still-dröhnend und lichterdunkel - Gabriele Maricic-Kaiblinger - E-Book

still-dröhnend und lichterdunkel E-Book

Gabriele Maricic-Kaiblinger

4,8

Beschreibung

Geschichten für Groß und Klein rund um die "Weihnachtswunderzeit". Zum Nachdenken, Schmunzeln und Weitererzählen. Starke Kinder mit Herz, lustig-kluge Tiere, einsame Menschen und Heimatsuchende bevölkern den heiter-besinnlichen Band. "Spannungswürze" streuen die zwei Kurzkrimis, "prickelnd" führt die Silvestergeschichte in das neue Jahr.

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Heimat

heimatlos

heimatsuchend

heimatfremd

Zukunft

zukunftsängstlich

zukunftsscheu

zukunftsträchtig

Hoffnung

hoffnungsträumend

hoffnungswagend

hoffnungstragend

Inhaltsverzeichnis

Weihnachtskinderstark

Kerzen für das Christkind

Das Mädchen an der Straßenecke

Peter und der Weihnachtsmann

Der Rollstuhljunge

Sein Erlebnistraum

Weihnachtsbesinnlich

Besuch

Begegnung

Ein Heilig-Abend

Das Kind in der Krippe

Weihnachtstierisch

Gina, die zur Weihnacht kam

Fritzi, das Rehkitz

Fritzis neue Heimat

Meihnachtsherbergsfremd

Herbergsuchen – irgendwo auf dieser Welt

Neue Heimat

Eine „andere“, heutige Herbergsuche

Auf einer Parkbank

... und Weihnachten wär' doch überall ...

Heimatsuche 2015

Weihnachtskriminalistisch

Das besondere Weihnachtsgeschenk

Des Pfarrers neue Glocke

Silvesterfreudig

Es begann in der Silvesternacht

weihnachtskinderstark

Fremdes vertraut machen,

gemeinsam lachen,

ein Feuer der Freundschaft

entfachen.

Kraftvoll und doch kinderleicht

es Herz und Geist erreicht.

Kerzen für das Christkind

Miles Eltern kamen von Serbien nach Österreich, weil sie das dortige Regime nicht guthießen. Mile wuchs orthodox auf. Karl-Heinz war seit einem halben Jahr hier, kam aus Deutschland und war evangelisch. Gülistans Eltern kamen aus der Türkei. Sie selbst war hier geboren worden und unterschied sich von den anderen Kindern nur dadurch, dass sie in der islamischen Religion unterrichtet wurde. Anna war von hier und katholisch. Anna kannte Gülistan bereits vom Kindergarten her und hatte sich gleich mit ihr angefreundet. Sie zeigte sich schon früh von anderen Kulturen fasziniert. Mit Mile und Karl-Heinz, den sie Heinzi nannte, hatte Anna ebenfalls sofort Freundschaft geschlossen.

Sie alle gingen seit September in die vierte Klasse, verstanden sich gut und lernten öfters zusammen.

Jetzt stand Weihnachten vor der Tür, und da jeder eine andere Konfession hatte, wurde heiß diskutiert.

„Wir drei“, erklärte Anna, „haben eigentlich den gleichen Glauben. Wir sind alle Christen. Nur Gülistan hat einen anderen Glauben.“

Wie gesagt, Anna interessierte sich schon immer für das, was anders war, erkundigte sich über alles, gab ihr Wissen gern weiter und wirkte dadurch oftmals etwas altklug – oder auch etwas mehr.

„Ja, und sie darf kein Weihnachten feiern“, meinte Heinzi und blickte Gülistan mitleidsvoll an.

Diese antwortete jedoch: „Aber dafür hatten wir letzten Monat den kleinen Bairam.“

„Was ist das?“ Mile wollte es genauer wissen.

„Der kleine Bairam beendet als 'Fest des Fastenbrechens' den Fastenmonat Ramadan. Man schenkt sich Süßigkeiten, deshalb heißt es auch Zuckerfest.“ Das war natürlich Anna. Als langjährige Freundin von Gülistan war sie öfters zu diesem Fest eingeladen worden.

„Ja und da bei uns nach Mondmonaten gerechnet wird, ist es jedes Jahr zu einer anderen Zeit und es dauert drei Tage“, erklärte Gülistan stolz.

„Wir feiern den Heiligen Abend erst am 6. Jänner“, sagte Mile.

