwann, Ranofer, erwischt dich ein Ehemann, ein Liebhaber. Was dann? Zerrt dich vor Gericht oder Schlimmeres! Geh wenigstens zu einer Hure!“
„Ich bezahl auch noch für Liebe, du Idiot! Eh ich zu einer Hure gehe fließt Iteru in die andere Richtung! Komm, wir müssen aussteigen.“
„Ihr sollt sofort zum Tjah Serut kommen!“, befahl der Wachhabende.
„Uih!“, scherzte Ranofer.
„Er duldet kein Säumen, Herr Offizier!“
Schweigend stand Ranofer ein paar Augenblicke später bei Chaba in der Kommandantur. Samut, nach dem Empfang einer gehörigen Strafpredigt wegen ihres Zuspätkommens längst hinausgeschickt.
„Rühr dich!“
„Onkel, laß dir doch erklär…“
„Schweig!“
Ranofer biß die Zähne zusammen, betrachtete seinen Vorgesetzten, suchte vergebens den liebenden Onkel, den Vaterersatz, fand nur den unerbittlichen strengen Kommandanten der Garnison von Yabu.
„Hundert Mann“, polterte der nun, „Hundert aus jeder Garnison werden zu den Waffen gerufen! In Mannschaften zu je fünfundzwanzig. Vier Offiziere!“
„Spähtrupps?“, erlaubte sich Ranofer zu fragen.
„Schweig!“ Chaba baute sich vor ihm auf, blähte sich auf, machte sich größer als er ohnehin war, barst beinahe vor Zorn. Ranofer kam sich plötzlich richtig klein vor, obwohl er mehr als dreieinhalb Ellen lang war. 2 Größer und stärker als jeder andere Kerl hier. Selbst wie der wuchtige Chaba. Und so wie Chaba zu sein hatte er sich immer gewünscht. Hart, aber gerecht. Wohlwollend, solang man ihn nicht auszunutzen versuchte, ehrlich und anständig. Ranofer hoffte, daß er wenigstens etwas vom Onkel, dem Bruder seiner Mut, vererbt bekommen hatte und nicht nur die gute Laune, den Schneid und die Frechheit die ihm sein ihm unbekannter Vater vermacht hatte.
„Wenn Iteru sich zu Hapi gewandelt hat“, grollte Chaba, „wenn das Wasser steigt geht es los. Hundert von meinen Männern! Wie soll ich die Garnison verteidigen käme es zum Äußersten? Schon morgen werden die ersten Kriegsschiffe aus dem Norden und aus Uaset kommen. Wenn der Fluß genügend Wasser führt werden sie sich auf den Weg machen. Auf den Weg durch die Katarakte! Auf den Weg nach Buhen! Und du wirst mit an Bord sein!“
Ranofer spürte wie ihm sämtliches Blut aus dem Gesicht wich, ja selbst die Lippen taub wurden. Mit Mühe versuchte er Haltung zu bewahren.
„Deine schöne Zeit hier ist vorbei, Ranofer. Wie lange dachtest du, schaue ich noch tatenlos zu? Versuchst du irgendeine Verantwortung zu übernehmen? Versuchst du ein Vorbild zu sein? Nein! Schweig! Du frönst deinem Spaß! Huldigst dem süßen Leben! Ich finde dich in Schenken! Du hurst herum! Ich hätte dich niemals zum Offizier ernennen dürfen! Niemals!“
„Tut mir leid, Onkel!“
„Schau mich nicht so an!“
„Ja, Onkel!“
„Glaubst mit deinem Blick alle um den Finger wickeln zu können! Glaubst mit deinem hübschen Gesicht öffneten sich dir alle Türen!“, brüllte der Tjah Serut. „Und wenn auch Ahaneith mich für den Rest meines Lebens verfluchen wird, das ich ihr den Jungen, den sie wie einen eigenen Sohn liebt, wegnehme, du ziehst in den Krieg!“
„Ja, Kommandant!“ Ranofer stiegen tatsächlich Tränen in die Augen.
Buhen!
Verdammt! Das war beileibe kein Spaß mehr!
Was für eine Scheiße!
Das war schlimmer als in der Duat nach Hetemit geschickt zu werden!
Sand, Felsen, Geröll, Hitze, Gluthitze! Den Gestank der vielen hundert verschwitzten Leiber um ihn herum nahm er nicht mehr wahr. Nur noch dieses Schlachtfeld inmitten der glühenden südlichen Wüste. Auf dem er sich jetzt beweisen sollte. Wo war Swenu? Jene liebliche Stadt in ihrem Talkessel? Wo der segenreiche Imachyt? Wo sein geruhsamer Posten in der Garnison von Yabu? Weit weg, in einem anderen Leben!
Er versuchte den Ausführungen des Truppenkommandanten zuzuhören, dachte aber nur daran, daß dies wahrscheinlich sein letzter Tag auf dieser schönen Welt sein würde. Andächtig faßte er nach dem Amulett der Sachmet um seinen Hals, küßte das Bildnis, betete inbrünstig zu der Göttin der Schlachten, schloß die Augen und versuchte diese verfluchte Angst loszuwerden. Die Augen öffnend, erblickte er von weitem einen Streitwagen! Golden in der Sonne glänzend! Als käme ein Gott direkt aus dem Himmel auf ihn zu. Als hätte SIE sein flehendes Gebet erhört! Zwei schwarze, feurige Hengste, kaum zu bändigen, preschten an den aufgestellten Soldaten vorbei.
Der Lenker!
Alleine auf dem Wereret, ohne Kämpfer! Trug eine Krone! Die blaue Chepresh!
Pharao!
Ja! Das war Mut, das war Heldentum! Ihm folgten alle! Furchtlos! Dieser Krieg war bereits gewonnen!
