Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Sie ist die eine, die er nicht lieben darf
Nach dem Unfall ihrer kleinen Schwester hat Sloane Tresscott für ihr letztes Schuljahr einen festen Plan: für Casey da sein, ein Stipendium fürs College kriegen und die Finger von Jungs lassen. Ihre guten Vorsätze geraten allerdings schnell ins Wanken, als sie den geheimnisvollen Neuen auf dem Gelände der Sandover Prep trifft: RJ ist ein Einzelgänger und hat eigentlich vor, die Schule möglichst schnell wieder zu verlassen. Doch er ist sofort fasziniert von Sloane und will sie für sich gewinnen. Allerdings gibt es ein Problem: Sie ist die Tochter des Direktors und damit absolut tabu!
»Wunderbare Charaktere, großartige Dialoge und eine verbotene Liebe - ich liebe dieses Buch!« THE ESCAPIST BOOK BLOG
Band 1 der Sandover-Prep-Reihe von Bestseller-Autorin Elle Kennedy
Das Hörbuch können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Zeit:13 Std. 54 min
Sprecher:Emilia SchwarzfeldStefan KrombachLennart HillmannYannick ForstenhäuslerDan DavidTitel
Zu diesem Buch
Leser:innenhinweis
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
Epilog
Die Autorin
Die Romane von Elle Kennedy bei LYX
Impressum
ELLE KENNEDY
Sandover Prep
DER AUSSENSEITER
Roman
Ins Deutsche übertragen von Silvia Gleißner
Nach dem Unfall ihrer kleinen Schwester will Sloane Tresscott ihr Leben ändern. Ihr Plan fürs neue Schuljahr – ihr letztes – lautet daher: für Casey da sein, sich darauf konzentrieren, ein Stipendium fürs College zu kriegen, und die Finger von Jungs lassen. Ihre guten Vorsätze geraten allerdings schnell ins Wanken, als sie beim Lauftraining auf dem Gelände der Sandover Prep einen neuen Schüler trifft: RJ Shaw. RJ ist ein Einzelgänger und könnte nicht genervter sein, denn er soll sein letztes Schuljahr zusammen mit seinem neuen Stiefbruder Fennelly auf dem elitären Internat verbringen. Doch statt sich einzuleben und Fenns Clique kennenzulernen, tut RJ alles, um an der Sandover Prep nicht anzukommen, und macht sich eine Menge Feinde. Erst als er Sloane trifft, die ihn mit ihrer scharfen Zunge und dem Verhalten einer Eisprinzessin sofort fasziniert, senkt RJ seine Schutzschilde. Aber Sloane ist die Eine, die er sich direkt wieder aus dem Kopf schlagen sollte – denn sie ist die Tochter des Schuldirektors und absolut tabu …
Liebe Leser:innen,
dieses Buch enthält neben expliziten Szenen und derber Wortwahl auch Elemente, die potenziell triggern können.
Deshalb findet ihr hier eine Triggerwarnung.
Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!
Wir wünschen uns für euch alle das bestmögliche Leseerlebnis,
Euer LYX-Verlag
»Iss auf, Kumpel. Ich werde heiraten.«
Das waren die ersten Worte aus Moms Mund, als ich heute früh in die Küche kam. Selbstredend, dass ich davon ausging, ich würde noch träumen. Das war nicht wirklich meine Mutter, die da am Herd stand, Pancakes machte und dabei beiläufig von ihrer spontanen Eheschließung redete. Offensichtlich steckte ich noch in einem dieser komischen Träume fest, in denen nichts einen Sinn ergab.
Aber nein, ich war wach. Wach und offenbar mitten in Moms Midlife-Crisis geraten. Ich wusste ja, dass sie seit ein paar Monaten mit einem neuen Typen ausging, aber groß Gedanken hatte ich mir darüber nicht gemacht. Die Beziehungen meiner Mutter halten nie lange.
Doch kaum acht Stunden später bin ich hier, in einem schlecht sitzenden Smoking, und schiebe lustlos Lachsbrocken auf meinem Teller hin und her, neben einem ähnlich überrumpelten Fremden, den ich jetzt wohl Stiefbruder nennen soll.
In der Zwischenzeit sind unsere jeweiligen angeblich Erwachsenen dabei, sich gegenseitig auf der Tanzfläche zu befummeln, und das auch noch zu einem grausamen R&B-Slow-Jam aus den Neunzigerjahren – Stoff für Albträume.
Kann mir bitte jemand eins mit einem Vorschlaghammer verpassen?
»Vielleicht war es ja der Fisch«, meint Fennelly neben mir, leicht grün im Gesicht, »aber so langsam fühle ich mich, als wäre etwas in meinen Bauch gekrochen und dort gestorben.«
Oder vielleicht liegt es daran, dass sein Dad die Hände überall an meiner Mutter hat, und das vor einem ganzen Saal voller Serviceleute, die für Mindestlohn arbeiten und zu wenig Trinkgeld für den Mist bekommen.
»Wenn die Apokalypse kommt«, brumme ich angesichts meiner eigenen langsamen und schmerzvollen Folter, »und irgendein Typ mit Baseballschläger über mir steht und mich fragt, ob ich noch irgendwelche letzten Worte habe, bevor ich vor meinen Schöpfer trete, werde ich ihm sagen, dass ich der Finsternis ins Gesicht gestarrt habe und Angst keine Macht mehr über mich hat.«
Fenn grinst und kippt noch ein Glas Champagner, als hätte er das Zeug schon mit der Muttermilch eingesogen. Man sollte ihm einen Schlauch geben. Oder eine Infusion legen.
Ich bin noch unschlüssig, was ich von ihm halten soll. Wir sind uns erst vor einer Stunde zum ersten Mal begegnet, als wir links und rechts vom Gang zum Altar standen, während unsere Eltern vor einem ansonsten leeren Saal ihre Gelübde sprachen. Ich versuche immer noch, den hübschen Blondie einzuordnen, in dessen Tasche sich der Umriss eines Flachmanns abzeichnet.
Sein Name ist Fennelly Bishop. Ein echt bescheuerter Name, aber andererseits muss ich gerade reden. Genau wie ich rebelliert auch er gegen seinen Namen und hat mir gesagt, ich solle ihn Fenn nennen. Ich vermute, dass er Sportler ist, oder zumindest gut in Sport, denn er hat diesen hochgewachsenen, muskulösen Körperbau, der nicht so aussieht, als käme er vom Fitnessstudio. Obwohl ich ja vermute, dass er auch einen superteuren Personal Trainer auf Abruf für sich haben könnte. So einen kräftigen Typen, der in sein riesiges Herrenhaus kommt und zweihunderttausend Dollar im Jahr kassiert, damit er den blauäugigen reichen Knaben in Topform hält. Fenn und sein Dad sind Leute mit Geld. Das merkt man ihnen an. Daran, wie er seinen kleinen Finger abspreizt und sich breitbeinig auf seinem Stuhl zurücklehnt, als seien wir alle hier, um ihn zu bedienen und mit unseren drolligen bäuerlichen Talenten zu amüsieren.
»Wenn ich mal meine Memoiren schreibe«, meint er und löst die Fliege um seinen Hals, »werde ich mich an heute als den Tag erinnern, an dem ich lernte, was das Gegenteil von Porno ist.«
Ich lache leise. Der Typ ist witzig, das muss ich ihm lassen.
Fenn braucht kaum sein leeres Glas zu heben, und schon kommt einer von dem halben Dutzend Serviceleute im Smoking aus dem Schatten dieses protzigen Ballsaals im Country Club heran, um ihm nachzufüllen. Das hier ist so ein Ort, an dem das Silberbesteck auch tatsächlich aus Silber ist. Jemand eilt eilig herbei und bietet ihm an, einzuschenken, aber Fenn schnappt sich stattdessen die ganze Flasche. Ein Teil von mir fragt sich, ob ich hier wohl durch einen Metalldetektor muss, wenn ich gehe. Der Country Club ist in Greenwich, offenbar nicht allzu weit von Davids Anwesen entfernt, und angesichts der beträchtlichen Mitgliedsbeiträge dieses Clubs nehme ich an, dass es sich dabei um einen richtigen Palast handelt. Wir sind Welten entfernt von den Vorstädten der unteren Mittelklasse am anderen Ende des Bundesstaates, wo Mom und ich leben.
»Siehst du die Kleine da drüben? Die hat ein Auge auf dich geworfen.« Fenn nickt über meine Schulter hinweg.
Niemand hat je behauptet, ich wäre höflich, also drehe ich mich um und folge seinem Blick. Eine kleine Brünette in Servicekluft wirft mir ein kokettes Lächeln zu und zieht dann eine Augenbraue hoch.
Ich drehe mich wieder um. »Nein, danke«, meine ich.
»Ich weiß nicht, Mann.« Fenn legt anerkennend den Kopf schief. »Sie ist schon irgendwie niedlich. Ich glaube nicht, dass es groß auffallen würde, wenn du mit ihr im Cart-Häuschen oder so verschwindest.«
Das Letzte, was ich jetzt im Sinn habe, ist Sex. Ich werde Wochen brauchen, um den Tanzflächen-Vertikalsex unserer Eltern, der da gerade meinen Sehnerv attackiert, ungesehen zu machen. Fenn kann wohl meine Gedanken lesen, denn er grinst und drückt mir ein herrenloses Glas mit irgendwas darin in die Hand.