„Ja, aber sonst feiert ihr wie wir. Überhaupt haben wir katholische Christen mit den orthodoxen am meisten gemeinsam, mehr als mit den evangelischen.“ Anna wusste selbstverständlich gleichfalls hier genauestens Bescheid.

„Fast“, entgegnete Mile. „Wir haben vor der Kirche einen Blätterbaum, von dem jeder ein Ästchen abbrechen darf und am 7. gibt’s zu Hause Spanferkel.“ Mile leckte sich bei dem Gedanken die Lippen.

„Wir feiern Weihnachten auch wie ihr.“ Heinzi glaubte, sich verteidigen zu müssen.

„Aber die Messfeier gestaltet ihr ein bisschen anders.“ Anna wusste einfach alles besser. Überhaupt führte sie wieder das große Wort. „Ich habe viel gelesen und mir ist aufgefallen, dass es im Stall, in dem Jesus geboren wurde, dunkel gewesen sein muss.“

„Das glaub’ ich nicht“, erwiderte Mile, „da waren ja der Komet und viele Sterne und haben alles erleuchtet.“

„Ja, aber die haben draußen geleuchtet.“

„Es war ein besonderes Licht und so kräftig, dass es bis in den Stall hineindrang.“

„Trotzdem.“ Anna schüttelte den Kopf. Sie redete und redete und überzeugte schließlich die anderen, dass es im Stall dunkel gewesen sein musste. Und dann malten sie sich aus, wie das wäre, wenn sie die Möglichkeit hätten, dem Jesuskind ein Kerze zu bringen.

„Ich könnte da nicht mit“, meinte Gülistan.

„Wieso nicht, ihr glaubt doch an Jesus?“, fragte Anna.

„Ja, aber nicht als Sohn Gottes, sondern als Prophet.“

Für Anna stellte dies kein Problem dar. „Ist doch egal. Dann schenkst du eben dem Propheten eine Kerze.“

Das leuchtete Gülistan ein. Für Kinder, die keine Vorurteile hegten, war eben alles einfach und sie fanden immer einen Weg.

„Ich habe gehört, dass es vielleicht eine Höhle und kein Stall war“, warf nun Heinzi ein. „Habe ich ebenso gehört“, antwortete die kluge Anna, „aber ich glaube es nicht so recht und wenn es doch stimmt, dann bringen wir die Kerze eben in die Höhle – da muss es ja sowieso noch viel dunkler gewesen sein, durch Stein dringt sicher kein Licht.“

So redeten sie noch eine Weile hin und her und ließen ihrer Fantasie freien Lauf. Und da in der Heiligen Nacht Wunder wahr werden, geschah es: Die Kinder gingen zusammen zur Kindermette. Mile, nachdem er den Eltern versprochen hatte, mit ihnen am 6. Jänner in der Landeshauptstadt zur Messe zu gehen. Heinzi, der seinen Eltern beteuern musste, sich nicht allzu viel von den Katholiken anzueignen. Gülistan hatte ihre Eltern lieber erst gar nicht gefragt. In der Manteltasche hatte jeder eine kleine Kerze mit, die wollten sie dem Jesuskind nach der Messfeier in die Krippe, die in der Kirche aufgestellt war, legen, um zumindest symbolisch ein Licht zu bringen. Natürlich würden sie die Kerzen in der Krippe nicht anzünden, das war zu gefährlich, obwohl Anna trotzdem – nur zur Sicherheit, falls es doch irgendwie möglich sein sollte – Zündhölzer mitgebracht hatte. Doch der große Krippenberg mit Stall, der Heiligen Familie, den Hirten und allem Drum und Dran war hinter einer Absperrung und sie getrauten sich nicht, drüberzugreifen und die Kerzen dazuzulegen. Und wie sie noch so schauten und überlegten, standen sie plötzlich vor einem ärmlich gekleideten Mann, der neben einer sitzenden Frau mit einem Baby auf dem Schoß stand. Die Kinder standen mit offenen Mündern da, als sie merkten, wo sie da waren.

„Wie ist das möglich?“, flüsterte Heinzi.

„Ist doch egal, Hauptsache, es ist so“, antwortete Anna, die sich als Erste wieder gefasst hatte.