Dieser Krieg war vor allem tödlich! Ranofer stolperte über einige Leichen, erkannte ein paar seiner Kameraden, erblickte Verwundete, hörte Schmerzensschreie. Pfeilschäfte ragten aus toten Körpern, überall Blut, abgehackte Gliedmaßen, abgehackte oder eingeschlagene Köpfe. Von den eigenen Soldaten, aber auch genauso von vielen elenden Nubiern. Ihre schwarzen, schlanken, glänzenden Leiber im Todeskampf gekrümmt, im Sande der Deshret. Zerhackte Leiber! Mit tiefen Wunden von den Krummschwertern und Stöcken der ägyptischen Soldaten. Ranofer schaute sich um, steckte sein Chopresh ein, zählte seine Männer. Alle da! Zum Glück!
„Und nun?“
„Wir müssen zurück und melden, was wir gesehen haben. Wir können uns nicht länger hier die Eier drücken!“ Kaum hatte er es ausgesprochen, sauste ein Speer an ihm vorbei, war sein kleiner Spähtrupp von einem Trupp Nubier umstellt, Samut bereits in einen Kampf auf Leben und Tod verwickelt. Für ein paar Herzschläge lang stand Ranofer wie versteinert.
Hilf ihm! Das ist dein Freund!
Ich habe noch nie getötet! Doch das hier ist bitterer Ernst, keine Übung. Mach voran, du Feigling! Es geht um alles oder nichts!
„Ranofer!“, hörte er Samut wie aus weiter Ferne rufen. Die Hand am Amulett betrachtete er den Rücken des kämpfenden Ta Seti. Samut würde gleich sein Leben verlieren! Was für ein schwarzer Riese! Bestimmt vier Ellen hoch, voller schwarzer Muskeln, wie sollte er gegen den angehen? Doch noch bevor er diese unsinnigen Gedanken zu Ende denken konnte, hatte er längst sein Messer gezogen und dem Nubier von hinten die Kehle durchschnitten.
„Dreißigtausend!“
Ranofer schwenkte einen Krug vom besten Wein am Henkel, trat zu Samut ans Bett, warf ihm zwei Becher zu. „Komm hoch du Jammerlappen! Vergiß den kleinen Schwertstreich, sowas kann uns nicht aufhalten!“
„Wieviele?“
„Der Gute Gott hat die rebellischen Armeen von Kusch, Irem, Tiurek und Weresch aufgerieben! Dreißigtausend Gefangene gemacht! Und wir waren dabei, Samut! Wir! Die Großen Starken! Die Nachtu Aa! Der Vorsteher der südlichen Fremdländer Merimose, der ehrenvolle Sa Nesut en Kusch kann stolz auf uns sein! Wir haben das Schlachtenglück gelenkt!“
„Wenn du nicht gewesen wärst, Hauptmann…“ Samut richtete sich stöhnend auf, richtete den Verband an seiner Stirn, an seiner Hand, faßte sich an die schmerzende Seite.
„Halts Maul, Stinker. Sind wir nicht zusammen hergekommen? Wir werden auch zusammen von hier weggehen! Ich lasse keinen Freund, keinen Kameraden im Stich!“ 3
Zwei Jahre später saß er mit Samut abends unter dem Vordach ihrer Unterkunft. Mißmutig spuckte Ranofer die braune Brühe aus seinem Mund in den Sand vor sich.
„Hast du Nachschub bekommen?“
Er warf Samut sein Lederbeutelchen hin. „Bedien dich! Der Grimmige Löwe, dessen Klauen das elende Kusch packten, der dessen Fürsten allesamt zertrampelte und sie in ihr eigenes Blut niederwarf, den einen auf den anderen! So hat unser Guter Gott es niederschreiben lassen, sagte man mir!“
„Wo?“
„Auf seiner Siegesstele.“
„Wie schön! Wo kommt dieses Zeug überhaupt her?“ Eins der zu einem Kügelchen gerollten, getrockneten Blätter verschwand in Samuts Backentasche.
„Was weiß denn ich.“
„He!“
„Was?“
„Wo ist mein fröhlicher, immer gutgelaunter Freund?“, brummte Samut mit ernster Miene. „Wo ist der freche draufgängerische Kerl geblieben?“
„Blödmann!“ Ranofer nahm einen Schluck Bier aus seinem Becher, stand auf. „Das kann nur aus Punt kommen. Obwohl der Händler erzählt, es käme aus den Nordländern. Von Kaufleuten aus dem Norden der Nordländer. Und die haben es von Händlern, die es von Händlern beziehen die in Richtung des Sonnenuntergangs tagelang über ein großes Meer fahren. Dort gäbe es ein großes Land und sie handeln mit den Leuten dort.“
„Du spinnst doch! Ein großes Meer und Land Richtung Sonnenuntergang, pah! Du erzählst Märchen. Wo willst du hin?“
„Hab noch was vor.“
„Du bringst deinen ganzen Sold zu den Mädchen. Hör mal auf damit!
Wieviele waren es heute?“
Ranofer ließ sich zurück auf den Boden sinken, stierte in den Hof. „Dji“, knurrte er, zog sein Messer, stand abermals auf, rammte es ins Holz des Pfostens vor sich, ritzte fünf weitere Kerben. „Diese Aufrührer werden nie aufgeben! Gleich wie schmerzhaft die Strafe sein wird, die der Gute Gott ihnen auferlegt. Sie erkennen seine Regentschaft niemals an. Aber ich werde sie jagen bis ans Ende der Welt! Sie in ihr Blut niederwerfen, den einen auf den anderen!“
„Ranofer?“
„Hm?“
„Du bist ein Mörder geworden! An dem Tag, als du mir das Leben rettetest, du dem ersten Ta Seti mit deinem Messer die Kehle durchschnitten hast. Von da an bist du ein anderer geworden!“
„Halts Maul!“
„Du solltest um ein paar freie Tage bitten um in die Heimat zu gehen.“
Ranofer riß das Messer aus dem Holz, packte Samut zornig am Kragen, zog ihn schnaubend dicht zu sich.