»Ja.« Er schüttelt den Kopf. »Weder die Zeit noch der Ort. Wäre irgendwie so, als würde ich mir einen runterholen, obwohl ich weiß, dass mein Dad im Zimmer nebenan ist. Dann kriegt man ihn nicht hoch. Fühlt sich nicht richtig an, oder?«
Der Typ ist viel zu mitteilsam.
»Glücklicherweise«, fährt er schulterzuckend fort, »ist er nicht oft da.«
Meine Mom winkt uns von der Tanzfläche aus zu. Doch dann packt Fenns Dad sie über ihrem weißen Satinkleid am Hintern, und prompt vergisst sie unsere Existenz. Er drückt herzhaft ihren Po, und ich muss beinahe kotzen. Was Hochzeiten angeht, ist diese hier eine unauffällige Angelegenheit. Es gibt mehr Serviceleute als Gäste. Nur wir vier, alle aufgebrezelt für diese gemütliche kleine Übung in psychologischer Kriegsführung.
»Das tut echt weh«, stöhne ich in das Glas mit irgendwas darin, das nach nichts schmeckt. »Es ist, als würde man sich im Fernsehen eine Sex-Szene ansehen und dabei neben seinen Eltern sitzen.«
»Nein, es ist, als würde man seine Eltern in einer Sex-Szene im Fernsehen sehen und dabei neben seinen Eltern sitzen.« Fenn ist eindeutig angewidert, aber zugleich seltsam fasziniert, denn er kann nicht wegsehen. Er spült den Gedanken mit einem großen Schluck Champagner hinunter.
»Ich bin beschämt und angewidert von mir selbst.«
Fenn schiebt mir als Akt der Gnade die Flasche hin. »Hier, Mann. Es ist nie zu früh, problematische Bewältigungsmechanismen zu entwickeln.«
Ich hebe die schwere Flasche an die Lippen. »Prost.«
Die Sache mit teurem Champagner ist die – er trinkt sich schnell. Ich merke kaum, wie Fenn die leere Flasche wegschiebt und sich eine zweite greift. Unsere Eltern reiben sich weiter in Zeitlupe zu einem peinlichen Retro-Soundtrack aneinander, und die ganze Zeit über hängt der sadistische DJ am Handy auf Twitter, ohne unsere Qual zu bemerken.
»Das Ganze ist schon schräg, oder?« Fenn beschäftigt sich gerade damit, deformierte Origamifiguren aus einer bestickten Stoffserviette zu machen. »Ich meine, falls die zwei genau jetzt sterben würden. Angenommen, den beiden würde gnädigerweise ein Kronleuchter auf den Kopf fallen, während wir hier sitzen. Und dann fliegt eine Glasscherbe durch den Saal, schlitzt mir die Aorta auf, und ich verblute fast, bevor ich ins Koma falle – dann müsstest du von Rechts wegen entscheiden, wann mir der Stecker gezogen wird.«
»Wovon zum Henker redest du da?«
Der Typ ext eine Flasche Champagner und hält sich für Nietzsche.
»Ich will damit sagen, dass das eine Menge Verantwortung ist. Eine Familie zu sein. Was wissen wir denn schon voneinander?« Er verstummt und mustert mich lange grübelnd, bis mir mulmig wird und ich mich abwende. Betrunkene sind für plötzliche Ausbrüche bekannt. »Ich habe deinen Namen schon wieder vergessen«, sagt er dann zu seinem eigenen Erstaunen. »Oh Mist, ich habe ihn tatsächlich vergessen.«
Daraufhin muss ich unwillkürlich grinsen. »RJ«, helfe ich ihm auf die Sprünge, und da kommt schon wieder so ein langsamer Song. Himmel noch mal. Es reicht. Ich will diesen DJ umbringen. Der macht das doch mit Absicht.
»Ist das eine Abkürzung für irgendwas?«, fragt Fenn.
»Du meinst, ob meine Eltern einfach ihre Lieblingsbuchstaben im Alphabet genommen haben, während der Arzt mich kopfüber am Fuß in der Luft hat hängen lassen?«
»Haben sie?«
»Nein. Das ist kurz für Remington John.« Ich hole mein Handy heraus und decke den Bildschirm ein wenig ab, als ich ein MacBook im WLAN finde. Nennt es einen begründeten Verdacht, aber ich schätze, das Gerät mit dem Namen »Grandmaster Gash« gehört zu dem Handlanger mit Kopfhörern, der sich um die Musik kümmert.
»Remington John?« Fenn schnaubt lautstark. »Wie proletarisch«, bemerkt er, wobei so ein Reicher-Junge-Unterton mitschwingt.
Abgelenkt öffne ich im Hintergrund Spotify und versuche mich daran zu erinnern, worüber wir gerade reden. »Mein Dad fand in den Achtzigerjahren David Carradine toll. Keine Ahnung. Aus welchem Musical stammt denn der Name Fennelly?«
Er zuckt unbekümmert mit den Schultern. »Mein Dad würde wahrscheinlich sagen, es sei ein alter Familienname. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass meine Mom ihn aus einem Baby-Blog hatte.«
Gerade läuft eine besonders glühende Version von Chris Isaacs »Wicked Game«, als ganz plötzlich Weird Al aus dem Audiosystem dröhnt.
Der DJ zieht hastig seinen Kopfhörer ab und fällt fast vom Hocker, während er versucht, herauszufinden, wieso er sein Playback nicht mehr unter Kontrolle hat.
»Was zur Hölle ist denn jetzt los?« Fenn wirft einen Blick zu mir und dann zu meinem Handy. »Warst du das?«
Ich verdrehe die Augen. »Schön wär’s. Ich checke hier nur Textnachrichten.«
Ich trenne die WLAN-Verbindung, stecke mein Handy zurück in die Tasche und lasse den DJ wieder die Kontrolle übernehmen, während Mom und David zu uns geschlendert kommen. Verschwitzt, grinsend und ohne jede Reue über ihr Verhalten.
»Zeit, den Kuchen anzuschneiden, findet ihr nicht?« Moms Lächeln ist aufrichtig und freudig, und mein bitterer Sarkasmus über die krasse Wendung in unserem Leben bekommt Risse. Dann bemerkt sie die zwei leeren Champagnerflaschen auf dem Tisch und sieht mich stirnrunzelnd an.
Ich antworte mit einem gleichgültigen Schulterzucken. Ist mir echt egal. Ich meine, großer Gott, sie hätten wirklich Schmerzmittel als Partygeschenke ausgeben müssen. Die Darbietung auf der Tanzfläche allein war schon so etwas wie Waterboarding durch den KGB.
»Du hattest recht.« David, das neue, voll bewegliche Scheckbuch meiner Mutter, nimmt den Scotch mit Eis entgegen, der ihm von einem pflichtbewussten Kellner gereicht wird, und trinkt einen schnellen Schluck. »Wir hätten uns besser eine Band gönnen sollen.«
»Noch nicht zu spät, die Party nach hinten in den Jet zu verlegen und nach Vegas zu fliegen«, meint Fenn mit spöttischem Unterton.
Mir entgeht nicht, dass er den Jet sagt. Nicht »einen« Jet im Sinne von irgendeinem Jet. Sondern DEN Jet, was andeutet, dass die Bishops ihr eigenes Privatflugzeug besitzen. Was ist das für eine Welt, und wie bin ich hier gelandet?
Als Fenn seine leere Flasche hebt, um zu signalisieren, dass er noch eine will, winkt sein Dad dem Kellner ab. Fenn macht schmale Augen. »Was denn, ich dachte wir feiern?«
David wirft seinem Sohn einen kurzen Blick zu. »Ich glaube, du hast vielleicht schon genug gefeiert.«
»Ich gehe mir mal kurz die Nase pudern«, meint Mom. Sie kommt einen Schritt näher, um mir einen Fussel vom Revers meines Smokings zu streifen, und mustert mich einen Moment zu lange mit glasigen Augen. Ich hasse es, wenn sie sentimental wird. Nicht mein Ding. Vor allem dann, wenn ich ihren flüchtigen Anwandlungen hemmungsloser Sorge ausgesetzt bin. »Ihr Jungs benehmt euch, so lange ich weg bin.«
Oh nein. Uns jetzt kollektiv als ihre Jungs zu bezeichnen, ist meine Grenze.
Als sie weg ist, bleibt David unbeholfen bei uns stehen und schaut erst auf seine Uhr und dann auf sein Handy. Danach sieht er sich im Saal um, als suche er nach etwas, das dringend seine Aufmerksamkeit erfordert, aber so viel Glück hat er nicht. Er steckt hier fest mit uns, diesen zwei desillusionierten Jugendlichen, die darauf warten, dass er abhaut, damit sie noch eine Flasche Champagner leermachen können.
»Also …« Oh Mann, der ist echt am Schwimmen. Langsam wird das Ganze für uns alle peinlich. »Ihr zwei kommt miteinander klar? Lernt euch kennen?«
»Lernt ihr zwei euch auch gerade kennen?«, kontert Fenn.
Ich habe das Gefühl, mich verhört zu haben, als ich seinen giftigen Tonfall höre. Die letzten paar Stunden über war Fenn lässig und ein ungezwungener Gesprächspartner. Aber vielleicht sind die lockere Haltung und das kurze Grinsen nur für Leute reserviert, die nicht sein Vater sind.
Sein Dad hüstelt und richtet die Knöpfe an seinem Smoking. »Ja, nun. Ich weiß, das kam etwas plötzlich …«
»Heftiger Durchfall ist plötzlich«, fällt ihm Fenn ins Wort, und seine hellblauen Augen werden eisig. »Du hattest genug Zeit, um Blumengestecke zu bestellen. Was bedeutet, dass du auch genug Zeit hattest, um zur Vernunft zu kommen.« Er wirft mir einen kurzen Blick zu. »Nichts für ungut.«
Ich zucke lediglich mit den Schultern. Hey, Mann. Ich bin nur ein unglückseliger Zuschauer dieses Tornados.