„Weil wir es fest gewünscht haben“, sagte Mile. Nur Gülistan meinte nichts dazu, sie kam aus dem Staunen nicht heraus. Erst als das Baby die vier Kinder anlächelte und gluckste, da erinnerten sie sich, warum sie hier waren, holten ihre Kerzen aus den Taschen, entfachten sie und stellten sie vor das Jesuskind hin. Als dies geschehen war, fanden sie sich auf einmal in der Kirche wieder. Sie griffen in die Taschen, um sich zu vergewissern, dass dies nicht nur ein Traum gewesen war. Die Kerzen waren weg.

„Ich ... ich muss es meinen Eltern erzählen.“ Gülistan hatte ihre Sprache wiedergefunden, „das war wirklich ein Wunder und ich durfte es auch erleben.“

„Ja, denn es gibt nur einen Gott für uns alle und vor ihm sind wir alle gleich.“ Wie gesagt, Anna gab sich manchmal etwas altklug. Oder auch etwas mehr.

Überwältigt von ihrem Erlebnis gingen die Kinder schweigend nach Hause. Nur, ob es ein Stall oder eine Höhle gewesen war, darauf hatte keiner geachtet.

Kerzenschein lichterhell

Das Mädchen an der Straßenecke

Schneeflocken fielen dicht und bedeckten die Straßen der Altstadt. Weihnachtsmusik klang aus den festlich geschmückten Geschäften. Menschen mit vollgepackten Taschen liefen emsig auf und ab. Weihnachtsmänner verteilten Süßigkeiten an Kinder.

Das kleine Mädchen saß an einer Straßenecke und zog das dünne Jäckchen noch enger an sich. Doch es wurde nicht wärmer. Sie verschränkte die Arme vor sich und grub die Hände unter die Achseln, damit sie ihr nicht abfroren.

Carina und Markus gingen die Straße entlang und besahen sich die Auslagen mit Spielwaren. „Also, ich wünsche mir heuer zu Weihnachten einen Computer“, erzählte der elfjährige Markus.

„Mit Kinderkram brauchen die mir gar nicht kommen.“

„Haben deine Eltern so viel Geld?“, fragte Carina, nur ein Jahr jünger als Markus.

„Och ... `s gibt ja Computer in verschiedenen Preisklassen.“

„Ja, so ein Computer wär’ schon was. Aber den brauch' ich mir gar nicht wünschen. Ich brauche nämlich heuer neue Ski und Skischuhe. Meine Mama hat gesagt, das wär’ schon teuer genug.“

„Ach, das bekomm’ ich sowieso, brauchen wir ja schon von der Schule aus.“

„Hey, schau, die tolle Manga-Puppe. Ob ich’s doch versuche und mir noch was wünsche?“

So schauend und überlegend gingen sie also dahin, bis Markus beinah' über das kleine Mädchen gestolpert wäre. „Wer ist denn die da? Hockt da so rum, dass man drüber fliegt.“

„He du, was hockst du da mitten auf der Straße?!“, fuhr er sie an und stupste sie kurz mit dem Fuß.

„Lass sie doch ...“, sagte Carina und versuchte, Markus weiterzuziehen.

„Nein, ich will jetzt wissen, was die da tut.“

„Schau da, der Zettel.“ Carina bückte sich und sah, was auf dem Zettel stand, den das Mädchen in der Hand hielt. Markus tat es ihr gleich.

„Bin arm. Meine Mutter krank und kein Geld. Bitte helfen.“

„Die will wohl Geld“, entfuhr es Markus.

„Na, wenn sie doch so arm ist“, antwortete Carina.

„Glaub ich nicht. Würdest du dich das trauen?“

„He“, sagte Markus und stupste sie mit dem Finger kurz an, „bist du wirklich so arm oder willst du nur absahnen?“

Das Mädchen antwortete nichts, sondern verschränkte die Arme nur noch fester um ihren Körper.

„Der ist kalt“, meinte Carina.

„Warum antwortet sie mir nicht?“

„Vielleicht versteht sie dich nicht.“

„Pflanzen will die mich. Gehen wir weiter.“

Carina zögerte, dann legte sie dem Mädchen schnell zwei Euro in den Schoß.

„Spinnst du?“, war Markus’ Kommentar dazu.

Carina und Markus bogen in eine andere Straße ab, besahen sich noch einige Schaufenster und gingen danach nach Hause. Sie wohnten beide im selben Wohnblock, die Wohnungen ihrer Familien lagen sogar nebeneinander. Deshalb waren sie ja so gute Freunde.

Als Carina am nächsten Morgen aufwachte, war plötzlich das Mädchen wieder in ihrem Kopf. Auch in der Schule musste sie an sie denken. In der Pause erzählte sie dies Markus.