„Ist ja schon gut! Laß mich los! Schau mich doch nicht so an! Da kriegt man ja Angst!“
„Besser ist das!“
„Du bist mein Hauptmann! Einer der besten Offiziere hier. Du läßt keinen deiner Männer im Stich. Aber vergiß nicht den Menschen in dir! Du bist nicht nur Soldat! Du bist deinem Onkel zu nichts verpflichtet! Du mußt nichts beweisen!“
„Was hätte ich tun sollen? Auf dem Wachrundgang heute? Hä? Wolltest du im Sand liegen? Von einem nubischen Speer durchbohrt?“
Samut gab keine Antwort, richtete am Handgelenk seinen Mesketu aus Leder, schaute Ranofer ins Gesicht, klatschte ihm schließlich auf die Wange und ins Genick. „Hast du dich mal angesehen? Wo ist der fesche Kerl geblieben? Stets erblicke ich dein zpa Her, dein bärtiges Gesicht! Du solltest dich öfter rasieren und schneid mal dein Haar! So findest du ja nie eine!“
„Ich brauch keine! Hab alles was ich brauch.“
„Und welche der ausgebufften Huren die uns hier in der Deshret das Leben versüßen ist es? Ja, schon gut, deine hochverehrte Dame des roten Tuches, hab verstanden!“ 4
„Das geht dich gar nichts an!“
„Du kannst dein Leben nicht nur in die Hände der Göttin legen! Morgen melden wir uns endgültig zu den Tanet Hetrj! 5 Nein! Keine Widerrede! Schluß! Du machst keinen Nahkampf mehr! Es reicht!“
„Leck mich doch!“
„Siehst du was?“
„Nein!“
Sie suchten hinter einem Felsen Deckung, überblickten das Gelände. Ranofer schaute hinüber zu seinen Männern, einer schüttelte verneinend den Kopf.
„Sie waren gerade eben noch da!“ Vergebens suchte Ranofer die Gegend nach dem Trupp Nubier ab. Ein unsinniges Unterfangen in dem felsigen Gelände. Sie konnten hinter jedem Stein hocken, von jedem höheren Felsen herunter heimtückisch ihre Pfeile abschießen.
„Die sind wie Jah, Gespenster!“, zischte Samut, wischte sich Schweiß aus dem Gesicht. „Wenn wir hier fertig sind, melden wir uns bei den Maryanni, ich bin es satt!“ Er verstummte, stierte auf den Pfeil, der sich zwischen ihm und Ranofer in den Sand bohrte. „Das war verdammtes Glück!“
„Da oben Samut! Die Wereret müssen warten! Wir müssen die Bogenschützen aufhalten! Noch einmal! Los! Die…“ Ranofer verstummte, stand unbeweglich da, Tränen in den Augenwinkeln, alles Blut aus seinem Gesicht gewichen, das Krummschwert kraftlos in der rechten Hand.
„Was ist denn?“
„Mich hat’s erwischt“, stöhnte Ranofer sich krümmend, auf ein Knie sinkend.
„Scheiße! Duck dich! Runter!“
Ein zweiter Pfeil, aus dem Hinterhalt, brutal, tief ins Fleisch, bohrte sich schmerzhaft neben den anderen in Ranofers Seite.
„Samut… hilf mir…“
„Halt durch! Ich bring dich hier weg! Macht sie fertig, Männer! Ich bringe unseren Hauptmann in Sicherheit.“
„Wo bin ich?“
Ist das meine Kehle? Hab ich Sand gefressen? Warum ist es so dunkel und warum friert mich? Es tut so weh, Mut, ich verbrenne!
„Still, Soldat! Du sollst nicht reden!“
„Laß mich hier raus!“
„So schnell kommst du hier nicht weg!“
„Warum ist es so heiß hier drin? Geh weg, Tante! Ich friere! Chaba! Ich zittere! Hör auf mich zu schlagen! Wo ist meine Mut?“
„Ist schon gut Junge, still, das ist nur das Fieber!“
„Chaba hat befürwortet…“
„Chaba!“ Ranofer – abgemagert, mit dunklen Ringen unter den Augen, versuchend die vergangenen schmerzhaften, im Fieberwahn verbrachten Monate zu vergessen, zu verdrängen – spuckte Antef verächtlich vor die Füße.
„Chaba hat befürwortet“, der Kommandant der Garnison in Nechen ließ sich von dem ungestümen zornigen jungen Mann nicht aus der Ruhe bringen, „daß du eine Weile bei uns deinen Dienst schiebst. Bis zu deiner vollständigen Genesung. Dann sehen wir weiter.“
„Und was ist das hier?“
„Hier wohnen die Götter.“
„Hahaha!“ Ranofers gereiztes, böse klingendes Lachen hallte unheimlich in dem Innenhof wider. „Das ist ein Bauernhof, Kommandant! Nix wie Viehzeug haltet ihr hier. Kühe, Schafe, Gänse … ein verlorener Posten für Versager …“
„Komm mal mit!“ Antef zog Ranofer mit sich in den hinteren Teil der großzügigen Anlage, schubste ihn grob durch einen Torweg.
„Es stinkt zum Himmel, Antef! Nach Beken und Jauche! Hier fühlen sich nur Mistkäfer wohl! Ich werde auf der Stelle meine Versetzung beantra…“ Ranofer blieb das Wort im Hals stecken. Vor ihm, in einem von gewaltigen gemauerten Pfosten, die vom Boden bis zur Decke reichten, gesicherten Hof stand ein Tier. So hoch wie ein Haus, so grau wie Asche, mit gewaltigen Stoßzähnen …
„Yabu!“, hauchte er ehrfürchtig.
