SAMIR - Gabriele Maricic-Kaiblinger - E-Book
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Beschreibung

Samir Samir lebt wohlbehütet in einem kleinen Dorf bei Sarajewo, besucht eben begeistert sein erstes Schuljahr, als plötzlich Krieg ausbricht. Seine Eltern flüchten mit ihm nach Österreich. Hier muss Samir sich langsam eingewöhnen, was nicht immer leicht ist – doch letztendlich fühlt er sich so wohl, dass er hofft, dass seine Eltern mit ihm für immer hier bleiben. Samir tut es weh, auf einmal die Heimat, seine Großeltern und Freunde verlassen zu müssen. Er kann ganz und gar nicht begreifen, dass die Menschen plötzlich aufeinander schießen und sie flüchten müssen. Doch ein wenig ist er auch neugierig auf sein neues Leben. Vor allem freut Samir sich, als er wieder die Schule besuchen darf, denn er lernt sehr gerne. Er findet einen Freund, es gibt aber ebenso einen Mitschüler und dessen Anhänger, die immer „stänkern“ und „Zoff machen“, besonders ausländischen Mitschülern gegenüber. Bis die Lehrerin den Schülern erklärt, wie's in anderen Ländern aussieht und warum manche Leute nun hier leben und nicht mehr in ihrer früheren Heimat. Samir ist ein fleißiger Schüler, die Eltern finden mit der Zeit Arbeit und schöpfen wieder Hoffnung. Ein wenig nur, denn aus Radio und Fernsehen erfahren sie von dem Leid in ihrer Heimat und ab und zu ein Brief von den Großeltern schildert sogar ganz private Schicksale. Das dämpfte oftmals das neu gefundene Lebensgefühl. Als der Krieg aus ist, gehen viele Bekannte wieder in die Heimat zurück. Samir freut sich, dass seine Eltern weiter hier bleiben, denn er ist mittlerweile so gut in der Schule, dass er Chancen aufs Skigymnasium hat, um seinen „Traumberuf Skirennläufer“, zu verwirklichen.

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SAMIR

Samir lebt seit seiner Kindheit in Österreich. Heute ist er erwachsen, hat eben eine erfolgreiche Karriere als Skirennläufer beendet und ist nun als Trainer tätig. Seine Frau und er haben einen kleinen Sohn, Christoph. Dieser ist nun genau so alt wie er damals war, als alles begann – in einem kleinen Dorf in der Nähe von Sarajevo.

In der Heimat

Hier, in dem kleinen Dorf in Bosnien, wohnte Samir mit seinen Eltern und Großeltern. Der Vater und die Mutter seines Papas lebten in Sarajevo, der Hauptstadt, wo Samirs Vater, Lasar Asocic, als Lehrer an einer höheren Schule unterrichtete und zwar Geografie, Zeichnen und Geschichte. Auch Deutsch konnte Samirs Vater, so gut, dass er oftmals Schülern helfen konnte. Samirs Mutter Mila arbeitete halbtags als Verkäuferin im örtlichen Lebensmittelgeschäft.

Samir war im September eingeschult worden und ganz aufgeregt gewesen. Er war in eine Klasse mit nur zehn Schülern, sechs Mädchen und vier Jungen, gekommen und die Lehrerin war ganz nett und lustig. Samir war richtig enttäuscht, dass der erste Schultag nicht länger gedauert hatte. Doch wieder zu Hause, erwartete ihn eine Überraschung. Die Großeltern, Tante Mila, Onkel Novo und Cousin Petar waren aus Sarajevo gekommen, um mit ihm den Tag zu feiern. Petar war ein Jahr älter als Samir und musste ihm deshalb alles von der Schule erzählen.

„Du kannst schon rechnen?“, wollte Samir wissen.

„Ja sicher“, protzte Petar.

„Und schreiben?“

„Natürlich. Ist doch leicht.“

“Zeig’s mir.“

„Lernst du doch auch bald.“

„Ich will’s aber jetzt sehen.“

Petar schrieb ein paar Buchstaben auf, jedoch nicht, ohne dabei tief zu seufzen. Aber Samir konnte nicht genug kriegen. Er wollte mehr Buchstaben sehen und Ziffern und überhäufte seinen Cousin mit allerlei Fragen. War Petar zuerst noch stolz gewesen und hatte geprahlt mit dem, was er schon alles wusste, so ging es ihm nach einer Stunde bereits auf die Nerven.

„Lass mich in Ruh’ mit dieser doofen Schule.“

„Aber ich will doch alles wissen.“

„Du musst ja jetzt jeden Tag in die Schule. Da lernst du alles.“

„Ich will’s aber sofort wissen!“

„Geh’n wir lieber raus Fußball spielen.“

„Nein! Spiel’n wir Schule!“

„Du nervst“, sagte Petar, schnappte sich den Ball und lief hinaus.

„Petar hat recht. Du wirst noch früh genug alles lernen. Geh’ jetzt raus in die frische Luft und spiel mit ihm“, meinte nun Samirs Mutter.

