Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Niemand würde vermuten, dass die unflätige Söldnerin Lawrence in Wahrheit die Heilige Lorelai ist. So auch der junge Adlige Mikail, der Lawrence für einen Auftrag anheuert, den er angeblich für Lorelai ausführen soll. Lawrence erklärt sich bereit, ihn und seine Gefährten zu begleiten, doch sie merkt bald, dass es um mehr geht als nur einen Job. Denn neben Monstern begegnen ihnen noch andere Gefahren auf dem Weg, und auch Mikal entpuppt sich als eine Bedrohung.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 398
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
FÜR ALLE, DIE GESCHICHTEN GENAUSO LIEBEN WIE ICH
PROLOG
Kapitel I
Kapitel II
Kapitel III
Kapitel IV
Kapitel V
Kapitel VI
Kapitel VII
Kapitel VIII
Kapitel IX
Kapitel X
Kapitel XI
Kapitel XII
Kapitel XIII
Kapitel XIV
Kapitel XV
Kapitel XVI
Kapitel XVII
Kapitel XVIII
Kapitel XIX
Kapitel XX
Man sagt, dass es in dieser Welt eine Ordnung gibt, die nicht gestört werden darf, und dass jeder seinen vorbestimmten Weg gehen muss. Mein Weg wurde in dem Moment bestimmt, als ich auf die Welt kam und der Priester mich sah. Ich wurde nach der berühmten Heiligen Lorelai benannt und von der Kirche aufgenommen.
Meine Eltern verkauften alles, was sie besaßen, um mir in die Hauptstadt folgen zu können, denn sie hatten kein Recht, mich zu behalten. Mir wurde beigebracht, wie sich die Heilige zu verhalten hat, und während ich lernte, meine heiligen Fähigkeiten zu meistern, sah ich meine Eltern nur selten. Denn es gab viele Menschen, die meine Legitimität als Heilige anzweifelten, was den Priester, der für mich verantwortlich war, noch strenger machte. Ich arbeitete fleißig für meine Eltern und für meinen Mentor Matthias. Und je älter ich wurde, desto weniger zweifelte man an mir. Die Situationen, in denen mich Priester oder Adlige besuchten, um mich zu bewundern, häuften sich ebenso wie das Lob, das ich erhielt.
Anfangs machte mich das glücklich, aber ich sah meine Eltern immer seltener, und sie schienen jedes Mal besorgter. Und als ich ihnen im Alter von sieben Jahren verriet, dass ich mich regelmäßig vor Matthias ausziehen sollte, damit er meinen Gesundheitszustand überprüfen konnte, nahmen sie mich mit und versuchten zu fliehen.
Aber wir wurden schnell gefasst und ich wurde zurück in den Tempel gebracht. Danach durfte ich meine Eltern nicht mehr sehen, und obwohl ich nicht verstand, was vor sich ging, begann ich allmählich zu begreifen, dass die Kirche nicht nur mein Bestes im Sinn hatte. Ich wurde für mein Talent und meine Schönheit gelobt, aber ich durfte keine Entscheidungen treffen, das, was man mir beibrachte, infrage stellen oder gar den Tempel verlassen. Nicht viele Menschen durften mich besuchen, aber die, die es durften, wurden immer zudringlicher.
Und dann, als ich zehn Jahre alt war und ein Adliger anfing, seltsame Geräusche zu machen, wenn er mich berührte, habe ich mich zum ersten Mal gewehrt. Als Heilige habe ich eine starke Affinität zur Lichtmagie, die als heilige Magie gilt und von Heilern angewandt wird. Mein Leben lang wurde ich in Heilmagie unterrichtet. Aber in diesem Moment beschloss ich, dass ich keine Heilerin werden wollte.
Die Lichtmagie eignet sich am besten zur Unterstützung. Neben der Heilung umfasst sie auch Stärkungs- und Schwächungszauber. Ich benutze Magie, seit ich denken kann, und im Alter von zehn Jahren war es intuitiv. Auf diese Weise konnte ich meine eigene Kraft verstärken und einen Mann von mir stoßen, der doppelt so groß war wie ich.
Der Adlige verletzte sich, weil er unglücklich fiel. Ich verletzte mich, weil ich meinen Körper überanstrengte, und die Dinge wurden kompliziert. Zuerst entschuldigten sich die Priester bei dem Adligen und versuchten, mich zu beruhigen, aber nach diesem Vorfall ließ ich niemanden mehr an mich heran, und schließlich blieb den Priestern nichts anderes übrig, als die Besuche zu unterbinden.
Zu dieser Zeit lernte ich, wie ich die Tatsache, dass ich ein Kind und die kostbare Heilige war, ausnutzen konnte. Mir wurde eine Wache zugeteilt, ein Templer namens Luke. Als ich ihn fragte, ob er mich auch halten und berühren wolle, wurde er blass und war so schockiert, dass er eine ganze Weile nichts sagte. Ich nutzte seinen Schock aus, um ihn unter Tränen und Geschrei dazu zu bringen, mir zu helfen. Von da an lehrte mich Luke, wenn auch widerwillig und heimlich, den Nahkampf und die Grundlagen der Schwertkunst.
Die meiste Zeit verbrachte ich in der Bibliothek des Tempels, wo ich Magie studierte, während Luke draußen wartete. Ich durfte allein in der Bibliothek sein, denn es gab keine Bücher, die ich nicht ohnehin lesen sollte. Aber im Gegensatz zu dem, was die Priester von mir wollten, nämlich meine Fortschritte in der Heilmagie, konzentrierte ich mich auf alles andere.
Ich hatte die Heilmagie so oft geübt, dass sie mir in Fleisch und Blut übergegangen war und jede Schnittwunde an meinem Körper in Sekundenschnelle heilte, ohne dass ich etwas dafür tun musste. Außerdem wusste ich bereits, wie ich mich stärken konnte, und zusammen mit Luke trainierte ich meinen Körper darauf, diese Stärkung zu ertragen. Aber ich wollte mehr. Schließlich war es mein Ziel, den Tempel zu verlassen, und meine Eltern zu finden, und ich wusste, dass ich das nicht allein mit meiner Kraft schaffen würde. Ich war bei weitem nicht stark genug, um Luke zu besiegen, und er sagte mir, dass ich als Frau und Magierin immer schwächer sein würde als er.
Ich begann, mit Magie zu experimentieren, weil ich dachte, dass Geschlecht oder Alter keine Rolle spielen, wenn man ein starker Magier ist. Ich versuchte mich an verschiedenen Angriffszaubern, Elementarzaubern und Telekinese, aber mein Talent beschränkt sich auf die Lichtmagie.
Es war die Ironie meines Lebens, dass ich, die ich mit meiner außergewöhnlichen Begabung für Lichtmagie glänzte, nichts anderes wollte, als mich im Schatten zu verstecken.
Zwei Jahre vergingen. Ich war zwölf und meine Tage folgten nun einer gewissen Routine. Ich hörte auf, mit Luke zu trainieren, weil er sich weigerte, mir mehr als die Grundlagen der Selbstverteidigung beizubringen, und ich drängte ihn auch nicht dazu, weil ich wusste, dass er es früher oder später der Kirche erzählen würde. Stattdessen verbrachte ich die meiste Zeit mit Meditation. Ich hatte darüber in einem Buch gelesen und es gelang mir, Matthias davon zu überzeugen, dass es mir half, meine Magie weiterzuentwickeln. Natürlich tat ich etwas völlig anderes. Ich benutzte die Meditation als Ausrede, denn um am effektivsten zu meditieren, muss man allein und ungestört sein. Und solange ich gehorsam den weißen Schleier anlegte, um Menschen zu heilen, zu segnen oder einfach nur Matthias zu begleiten und mich von ihm vorführen zu lassen, durfte ich meine Freizeit ungestört verbringen.