„Yabu! Genau!“, grollte Antef. „Von ihren Artgenossen bezieht ihr auf Yabu das Elfenbein! So sieht es aus, bevor die Nubier diese Tiere abschlachten um ihnen die Zähne zu rauben. Sieh genau hin, Offizier, das ist das, womit ihr da unten reich wurdet! Das solltet ihr verehren! Ihm Achtung entgegen bringen…“ Lautes Brüllen unterbrach ihn.
„Und das?“
„Sechemet!“
„Was?“
„Die Dame des roten Tuches!“
„Wo? Bring mich dahin! Sofort!“
„Nein Antef, ohne Samut gehe ich nirgends hin!“
„Aber deine Versetzung nach Merwer…“
„Samut hat mir zweimal das Leben gerettet! Und ich ihm ebenso. Ich bin sein Hauptmann, er geht mit mir mit! Und wenn es als mein Diener ist! Wenn ich in den Norden verlegt werde, gehe ich nur mit ihm!“
„Pharao hat ausdrücklich Wer en Mescha…“ 6
„Reize mich nicht, Antef! Wenn morgen das Schiff ablegt, wird Samut mit an Bord sein.“
„Wie hast du das gemacht?“
„Ich hab ihm gedroht.“
„Du hast dem Kommandanten gedroht? Du hast sie nicht alle!“ Samut stand auf, betrachtete die Gegend. Üppig wucherndes Grün soweit das Auge reichte, Palmenwälder, saftige, im Nordwind wogende Felder, glitzerndes Wasser und die ersten bunt bemalten Mauern des gewaltigen, prächtigen Palastes. Was für ein Anblick nach all den Jahren tief in der trockenen, öden Deshret, wo kaum ein Grashalm wuchs! „So muß es in den friedlichen Gefilden aussehen, Ranofer! Sechet Iaru! Genauso muß es dort aussehen!“
„Bist du aus Hut Ta Heri Ib?“ 7, fragte ein anderer lachend, „Das hört man!“
„Wer will das wissen?“
„Montju. Aus Hut Ta Heri Ib!“
„Nicht wahr? Samut mein Name!“
„Und der schweigsame Knochen?“
„Mein Hauptmann.“
„Und wo bist du her?“
„Aus der dunkelsten Duat!“, knurrte Ranofer, rieb sich den kurzen Bart, spuckte seine braune Brühe über Bord, betrat die Bohle um an Land zu gehen, betrachtete mißtrauisch den riesigen Palast.
„Er hat in über zwanzig Scharmützeln mit den Ta Seti alleine gut und gerne über hundert von ihnen dorthin geschickt!“
„Ihr ward im Süden?“
„Buhen.“
„Verdammt!“
„Das kannst du laut sagen!“
„Was hast‘n du da?“
Ranofer rollte den Qahet zusammen, stopfte ihn zurück in den Weidenkorb zu seinen anderen Sachen. „Geht dich nichts an!“
„Ich weiß was das ist, Freundchen. Wenn man so lange wie wir zwei zusammen ist, kriegt man genug mit. Da hast du deine Zeit beim Heer notiert. Jeden einzelnen verfluchten Tag der letzten zehn Jahre!“
„Die letzten drei Jahre in Merwer und Nechen zählen doppelt!“, fluchte Ranofer. „Ich habe um meine Entlassung gebeten.“
„Ich habe sie noch nicht gefunden!“, flüsterte Samut entgeistert.
„Ich habe auch nicht gesagt, daß ich dich mitnehme.“
„Du hast noch nie einen deiner Männer im Stich gelassen.“
„Ich gehe nach Uaset, Samut. Was willst du Kindskopf denn dort?“
„Ich gehe hin wo du hingehst! Willst du dich dort niederlassen? Dir endlich eine Frau suchen?“
„Die, die ich einmal nehmen werde, muß mir das Wasser reichen können! Mir die Stirn bieten können! Mit Versagern kann ich nichts anfangen. Sag mir, Samut, wo bei allen Göttern soll ich eine finden, die mir gerecht wird?“
„Und jetzt?“, fragte Montju der sich ihnen angeschlossen hatte.
„Jetzt ziehen wir plündernd und marodierend über die Dörfer.“
„Im Ernst?“
„Blödmann!“ Ranofer gab ihm eine Kopfnuß die sich gewaschen hatte. „Arbeit suchen! Irgendein reicher Sack wird hier in dieser Stadt bestimmt ein paar stramme Kerle brauchen die seine Schätze bewachen. Da vorn unter dem Dattelhain ist ein Brunnen, da machen wir Rast. Und dann suchen wir uns eine Schenke mit Gasträumen wo wir die Nacht verbringen, was gescheites essen können. Wo wir uns ordentlich betrinken, ein paar Schönen der Nacht begegnen. Wird Zeit, daß wir unsere Entlassung aus dem Militärdienst gründlich feiern.“
„Was ist das da für ein Gebäude? Vielleicht der große Ipet Sut?“
„Findest du das da groß?“
„Nicht wirklich.“
„Wir sind an dem großen Ipet Sut vorbeigefahren! Und auch am Ipet Resit, weil ihr Affen vergessen habt zu fragen, wo wir aussteigen müssen. Den ganzen Fußmarsch da hätten wir uns sparen können, wären mitten in Uaset8 ausgestiegen.“ Ranofer schöpfte sich Wasser aus dem Brunnen, trank, schüttete sich Wasser aus der da liegenden Kalebasse über den Schädel und den Nacken, kippte es mit Schwung unter beide Arme, betrachtete den schattigen Dattelhain, bemerkte eine alte Frau die, müde vom Datteln aufsammeln, nun mit dem schweren Korb hin zu dem Brunnen schlurfte.