„Du, mir geht dieses Mädchen überhaupt nicht mehr aus dem Kopf.“

„Welches Mädchen?“

„Na, die an der Straßenecke.“

„Ach die ...“

„Meinst du ... sie sitzt heut’ wieder dort?“

„Pff ...“, machte Markus und zuckte die Schultern.

Aber er ging dann doch mit, als Carina ihn am Nachmittag – nach den Hausaufgaben – abholte.

Und sie saß wiederum da. Am gleichen Platz, in der gleichen dünnen Jacke.

„Du, sie tut mir so leid. Sie muss doch schrecklich frieren … das ist doch schlimm“, flüsterte Carina Markus zu.

„Was hockt sie denn auch da herum ...“

„Könnten wir ihr nicht helfen?“

„Wie denn ...?“

„Weiß nicht.“

„Eben.“

„Vielleicht sollten wir unsere Eltern fragen?“ Markus zuckte abermals nur die Schultern.

Beim Abendessen setzte Carina ihre Idee in die Tat um und erzählte ihren Eltern von dem Mädchen. Die überlegten erst eine Weile, dann entschlossen sie sich, Markus’ Eltern auf einen Kaffee rüberzuholen und mit ihnen zu sprechen. Markus hatte noch nichts erzählt.

„Also, ich würde da vorsichtig sein“, meinte Markus’ Vater. „Es gibt da richtig organisierte Verbrecherringe. Erwachsene schicken Kinder zum Betteln, die erregen nämlich am meisten Mitleid. Am Abend müssen sie dann alles abgeben.“

„Wer schickt die Kinder? Ihre eigenen Eltern?“, fragte Carinas Vater.

„Nein. Bandenführer, Bosse oder wie immer sie genannt werden. Die suchen sich Kinder, die keine Eltern mehr haben, Straßenkinder oder Ausreißer. Erst tun sie so, als böten sie ihnen ein Zuhause an. Tja und kaum haben die Kinder ein bisschen Vertrauen gefasst, dann schicken sie sie zum Betteln. Dafür bekommen sie Essen und einen Schlafplatz, mehr wahrscheinlich sowieso nicht. Ich habe davon mal was im Fernsehen gesehen“, führte Carinas Mutter das Wort fort.

„Es gibt aber außerdem ganze Familien, die in so einem, sagen wir mal Ring, dabei sind. Aus Armut“, fügte Markus' Vater noch an.

„Eine dünne Jäcke ...“, sagte da Carina leise.

„Was?“, fragten alle zusammen.

„Ja, sie hat eine viel zu dünne Jacke an. Bei der Kälte ...“

Beide Elternpaare sahen sich betroffen an.

Als Carina am nächsten Tag von der Schule heimkam, fragte ihre Mutter: „Sag mal, wie alt ist denn das Mädchen und wie groß?“

„Weiß nicht. Sitzt ja immer. Schätze sie ein bisschen jünger als mich.“

„Na, dann passt ihr der vielleicht.“

Sie hielt Carina einen Mantel hin, aus dem sie schon rausgewachsen war.

„Den hast du nur einen Winter getragen. Ist noch gut erhalten.“

„Und warm“, ergänzte Carina und hatte es plötzlich eilig, zu essen und dann zu dem Mädchen zu gehen. Ausnahmsweise vor den Hausaufgaben.

„Hier, probier mal.“ Carina hielt dem Mädchen den Mantel hin. Das Mädchen blickte verwundert und zugleich ängstlich auf.

„Ist wirklich für dich, wenn er passt. Ein Geschenk.“

Zaghaft stand das Mädchen auf und griff nach dem Mantel. Carina half ihr hinein. Er passte.

Das heißt, mit ein paar Kilo mehr würde er noch besser passen. Die Augen des Mädchens leuchteten plötzlich. Doch dann sah sie Carina fragend an.

„Ja doch, ja. Du darfst ihn behalten.“

Das Mädchen ließ den Mantel gleich an und setzte sich wieder.

„Wo wohnst du eigentlich?“, fragte Carina. Sie erhielt keine Antwort.

„Wirst du ... wirst du gezwungen, hier zu sitzen?“

Das Mädchen schüttelte heftig verneinend den Kopf. Na, wenigstens versteht sie mich, dachte Carina. Aber soviel sie noch fragte, sie brachte nichts mehr aus dem Mädchen heraus.