Das wurde zur täglichen Routine und selbst Luke steckte seinen Kopf nicht mehr in meine Privatgemächer, sondern schlief vor der Tür oder patrouillierte im Gebäude. Und dann war ich endlich so weit, dass ich mich unbemerkt vom Tempelgelände schleichen konnte.
Die Ironie meines Lebens erwies sich als hilfreich, denn ich lernte etwas, das Matthias und dem Hohepriester vor Schreck die Haare ausfallen lassen würde: Schattenmagie.
In den Kirchenarchiven hatte ich nie etwas über Schattenmagie gelesen, aber ich erinnerte mich an ein Buch, das mein Vater mir vorgelesen hatte. Es war ein Märchen, in dem der Bösewicht, ein dunkler Magier namens Lawrence, sich niemand Geringerem als der Heiligen Lorelai in den Weg stellte. Einer seiner Tricks bestand darin, plötzlich aus dem Schatten aufzutauchen und wieder zu verschwinden. Aber wie man es auch dreht und wendet, ein Schatten ist nur die Abwesenheit von Licht, und wenn man das Licht kontrolliert, kontrolliert man auch den Schatten.
Das Erste, was ich lernte, war, Schatten zu betreten. Nachdem ich mir einen Schatten wie einen See vorgestellt hatte, wie er im Bilderbuch meines Vaters abgebildet war, konnte ich meine Hand in meinen Schatten stecken. Ich versuchte, Gegenstände hineinzulegen, um zu sehen, was passiert und die Antwort war: nichts. Sie blieben einfach dort, bis ich sie wieder herausholte. Das war sehr nützlich, um etwas vor den Priestern zu verstecken.
Nachdem ich gelernt hatte, Gegenstände aufzubewahren, begann ich zu experimentieren, wie weit ich in meinen Schatten eindringen konnte. Aber obwohl ich nach Belieben hineingreifen konnte, konnte ich nicht völlig darin verschwinden, wie Lawrence es getan hatte. Denn wenn ich in meinen Schatten eintreten würde, würde er verschwinden. Um einen Schatten ganz zu betreten, musste es der Schatten eines anderen sein. Das allein war aber nutzlos für etwas anderes, als sich zu verstecken, denn man kann sich nur in dem Schatten bewegen, in dem man sich befindet. Und an diesem Punkt kam mir meine Schattenmanipulation zu Hilfe. Ich konnte Licht entfernen oder verstärken, um Schatten zu kombinieren, zu erzeugen oder zu verlängern. Damit konnte ich mich praktisch wie der Bösewicht aus dem Buch meines Vaters bewegen.
Als letzte Vorbereitung zog ich die Kleidung an, die Luke mir für das Training besorgt hatte - Jungenkleidung - und eine Maske, die ich aus Buchseiten und Klebstoff gebastelt hatte. Dann verließ ich den Tempel.
An diesem Tag bin ich zum ersten Mal alleine durch die Hauptstadt gelaufen. Libera ist eine Stadt voller Händler, Läden und Ständen, in der es an jeder Ecke etwas Neues zu entdecken gibt. Bei meinem ersten Ausflug war ich so erstaunt über all das, was ich bisher nur durch das Fenster einer Kutsche gesehen hatte, dass ich den Zweck meines Besuches völlig vergaß. Die Zeit verging wie im Flug und ehe ich mich versah, war es dunkel. Ich rannte zurück zum Tempel und ärgerte mich, dass ich mich hatte ablenken lassen.
Ich erfand die Ausrede, ich sei beim Meditieren unter dem Bett eingeschlafen, und bei der nächsten Gelegenheit schlich ich mich wieder hinaus. Diesmal achtete ich darauf, mein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Ich sprach mit einigen Leuten in den Außenbezirken, bis ich einen alten Soldaten fand, der früher als königlicher Ritter gedient hatte. Es hieß, er sei aus dem Orden ausgestoßen worden und lebe in einer schäbigen Hütte am Stadtrand. Sein Name war Mydas.
»Du willst, dass ich dich im Schwertkampf unterrichte?!« Er stank nach Alkohol und war von der Idee nicht begeistert.
»Ich werde dich bezahlen.« Ich hielt ihm einen Beutel mit Geld hin, den ich Matthias gestohlen hatte. »Das ist ehrenhafter, als ein Säufer zu sein. Es ist auch besser für deine Gesundheit, wenn du weniger Alkohol trinkst und dich mehr bewegst. Und wenn ich erst einmal ein großer Söldner geworden bin, werde ich dafür sorgen, dass jeder deinen Namen kennt.«
Mydas war so erstaunt über meine großspurigen Worte, dass er mich nicht gleich verjagte. »Du bist mutig, aber ich habe weder die Zeit noch die Geduld, ein Gör wie dich zu unterrichten. Schon gar nicht sollte ein Mädchen Schwertkampf lernen, also schlag dir das aus dem Kopf.« Obwohl er betrunken war, war er aufmerksam genug, um zu erkennen, dass ich ein Mädchen war.
»Wenn ich dich in einem Duell besiege, wirst du mich dann unterrichten?«
»Was?!«
»Wenn ich beweisen kann, dass ich es wert bin, unterrichtet zu werden, obwohl ich ein Mädchen bin, wirst du mich dann unterrichten?«
Mydas, der unter dem Spott seiner unehrenhaften Entlassung litt, nahm das nicht sehr gut auf. Er zog das rostige Schwert, das er noch immer an der Hüfte trug, und hielt es mir unter die Nase. »Du hältst dich wohl für was Besseres. Ich bin zwar kein Ritter mehr, aber das bedeutet nur, dass ich mich nicht an den Kodex halten muss. Und ich glaube nicht, dass es viele gibt, die dich suchen würden.« Er konnte ja nicht wissen, wie falsch er damit lag.
»Ich halte mich nicht für besser. Sonst würde ich dich nicht fragen, ob du mich unterrichtest«, sagte ich selbstbewusst. Ich dachte mir, wer sich nicht um sein Schwert kümmert, denkt auch nicht daran, es zu benutzen. »Ach ja?«, fragte er, aber sein Gesicht zeigte eine Mischung aus Frustration und Verwunderung über mich, die von seinem Schwert völlig unbeeindruckt war. Trotzdem ließ er es nicht sinken.
»Ich könnte es schaffen, wenn ich dich überrasche. Mit Glück.«
»Ein Glückstreffer also?« Er senkte sein Schwert etwas und warf mir einen misstrauischen Blick zu. »Was macht dich da so zuversichtlich?«
Da sein Schwert immer noch in der Luft schwebte und einen Schatten warf, der mit seinem eigenen verbunden war, brauchte ich nur in ihn einzutreten. In der nächsten Sekunde tauchte ich hinter Mydas auf und griff ihn mit meinem Übungsschwert an. Ich dachte, ich sei schnell, aber Mydas schaffte es, meinen Schlag abzublocken, wenn auch mit einem schockierten Ausdruck auf seinem Gesicht. Er starrte mich eine Weile an, während ich überlegte, ob ich ihm sagen sollte, was ich getan hatte oder nicht. Aber dann sagte er: »Wie heißt du, Gör?«
Eine Frage, mit der ich nicht gerechnet und an die ich nicht gedacht hatte. Meinen Namen konnte ich ihm nicht sagen, aber mir kam schnell ein Name in den Sinn, der viel besser zu mir passte. »Lawrence. Mein Name ist Lawrence.«
»Hey Lawry, hast du n Moment?« Dorran, der Wirt der Söldnergilde, winkt mir von der anderen Seite der Bar zu.