Samir schmollte erst mal, schlich aber dann doch raus und rief nach Petar. Es dauerte nicht lange, da kamen ebenfalls die Nachbarskinder herüber und es wurde ein lustiger Nachmittag. Samirs Mutter rief später zu Kakao und Kuchen, den sie extra zur Feier des Tages gebacken hatte. Während die Kinder es sich schmecken ließen und ebenso die Erwachsenen bei Kaffee zusammen saßen, fing Samir so manchen Gesprächsfetzen der Großen auf. Sie sprachen über einen Krieg in Slowenien und Kroatien, aber Samir wusste nicht so genau, was Krieg eigentlich bedeutete. Er wusste, dass das etwas ist, wo Leute streiten und sich bekämpfen, aber so ganz sicher war er sich da nicht. Er wusste ebenfalls, dass Jugoslawien in Slowenien, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Montenegro und Mazedonien eingeteilt war und er in Bosnien-Herzegowina lebte, wo Sarajevo die Hauptstadt war. Das hatte Papa einmal erklärt und dass Krieg manchmal was damit zu tun hat, wenn jemand ein Stück Land zurückerobern oder wegnehmen will. Aber das hatte er überhaupt nicht verstanden. Und er hatte nicht weiter darüber nachgedacht. Er hörte auch, dass Mama sich um ihre Schwester Rada, die in Slowenien lebte, Sorgen machte. Samir konnte diese Sorge nicht ganz teilen, da er Tante Rada nur von Fotos her kannte, welche zeigten, wie sie ihn als Baby mal getragen und im Kinderwagen spazieren gefahren hatte. Also dachte er gar nicht weiter darüber nach. Und am Abend dieses aufregenden Tages sank er sowieso nur mehr müde ins Bett und schlief sofort ein.

Samir entwickelte sich zu einem eifrigen Schüler, der nicht ungeduldig wurde, wenn ein Buchstabe nicht so schnell gelingen wollte.

„Das gibt sich wieder“, tat Petar wichtig, als sie sich wieder mal sahen. „Bald geht ihm die Schule auch auf die Nerven.“

Aber dem war nicht so. Als sich zu Weihnachten - Samirs Familie war übrigens katholisch wie gleichfalls einige Schulfreunde von Samir, andere wieder waren protestantisch, was vom Glauben her nicht allzu unterschiedlich ist; die meisten jedoch moslemisch, was eine ganz andere Religion darstellte - die Familien wiederum trafen, löcherte Samir Petar abermals mit Fragen über die Schule. Petar konnte dies absolut nicht verstehen und weigerte sich, weiterhin mit seinem Cousin zu sprechen. Auch bei weiteren Besuchen begegnete er ihm mit Vorsicht und Abstand, denn Samirs Neugier verringerte sich nicht. Im Gegenteil, die Schule machte ihm immer mehr Spaß und er lernte fleißig.

Kriegsbeginn

Am Sonntag, den zwölften April 1992, besuchte Samir mit seinen Eltern die Großeltern in Sarajewo, die in Dobrinja, einem neueren Stadtviertel, wohnten.

„Ich mag lieber die alte Stadt“, greinte Samir immer wieder, wenn sie hierher kamen. Ihm wäre es lieber gewesen, die Großeltern hätten ihre Wohnung in der Altstadt. Die fand er viel interessanter. Da roch es so gut aus den kleinen Geschäften und orientalischen Cafés. Auch die Häuser hier sah Samir gerne. Großvater hatte ihm erzählt, dass hier orientalische und Architektur aus der ehemaligen „österreich-ungarischen“ Monarchie dominierten, während Neu-Sarajewo von einem modernen Baustil geprägt wurde. Ganz verstand Samir dies zwar nicht, aber er wusste, dass es ihm hier gefiel - im Stadtteil mit den Hochhäusern, in so einem Oma und Opa wohnten, aber nicht. Außerdem herrschte nirgends so buntes Treiben wie in der „alten Stadt“. Hier traf man wirklich alle Bevölkerungsschichten an, noch mehr als in dem Dorf, in dem Samir lebte. Serben, Kroaten, Orientaler wie israelische, orthodoxe, muslimische, katholische und hebräische Völker- und Religionsgruppen bereicherten die Kultur und Mentalität der Stadt, vor allem aber in der Altstadt. Großmutter erklärte ihm mal, dass Sarajevo eine halbe Million Einwohner hatte und beispielhaft war für funktionierendes friedliches Zusammenleben unterschiedlichster Völkergruppen. Hier zählt der Mensch, betonte Oma immer wieder stolz. Woher er kam und welchen Glauben er hatte, war egal. Wenn Samir auch nicht alles begriff, was seine Großeltern erzählten, er hörte ihnen auf alle Fälle sehr gerne zu und ließ sich von ihrer Begeisterung anstecken. Deshalb konnte er so gar nicht begreifen, dass jetzt plötzlich alle vom Krieg sprachen.