»Hör mal, Fennelly. Ich verstehe ja …«
»Ich bin hier, okay?« Fenn fertigt seinen Dad mit ausdrucksloser Miene und wegwerfendem Tonfall ab, und jetzt habe ich das Gefühl, dass ich bei irgendeinem Mist störe, den die beiden unter sich klären müssten. »Lass uns nicht so tun, als wäre das alles hier kein egoistisches Riesenchaos.«
Das Gesicht seines Dads wird hart, sein Körper spannt sich an. Die Ähnlichkeit mit seinem Sohn ist frappierend. Sie haben den gleichen Körperbau, die gleichen eisblauen Augen und das gleiche sandblonde Haar. Und David ist einer von diesen Typen, die kaum altern. Er könnte wahrscheinlich als Fenns älterer Bruder durchgehen. So wie die Leute immer meine Mom, mit ihrem dunklen Haar und der makellosen Haut, für meine ältere Schwester halten.
»Fennelly«, seufzt David. »Könntest du es bitte versuchen, hm? Nur ein wenig? Nur noch ein paar Stunden.«
Fenn holt sein Handy heraus und scrollt durch seine Nachrichten. »Meinetwegen.«
Davids Aufmerksamkeit richtet sich auf mich. Keine Ahnung, ob er nach Mitgefühl oder Solidarität sucht, aber als ich ihm keins von beidem biete, beißt er die Zähne zusammen und verschwindet, um nach dem Kuchen zu sehen.
Ich weiß noch nicht, was ich von David Bishop halten soll. Was erste Eindrücke angeht, ist das hier nicht gerade ein berauschender Anfang. Bis vor ein paar Stunden hatte ich mir noch kaum Gedanken über ihn gemacht. Er war nur zufällig der neue Typ, mit dem meine Mutter ausging und den ich nie zu treffen erwartet hatte. Bevor Mom mir plötzlich ein Paar Manschettenknöpfe aus dem Kaufhaus in die Hand gedrückt hat, hatte ich keinen Grund zu glauben, dieser Typ wäre irgendwie anders als die Litanei anderer kurzer, aber intensiver Beziehungen, die Mom in schneller Abfolge aufgebaut und wieder verloren hatte. Ich habe schon längst aufgehört, den Überblick oder auch nur die Namen im Gedächtnis zu behalten.
»Tut mir leid«, meint Fenn. »Ich schätze, das war peinlich.«
So, schätzt er? Ich schnaube hörbar. »Also, ihr zwei steht euch echt nahe.«
»Alter. Es gibt kein deutlicheres ›Habe ganz vergessen, dass du noch hier bist‹, als um vier Uhr den Jet für eine um sechs stattfindende Hochzeit zu schicken. Und dazu einen Schneider mit einer verdammten Nähmaschine, der mir in dreißigtausend Fuß Höhe die Hose gesäumt hat.«
»Krass.« Ich atme hörbar aus. »Ich würde ja fragen, welche Absichten dein Dad so bei meiner Mutter hat, aber ich vermute, das haben wir übersprungen und sind jetzt direkt bei: Willst du das Bett oben oder das unten?«
»Oh, Mist«, meint er und würgt irgendwie trocken vor Ekel. »Mir ist gerade klar geworden, dass deine Mom wahrscheinlich Flugbegleiterin in diesem Flieger war. Wahrscheinlich habe ich mir in derselben Toilette einen runtergeholt, in der sie es miteinander getrieben haben.«
»Herrgott, Bishop. Behalte deine Traumata für dich, ja?«
Nach dieser gottverdammten Hochzeit werde ich einen Therapeuten brauchen.
Fenn trinkt einen Schluck aus seinem Flachmann. »Also, was treibst du?«
»Was ich treibe?«
»Klar. Was machst du so? Was machst du, wenn du nicht gerade auf eine Zwangshochzeit entführt wirst?«
»Mach keine Witze.« Falls meine Mutter mir erzählt, dass sie schwanger ist, steige ich in einen Zug zur Westküste.
Die Kellner kommen, um die Gedecke zu wechseln. Sie öffnen eine neue Flasche mit einem süß riechenden Dessertwein, den Fenn gleich mal kostet.
»Du kommst jetzt auch ins vierte Jahr, richtig?«, hakt er nach. »Auf welche Schule gehst du?«
Es ist ein wenig komplizierter. »Eigentlich auf gar keine.«
»Oh, Mist. Du gehörst aber nicht zu denen, die Privatunterricht zu Hause haben, oder?« Er lehnt sich ein wenig weg von mir, als würde ihm gerade wieder einfallen, dass wir beide heute Abend dieselbe Champagnerflasche am Mund hatten. »Aber geimpft bist du schon, oder?«
»Ich war letztes Semester an einer staatlichen Schule in Windsor. Aber man hat mir vorgeschlagen, schon früher in Sommerpause zu gehen.«
»Du bist von der Schule geflogen.« Sein Gesichtsausdruck ist gelinde beeindruckt. »Hast du es verdient?«
»Das ist Ansichtssache.« Die Schuldirektorin hatte mich vom ersten Tag an auf dem Kieker. Ein Blick in meine Akte, und sie hatte sich ihre Meinung schon gebildet. Nicht dass ich viel getan hätte, um sie vom Gegenteil zu überzeugen.
»Was hast du angestellt?«
»Mein Freund Derek hat während eines Feueralarms das Auto einer Lehrkraft vom Schulparkplatz geklaut.«
Fenn grinst. »Nett.«
»Ein paar von uns haben eine Spritztour durch die Gegend gemacht, bis der Schulpolizist vor dem Taco Bell eine Straßensperre aufgestellt hat.«
»So mit vorgehaltener Waffe?«
»Sie haben eine Nagelsperre ausgeworfen. Derek konnte sie größtenteils umfahren, aber ein Reifen ging trotzdem kaputt.«
»Die Vorstadt ist ja ganz schön wild.«
Und die Geschichte ist vollkommener Blödsinn.
Ich kenne nicht mal jemanden mit Namen Derek.
Aber ich traue nicht jedem, der mich kennenlernen will, und ich werde nicht irgendeinem Fremden Munition in die Hand geben. Ein Trauschein macht uns noch nicht zu Verbündeten.
Als Mom wiederkommt, schleppen sie und David uns zu einer zweistöckigen Hochzeitstorte und zwingen uns mitanzusehen, wie sie sich gegenseitig Kuchen in den Mund schieben. Danach ersticken sie beinahe an weiteren tränenreichen Erklärungen grotesker Freude, und ich kann nur noch denken, wie es wohl wäre, einen dieser Kellner zur Seite zu ziehen, weil irgendwer muss doch einen Joint dabeihaben. Obwohl, an diesem Punkt würde ich auch einen Löffel voll Arsen nehmen.
»Ich hätte mir nie vorgestellt, einmal hier zu stehen«, fängt Mom an und hebt ihr Glas.
Ist ja nicht so, dass du es nicht versucht hättest, platze ich beinahe heraus.
Ich schaffe es, den Mund zu halten, aber hey, das ist die Wahrheit. Mom hatte mehr Liebhaber als Ölwechsel. Sie hat meine gesamte Kindheit damit verbracht, mit Männern auszugehen, die kein Interesse daran hatten, ihr einen Ring an den Finger zu stecken. Trotz aller Bemühungen wurde sie entweder immer auf den Affären-Platz verwiesen oder einfach nur verarscht, bis der Typ eine Frau fand, die besseres »Heiratsmaterial« war. Moms Job als Flugbegleiterin ist gut bezahlt, aber viele Typen sind einfach nicht daran interessiert, eine Frau mit Gepäck zu heiraten – Gepäck in diesem Fall im Sinne von auf ewig Dein. Nachdem sie jahrelang von allen möglichen Typen mit Blödsinn abgespeist wurde, ergibt es vermutlich Sinn, dass sie hoppla-hopp den Ersten geheiratet hat, der sich anbot. Und ich habe den Verdacht, dass der »Ich kenne ihn noch keine drei Monate«-Teil durch den »Er ist stinkreich«-Teil kompensiert wird.
Nicht dass ich meine Mom als Goldgräberin bezeichnen würde – ein bisschen finanzielle Stabilität gönne ich ihr durchaus. Aber sie hat schon ein bestimmtes Beuteschema. Und ich bezweifle, dass wir so schnell hier gestanden hätten, wenn Davids Vermögen nicht dem Bruttoinlandsprodukt einer kleinen Inselnation entsprechen würde.
Trotzdem finde ich es gut, dass sie glücklicher aussieht, als ich sie seit Langem erlebt habe. Vielleicht liegt es ja an der stimmungsvollen Beleuchtung, oder auch am weißen Cocktailkleid, aber heute Abend sieht sie besonders schön aus. Für eine berufstätige, alleinerziehende Mutter, die sich seit achtzehn Jahren mit ihrem leicht kriminellen Sohn herumplagt, macht sie sich echt gut. Also sollte ich ihr ein wenig spontane Hemmungslosigkeit vielleicht zugestehen.