Ich genieße mein Bier in der lärmenden Atmosphäre der Gildenhalle, allein, aber zufrieden. Ich kann es mir nicht leisten, zu viel mit meinen Kollegen zu interagieren, aber ich ziehe diese Umgebung der Stille in meinem Zimmer im Tempel vor. Außerdem kann ich nur hier Bier trinken, denn als Heilige ist mir Alkohol verboten. Das ist der Hauptgrund, warum ich ihn trinke.
Dorran geht am Tresen entlang auf meinen Platz zu, gefolgt von der Gruppe Männer, mit denen er gesprochen hat. »Diese Jungs wollen in die Felswurzeln. Meinst du, du kannst sie reinbringen?«
»Hm …« Ich werfe einen Blick auf die sechs Männer. Sie alle tragen Kleidung, die schlicht aussehen soll, aber in Material und Verarbeitung zu hochwertig ist, als dass sie wirklich einfachen Leuten gehören könnte. Außerdem tragen sie alle ein Schwert an der Hüfte, auch wenn sie diese unter ihren langen Mänteln zu verbergen suchen. Sie sind zweifellos Aura-Träger, was bedeutet, dass sie die Felswurzeln nicht allein betreten können. Aber das kann fast niemand.
Die Felswurzeln sind ein Gebirgszug im Osten, mit Ausläufern, die wie riesige Baumwurzeln aussehen und ihnen ihren Namen geben. Darunter befindet sich ein Tunnelsystem, das immer wieder Abenteurer anzieht.
»Klar«, sage ich nach einer nachdenklichen Pause. Sie scheinen keine Schatzgräber zu sein. Wenn ich mir ihre steifen und gewichtigen Gesichtsausdrücke ansehe, ist dies eine Mission der Ehre und Pflicht.
»Habt Ihr eine Teleportationsschriftrolle? Wenn ja, werden wir sie kaufen.« Der große dunkelhaarige Mann mustert mich misstrauisch, aber wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass der Blonde neben ihm das Sagen hat.
Ich kichere über seine Bemerkung und richte meine Aufmerksamkeit wieder auf meinen Krug. Ich hebe ihn hoch und kippe ihn vor meinem Gesicht. Da ich eine Maske trage, kann ich nicht normal trinken. Stattdessen nutze ich Schattenmagie, um die Flüssigkeit in meinen Mund zu teleportieren. Ich schockiere die Leute regelmäßig mit diesem Trick.
»Ihr seid eine Magierin?!«, ruft der Dunkelhaarige, als wäre das etwas Erschreckendes.
»Ich bin nicht hier, um den Raum zu verschönern«, antworte ich gelangweilt. Es ist immer das Gleiche mit Kunden. »Also, heuert ihr mich an, oder was?«
»Es ist gefährlich«, sagt er sofort.
»Bin auch für n Soloauftrag zu haben, wenn du Schiss hast.«
»Tsk!« Diesmal versucht er, einen Schritt auf mich zuzumachen, wird aber von dem Blonden aufgehalten. »Wart Ihr schon einmal im Hesky-Wald?«, fragt er mit ruhiger und tiefer Stimme. Er ist auf jeden Fall der Anführer und das, obwohl er nur ein paar Jahre älter als ich sein dürfte. Wahrscheinlich ist er der verzogene Sohn eines Adligen, der andere leichter herumkommandiert, als er sich die Schuhe binden kann.
Ich trinke noch einen Schluck. Dann lege ich den Kopf schief, als wäre ich verwirrt. »Hesky-Wald? Wo ist das noch mal?«
»Du -!« Der dunkelhaarige Kerl wird wieder von seinem blonden Freund unterbrochen.
»Bevor ich entscheiden kann, ob ich Euch anheuern werde, will ich wissen, wieso Ihr eine Maske tragt.«
»Oho, soll ich sie abnehmen?«
»Nein!« Dorran greift ein, bevor einer der Männer etwas sagen kann. Zu dumm, dass er immer noch hier ist. »Du lässt die Maske auf, Lawry, und ihr, lasst es gut sein. Um euretwillen.«
Ich schluchze theatralisch. »Ich habe vielleicht nicht das Gesicht eines Engels, aber das verletzt meine Gefühle.«
Dorran seufzt, denn er hat sich schon an mich gewöhnt, aber die sechs Männer sehen verwirrt aus. »Sie wird euch ihr Gesicht nicht zeigen, egal was sie sagt. Aber sie ist keine Kriminelle. Sie ist nur speziell, wenn ihr versteht, was ich meine.« Er lehnt sich über den Tresen, während er bedeutungsvoll die Stimme senkt.
Ich werde misstrauisch beäugt. Meine Maske im Besonderen. Im Gegensatz zu der selbstgebastelten Papiermaske, die ich vor Jahren getragen habe, ist diese ein verzauberter Gegenstand. Sie lässt sich nicht nur nicht ohne meine Erlaubnis abnehmen, sie verändert auch meine Stimme und meine Haarfarbe. Die Maske selbst ist dunkelblau, mit einer Sonne und einem Mond darauf. Ich fand sie damals passend, aber sie verhindert nicht, dass ich recht zwielichtig aussehe. »Speziell im Sinne von unglaublich bis in die Haarspitzen«, sage ich mit dramatischer Stimme, während ich mit der Hand ein paar Haarsträhnen aus meinem Pferdeschwanz über meine Schulter ziehe. »Vielleicht wollt ihr auch die fesselnde Geschichte darüber hören, wieso ich mir Zöpfe in die Haare flechte.« Meine Haare sind streng zu einem hohen Pferdeschwanz zusammengebunden, in den ein paar kleine Zöpfe eingeflochten sind, um die Wellen zu kaschieren. Außerdem sind sie, untypisch für eine Söldnerin, so lang, dass sie mir auch mit dem Zopf über den Rücken fallen.
Die Männer sehen mich alle mit einer Mischung aus Verwirrung und Sprachlosigkeit an.
Ich lache. »Nicht?«
Der Blonde räuspert sich und legt eine Hand auf seine Brust. »Verzeiht unsere Unhöflichkeit. Mein Name ist Mikail und ich bin der Anführer dieser Männer. Wir möchten Euch um Hilfe bitten.«
»Geht doch!« Ich rutsche von meinem Hocker und bedeute ihnen, mir zu folgen. Ich führe sie in einen der hinteren Räume, die normalerweise leer sind. Vertragsverhandlungen sind selten, weil der übliche Weg für beide Seiten bequemer ist, aber es kommt vor, und deshalb sind diese Räume notwendig.
Wenn jemand einen Auftrag hat, schickt er ihn in der Regel an die Gilde, und je nach den Anforderungen des Auftrags wird er in der Gildenhalle für alle zur Annahme ausgehängt oder einigen geeigneten Söldnern vorgelegt. In diesen Aufträgen sind die Bedingungen und die Bezahlung festgelegt und Diskussionen sind selten nötig, da die Gilde darauf achtet, nur faire Aufträge anzunehmen.