„Helft ihr mal!“, raunzte er die beiden an. „Wo bleiben eure Manieren?“ Er schöpfte nochmals Wasser, rutschte ein Stück zur Seite, spuckte seine Blätter aus, klopfte neben sich auf die Mauer. „Kommt, Mutter, ruht aus. Was schleppt Ihr denn so schwer! Habt Ihr keine Söhne oder Enkel die das für Euch erledigen? Hier, trinkt!“
„Dwa Netjer ink, mein Sohn.“
„Hasti!“
Seufzend reichte sie ihm die halbe Kalebasse zurück.
„Habt Ihr Kummer, Frau?“
„Ach, nicht mehr als alle anderen alten Leute“, seufzte sie. „Wenn man alleine da steht, ohne die starke Hand eines Mannes an der Seite.“
„Dann müßt Ihr euch wieder einen suchen“, scherzte Ranofer gutmütig. „Einen jungen, starken, einer der weiß, was eine erfahrene Frau so braucht.“
Die Alte lächelte ihn an, schaute ihm ins Gesicht und Ranofer meinte, sie blicke ihm geradewegs in alle sieben Seelen, obwohl ihre müden, trüben Augen beinahe völlig blind zu sein schienen. Mit Mühe entkam er ihrem Blick, raunte:
„Entschuldigt, falls wir nicht so gut riechen, wie es sich für einen anständigen Mann gehört. Aber wir waren lange unterwegs.“
„Man könnte direkt Angst vor euch haben. So wilde Männer! Ungezügelt, voller Kraft. Groß und stark, brutal, waffenstrotzend. Mit mir hier alleine. Es wird besser sein, ich gehe. Man hat genug von Söldnern gehört, die Frauen Schlimmes antun.“
„Seid getrost, Dame. Wir wissen, was Anstand bedeutet. Nicht wahr, Samut?“
„Sicher doch!“
„Montju?“
„Die Dame braucht keine Angst haben!“
„Ich bin Ranofer, Dame“, er machte eine angedeutete Verbeugung, „aus Swenu, und ich war Wer en Mescha im Dienste des Guten Gottes. Wir kommen aus Merwer und bewachten eine Zeitlang dort seinen großen Ipet. 9“
„Offizier? In Pharaos Armee?“
„Tju!“
„Und ihr habt den großen Harem im Norden bewacht?“
„Tju!“
„Dann seid ihr gewiß Männer mit Ehre und Anstand.“ Abermals ein Blick bis tief in sein gemartertes Herz. „Wieviele hast du getötet?“, flüsterte sie so leise, daß Montju und Samut, die ein paar Schritte weiter weg im Gras saßen, nichts hören konnten. „Nicht wenige, so wie dein geschundenes mißbrauchtes Herz schmerzt. Du willst nur noch vergessen und wünschst dir, wieder der unbekümmerte, fröhliche Jüngling zu sein!“
„Soll ich Euch den Korb irgendwo hin tragen, Mutter?“, brummte Ranofer unwirsch.
„Ja!“ hauchend nickte sie zu dem weißen Gebäude inmitten des Dattelhains hin, und es hörte sich dermaßen verheißungsvoll an, als würde dort endlich sein wehes, schmerzendes Herz heilen …
Die alte Frau öffnete die Pforte in dem großen Tor unter dem Bechenet, bat die drei herein.
„Was ist das hier, Dame?“ Ranofer betrachtete den Innenhof mit seinem Wasserbecken im dem blauer Lotos blühte, die ausgelatschten, schadhaften Bodenplatten, das große Spalier mit den Weinstöcken. Frauen huschten geschäftig hin und her, offensichtlich Mägde. Und es roch verdammt nochmal lecker nach einer guten Mahlzeit. Eine andere alte Frau trippelte laut nölend auf sie zu.
„Da bist du ja. Wo warst du nur! Das Essen ist fertig. Und sie hat mal wieder alles auf den Kopf gestellt … uih!“ Dreist stocherte sie mit ihrem Stock Ranofer in den flachen Bauch. „Bist du groß!“
„Das ist der Tempel der Isis. Tachut! Hör auf damit!“
Augenblicklich sank Ranofer auf sein Knie, neigte den Kopf, die rechte Hand am Herz, mit der linken schlug er Samut in die Kniekehlen, „Runter ihr zwei!“, zischend. „Das Haus der Großen Mutter! Kennt ihr keine Ehrfurcht vor unseren Göttern?“
„Das sind Soldaten aus Pharaos Heer, Tachut.“
„Was du nicht sagst!“
„Sie haben mir geholfen!“
„Tja? Was fällt dir nur ein? Schleppst da Männer an, Iaret. Fremde Männer! Sieh dir die mal an! Hm. Wie die wilden Bullen! Riesig, ungezähmt, wollüstig. Stehen voll im Saft! Allein einer von ihnen könnte uns alle mit seinem großen, dicken…“
„Tachut!“
„Steht auf, ihr Buben! Wehe, ihr benehmt euch nicht!“ Tachut stupfte einmal mehr ihren Stock auf und verschwand schlurfend im Schatten unter dem Säulengang.
„Ich war noch nie in einem Tempel, Dame“, meinte Ranofer, stand auf und klopfte sich das Knie ab. „Da darf man nicht hinein.“
„Hier schon. Denn es ist ein Haus der Heilung. Ihr werdet Hunger haben, ja? Wollt ihr mit uns speisen? Zum Dank, daß ihr mir den Korb getragen habt. Ich bin Iaret, Ranofer, die Herrin des Tempels unserer Großen Mutter…“
Samut knurrte dermaßen der Magen, daß Ranofer ihn schon wieder anrempelte.