»Ich kann immer noch nicht glauben, dass das hier wirklich passiert.« Sie tupft sich mit einer Serviette unterm Auge und räuspert sich. »Ich freue mich so, einen neuen Sohn zu haben, Fennelly. Und ich kann es kaum erwarten, dich besser kennenzulernen.«
Danach schwadroniert sie weiter, über Familie und Liebe, erzählt mir, dass David und ich die allerbesten Freunde sein werden und dass er ja eine so tolle Vaterfigur ist – obwohl Fenn da wohl andere Ansichten hat.
Ich meine, gehen wir es doch mal ein bisschen langsamer an. Heute ist das erste Mal, dass ich überhaupt im selben Raum mit dem Typen bin. Er scheint recht normal zu sein. Nett, schätze ich. Stinkreich, klar. Aber ich habe noch nicht genug Laufarbeit gemacht, um sagen zu können, wo die Leichen im Keller sind, und ich habe nicht vor, ihn Dad zu nennen.
»Ich hätte mir nie vorgestellt, dass ich noch einmal heiraten würde«, sagt David, als er an der Reihe ist, und hält meine Mutter umklammert, während er Fenn einen kurzen Blick zuwirft. »Dann hast du mich angelächelt, mir zugezwinkert, und es war, als würde ich wieder meine erste Liebe erleben. Jedes Mal, wenn ich dich ansehe. Jedes Mal, wenn ich deine Stimme höre. Dann verliebe ich mich wieder ganz neu.«
Fenn auf seinem Stuhl verdreht die Augen und meint gedehnt: »Wenn Mom doch nur gewusst hätte, dass sie deiner wahren Liebe im Weg steht, hätte sie sich die elf qualvollen Monate Chemo echt sparen können, nicht wahr?«
»Fennelly«, knurrt David scharf.
Ich will mich schon ducken, doch Mom greift nach Davids Jackettaufschlägen und hält ihn eng an ihrer Seite. »Ist schon okay, Liebling«, höre ich sie leise sagen. Dann wendet sie sich an Fenn. »Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie schwer es sein muss, damit zu leben«, sagt sie mit einem traurigen Lächeln. »Ich weiß, dass dein Dad das Andenken deiner Mutter in Ehren hält, und das werde ich immer respektieren. Ich hoffe, wir können daran arbeiten, Freunde zu werden.«
Fenn hält den Blick abgewandt. Er ist gerade auf einer Insel, und ich habe keine Ahnung, was ihn festhält, wenn er doch offensichtlich lieber aus einem Fenster springen würde, um hier wegzukommen.
»Es wird eine Umstellung sein«, beginnt David noch einmal. »Wir kriegen das alles gemeinsam hin. Aber ich habe die Hoffnung, dass ihr beide versteht, wie sehr Michelle und ich euch lieben.« Er gibt einem Kellner ein Zeichen, und der kommt aus einer Ecke heran mit einem silbernen Tablett. Darauf stehen zwei kleine grüne Lederkästchen. »Da es heute um uns alle geht, dachte ich mir, dass ein kleines Geschenk angemessen wäre, um den Anlass zu feiern.«
David gibt jedem von uns ein Kästchen, auf dem eine goldene Krone eingeprägt ist. Ich beäuge das Ding skeptisch und kämpfe gegen den Drang an zu sagen: »Nein, danke«, doch dann sehe ich Moms flehenden Blick. Ich unterdrücke ein Seufzen und öffne das Kästchen. Neben mir tut ein gelangweilter Fenn dasselbe. In den Kästchen befinden sich zwei gleich aussehende Rolex-Uhren.
Davids Begeisterung wiegt den totalen Mangel an derselben bei Fenn und mir auf. »Meteoritenziffernblatt und Gehäuse aus Weißgold mit Metallblatt, ummantelt mit flexiblem schwarzem Elastomer«, erklärt er uns, als würde ich auch nur ein Wort davon verstehen. Er redet buchstäblich Kauderwelsch. »Sie sind eigentlich für Rennfahrer entworfen, aber ich dachte, sie wären etwas praktischer und sportiver für junge Männer.«
»Tja, nein, sehr praktisch, Dad.« Fenn klappt das Kästchen zu, hält sich aber davon ab, es über seine Schulter zu werfen. »Was denkst du, wie lange die in RJs staatlicher Schule an seinem Handgelenk bleibt, bevor ihm jemand im Pausenraum eine Knarre vors Gesicht hält?«
Ich gebe ein schnaubendes Lachen von mir, das mir einen bösen Blick von Mom einbringt. »Was? Er hat nicht unrecht.« Dann fällt mir wieder ein, dass ich mich ja von meiner besten Seite zeigen soll. »Ich meine, danke. Ich werde, ähm, vorsichtig sein.«
Mom und David wechseln einen kurzen, verzweifelten Blick. Inzwischen arbeiten sie sich nur noch mühsam da durch, während Fenn und ich immer angepisster werden, weil uns die Geduld ausgeht. Keiner von uns zwei will hier sein, und ich denke, wir fragen uns beide, wieso wir das Ganze so lange mitgemacht haben.
»Was das angeht«, meint David daraufhin und nickt meiner Mutter zu. »Da habe ich noch eine Überraschung, wenn das in Ordnung ist.«
Mom lächelt ihn an, und dieses ergriffene Leuchten tritt wieder auf ihr Gesicht. »Oh, Liebling. Was hast du dir ausgedacht?«
»Tja, ich habe einige Vorbereitungen getroffen, und es ist mir gelungen, ab nächstem Semester einen Platz für RJ an der Sandover Prep zu sichern.«
Macht der Witze?
Eine Privatschule?
Tja, ich sehe nicht, wie das funktionieren soll. Umzingelt von einem Haufen piekfeiner kleiner Bastarde, die Fliege tragen und Latte trinken, der aus der Muttermilch ihrer Nannys gemacht ist? Nein danke. Plötzlich frage ich mich, ob es schon zu spät ist, um noch auf diesen Zug aus der Stadt raus aufzuspringen. Ich würde sogar einen Greyhound-Bus anhalten. Ich könnte mir auch einen Platz unter den Leuten im Venice-Beach-Skatepark suchen und vielleicht meine Fähigkeiten im Taschendiebstahl aufpolieren, während ich im öffentlichen WLAN im Café nach leichten Zielen surfe. Alles besser, als in einer Schule voller Idioten zu landen.
»David, wirklich? Das ist wundervoll.« Mom ist viel zu begeistert, als sie mir mit verzweifelter Beharrlichkeit in die Augen sieht. »Ist das nicht wundervoll, RJ? Das wird ja eine so großartige Chance für dich.«
Mit anderen Worten: Könntest du versuchen, nicht von dieser Schule zu fliegen?
»Oh ja, eine echte Chance«, echot Fenn spöttisch und mit amüsiertem Blick auf die Ankündigung hin. »Sandover ist bekannt für seine herausragenden Akademiker, seine Musterschüler und – oh, Moment, ich Dummerchen. Da muss ich wohl eine andere Prepschool im Kopf haben.« Er wirft einen Blick zu meiner Mutter, die jetzt unbehaglich dreinschaut. »Tut mir leid, wenn ich dir das sagen muss, Dads neue Frau, aber auf die Sandover wird der ungeratene Nachwuchs geschickt.« Er lacht unbekümmert und tippt sich selbst mit dem Finger auf die Brust. »Paradebeispiel: ich.«
Moms Blick huscht zu David, der eilig eingreift. »Fennelly übertreibt. Sandover ist eine der Topschulen an der Ostküste. Unter ihren Absolventen befinden sich zwei ehemalige Präsidenten und Dutzende Rhodes-Stipendiaten. Ich verspreche dir, RJ wird dort die bestmögliche Ausbildung bekommen und ziemlich sicher an jedem College seiner Wahl aufgenommen werden.«
Und während David mit seinen Beteuerungen meiner Mom gegenüber fortfährt, lehnt sich Fenn mit einem bitteren Grinsen zu mir und spottet leise: »Glückwunsch, Bruder. Willkommen an der Versagerschule.«
Seit Wochen gibt es in New Hampshire keinen Tropfen Regen. Sogar das Gras ringt nach Luft. Die Erde knirscht unter meinen Sneakern, trocken und brüchig, während ich zügig und stetig weiterlaufe. Es ist, als würde man über Reispapier laufen. Die Bäume links und rechts des Weges spenden Schatten, aber nur wenig Linderung. Penny und Bo, unsere Golden Retriever, machen unbeirrt mit, auch wenn sie angestrengter hecheln als üblich.
»Vielleicht nehmen wir den kurzen Weg, ja?«
Als ich nicht antworte, stößt meine Schwester mich mit dem Ellbogen an und holt mich zurück in die Gegenwart.
»Tut mir leid«, sage ich. »Ich war einen Moment in Gedanken.«
»Sie hat den Sonnenwahn«, spottet Casey, die neben mir Schritt hält.
Diese Hitzewelle ist gnadenlos. Ich kann förmlich spüren, wie die grauen Zellen in meinem Kopf schmelzen, als wir den ausgetretenen Pfad auf dem leeren, bewaldeten Gelände von Sandover entlanglaufen. In ein paar Tagen wird es hier wieder von halbwüchsigen Typen voller pubertärer Faxen im Kopf wimmeln. Bis dahin können wir exklusiv über das Gelände verfügen. Unser persönliches Anwesen aus grünen Rasenflächen, Backstein und Efeu.
Aber wenn der Campus so leer ist, fühlt man sich leicht wie ein Geist, der die verlassenen Höfe heimsucht, den Blicken entzogen und unerreichbar. Unsicher, ob man überhaupt real ist, bis die Luxuswagen hier ankommen und mir wieder Typen über den Hügel und bis tief in den Wald hinein nachpfeifen.