Ich schließe die Tür, die ich höflich für alle geöffnet habe, und wende mich den Männern zu, die bereits am Tisch Platz genommen haben. Ansonsten gibt es in dem Raum nichts und er ist auch ziemlich klein. Aber er ist mit einem Stillezauber versehen, sodass nur die Anwesenden die Unterhaltung hören können. »Mein Name ist Lawrence. Macht mir ein gutes Angebot und ich stehe euch zur Verfügung.« Ich breite die Arme in einer lässigen Geste aus, während ich mich auf den Stuhl am Kopfende des Tisches fallen lasse. Dann beobachte ich meine möglichen Kunden mit Interesse.
Der Blonde zu meiner Linken, der sich vorhin als Mikail vorgestellt hat, räuspert sich. »Es freut mich, Euch kennenzulernen, Miss Lawrence. Das sind Dalton, Clover, Kuma, Jake und Lomin.« Er deutet auf seine Kameraden, einen nach dem anderen, beginnend mit dem Dunkelhaarigen. »Wir sind auf der Suche nach dem Erz in den Felswurzeln. Aber auch wenn ich von den Fähigkeiten eines jeden von uns überzeugt bin, können wir das Gebirge zwar erreichen, aber ohne einen Magier oder eine Schriftrolle kommen wir nicht hinein.«
»Und ihr habt niemanden gefunden, der euch letzteres verkauft. Nicht, dass es das Erz wert wäre.« Teleportationsschriftrollen sind äußerst selten, da nur wenige Magier in der Lage sind, Menschen zu teleportieren. Wahrscheinlich gibt es im ganzen Land nur zwei, und die haben Besseres zu tun, als Schriftrollen zu verkaufen. Selbst wenn man also einen Verkäufer finden würde, müsste man einen Haufen Geld bezahlen.
»Habt Ihr schon einmal die Tunnel unter den Felswurzeln betreten?«
»Ich würde meine Hilfe nicht anbieten, wenn ich nicht wüsste, dass ich hineingehen kann. Ich bin eine Heilerin und Teleportation über kurze Distanzen ist eine meiner Sonderfähigkeiten.«
Er legt die Stirn in Falten. »Ihr könnt Menschen teleportieren?«
Ich kichere und tauche in seinen Schatten ein.
Mikail dreht abrupt den Kopf, als ich hinter ihm wieder auftauche, aber der Schock auf seinem Gesicht verfliegt schnell. »Ich verstehe. Wir können einen Heiler gebrauchen und natürlich beschützen wir Euch im Gegenzug für Eure Unterstützung.« Er schenkt mir ein Lächeln, als sollte ich dankbar dafür sein.
Etwas enttäuscht kehre ich zu meinem Platz zurück.
»Da wir die Mission im Auftrag eines Dritten durchführen, werden wir Euch zu gleichen Teilen an der Belohnung beteiligen.«
Ich beäuge den Vertrag, den er mir über den Tisch zuschiebt. Zunächst bin ich skeptisch, aber als ich die Zeilen überfliege, bin ich überrascht über den fairen Deal. Zwanzig Goldstücke sind eine beachtliche Summe, aber immer noch weniger, als ich normalerweise nehmen würde. »Sieht gut aus.« Ich nicke zustimmend, ignoriere aber die Feder, die Mikail mir für meine Unterschrift anbietet. »Aber es gibt etwas, das ich hinzufügen möchte.«
Mikail runzelt die Stirn und Dalton wirft mir einen warnenden Blick zu.
»Ich werde nicht über eure Fähigkeiten urteilen, aber Hesky ist ein gefährlicher Ort. Für den Fall, dass ihr nicht in der Lage seid, mich zu beschützen und ich mich selbst darum kümmern muss, möchte ich wie eine zweite unabhängige Partei behandelt werden. Und dann machen wir Halbe-Halbe.« Grinsend hebe ich zwei Finger in die Luft.
»Wie unverschämt! Wir sind schon so großzügig, Euch den gleichen Betrag wie allen anderen zu geben, aber Ihr wagt es, mehr zu verlangen?«, ruft Dalton wütend und springt dramatisch auf.
»Oh?« Ich beobachte ihn amüsiert. »Heißt das, du traust euch nicht zu, mich zu beschützen?«
Daltons Gesicht verfinstert sich.
»Wenn ich jedem Kunden bei der Einschätzung seiner eigenen Fähigkeiten aufs Wort glauben würde, wäre ich tot. Und wenn ihr nicht einmal bereit seid, das in den Vertrag aufzunehmen, weil ihr es für unfair haltet, seid ihr eindeutig nicht qualifiziert, zu den Felswurzeln zu reisen, geschweige denn, sie zu betreten.«
»Dann ist das ein Test?«, fragt Mikail ruhig.
»Wenn du meinst, was du sagst, und ihr fähig seid, macht es keinen Unterschied, ob du die Klausel hinzufügst oder nicht. Aber wenn ich auf mich selbst aufpassen muss, verstehst du, dass ich dafür meine eigenen Kosten habe.« Ich hebe die Hand und reibe Daumen und Zeigefinger aneinander.
Er sieht mich einen Moment stirnrunzelnd an, nickt mir dann kurz zu und nimmt den Vertrag wieder an sich.
»Lord M-hrm-hm! Boss?«
Ein unauffälligeres Hüsteln hat es noch nie gegeben. Dalton scheint Mikails Diener zu sein, was Mikail höchstwahrscheinlich zu einem höheren Adligen macht. Ich hoffe, das macht die Sache nicht komplizierter.
»Es ist in Ordnung. Wir machen das nicht wegen des Geldes und sie hat recht. Eine Heilerin kann sich nicht leichtfertig einer Gruppe Fremder anschließen, also müssen wir ihr ein wenig Vertrauen entgegenbringen.« Er schiebt mir den geänderten Vertrag wieder zu.
Ich grinse, als ich die Zeile sehe, die er geschrieben hat. »Kompromissbereite Kunden sind mir die liebsten«, schnurre ich und kritzle meine Unterschrift aufs Papier.
»Könnt Ihr morgen früh um sechs Uhr am Osttor sein? Wir wollen so schnell wie möglich aufbrechen.«
»Sicher. Und jetzt, da wir eine Vereinbarung getroffen haben, kannst du mit dem höflichen Gehabe aufhören.« Ich schnappe mir den Vertrag vom Tisch und stehe auf. »Die Gilde wird ihn zur Sicherheit aufbewahren. Wir sehen uns dann morgen.« Ich hebe meine freie Hand und winke, als ich den Raum verlasse. Dann gehe ich zurück zur Bar und übergebe Dorran den Vertrag.
Mit gerunzelter Stirn überfliegt er den Inhalt. »Du hast also noch einen. Ich sage dir, eines Tages wirst du ein verdammtes Problem haben, wenn du weiterhin deine Kunden abzockst.«
»Wer zockt hier irgendwen ab? Es ist ein unterzeichneter Vertrag. Ist nicht meine Schuld, wenn sie nicht wissen, was sie da unterschreiben.« Ich zucke unbeeindruckt mit den Schultern.
»Aber diesmal sind es Adlige, oder Lawry?«
»Na und? Adlige zahlen lieber Geld, als sich zu blamieren.« Ich deute ein Zwinkern an, indem ich mir mit zwei Fingern unters Auge tippe.
Dorran schüttelt den Kopf. »Wenn ich dich nicht kennen würde, würde ich mir Sorgen um dich machen.«
»Das nehme ich als Kompliment«, sage ich kichernd.