„Wir sollten gehen, Dame Iaret. Das hier ist nicht der richtige Ort für solche Rüpel wie wir es sind. Mir scheint, hier wohnen nur Frauen und das ist…“
„Hast du dich sowenig in der Gewalt, Herr Offizier? Kannst du einer Frau nur gegenübertreten, wenn du sie beschlafen willst?“
Ein wildes Brüllen, Scheppern und Poltern hallte durch den Innenhof, Iaret zuckte erschrocken zusammen, irgendwo rief eine laut und eindringlich nach Hilfe. Ranofer überlegte nicht lange, rannte los, dem verzweifelten Hilferuf entgegen. Fand um die Ecke, in einem weiteren Hof, zwei Frauen wild miteinander ringend. Eine blutbesudelt, mit einem dünnen Lappen um den Kopf, die andere klein und zierlich konnte sich gegen diese wilde Wut kaum wehren.
„Ho, ho!“, brummte er, packte die blutige, kreischende Frau von hinten, der Schleier rutschte von ihrem Kopf.
„Schau sie nicht an!“, flehte die Kleine inbrünstig, öffnete eine Tür, er schob die Wütende hinein, schloß die Tür, legte den schweren Balken vor. Tobendes Poltern und Geschrei drang aus dem Innern der Kammer, Geschirr zerbarst klirrend. Immer noch hielt er den zarten Schleier in Händen, öffnete die kleine Klappe in der Tür, warf ihn hindurch, erblickte eine scheußliche verzerrte, verbrannte Fratze.
„Danke!“, keuchte die kleine Frau, lehnte sich schnaufend an die Wand. „Ich habe ihr das Essen gebracht. Nun kann sie es vom Boden klauben oder wird hungrig bleiben müssen. Sie ist…“, sie schlug sich ein paarmal an die Stirn, „… hat den Verstand verloren, kaum zu bändigen.“
„Alles gut.“
„Wer bist du? Was machst du hier?“ Entrüstung schwang auf einmal in ihrer Stimme.
„Die Dame Iaret hat uns gebeten…“
„Kara, das ist der Herr Ranofer. Ich glaube, er und seine Männer suchen Arbeit.“
„Da wüßte ich was für dicke Muskeln!“, empörte sich Kara aufgebracht. „Der Garten müßte umgegraben werden! Ich schaff das kaum noch!“
„Sie werden mir jetzt in die Küche folgen, die Köchin wird wohl drei gescheite Mahlzeiten für die wackeren Burschen abzwacken können, nicht wahr?“
Was für eine Küche!
Und was für ein Duft! Gebratenes Schaji vom Drehspieß, frisch gebackenes Brot, gut gebratene Hedschu mit Chetschen. 10
„Setzt euch“, bat Iaret und wies auf den gewaltigen, aus rohen Bohlen zusammengezimmerten Tisch mit seinen langen Bänken. Dort saßen ein großer Mann, ein kleiner Junge, ein Jüngling und zwei Mägde beim Essen. Ranofer rutschte auf die Bank, nickte ihnen grüßend zu.
„Peset! Das sind meine Gäste, bring ihnen von deinem Essen! Und füll die Teller bis zum Rand, das ist ein Offizier aus Pharaos Armee und seine Männer.“
„Ein Offizier?“ Die Köchin baute sich vor Ranofer auf, die fettriefende Schöpfkelle in der Hand wie ein Schwert schwingend. „An meinem Tisch?“, blaffte sie. „Sofort stehst du auf!“
„Es ist besser wenn wir gehen“, meinte Ranofer ruhig, bevor diese wildgewordene Hexe ihm den klebrigen Löffel überziehen konnte.
„Nix da! Setz dich!“, wurde er angeschnauzt, „Aber da oben! An die Stirnseite! Meinst du, wir hätten keine Manieren? Meinst du, wir wüßten nicht, wie man anständig Gäste bewirtet? Soll ich dir die Kelle überziehen? Was willst du? Bier? Saures Bier? Warmes Bier? Wein? Oder Wasser mit Honig? Wehe, ihr belästigt meine Mädchen!“ Mit Inbrunst schwenkte sie die Kelle.
„Das würden wir uns nie erlauben!“
„Das will ich euch geraten haben!“
Iaret saß ganz ruhig da, betrachtete die drei hungrigen Männer mit Seelenruhe, schaute zu, wägte offensichtlich ab.
„Schmeckt es?“
„Ausgezeichnet Dame Iaret.“
„Wenn ihr wollt, könnt ihr die Nacht hier verbringen. Es ist gleich dunkel, und ihr werdet nicht wissen wohin.“
Ranofer gab keine Antwort, beschäftigte sich ausgiebig mit seinem Essen, lobte den Schweinebraten, tunkte mit seinem knusprigen Brot den Saft auf.
„Ranofer!“ Montjus Stimme klang beinahe flehend.
„Hauptmann!“ Auch Samut wartete auf eine Antwort.
„Wir haben oft genug auf freiem Feld genächtigt, Dame. Da käme es auf ein weiteres Mal nicht an.“
„Wir haben auch ein Badehaus. Wenn es dunkel geworden ist, könnt ihr es benutzen. Denn dann badet niemand aus unserem Haus mehr dort.“
„Ein Badehaus!“ Montju pfiff bewundernd durch die Zähne.
„Und ihr könnt eine Kammer haben, mit drei großen Betten darin. Es sei denn, der Herr Offizier zieht eine eigene Unterkunft vor.“
„Du bist listig, Frau!“, zischte Ranofer und zog sein Messer. Iaret straffte die alten Knochen, wohl auf alles gefaßt, doch er pulte gelassen mit der Spitze zwischen zwei Zähnen damit.
„Warmes Wasser!“, begeisterte Samut sich und hielt wieder ganz still. Ranofers Messer war mehr als scharf und mit dieser Klinge wollte er keine nähere Bekanntschaft machen.
„Memmen!“, knurrte Ranofer, rasierte weiter Samuts Kehle.