»Apropos«, sage ich und klatsche in die Hände, um Bo und Penny dazu zu bringen, mit uns Schritt zu halten, als sie die Köpfe hängen lassen. Sie laufen näher zu Casey, als sei ich die böse Stiefschwester. »Da draußen gibt es Mädchen, die ihrer besten Freundin die Kehle durchschneiden würden, um auf einem reinen Jungen-Campus zu wohnen.«
Casey schnaubt. »Können sie haben. Ich gebe ihnen eine Woche, bis der Gestank sie in die Flucht schlägt.«
Da hat sie nicht unrecht. Spätestens ab September hängt hier ein eindeutiger Geruch in der Luft, der bis in diese Mauern dringt, in jedes Zimmer und in jeden Korridor. Mir ist egal, mit wie vielen Hausmeistern und Kübeln Ammoniak sie dagegen angehen. Jungs sind Tiere, daran führt kein Weg vorbei.
Trotzdem – gelegentlich ist der Anblick gar nicht übel.
»Was ist mit St. Vincent’s?«, frage ich meine Schwester. »Denkst du, du bist bereit?«
»Klar.« Ihre Antwort kommt ein bisschen zu schnell.
»Es ist okay, wenn du …«
»Nein, ich weiß. Es ist, was es ist, oder?« Sie lässt ein Lächeln aufblitzen und schnippt sich Schweiß von der Stirn. »Ein Neuanfang. Ich bin aufgeregt und will einfach, dass die Schule endlich anfängt. Reinste Vorfreude.«
Ich bin mir nicht sicher, ob der Zuckerguss mehr ihretwegen oder meinetwegen ist. Tatsache ist, dass wir beide erleichtert sind, von der Ballard Academy und dem ganzen Mist wegzukommen. Ich habe den ganzen Sommer über weder mit Mila noch irgendeiner anderen meiner alten Freundinnen geredet. Nicht dass ich mit angehaltenem Atem auf eine Entschuldigung warten würde. Von mir aus können Mila und die Mädels an ihren glutenfreien veganen Proteinriegeln ersticken.
»Es ist okay zu sagen, dass es dir nicht gut geht«, versichere ich Casey. Trotz allem, was sie sagt, weiß ich, dass es ihr nicht gut geht. Auf die St. Vincent’s zu gehen mag wie eine Lösung erscheinen, aber die Gerüchte und der Tratsch hören ja nicht mit der Ballard auf. Es tut weh zu wissen, dass das Ganze ihr folgen wird.
Sie schenkt mir dieses sonnige Lächeln, das so einzigartig für Casey ist. »Du machst dir zu viele Sorgen.«
Ich weiß nicht, wie sie immer noch lächeln kann. Woher der Sonnenschein kommt oder wie sie sich bei alledem dieses Leuchten bewahrt hat. Wenn ich durchgemacht hätte, was sie durchgemacht hat, wäre ich derart tief in Finsternis versunken, dass man erst mal verschüttete Minenarbeiter gefunden hätte, bevor man auf mich gestoßen wäre.
»Ich habe eben Freude daran. Ist praktisch ein Hobby. So wie Steine sammeln oder so. Ich hole meine kostbaren kleinen Sorgenperlen aus ihrem Säckchen und poliere sie.«
Casey lacht, und das macht mich wieder traurig. Obwohl ihr Lachen wie immer klingt, denke ich unwillkürlich, dass es eine Lüge ist. Sie will nicht, dass ihre große Schwester die Risse sieht, nicht nachdem sie Monate damit verbracht hat, die Bruchstücke sorgfältig wieder zusammenzukleben.
»Du bist anstrengend.« Sie schubst mich mit der Schulter vom Weg, und dann pfeift sie den Hunden, sprintet los und wirbelt mir dabei Staub ins Gesicht. »Um die Wette!«
Mein Handy vibriert, also gebe ich ihr einen Vorsprung, während ich es aus meiner hinteren Tasche hole. Ich vermute, dass es unser Dad ist, der wissen will, wieso ich seine süße, kostbare Casey hinaus in die Hitze gezerrt habe, aber ein Blick auf das Display offenbart einen noch lästigeren Anrufer.
Meinen Ex.
Wider besseres Wissen gehe ich dran. »Was willst du, Duke?«
»Du hast meine Nummer also nicht geblockt.« In seiner Stimme liegt diese Selbstsicherheit, die mich daran erinnert, wieso ich seine Nachrichten bisher ignoriert habe. Duke ist die Art unausstehlicher Mistkerl, der einem mit dem Mund voller Blut zuzwinkert und mehr fordert.
»Das kann sich ändern, falls dir das lieber ist.« Ich achte darauf, dass mein Tonfall so kühl und gleichgültig ist wie nur möglich.
»Ich vermisse dich«, sagt er unverdrossen. »Kann es kaum erwarten, dich zu sehen, wenn ich zurück bin.«
Ha. Als sollte ich mich geschmeichelt fühlen. Ich kenne seinen Schlafzimmertonfall, den, mit dem er um drei Uhr nachts anruft, um mich zu überreden, mich in sein Wohnheim zu schleichen. Zwei Jahre On-Off-Beziehung haben mich gegen seine Überredungskünste immun gemacht. Momentan sind wir im »Off«-Status, und ich habe vor, es dabei zu belassen. Duke mag ja ein heißer Typ sein, aber zusammen sind wir viel zu toxisch. Man kann nicht ewig Versöhnungssex haben, bis man sich irgendwann mal fragt, ob man nicht vielleicht auch Sex haben könnte, ohne alle zwei Sekunden miteinander Schluss zu machen.
»Tut mir leid«, erkläre ich. »Spar dir deine Aufregung für die Ballard-Neulinge und die Townies.«
»Hey, nicht beißen. Ich versuche, nett zu sein.«
»Es ist aus zwischen uns, Duke. Lass es sein.«
Casey kommt zurück, um nach mir zu sehen, und verdreht die Augen, als ihr klar wird, wer dran ist.
»Das sagst du jetzt«, beharrt er. »Aber wir wissen doch beide, dass du dich nicht von mir fernhalten kannst. Bis bald, Babe.«
Ich drücke ihn weg und knurre das Handy an. Der Typ ist vielleicht anstrengend.
»Bis zum Abendessen seid ihr wieder zusammen«, erklärt Casey.
»Er kann mich mal.«
»Das habe ich schon mal gehört.«
»Dukes erste Liebe ist er selbst. Und von der wird er sich nie scheiden lassen.«
»Habe ich auch schon mal gehört.«
Diesmal knurre ich sie an, aber das bringt sie nur zum Lachen.
Trotz allem, was sie denkt, bin ich fertig mit ihm. Ein Mädchen kann nicht ewig in diesem Karussell fahren. Tatsächlich denke ich, dass ich dieses Jahr den ganzen Vergnügungspark sausen lasse. Eine Pause von den Jungs mache. Schwanzträger-Detox. Ich bin jetzt im Abschlussjahr. War ja alles Spiel und Spaß bisher, aber jetzt ist es Zeit, mit meinen Noten ernst zu machen und ein Stipendium an Land zu ziehen. Ziemlich gut ist nicht gut genug, wenn ich auf einem College mit Topsportprogramm angenommen werden und dort laufen will. Und Gott weiß, dass sich die Vergabestelle nicht für meine Handstand-Biertrinkrekorde oder meine Allstar-Titel im Bierpong interessiert. Dieses Jahr muss ich mich echt fokussieren.
Und das bedeutet: kein Duke mehr.
Kein Hinausschleichen und Partymachen mehr mit Silas und den Jungs.
Schluss damit, dass ich im Unterricht nur das Minimum mache, weil ich viel zu ungeduldig bin, raus auf die Laufbahn zu kommen.
Ich bin gerade achtzehn geworden. Im Grunde genommen bin ich jetzt erwachsen – oder zumindest versuche ich, erwachsen zu sein. Und ich kann mir dieses Jahr keine Ablenkungen leisten.
Als wir nach Hause kommen, stürmen die Hunde vor uns durch die Tür und stoßen praktisch an ihren Wassernäpfen zusammen.
»Mädchen?«, dringt Dads Stimme von der Küche aus in die Vorhalle.
Casey wirft mir einen Blick zu. »Oh-oh. Was brennt da gerade an?«
Wir ziehen unsere Schuhe aus und folgen dem beißenden Geruch bis hin zu den Rauchschwaden, die aus dem Ofen dringen. Dad steht am Herd, und auf jeder Platte befindet sich ein Topf.
»Könnte sein, dass mir die Kartoffeln missraten sind«, meint er reuevoll. Er fängt Casey mit einem Kuss auf die Wange ab, als sie eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank holt. »Du siehst etwas blass aus, Liebes. Geht es dir gut?«
»Alles in Ordnung.« Chasey trinkt in großen Schlucken. »Ist nur heiß draußen.«
Seine Aufmerksamkeit richtet sich über den Tresen hinweg auf mich. »Du solltest sie nicht so antreiben. Du kannst nicht erwarten, dass sie mit deinem Tempo mithält.«
Ich zucke mit den Schultern. »Sie ist diejenige, die auf dem Rückweg mit mir um die Wette laufen wollte.«
»Ich hatte dich.« Casey führt ein spöttisches Tänzchen auf, und ihr erdbeerblonder Pferdeschwanz wirbelt herum.