Ein neuer Auftrag bedeutet, dass ich in den Tempel zurückkehren muss, um Vorbereitungen zu treffen. So unangenehm das auch ist, so ist es doch nicht so schlimm wie früher. Natürlich weiß niemand, dass ich als Söldnerin arbeite, aber ich muss auch nicht mehr herumschleichen wie früher.
Heute weiß jeder von der zerbrechlichen Gesundheit der Heiligen und dass sie die meiste Zeit in ihrer Residenz verbringt und sich ausruht. Aus diesem Grund habe ich als Heilige nicht viele Aufgaben. Manchmal segne ich Menschen, die große Taten vollbracht haben, oder heile eine unheilbare Krankheit oder eine Verletzung, nur um danach dramatisch in Ohnmacht zu fallen und wie die selbstlose und aufopferungsvolle Heilige zu erscheinen, die ich nicht ansatzweise bin. Und alle, die mit Zweifeln zu mir kommen, sind von meiner Erscheinung so verzaubert, dass sie besagte Zweifel vergessen. Und heute wird sich der Zustand der Heiligen so verschlimmern, dass sie zwei Wochen lang ihr Zimmer nicht verlassen kann.
Ich kehre per Schattenreise in den Tempel zurück, denn ich möchte nicht, dass Lawrence mit dem Tempel in Verbindung gebracht wird. Es hat eine Weile gedauert, bis ich größere Entfernungen mit Schattenmagie überwinden konnte, denn es erfordert viel Konzentration, aber es hat sich gelohnt.
Ich betrete mein Badezimmer und ziehe mich um.
Wie meine Maske habe ich auch den Rest meiner Ausrüstung im Laufe der Jahre von dem Geld gekauft, das ich als Söldnerin verdient habe. Alle diese Gegenstände sind von guter Qualität und werden deshalb immer in meinem Schatten aufbewahrt, wenn ich nicht Lawrence bin. Außerdem wäre es seltsam, wenn jemand eine Lederrüstung, Stiefel und Handschuhe sowie eine Reihe von Waffen im Besitz der Heiligen finden würde.
Nachdem ich meinen Pferdeschwanz und die Zöpfe gelöst, einen Läuterungszauber auf mich gewirkt und ein langes, weißes Gewand angezogen habe, verlasse ich das Bad und betrete mein Zimmer.
Matthias ist dort und läuft unruhig hin und her, offenbar so aufgewühlt, dass er mich nicht gleich bemerkt. Erst als ich die Tür hörbar hinter mir schließe, zuckt er überrascht zusammen. Dann hellt sich sein Gesicht auf. »Lorelai! Du bist wieder da!«, ruft er freudig aus.
Ich schnalze verärgert mit der Zunge und verspüre den Drang, sofort wieder zu gehen. »Ich werde das Krankenhaus besuchen. Danach muss ich mich mindestens zwei Wochen lang ausruhen.«
Matthias’ Miene verfinstert sich. »Du gehst schon wieder für so lange weg? Aber Lorelai -«
»Ich gehe nicht weg!«, unterbreche ich ihn mit einem scharfen Blick. »Ich bleibe hier in meinem Zimmer und ruhe mich aus, nur du und Luke habt Zugang zu meinem Zimmer und bringt mir regelmäßig Essen.« Ich betone 'regelmäßig', denn er neigt dazu, damit nachlässig zu sein. Und obwohl beide wissen, dass ich den Tempel verlasse, habe ich es ihnen gegenüber nie offen zugegeben. »Hol Luke«, befehle ich Matthias, während ich zu meiner Kommode gehe, um mich für einen Ausflug als Heilige vorzubereiten.
Wenn ich die Leute glauben machen will, dass ich krank bin, muss ich mich ab und zu zeigen, aber selbst dann wäre es unmöglich, den Tempel für längere Zeit zu verlassen, ohne dass es jemand merkt. Deshalb lasse ich mich von Matthias und Luke decken. Nicht aus irgendeinem lächerlichen Gefühl des Vertrauens, das sich im Laufe der Zeit entwickelt hat, nein. Matthias ist ein Feigling, der mich schon längst verraten hätte, und Luke ist im Waisenhaus der Kirche aufgewachsen und ihr treu ergeben. Sie gehorchen mir, weil ich sie verflucht habe.
Im Laufe der Jahre habe ich den Grund herausgefunden, der mich zu einer Heiligen gemacht hat, und das ist einfach eine lächerlich große Menge an Mana und meine Affinität zur Lichtmagie. Der Grund, warum Heilige nicht oft geboren werden, ist, dass man diese beiden Eigenschaften von Geburt an braucht. Wenn jemand viel Mana hat, aber eine Affinität für etwas anderes, dann hat er nur das Potenzial, ein großer Magier zu werden. Hat man dagegen eine Affinität zur Lichtmagie, aber nur eine durchschnittliche Menge an Mana, ist man nur ein einfacher Magier, der Priester oder Heiler werden kann.
Ich, die ich beide Bedingungen erfülle, wurde als Heilige erzogen, und als solche setzten die Leute Erwartungen in mich. Zum Beispiel meine Fähigkeit, Menschen zu segnen. Es heißt, dass nur die Heilige in der Lage ist, Segen zu spenden. Aber um einen Segen zu spenden, braucht man nur eine exorbitante Menge an Mana. Denn in Wirklichkeit ist ein Segen nur ein permanenter Stärkungszauber.
Die meisten Menschen halten mich für ein heiliges Wesen und hinterfragen nie, was ich tue, weshalb viele sogar eine ganz normale Heilung mit einem Segen verwechseln. Wenn ich zum Beispiel einen Blinden heile, nennen sie das ein Wunder und einen Segen, obwohl es sich um eine Heilung handelt, wenn auch eine komplizierte, wenn ich ein Augenlicht wiederherstellen muss, das nie funktioniert hat.
Ein Segen ist ein dauerhaft aktiver Stärkungszauber, oder Buff, was bedeutet, dass der Zaubernde genug Mana braucht, um den Buff für den Rest des Lebens des Ziels aufrechtzuerhalten. Technisch gesehen könnte ihn jeder lichtaffine Mensch wirken, er müsste nur sein Mana kultivieren. Und dann mit dem Zorn der Kirche rechnen, denn Segnungen sind das alleinige Recht der Heiligen.
Aber wo Licht ist, ist auch Schatten, und wo es Segen gibt, gibt es Flüche. Ein Segen ist ein permanenter Buff, ein Fluch ein permanenter Schwächungszauber, oder Debuff, auch wenn sie ein wenig anders funktionieren. Im Allgemeinen gibt es zwei Arten von Flüchen, zwanghafte Flüche und absolute Flüche.
Ein zwanghafter Fluch ist an eine Bedingung geknüpft und wirkt nur, wenn diese Bedingung erfüllt wird. Wenn ich zum Beispiel jemanden verfluche, ein Geheimnis zu bewahren, und einen zwanghaften Fluch verwende, kann er mein Geheimnis immer noch ausplaudern. Aber wenn er das tut, würde er dafür bestraft.
Ein absoluter Fluch hingegen löscht die Möglichkeit, das Geheimnis auch nur zu erwähnen. Die Zielperson könnte nicht mehr darüber reden, selbst wenn sie es wollte. Natürlich erfordert diese Option die zigfache Menge an Mana.