„Da liegt ein Anch“, Montju hielt den Spiegel hoch, „Aber es ist im Licht der Kerzen nicht hell genug um sich zu spiegeln. Was ist das da?“, entstöpselte ein Gefäß, schnupperte. „Riecht das gut!“
„Stell das weg! Laßt die Finger von allem!“, drohte Ranofer mit dem Messer, legte es auf den Beckenrand, packte Samut im Genick, tunkte ihn ins warme Wasser. „Morgen früh sind wir hier verschwunden!“
„Soll ich dich auch rasieren?“, schnaubte Samut, als er wieder Luft hatte.
„Bleib aus meinem Gesicht, du Affe!“ Ranofer lehnte sich zurück, den Nacken auf dem Beckenrand. Als würde das warme Wasser ihm schmeicheln wollen, fühlte er wie jeder einzelne seiner großen Muskeln die Anspannung verlor, weich wurde, müde wurde, sich nach Ruhe, nach einem zu Hause sehnte.
„Sie erinnert mich an meine Großmutter“, flüsterte Samut mit Wehmut in der Stimme und nahm einen tiefen, herzhaften Schluck aus dem Bierkrug. „Als ich noch ein Adschdi schrj war.“
„Sieben Kerzen! Was für eine Verschwendung!“, knurrte Ranofer.
„Sie duften! Nach Honig. Und sie qualmen nicht wie die rußenden stinkenden Tranfunzeln.“
„Und mich an meine! Wenn man sich das Knie aufgeschürft hatte, sie mich auf ihren Schoß genommen hat. Ein tröstendes Wort fand, mir ein Stückchen süßen Kuchen gab … mich ihren liebsten, kleinen Montju nannte. Eh! Reich den Krug her, das Henket ist nicht für dich alleine!“
„Meine hat mir mal dermaßen mit dem Klopfholz den Hintern versohlt als ich im Fluß beinahe ertrunken wäre. Sie hat mich ständig gewarnt, nicht an dieser Stelle ins Wasser zu gehen wegen dem Strudel. Ich tat‘s trotzdem. Was hat sie geschimpft! Und dabei geweint …“
„Wenn sie wüßte, was aus mir geworden ist … es ist gut, daß sie tot ist!“
„Dämonen sind wir geworden!“, grollte Ranofer und pustete fünf der Kerzen aus. „Bösartige, todbringende Dämonen! Mörder sind wir! Die kleinen unschuldigen Jungs die wir einmal waren gibt es schon lange nicht mehr! Haltet endlich euer Maul!“
„Hast du keine Großmutter?“
„Das geht dich einen Scheiß an!“
„Wo war die Kammer gleich?“
„Da hinten in der Ecke, gegenüber der Tür die man mit dem Balken verschließen kann.“
„Richtige Betten! Mit Decke und Kissen!“
„Wie bei meiner Großmutter!“
„Und wie das riecht! Diese Wäsche flatterte im Nordwind!“
„Habt ihr sie noch alle?“
„Mensch, Ranofer! Wann schliefen wir zuletzt in einem anständigen Bett? Wie lange ist das her? Auf dem harten Boden pennten wir, auf Matten! Wann rochen wir zuletzt einen guten Duft? Genossen ein wenig Nedschem, Bequemlichkeit? Hast du das alles vergessen? In der südlichen Deshret gelassen? Auf den Schlachtfeldern, wo es nach vermodernden Leichen und herausgerissenen Eingeweiden stank?“
„Arschloch!“
Ein knappes Jahr später schloß Ranofer die Tür zur Waschküche hinter sich, schaute daß Samut ordentlich gewandet war, betrachtete die Wäscherinnen daß sich nicht jemand Unbefugtes hier aufhielt, grüßte Weredji, die Imi ra Sescheru, die Vorsteherin der Wäsche, und machte sich mit dem Kameraden auf zu seinem Dienst.
„Nachtwache!“, schnaubte Samut mies gelaunt, klaubte eine Cha‘a auf, drückte die Wäscheklammer einem der Mädchen in die Hand, trabte weiter durch die Höfe des Isistempels nach vorne. „Dazu hättest du mich nicht unbedingt einteilen brauchen!“
„Du machst das, was ich sage!“
„Tju, Hauptmann.“
Ranofer packte ihn grob am Arm, blieb so abrupt stehen, daß Samut nach hinten gerissen wurde, deutete mit dem Kopf in Richtung des Wasserbeckens. Dort, im Schatten der Weinstöcke am Spalier, im letzten Licht der Abendsonne, saß ein Mädchen am Beckenrand. Offensichtlich stinksauer, ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen. Mißmutig starrte sie vor sich hin. Ihr langes offenes Haar fiel in glänzenden, schwarzen Wellen den Rücken herab, ihre Haut so hell und zart wie reinste Milch. Das Kleid hatte sie wohl wegen der Hitze bis über die Knie hochgeschoben, die langen Beine ausgestreckt. Sie war so schlank wie eine zierliche Gazelle, feingliedrig, zart. Mit einer gezierten Handbewegung griff sie sich in den Nacken, warf die glänzende schwarze Pracht ihres Haares über die linke Schulter nach vorne, flocht sich anmutig einen Zopf.
„Meine Fresse!“, zischte Ranofer Samut zu, bemerkte nicht, daß er Samuts Arm immer noch fest umklammert hielt. „Die oder keine mehr in meinem Leben!“
„Ja, klar!“, lästerte Samut, befreite sich aus Ranofers hartem Griff, machte sich auf zur Vordertür.
„Guten Abend die Dame“, grüßte Ranofer freundlich im Vorbeigehen, setzte seine schönste Miene auf, schaute sie lächelnd an, „Anch Uda Seneb!“
Allein er bekam keine Antwort. Ja noch nicht einmal einen Blick aus den milchig weißen Augen geschenkt. Samut grinste sich einen.
„Los Junge, mach!“, Samut schubste Ranofer zur Pforte und durch sie hindurch. „Die ist nicht nur blind, die ist auch noch jidji, taub! Aber hast du gesehen?“ Er hielt sich voller Entzücken die Pranken vor die Brust. „Bentut! Hat die einen Busen! Oh Mann!“
„Hast du ihr Gesicht gesehen?“, schwärmte Ranofer.