»Du hattest gar nichts. Ich hätte rückwärts laufen und dich dabei schlagen können.«
»Sloane. Ich erwarte, dass du etwas umsichtiger bist.« Dad macht ein säuerliches Gesicht. Er ist der Einzige hier, der ein Problem hat, aber irgendwie ist es meine Schuld. »Ich will nicht erleben, dass irgendwer hier mit einem Hitzschlag zurückkommt.«
Und wir wissen beide, dass er mit »irgendwer« Casey meint. Denn sie ist das Baby. Die zerbrechliche Tochter, die nicht irreparabel ruiniert und abgebrüht ist.
»Im Ernst, Dad«, versucht Casey einzugreifen. »Entspann dich. Jemand muss Sloane doch für Prüfungsläufe in Form halten.«
»Komm her und koste mal.« Er hält ihr einen Löffel hin und ignoriert ihre Beteuerungen vollkommen.
In den Augen unseres Vaters besteht Casey aus Glas und ich aus Stein, und niemand kann ihn vom Gegenteil überzeugen. Schon vor Caseys Unfall ging er ganz selbstverständlich davon aus, dass ich keine Hätscheleien brauche, dass ich alles durchstehe und die Starke bin. Leider ist der Druck, immer »die Starke« sein zu müssen, unerträglich. Ich komme mir vor, als würde ich stets alle Lücken füllen und mich dazu noch mit meinen eigenen Problemen herumschlagen, während er einem jedes kleine bisschen sichtbare Verletzbarkeit als persönliche Beleidigung übelnimmt.
Das ist kein zumutbarer Zustand, und langsam habe ich es echt satt.
Zum Glück ist es nicht mehr lange bis zum College. Noch ein Jahr, und dann kann ich endlich mich selbst an erste Stelle setzen. Etwas Abstand von der ständigen Kontrolle gewinnen und herausfinden, wie es sich anfühlt, mein eigener Herr zu sein.
Wieder summt mein Handy in der Tasche, und ich muss gar nicht nachsehen, um zu wissen, dass es Duke ist, mit einem weiteren armseligen Versuch, mich mürbe zu machen.
Nicht dieses Mal.
Neues Jahr, neuer Spielplan.
Keine Ablenkungen. Und absolut keine Jungs.
»Dann gehst du also wirklich weg, hm?«
Julie schlüpft in ein Paar Boxershorts, die irgendwann einmal mir gehört haben könnten, und zieht sich ein locker sitzendes T-Shirt über den Kopf. Die ganze Zeit über lässt sie mich nicht aus den Augen. Sie will, dass ich ihr beim Ankleiden zusehe. Es ist ihre Art, mich an sie zu binden, und ich tue ihr den Gefallen.
»Hat man mir gesagt.« Ich sitze auf ihrer Bettkante und stecke meine Beine in die Jeans.
»Schade.«
Sie stöbert in ihrem Zimmer nach einem Feuerzeug, öffnet eine Pfefferminzdose und nimmt einen Joint heraus. Sie zündet ein Ende an, bläst die Glut weg und tritt sie auf dem Fußboden aus. Mir hat immer ihr Anblick gefallen, wenn sie die Augen schließt und inhaliert.
Sie bläst den Rauch zum offenen Fenster hinaus und bietet mir einen Zug an. Als ich annehme, kaut sie an ihrer Unterlippe und lässt den Blick aus ihren schokoladenbraunen Augen über meinen nackten Oberkörper gleiten. Vor noch nicht einmal zehn Minuten ist ihre Zunge über jeden Zentimeter dieses Oberkörpers gewandert.
»Ich fand dieses Arrangement noch nicht total langweilig«, gesteht sie.
Ich blase den Rauch zum Fenster hinaus. »Alles, was gut ist …«
Sie nimmt den Joint von meinen Lippen, setzt sich auf das Bett und lehnt sich an das Kopfende, während ich mir mein Shirt suche und meine Schuhe anziehe.
»Ja, okay«, antwortet sie. »Ich erkenne eine höfliche Abfuhr, wenn ich sie höre.«
»Meinetwegen. Aber wir wissen beide, dass du mich wohl kaum vermissen wirst.« Sie war noch nie der emotionale Typ, und ich erwarte nicht, dass sie jetzt damit anfängt. Sie macht mir nur gern das Leben schwer.
»Vielleicht ja doch«, protestiert sie, und ich muss darüber grinsen. »Ist echt blöd, wenn du im Abschlussjahr nicht da bist.«
»Ja. Tja, so ist das, wenn man von der Schule fliegt.«
»Das war eine blödsinnige Aktion.« Sie lacht. »Verdammte Amateurstunde.«
»Immer langsam, Süße.«
Julie spottet über meine Warnung. »Oh, seht mich nur an, ich bin ein solider Dreier-Schüler und hacke mich in meine Noten, um mir lauter Einsen zu verschaffen. Hoffe, das merkt keiner.«
»Also gut, ich bin gierig geworden. Ich gebe es zu. Ich habe meine Lektion gelernt.«
Um ehrlich zu sein, dachte ich nicht, dass ein paar überarbeitete und unterbezahlte Lehrkräfte an einer staatlichen Schule mit drei Jobs und zweihundert Schülernauf so etwas achten würden. Oder sich überhaupt darum scheren würden. Ist ja nicht wirklich so, als hätte ich das für mich getan. Ich dachte, es wäre ein nettes Geburtstagsgeschenk für meine Mom. Um ihr das Gefühl zu geben, dass ich kein kompletter Reinfall bin. Ich hätte ihr einfach ein paar Blumen kaufen sollen. Oder wenigstens nicht jenen Kurs frisieren sollen, der von der einen Lehrkraft unterrichtet wird, die mich mehr als alles andere hasst.
»Tu dir selbst einen Gefallen.« Julie bläst den Joint aus und zündet Räucherstäbchen auf dem Nachtkästchen an. »Versuch, nicht in Schwierigkeiten zu geraten.«
Ich zucke mit den Schultern. »Das ist unmöglich.«
Wir verabschieden uns mit einer Umarmung. So ist es wirkungsvoller. Sauber und schnell, ohne so zu tun, als hätte einer von uns viele Emotionen investiert. Auch wenn es nicht nur Sex wäre – ich habe oft genug die Schule gewechselt, um zu lernen, wie man geht. Wenn man häufig umzieht, belastet man sich nicht mit vielen Bindungen. Alles endet einmal.
Vor unserem kleinen Haus in der Phillips Avenue halte ich meinen alten Jeep an, schalte den Motor aus und sehe Umzugsleute, die einen Truck beladen, der an der Straße steht. Noch bevor ich die Haustür erreiche, kann ich das kreischende Geräusch von Paketklebeband hören, das von der Rolle abgezogen wird. Umziehen ist praktisch ein Ritual in dieser Familie. Der Geruch von Kartons. Leere Zimmer. Winzige Partikel, eingefangen in der Luft in schrägen Sonnenstrahlen. Alles Dinge, die mir vertrauter sind als Hühnersuppe.
»Oh, RJ, da bist du ja.« Mom taucht zwischen den Kartontürmen auf und schaut stirnrunzelnd auf ihre Uhr. »Die Umzugsleute sind schon seit Stunden hier. Wo warst du?«
»Mich verabschieden.«
»Nun ja, beeil dich.« Sie drückt mir einen dicken schwarzen Textmarker in die Hand. »Du musst bestimmen, was du nach Greenwich bringen willst, was nach New Hampshire verschickt werden soll und was gespendet wird.«
»Gespendet?« Ich wusste nicht, dass wir alles auflösen.
»Sicher.« Mom pustet sich das Haar aus den Augen und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Sie hat eine fast hektische, aufgedrehte Energie an sich, die meine Stimmung etwas trübt. »David hat schon Möbel, die bei Weitem hübscher sind als diese schäbigen alten Sachen. Wir fangen ganz neu an. Tabula rasa.«
»Okay, na ja, dann lasse ich dich und deine Klischees mal weiterarbeiten. Ich werfe ein paar Klamotten in eine Tasche, und gut ist.«
»Nein, ich meine es ernst. Du wirst etwas mehr als das tun müssen.« Sie zerrt mich fast schon in mein Zimmer, in dem die Umzugsleute bereits damit angefangen haben, alles abzubauen und in offene Kisten zu verstauen. »Beschriftung. Auf alles, okay? Egal, was du nach Sandover schicken willst, sorge dafür, dass du es beschriftest.«
»Richtig. Was ist mit Gürteln und Schnürsenkeln? Soll ich die verschicken? Ich will ja nicht, dass sie vom Aufseher konfisziert werden.«
Daraufhin wird ihr Gesicht traurig, und ich weiß sofort, dass ich zu weit gegangen bin. Ich will nicht immer ein Mistkerl sein. Jedenfalls nicht zu ihr.
Moms Tonfall wird sanfter. »Empfindest du das wirklich so? Sei ehrlich, bist du wütend auf mich, weil ich dich in ein Internat schicke?«
»Das war nur ein Scherz. Alles gut.«
»Nein, rede mit mir.« Sie zieht an meinem Arm, damit ich mich neben sie aufs Bett setze.
Als ich nichts sage, streicht sie mir das Haar zurück und sieht mir forschend ins Gesicht. Oh Himmel. Es ist immer peinlich, wenn sie so mütterlich wird. Das ist einfach nicht ihr natürlicher Zustand. Das soll jetzt nicht heißen, dass sie eine schlechte Mutter wäre. Wir sind immer gut miteinander klargekommen. Aber was Familienbande angeht, waren unsere nie die stärksten. Sie ist einfach zu oft weg und ganz allgemein mehr an sich selbst interessiert als an allem, was bei mir so abläuft.