Wie bei einem Segen braucht man genug Mana, um einen Fluch ein Leben lang aufrechtzuerhalten. Der Unterschied zwischen Fluch und Segen ist wie der Unterschied zwischen Buff und Debuff. Ein Buff unterstützt das Ziel, während ein Debuff dem Ziel schadet, und im Falle eines Debuffs wird das Ziel versuchen, sich dagegen zu wehren. Buffs können leicht auf jeden gewirkt werden, während ein Debuff keine Wirkung hat, wenn das Ziel zu stark ist.
Bei zwanghaften Flüchen, die nur aktiviert werden, wenn die Bedingung erfüllt ist, ist die benötigte Menge an Mana immer noch mit der eines Segens vergleichbar. Ein absoluter Fluch benötigt jedoch so viel Mana, dass der Fluch für den Rest des Lebens des Ziels aktiv bleibt. Mit anderen Worten, das benötigte Mana muss so stark sein, dass es alle Energie übersteigt, die das Ziel jemals haben wird. Es ist also nur möglich, wenn das Ziel deutlich schwächer ist als man selbst. Zu meinem Glück ist meine magische Kraft weit größer als die eines niederen Priesters oder eines Templers, der sich weigert, seine Aura gegen mich einzusetzen.
»Ich bin froh, dass Ihr wohlbehalten zurückgekehrt seid, Eure Heiligkeit.«
Ich beobachte im Spiegel, wie Luke sich vor mir verbeugt, nachdem er Matthias in mein Zimmer gefolgt ist.
»Ich werde das Krankenhaus besuchen. Sieh besorgt aus, wenn ich in Ohnmacht falle. Danach muss ich mich zwei Wochen ausruhen«, sage ich, während ich mir den Schleier über den Kopf ziehe. Ich habe einen weißen Mantel mit goldenen Stickereien über mein langes, weißes Kleid angezogen, den zu tragen das Privileg der Heiligen ist. Normalerweise wäre es eine Verschwendung, so teure Kleider in Weiß so lang zu machen, dass sie über den Boden schleifen, aber sowohl Kleid als auch Mantel sind mit einem Reinigungszauber versehen und bleiben daher sauber.
»Eure Heiligkeit sind immer meine größte Sorge«, antwortet Luke. Im Gegensatz zu Matthias, der immer nervös und unnötig neugierig ist, stellt Luke keinen meiner Befehle infrage, auch nicht, nachdem ich ihn verflucht habe. Er tut alles, was ich von ihm verlange, und demütigt sich vor mir, bis zu einem Punkt, an dem ich mich frage, ob mein Fluch ihn vielleicht mehr beeinflusst hat, als ich wollte. Aber dann habe ich herausgefunden, dass Luke mich einfach für ein heiliges, von Gott auserwähltes Wesen hält, das die Autorität hat, alles zu tun, was es sich wünsche. Egal, wie unheilig meine Handlungen auch sein mögen. Eine Einstellung, die ich nicht ausstehen kann, weil es so wirkt, als würde er sich selbst nicht einmal als Mensch betrachten.
»Mein Glück, dass ihr beide nicht nur schwach, sondern auch dumm seid.« Ich drehe mich um und schenke ihnen mein bestes, falsches Lächeln. »Ich zähle auch in Zukunft auf eure Hohlköpfigkeit und eure sinnlose Hingabe zu Gott.«
Trotz meiner Beleidigungen ändert sich Lukes Gesichtsausdruck nicht, während Matthias von meinem Lächeln völlig hingerissen ist und am Ende bin ich diejenige, die sich ärgert.
Ich schließe die Augen und lege mir die Hand auf die Brust, während ich eine Reihe von Debuffs auf mich wirke. Das tue ich immer, wenn ich als Heilige auftrete, da die Debuffs meine Kraft und Ausdauer erheblich senken, meine Atemzüge flacher machen und mir im Allgemeinen eine kränkliche Erscheinung geben. Im Laufe der Jahre bin ich zu einer guten Schauspielerin geworden, aber auch die besten schauspielerischen Fähigkeiten haben ihre Grenzen, also sorge ich dafür, dass meine körperlichen Fähigkeiten genauso schlecht sind, wie ich es den Leuten vorgaukle. Ursprünglich war das mein einziges Ziel und es ist immer noch der Hauptgrund, aber die Debuffs haben einen unerwarteten Vorteil für mich.
Um jemandem einen Debuff aufzuerlegen, muss der Zaubernde mehr Kraft haben als das Ziel, was die Frage aufwirft, was passiert, wenn beide gleich stark sind. Da jeder Mensch unterschiedlich stark ist und sich verschiedene Debuffs verschieden auswirken, wird man in keinem Buch eine Antwort darauf finden. Seltsamerweise ist noch niemand auf die Idee gekommen, dass diese Frage einfach zu beantworten ist, indem man den Debuff auf sich selbst wirkt.
Die Antwort ist ein endloser Kampf zwischen zwei gleich starken Kräften. Der Zaubernde könnte das Ziel mit einem Debuff belegen, aber das Ziel könnte sich dagegen wehren. Mit anderen Worten, solange niemand aufgibt, würde der Zaubernde das Ziel kontinuierlich schwächen, während das Ziel seinerseits so lange Widerstand leistet, bis es keine Kraft mehr hat.
Objektiv betrachtet ist es idiotisch, sich selbst zu debuffen. Man würde nicht nur den Debuff erleiden, sondern aufgrund des eigenen Widerstands gegen den Zauber würde einem auch schnell das Mana ausgehen. Wie kann das für mich von Vorteil sein? Es ist einfach der effektivste Weg, nicht nur meine magische Kraft und Resistenz, sondern auch meine körperliche Ausdauer zu trainieren. Wenn ich diese Art des Trainings fortsetze, bin ich zuversichtlich, dass meine Fähigkeiten die meiner Vorgänger bei weitem übertreffen werden, selbst wenn ich nur meine Fähigkeiten als Heilige ohne meine Schattenmagie und Schwertkunst messe.
Nachdem ich mich an die plötzliche Schwere meines Körpers gewöhnt habe, verlasse ich mein Zimmer. In diesem Zustand Menschen zu heilen ist anstrengend und manchmal falle ich wirklich in Ohnmacht. Aber solange ich mich gut ausschlafe, sollte ich morgen früh abreisen können.
Als ich durch die Gänge des Tempels gehe, bleibt jeder, dem wir begegnen, stehen und verbeugt sich vor mir. Anfangs hat mich das eingeschüchtert, dann war ich stolz und jetzt ärgere ich mich nur noch. Es gibt keinen Grund, einer Person Respekt zu zollen, die mehr wie ein Haustier als wie ein Mensch behandelt wird. Aber es steht mir nicht zu, irgendeine Art von Unmut zu zeigen. Ich bin die perfekte Heilige Lorelai, kränklich, aber hart arbeitend und durch und durch gut. Das ist der Charakter, den ich geschaffen habe, und der Grund, warum mich niemand verdächtigt, obwohl ich mich regelmäßig in meinem Zimmer einschließe.
»Du bist spät dran!«, heißt es, als ich am frühen Morgen mit einem der Gildenpferde zum Treffpunkt am Osttor komme. Es ist der dunkelhaarige Ritter, der gestern schon so unfreundlich war.
»Es ist Punkt sechs«, antworte ich müde. Der gestrige Besuch im Krankenhaus war anstrengender als erwartet.
»Wir wollten um sechs Uhr aufbrechen, also musst du natürlich vor sechs da sein«, argumentiert der Mann. Wie heißt er noch mal? Daron? Dalon? Dalton!