„Tju! Mit der ist nicht zu spaßen! Und erst dieser Blick! Kalt wie ein toter Fisch! Mein Fall wär sie nicht.“
„Wie eine Göttin!“
„Ja! Eine Unterweltsgöttin! Eine Fürstin der Dunkelheit!“
„Die Fürstin der Schönheit, Samut! Dieser schlanke Hals, die vollen Lippen, die zarten Hände. Dieses wundervolle Haar!“
„Aber sonst geht es dir gut? Das ist wohl ein Gast der Heilerinnen, eine Kranke. In ein paar Tagen verschwunden. Was willst du mit der? Die kann gar nichts! Sieht nichts, hört nichts … Ranofer?“
„Hm?“
„Meine Fresse!“, stöhnte Samut und verdrehte die Augen, versuchte eine einigermaßen bequeme Haltung einzunehmen, machte ein grimmiges Gesicht, damit die Fußgänger auch genau merkten, mit welch wackerem Tempelwächter sie es hier zu tun hatten.
„Sechzehn? Hm? Höchstens siebzehn, was meinst du?“, brummte Ranofer nach einer Weile von gegenüber.
„Wer?“
„Das Mädchen, du Depp!“
„Keine Ahnung. Sie könnte genausogut über zwanzig sein.“
„Ich bin viel zu groß, könnte ihr wehtun, oder?“
„Was redest du nur für einen Stuß? Sagtest du nicht, sie muß dir das Wasser reichen können? Die Stirn bieten können? Mit Versagern kannst du nichts anfangen? Die da rennt mit ihrer Stirn höchstens gegen dich und kippt dir dabei das Wasser über. “
„Niemals könnte ich ihr wehtun. Auf Händen tragen würde ich sie!“
„Ich faß es nicht!“ Schweigend betrachtete Samut die Straße, den Nil, den Sonnenuntergang drüben neben dem Gebirge, stützte sich an seinem Speer ab. „Tut gut wieder hier zu stehen, was?“
„Ja! Es war an der Zeit. Und wenn wir gewußt hätten, daß die Dame Iaret eine Große Königliche Gemahlin war, wären wir ihr anders entgegengetreten. Hätten ihr noch mehr Achtung und Ehrfurcht entgegengebracht!“
„Sie war so gütig zu uns.“
„Sie gab uns verdammt noch eins ein Heim, du Stinker! Machte uns zu Sa‘u Hat Netjer, Tempelwächtern, gab uns ein Stück unserer Würde zurück.“
„Du sagts es. Doch nun ist die Zeit der Trauer vorbei. Die Priesterinnen werden das Haus wieder öffnen. Wir werden wieder unseren gewohnten Dienst aufnehmen. Wer jetzt wohl die Herrin wird?“
„Keine Ahnung. Ich vermute die Dame Kara.“
„Wenn das mal gut geht!“
„Kein Wort über die Dame!“
„Natürlich nicht! Sie ist eine feine Frau!“
Eine Weile schwiegen sie, schauten zu, wie die letzten Boote anlegten, die letzten Fußgänger von der Straße verschwanden, die Nacht sich herabsenkte, der abnehmende Mond sein schwaches Licht herabschickte. Ranofer trat zurück in den Hof, entzündete zwei Fackeln dort an der Lampe, bedauerte daß das Mädchen nicht mehr dort saß, trat wieder hinaus, steckte die Fackeln in die Halterungen unter dem Bechenet.
„Übermorgen“, sagte er, „kommt eine große, schwere Lieferung wurde mir gesagt. Dann müssen alle auf ihrem Posten sein.“
Am Morgen betraten sie müde den Innenhof. Ranofer streckte die steifen Knochen, erstarrte, richtete sich auf, plusterte sich auf.
„Da ist sie wieder!“, raunte er Samut zu.
Tatsächlich! Sie kam anscheinend gerade aus dem Keller, vor dessen Treppe die Dame Kara wartete, schloß die Tür, kam auf Ranofer zu. Wie groß sie war! Gerade mal zwei gute Handbreit kleiner als er selbst. Schritt einher wie eine stolze Königin. Und was für ein niedliches Kleid sie trug! Es reichte ihr gerade bis unters Knie, um die wiegenden Hüften wand sich ein Gürtel, die Schulterstücke mit Spangen gerafft, so daß der Ausschnitt tief bis fast zum Ansatz ihrer schönen Brüste reichte. In ihrer Hand eine dünne, lange Weidenrute. Die gebrauchte sie wahrscheinlich, damit sie nicht irgendwo dagegen stieß. Er starrte in ihr Gesicht, bemerkte abermals die trüben, anscheinend blinden Augen, die auffällige Augenschminke, die rosigen Wangen, die roten Lippen. Und dann sah er es!
Das Bild!
Tintenschmuck!
Auf ihrer Brust, ein Stückchen über dem üppigen weißen Qabet erkannte er das mächtige Sechem! Die Eule! Die Kobra!
Sachmet!
Die Herrin der Schlacht!
Die Dame des roten Tuches!
Die Herrin der Angst! Nebet Sedau!
Die Mächtige!
Seine Göttin!
Ranofer wurde der Hals trocken!
Da schritt sie auf ihn zu! Sie! Nach der er ein Leben lang gesucht hatte.
So fühlt sich also unsterbliche Liebe an! Ich habe sie endlich gefunden. Was für eine Schönheit! Sie zu erobern würde nicht leicht werden! Ich bin bis heute noch keinem Kampf aus dem Weg gegangen! Ich will dich Schönheit! Für mich ganz alleine! Für den Rest meines Lebens! Mit dir will ich den Bund eingehen! Vor dir verblassen alle anderen! Dich liebe ich!
Es knallte!
„Wenn du nicht augenblicklich