Aber ich verstehe es. Sie hatte nie vor, mit neunzehn Mutter zu werden. Dumm gelaufen. Dass sie mich nicht in einem Bus oder vor einer Feuerwache ausgesetzt hat, ist mehr, als mein Dad je für uns getan hat. Also kann ich mich nicht wirklich beschweren. Aber sich gegenseitig das Herz auszuschütten fällt uns beiden nicht leicht. Und wenn es mal dazu kommt, fühlt es sich an, als würden wir irgendwelche Figuren imitieren, die wir im Fernsehen gesehen haben.
»Das ist keine Strafe, weißt du? Ich versuche nicht, dich loszuwerden. David dachte, es wäre eine gute Erfahrung. Die dich vielleicht vor Schwierigkeiten bewahrt«, fügt sie taktvoll hinzu.
»Im Ernst, es ist keine große Sache.« Vor die Wahl gestellt wäre ich lieber nicht mit den beiden in diesem Riesenhaus, wo sie es ständig miteinander treiben und ich mir Sorgen mache, ob meine Mom vielleicht gerade auf dem Frühstückstisch rangenommen wurde. »Außerdem bin ich das Alleinsein gewohnt.«
Meine Kindheit ist ein Friedhof aus Mikrowellenessen und Pizzaschachteln. Man lernt schnell, zum Selbstversorger zu werden, wenn die Mutter als Flugbegleiterin durch das ganze Land reist. Während sie mit Junggesellen in der ersten Klasse geflirtet hat, habe ich mir Reste aufgetaut.
Schätze, am Ende hat es sich für sie ausgezahlt.
»Tja, zum Glück wirst du in Sandover nicht ganz allein sein. Du hast ja Fennelly«, meint sie fröhlich. »Er kann dir zeigen, wie es dort läuft.«
Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Einzige, was der Schönling mir zeigen wird, die Hausbar ist.
»Und versuche, Geduld mit ihm zu haben, okay?«, fährt sie fort. »David meint, Fennelly ist immer noch ein wenig aus der Fassung wegen unserer Heirat.«
Ich muss lachen. »Aus der Fassung? Mom, der Typ hat seit der Hochzeit wahrscheinlich jede Nacht damit verbracht zu googeln, wie sich eine Ehe annullieren lässt, ohne dass ihr es mitbekommt.«
Ihr Lächeln verschwindet. »Er wird schon noch nachgeben. Richtig?« Ich weiß nicht, ob sie das als Frage oder Feststellung meint.
»Klar«, lüge ich. »Irgendwann.«
»Vielleicht kannst du ihn ja umstimmen und ihm begreiflich machen, dass dieses neue Arrangement nicht so übel ist.« Sie sieht mich mit hochgezogener Augenbraue an. »Und was dich angeht, solltest du das ganze Einsamer-Außenseiter-Ding vielleicht mal runterfahren und versuchen, Freunde zu finden?«
»Ich habe Freunde«, grummle ich.
»Internetfreunde zählen nicht, RJ. Würde es dich denn umbringen, ein wenig kontaktfreudiger zu sein?«
Kontaktfreudig? Wieso zur Hölle sollte ich? Mir ist mein Leben als »einsamer Außenseiter«, wie sie es genannt hat, viel lieber. Wirklich, was gibt es daran nicht zu mögen? Ich kann online Kohle machen. Ich sehe gut genug aus, um problemlos an Mädchen zu kommen, also habe ich keinen Mangel an Sex. Ich muss mich nicht mit meinen Mitschülern anfreunden und so tun, als würde ich mich irgendwie für ihre Sportmannschaften und College-Pläne interessieren. Klar, manche mögen behaupten, dass ich ein Vertrauensproblem habe, aber pfeif auf die. Ich bin ein einsamer Wolf. War ich immer und werde ich immer sein.
»Du wirst dich toll dort machen, Kumpel.« Sie drückt mir einen Kuss auf die Schläfe und kneift mich in die Wange. »Ich habe ein gutes Gefühl dabei. Okay?«
Ich schenke ihr das beruhigende Lächeln, das sie will. Vor allem deshalb, weil ich nicht das Herz habe, ihr zu sagen, dass, falls die Vergangenheit ein Indikator für die Zukunft ist, die Tickets für die Shit-Show schon an der Abendkasse für uns reserviert sind.
Alle Freaks und Dämonen sind für eine Hausparty zum Ende der Sommerferien aus ihren Löchern hervorgekrochen. Ich habe mehr Nippelpiercings als Bikinioberteile zu Gesicht bekommen, und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich Lawson dabei gesehen habe, wie er den Sear-Schwestern auf den Rücksitz der Mercedes-G-Klasse seines Dads gefolgt ist, mit einer Flasche Meskal und einer Tüte Koks. Falls wir die Nacht überleben, wird das Abschlussjahr echt absurd.
Obwohl ich Lawson schon seit einigen Jahren kenne, war ich nur wenige Male in seinem Haus in Southampton. Ich glaube nicht, dass ich schon alle Zimmer dort gesehen habe. Das Anwesen ist gewaltig – dieser alte amerikanische Geldadel mit seinem feudalen Luxus. Die haben zwei Pools, um Himmels willen. Und bis heute hat noch keiner eine ehrliche Antwort auf die Frage bekommen, was Lawsons Dad eigentlich genau macht. Also außer ein Scheißkerl der Extraklasse zu sein. Nach dem, was ich herausbekommen konnte, ist Mr Kent eine Art juristischer »Berater«, der sich auch mit Finanzen beschäftigt und schon zwei Regierungen im Weißen Haus beraten hat. Der hat seine Finger überall drin.
»Und, bist du dein Bier losgeworden?« Mein Kumpel Silas findet mich, als ich mich aus einer der elf Toiletten, die ich abklappern musste, um eine leere zu finden, wieder zum Lärm der Stimmen durcharbeite. Er drückt mir ein Kristallglas in die Hand. »Jemand hat den Weinkeller aufgebrochen.«
Ich grinse. »Mann, Lawsons Dad wird ihm zehn Jahre seines Lebens nehmen.«
»Echt wahr. Wo zum Teufel ist er überhaupt? Ich habe ihn nicht mehr gesehen, seit er dieses Lagerfeuer auf dem Tennisplatz angezündet hat.«
»Er ist in der Garage und spielt Sandwich mit den Sear-Schwestern.«
Silas nickt. Na klar. Nicht dass der Typ nicht für Spaß zu haben wäre, aber bei solchen Gelegenheiten ist er das, was einer Aufsichtsperson am nächsten kommt. Ein wenig Sachbeschädigung oder Beschwerden wegen Lärmbelästigung lassen sich nicht verhindern, aber im Allgemeinen versucht Silas, körperliche Schäden und Verstümmelungen auf ein Minimum zu beschränken. Und Lawson von Entscheidungen abzuhalten, die er bereuen wird. Als ob das möglich wäre. Die Bezahlung ist Mist, die Arbeitszeiten auch, aber Silas bleibt trotzdem dabei. Er ist ein guter Kerl, und das ist mehr, als ich über den Rest von uns sagen kann.
Wir drehen die Runden durchs Haus. Jedes Zimmer ist eine andere David-Lynch-Erkundung jugendlicher Zustände. Ein paar Ballard-Mädels in abgeschnittenen Shorts und mit Tattoos laden uns zu einem Spiel mit lebensgroßen Schachfiguren ein, bestehend aus unbezahlbaren Skulpturen, die sie von überall im Haus zusammengesammelt haben. Silas verschluckt sich fast an seinem Bestreben, ihnen zu entkommen.
»Du kannst ihn nicht vor sich selbst schützen«, erinnere ich Silas. Lawson ist ein Geschöpf des Chaos. Dieser Sturm lässt sich nicht zügeln.
»Vielleicht. Aber ich muss nicht dabei mithelfen, es noch schlimmer zu machen.«
Wir landen hinten am Langschwimmbecken, wo ein vergleichsweise zahmer Wettbewerb unter nackten Mädels im Gange ist. Um ihn einfach mal auf andere Gedanken zu bringen, stelle ich uns ein paar neuen Talenten vor.
»Auf welche Schule geht ihr?«, frage ich die beiden fast identischen Blondinen. Um fair zu sein, kann ich nicht ganz geradeaus sehen. In diesem Licht sehe ich nur noch Titten und Haarfarbe.
»Dalton«, sagt eine.
»In der Stadt.«
Ich hebe das Glas an meine Lippen. »In welchem Jahr seid ihr denn?«
Ich kann sehen, dass sie gern lügen wollen, bevor die eine die Nerven verliert und herausplatzt: »Wir sind im zweiten Jahr.«
Silas wirft mir einen warnenden Blick zu, der mir signalisiert, das Ganze abzubrechen.
»Woher kennt ihr Lawson?«, frage ich misstrauisch.
Die beiden wechseln einen Blick und kichern in dieser mysteriösen Mädchensprache. »Aus der Stadt.«
Verdammt noch eins. Lawson war schneller. Nicht dass sich unsere Wege in Sachen Mädchen nicht schon mal gekreuzt hätten, sozusagen, aber ich kann mich da einfach nicht drauf einlassen, nachdem ich erfahren habe, dass er schon was mit ihnen hatte.
»Er kennt echt jeden«, antworte ich. »Silas ist übrigens normalerweise nicht so redselig. Tut mir leid, dass er die Unterhaltung so an sich reißt.«
Er grinst sarkastisch und zeigt mir den Mittelfinger.