»Wozu? Wolltest du ne Rede halten?«
»Eine Rede?! So ein Quatsch!«
»Wunderbar! Dann können wir ja losreiten.« Ich drücke meine Fersen in die Flanken meiner Stute. Sie ist eine schwarze Schönheit mit dem Namen Asche und das einzige Pferd, das sich von mir anfassen lässt, nachdem ich mit ihr per Schatten gereist bin.
»Sie hat nicht einmal Gepäck. Denkt sie, wir bezahlen für sie?!«
Ich höre Dalton hinter mir schimpfen, ignoriere ihn aber und reite weiter, damit wir pünktlich loskommen.
»Hey, Miss Lawrence.« Einer der Männer, dessen Namen ich vergessen habe, treibt sein Pferd an, um neben meinem zu laufen, nachdem wir die Ausläufer der Stadt verlassen haben. Wir reiten im leichten Trab, denn in einem Wald, in dem es von Monstern wimmelt, ist es nicht ratsam, unvorsichtig voran zu preschen.
»Lawrence reicht.«
»Danke, ich bin Jake.«
Ich sehe ihn an und warte darauf, dass er mir sagt, was er will.
Er lacht unbeholfen. »Hieß der Bösewicht in diesem Märchen nicht auch Lawrence? Du weißt schon, in Die Lichtbringerin. Ich wusste nicht, dass das auch ein Frauenname ist.«
»Ist es nicht.«
»Ist es nicht?« Er klingt verwirrt.
»Lawrence ist mein Vorbild, deshalb habe ich beschlossen, ihm zu Ehren seinen Namen zu tragen, unabhängig von seinem Geschlecht.«
Jake kratzt sich am Kopf. »Wie wird ein Schurke zum Vorbild für jemanden?«
»Er ist ein Schurke?« Ich neige meinen Kopf in seine Richtung. »Nur weil er mit der Kirche nicht einverstanden war und ihre Methoden infrage gestellt hat?«
»Eher, weil er Kinder entführt hat und die Heilige töten wollte.«
Ich lache. »Und wer würde das an seiner Stelle nicht tun? Die Kirche hat allen Kindern eine Gehirnwäsche mit ihren Idealen verpasst und ihn als Bösewicht gebrandmarkt, weil er Schattenmagie benutzt hat. Die Heilige war diejenige, die andere gesegnet hat, ohne um Erlaubnis zu fragen.«
Er wirft mir einen abweisenden Blick zu. Natürlich tut er das, denn es ist selten, dass jemand die Kirche kritisiert.
»Hey du! Pass auf, was du sagst!«
Ich drehe den Kopf und sehe Dalton an. »Weißt du genug, um das zu sagen?«
»Wie bitte?!«
Ich zucke mit den Schultern und drehe mich wieder nach vorn. »Es gibt kein Gut und Böse auf dieser Welt, es gibt nur verschiedene Perspektiven. Wenn du die Geschichte aus Lawrence' Sicht erzählst, hat er die Kinder gerettet. Oder es zumindest versucht.«
»Vor wem gerettet? Die Heilige war es, die sie vor einem schwarzen Magier gerettet hat.«
Ich lache. »Du hast wirklich keine Ahnung.«
Dalton treibt sein Pferd neben meins. »Und was sollte eine Söldnerin wie du wissen, was ich nicht weiß?«
»Ist das überhaupt eine Frage?« Ich kichere über seinen empörten Gesichtsausdruck. »Weißt du denn nicht, was Schattenmagie ist?«
»Natürlich weiß ich, was das ist!«, sagt er, aber mit seinem Blick bohrt er mir praktisch ein Loch in die Wange. »Es ist schwarze Magie!«
»Und die gehört verboten!«, sage ich in verschwörerischem Tonfall, während ich mich zu ihm lehne. Dann richte ich mich wieder auf. »Das sagen die meisten, aber alle beten sie dieses Püppchen im Tempel an.«
Daltons Augen werden schmal. »Von wem sprichst du?«, fragt er, obwohl sein drohender Blick verrät, dass er es bereits weiß.
Ich schnaube belustigt. »Na, sicher nicht vom Hohepriester. Aber was weiß eine Söldnerin wie ich schon?«
Sein wütendes Gesicht ist recht amüsant. Außerdem hat er offensichtlich nicht erwartet, dass mich sein drohender Blick nicht beeindruckt.
»Du meinst die Heilige.«
Überrascht drehe ich meinen Kopf zur anderen Seite, wo Jakes Platz von niemand anderem als meinem derzeitigen Boss eingenommen wurde, und ich halte meinen Mund. Nicht weil er mein Boss ist, sondern weil er mir eine Goldmünze hinhält. Er muss aus einer sehr reichen Familie kommen, wenn er mir für etwas so Triviales eine Goldmünze gibt.
»Du hast deinen Status als Söldnerin betont, was bedeutet, dass du für die Informationen bezahlt werden willst oder irre ich mich?«
»Mikail?!«, ruft Dalton und scheint in seiner Überraschung zu vergessen, befangen zu sein, weil er seinen Herrn beim Vornamen nennt.
»Oho, jemand mit Köpfchen.« Ich schnappe ihm die Münze aus der Hand.
»Hey, du Geldschlucker, gib das zurück! Wir haben nur Blödsinn geredet!«
»Was man über deinen Freund nicht sagen kann.« Ich schnippe die Münze in die Luft, und als sie wieder fällt, verschwindet sie in meinem Schatten. »Ich bin zwar raffgierig, aber meinen Preis wert.«
Mikail sieht mich ruhig an, während Dalton nach der Münze zu suchen scheint.
»Es ist eigentlich ganz einfach. Es gab eine Zeit, in der die Menschen schwarze Magier gejagt haben, wegen dieses Märchens, und danach verschwand schwarze Magie. Aber Magie an sich ist weder gut noch böse, und so lernte niemand mehr schwarze Magie, bis sie zu einem Mythos wurde. Das heißt aber nicht, dass es keine Menschen mehr gibt, die eine Affinität dafür haben.«
»Soll das heißen, dass es immer noch schwarze Magier gibt, die ihre Fähigkeiten nur ignorieren?«
»Das könnte man so sagen.«
»Und woher weißt du das?«
An der Art, wie er mich ansieht, erkenne ich, dass er eine Vermutung hat. Ich kichere. »Oh, da hast du mich erwischt.«
»Du beherrschst schwarze Magie?« Trotz des heiklen Themas ist er bemerkenswert ruhig.
»Man sollte es eher Schattenmagie nennen. Und jetzt benutz dein hübsches Köpfchen und denk nach. Wie entstehen Schatten?«
Er muss nicht lange nachdenken, aber es dauert doch eine Weile, bis er antwortet. »Willst du damit sagen, dass Lichtmagie …?«
»Witzig, oder? Die heilige Macht, die die Kirche mit ihrer Heiligen so sehr preist, und die dunkle und böse Macht, die sie verdammt, sind in Wahrheit zwei Seiten derselben Medaille.« Ich greife mit einer Hand hinter mich und ziehe meine Tasche aus meinem Schatten, sodass sie sie sehen können. »So viel zu meinem Gepäck. Ich sag ja, alles eine Frage der Perspektive. Die Lichtbringerin ist eine Geschichte über zwei Lichtmagier, von denen sich der stärkere durchsetzt. Oder anders gesagt: Die mächtigste schwarze Magierin dieser Zeit ist die liebe Heilige Lorelai selbst.« Ich sage es leichthin, aber meine neuen Kameraden nehmen es nicht so gut auf.