Eigentlich hat Silas eine Freundin, aber sie ist nicht hier, und ich war noch nie überzeugt, dass die zwei auch nur entfernt zueinander passen. Sie sind eher wie ein Ehepaar, das schon so lange zusammen ist, dass eine Trennung nach mehr Aufwand aussieht, als das Ganze wert ist.
»Wie war euer Sommer?«, fragt Silas widerwillig, um das Eis zu brechen, als ich ihn mit dem Ellbogen anstoße. Er darf mich jetzt ruhig hassen, aber der Mann muss sich echt mal entspannen.
»Ich war ganz besessen von den Olympischen Sommerspielen«, meint eine der beiden. »Soll heißen, ich habe sechs Stunden am Stück den Koreanern beim Bogenschießen zugeschaut und so. Macht süchtig.«
»Hey, weißt du schon, dass Silas Schwimmsportler ist?«, erzähle ich ihr. »Zeig ihr mal deine Bauchmuskeln, Bro.«
»Hör auf«, schimpft er mich.
Ihre Augen werden groß. »Oh, ernsthaft? Schwimmer sind ja so heiß.«
Ich spüre förmlich, wie er innerlich stöhnt, und rechne beinahe damit, dass er mich in den tiefen Teil schubst. Aber da fällt mir eine heiße kleine Brünette in einem schwarzen Bikini auf, die mich von der anderen Seite des Pools aus beobachtet, und ich klinke mich aus der Unterhaltung aus, bis Silas mich mit sich zieht, um so zu tun, als würde er unsere Gläser am Fass nachfüllen.
»Das war echt brutal«, stöhnt er und streicht sich über das kurz geschorene Haar. »Willst du mir einen Gefallen tun? Dann hör auf, mir Gefallen zu tun.«
»Och, komm schon. Nur ein bisschen Futter, damit das Ganze ein bisschen ungezwungener wird. Du musst sie ja nicht gleich vögeln. Was ist schon ein Blowjob zwischen Fremden?«
»Mann, im Ernst, leg dir ein Hobby zu.«
»Wo ist Gabe, wenn man ihn mal braucht? Wenn er hier wäre, wärst du nicht so eine Spaßbremse.« Ich sage es, ohne nachzudenken – und bereue es augenblicklich. Ich muss nicht daran erinnert werden, dass das Leben totaler Mist ist, seit Gabe weggeschickt wurde. Noch nie war zwischen uns beiden so lange Funkstille, und es ist total surreal, dass er jetzt nicht hier ist. Wir zwei waren schon seit dem Kindergarten dicke Freunde.
»Immer noch nichts von ihm gehört?« Silas legt den Kopf schief und mustert mich.
»Nein. Letzte Woche habe ich seinem Dad geschrieben, und vor ein paar Tagen hat er im Grunde genommen geantwortet, dass ich mich verpissen und seine Nummer vergessen soll.«
»Ich begreife das nicht.« Auch Silas hat mehrere Male versucht, Gabe zu kontaktieren, aber er ist auch nicht weiter gekommen als der Rest von uns. »Zugegeben, Mr Ciprian war nie dein größter Fan. Aber es ist trotzdem abartig, dass er uns nicht einmal sagen will, wo Gabe ist. Was aus ihm geworden ist. Ich meine, soweit wir wissen, könnte er auch von einem Bus angefahren worden sein. Einen Tag noch da und am nächsten weg.«
»Es ist eine Militärschule – so viel wissen wir«, erinnere ich Silas.
Plötzlich dringt ein derart lautes Klatschen an mein Trommelfell, dass ich zusammenzucke. Es ist Jesse Bushwell, der vom Dach des Poolhauses einen Bauchklatscher in den Pool gemacht hat. Eine Sekunde lang herrscht verblüffte Stille, während sein Körper irgendwie im Wasser schwebt. Doch als er dann den Kopf hebt und triumphierend die Arme hochreißt, bricht Jubel aus. Sein Bauch sieht aus wie der Hintern eines Pornosternchens in einem Spanking-Video.
»Wir wissen, dass er zumindest noch lebt, richtig?«
Ich werfe Silas einen Blick zu und nicke. »Ich konnte den Sommer über mit seinem Bruder in Kontakt bleiben, aber nicht einmal Lucas weiß, wohin sie Gabe verfrachtet haben. Er war nicht zu Hause.«
»Ich meine, mir liegt der Junge auch am Herzen.« Dass Silas in seinen wertend-missbilligenden Tonfall verfällt, ist keine Absicht. Er hat einfach einen überentwickelten Sinn für Moral. »Ich will ja nicht unbedacht klingen, aber der Drogenhandel musste ihn irgendwann einmal einholen.«
Erneut werden wir unterbrochen – diesmal dreht irgendwer die Musik aus dem im Boden eingelassenen Audiosystem auf. Die Musik war vorher schon laut, aber jetzt ist sie ohrenbetäubend. Einen Moment später taucht Lawson wieder auf, mit nichts als einer Badehose am Leib und einem großspurigen Grinsen im Gesicht. Die Sear-Schwestern sind nirgendwo zu sehen, aber egal – unser Kumpel bleibt kaum eine halbe Sekunde allein, bevor sich wieder eine Tussi an ihn heranmacht. Noch eine halbe Sekunde später wandern ihre manikürten Fingernägel über seinen nackten Oberkörper. Ich schwöre, der Typ hat’s echt drauf, selbst wenn er es nicht darauf anlegt.
Silas folgt meinem Blick und schüttelt den Kopf, als sie die Hand ausstreckt, um Lawson etwas von irgendeiner Partydroge anzubieten, die sie gerade konsumiert. Mit leuchtenden grauen Augen streicht er sich das unordentliche Haar aus der Stirn, bevor er sich die winzige Pille unter die Zunge schiebt und einen muskulösen Arm um die Taille des Mädchens legt. Der Typ hatte eben erst Sex mit zwei Mädels, ist schon bei der dritten, und es ist noch nicht mal Mitternacht. Fuckboy ist nicht einmal annähernd eine passende Beschreibung für Lawson Kent.
»Egal, in welches Loch sein Dad ihn reingeworfen hat, Gabe wird da einen neuen Zimmergenossen bekommen«, meint Silas seufzend. Anscheinend hat er es für heute Nacht aufgegeben, Lawson an die Leine zu legen, und sich damit abgefunden, ihn frei laufen zu lassen. Manchmal muss man wissen, wann man geschlagen ist.
Ich kippe den Rest meines Drinks und bin wieder deprimiert. »Zum Teufel mit Gabes Dad. Verdammt, zum Teufel mit allen Dads.«
»Ach ja.« Ein spöttisches Grinsen erscheint auf seinem Gesicht. »Habe ich ja total vergessen! Wie war die Hochzeit? Konntest du den Namen deiner Stiefmutter aufschnappen, bevor sie sich das Jawort gegeben haben?«
»Missy? Michelle? Wer weiß. Ich war high, als ich da ankam, und betrunken, als wir gegangen sind. Ich habe Dads Sekretärin gesagt, sie soll ein Memo schreiben.«
Für eine Flugbegleiterin, die aus dem Nichts aufgetaucht ist, wirkt die Frau ja einigermaßen nett. Nennt mich ruhig verrückt, weil ich etwas misstrauisch auf diese schnelle Heirat reagiere. Ich kann nur sagen: Hoffentlich hat mein Dad für einen Ehevertrag gesorgt, bevor er seine Flugbegleiterin geheiratet hat.
»Was ist mit deinem neuen Stiefbruder?«
»Der ist in Ordnung, schätze ich. Locker. Vielleicht ein bisschen distanziert. Wie sich herausgestellt hat, übernimmt er Gabes Platz im Wohnheim, also werden wir Zimmergenossen.«
Silas grinst, und ich glaube, ich mag es nicht, wenn er auf meine Kosten lacht. »Geht doch nichts über ein bisschen erzwungene Verbundenheit, um eine Familie zusammenzubringen. Was hat er angestellt, um auf der Insel der Außenseiter zu landen?«
»Nur der standardmäßige schwere Autodiebstahl«, sage ich zwinkernd. »Also solltet ihr zwei toll miteinander klarkommen.«
»Ja klar, leck mich.«
Das wischt Silas das Grinsen aus dem Gesicht. Er wird gern etwas empfindlich, wenn es darum geht, dass er von der Ballard geflogen ist, nachdem er sich betrunken hatte und mit dem Wagen des Schuldirektors gegen den Torpfosten auf dem Footballfeld gekracht war. Keine Ahnung, wie er es fertiggebracht hat, das Auto auf einem leeren Spielfeld auf das kleinste Ziel zuzusteuern. Reines Glück, schätze ich.
Mein Handy meldet sich in der Tasche, und ich hole es heraus und sehe eine Textnachricht, die meinen Puls beschleunigt.
Casey: Also wann bist du wieder auf dem Campus? Wir müssen wieder zusammen abhängen.
»Dein neuer Zimmergenosse?«, stichelt Silas.
»Nein. Nur Casey.« Schon wieder rede ich, ohne nachzudenken, und vergesse, dass meine Jungs eigentlich gar nichts von dieser speziellen Freundschaft wissen.
»Im Ernst?« Silas zieht eine Augenbraue hoch. Verdammt, so ein Blick ist echt nicht lustig.
»Was?«
»Steck dir dein ›was?‹ sonst wohin. Sie ist ein gutes Mädel, Fenn. Und erst im dritten Jahr.«
»Es ist nicht so, wie du denkst.« Ich zucke mit den Schultern. »Wir haben den Sommer über immer mal miteinander geplaudert, das ist alles. Keine große Sache.«
»Dann seid ihr jetzt also Freunde?«