Daltons Gesicht wird rot und seine Augen funkeln drohend. »Jetzt gehst du zu weit! Wie kannst du es wagen, Ihre Heiligkeit zu verleumden?!«
Ich lege in gespielter Verwirrung den Kopf schief. »Wieso verleumden? Das war ein Kompliment! Von einer Schwarzmagierin zur anderen.«
»Du! DU!« Er sieht mich an, als wolle er mir an die Gurgel springen.
»Oh je!« Ich dränge Asche ein Stück von ihm weg. »Sag mir nicht, du gehörst zu dieser ekligen Gruppe von Anhängern, die die Heilige mehr verehren als Gott?«
»Halt den Mund! Die Heilige Lorelai ist das heilende Licht dieses Landes, sie ist die personifizierte Güte und Reinheit.«
Ich starre ihn ausdruckslos an. »Ein einfaches Ja hätte gereicht.«
Wut flammt in seinem Gesicht auf, aber ich wende mich desinteressiert ab. »Seid ihr alle Verehrer der Heiligen?«, frage ich Mikail.
Jetzt kühlt sich auch seine Miene ab. »Du solltest wissen, dass wir diese Mission für die Heilige unternehmen.«
Ich blinzle. »Wirklich?« Er hat erwähnt, dass der Auftrag für einen Dritten ausgeführt wird, aber wer hätte gedacht, dass ich diese Dritte bin!
Mikail nickt. »Das Erz in den Felswurzeln hat magische Kräfte und kann zu einem Artefakt verarbeitet werden. Wir hoffen, dass es Ihrer Heiligkeit helfen wird.«
Das wird es nicht. Diese Art von Erz kann wie ein Katalysator wirken, der das Kanalisieren beschleunigt. Deshalb heißt es, dass es magische Fähigkeiten verstärken kann, aber es hat seine Grenzen. Der Hohepriester hat einen Stab mit diesem Erz in der Spitze, daher weiß ich, dass ich schon vor Jahren eine höhere Kanalisierungsrate hatte. »Lass mich raten: Einer von euch hat einen sehr kranken Freund und hofft, die Heilige zu bestechen, damit sie ihn oder sie heilt, weil es zu kompliziert ist, als dass die regulären Heilungen ausreichen würden.«
Mikails Gesichtsausdruck bleibt steinern, aber die Reaktion der anderen Gruppenmitglieder reicht aus, um mir zu sagen, dass ich ins Schwarze getroffen habe.
Ich grinse. »140 Goldstücke, um in die Felswurzeln zu gehen? Die Kirche hat euch ganz schön übers Ohr gehauen.«
»Sei still!«
»Oho!« Es scheint, als wäre der ruhige Mikail, derjenige mit dem kranken Freund. Sein Gesicht sieht aus, als könne er sich kaum zusammenreißen.
»Ich will dich nur warnen. Du holst dieses Erz nicht für die Heilige. Sie ist nur eine dumme Galionsfigur. Ich wette, sie weiß nicht einmal, was ihr für sie tut, und sie wird es auch nicht erfahren.«
»Ich habe dir gesagt, du sollst den Mund halten!« Seine grünen Augen glühen wie kaltes Feuer, obwohl er sich immer noch nicht überwinden kann, mich anzuschreien oder zu verfluchen. Er ist unerwartet amüsant.
Ich lehne mich ein wenig zu ihm hinüber. »Warum regst du dich so auf? Wenn du jemanden heilen willst, gibt es keinen Grund, dich vorher umbringen zu lassen. Es gibt auch andere Heiler als die Heilige, weißt du?«
Er schnalzt mit der Zunge. Ein hochnäsiger und arroganter Laut, den ich gar nicht nachahmen könnte. »Glaubst du, ich merke nicht, was du vorhast? Von mir bekommst du kein Geld!«
Ich lege den Kopf schief. »Hab ich doch schon. Zweimal.« Ich grinse, als ich seine Augenbraue zucken sehe. »Und hat es sich nicht gelohnt?«
»Wenn deine Fähigkeiten als Heilerin deine Ausdrucksweise nicht übertreffen, hat es sich nicht gelohnt!«, sagt er streng und ich kichere. »Hoho, wie niedlich.«
Mikails Wangen röten sich vor Wut, während er um eine beherrschte Miene kämpft.
Ich lehne mich in seine Richtung. »Dein wütendes Gesicht ist bezaubernd. Kein Grund, es zurückzuhalten«, sage ich und tippe mir mit dem Finger unter das linke Auge, was Mikail geflissentlich ignoriert.
Aber meine Begeisterung legt sich schnell. Im Hesky-Wald gibt es einen Haufen Monster, aber diese Gruppe verdeckter Ritter scheint wirklich sehr geschickt zu sein. Ich verstehe, warum sie nicht unbedingt einen Heiler brauchen.
Ich lehne mich an einen Baum und beobachte die Rücken der sechs Männer. Zu allem Überfluss sind sie alle wohlerzogen und ihrem Anführer gehorsam. Und sie sind so voller Ehrfurcht vor ihm, dass es mich anwidert. Sicher, dieser Mikail kann mit dem Schwert umgehen, und für einen Adligen ist seine Handhabung von Aura ganz gut.
Aura ist die exklusive Kunst der Schwertkämpfer und das Gegenteil von Mana. Sie ist nicht so vielseitig wie Mana, was ihren Anwendungsbereich recht simpel macht. Im Wesentlichen erhöht sie die Schnelligkeit, die Ausdauer und die Stärke eines Schwertkämpfers, während sie das auf sich gerichtete Mana verringern oder sogar aufheben kann. Und sie ist intuitiver, was sie für den Nahkampf besser geeignet macht.
Da mir sowieso langweilig ist, sollte ich vielleicht einen Streit mit Mikail anfangen. Bisher ist es mir nicht gelungen, diesen wütenden Ausdruck erneut auf sein Gesicht zu bringen.
»Gute Arbeit.« Mikails Stimme verkündet das Ende des Kampfes, nachdem mehrere Gnawks tot auf dem Boden liegen, kleine, humanoide Bestien mit großen Ohren, langen Reißzähnen und buschigem braunen Fell.
Die sechs Männer hingegen haben nur ein paar Kratzer.
Ich seufze und heile sie. Sie würden von selbst heilen, aber im Wald kann sich eine Wunde schnell entzünden, und dann hätte ich mehr Arbeit.
Mikail sieht mich an. »Hast du uns gerade alle geheilt?«
Ich zucke mit den Schultern. »Das ist mein Job.«
»Ja, aber ich habe noch nie erlebt, dass jemand so schnell mehrere Menschen auf einmal heilt. Deine Heilkünste sind sehr beeindruckend.«
Ich kichere. »Wenn du so leicht zu beeindrucken bist, ist es kein Wunder, dass du dich so über den Tisch ziehen lässt.«
Er blinzelt. »Wie bitte?«
Ich stoße mich vom Baum ab. »Wir sind ein bisschen unerfahren für die große, weite Welt, oder?«, sage ich mit theatralischer Stimme und wende mich ab, um wieder zu Asche zu gehen.
»Hey!« Das ist natürlich Dalton. »Zeig etwas Respekt, nachdem Mikail dir ein Kompliment gemacht hat.«
Ich hebe einen Finger, ohne mich umzudrehen. »Zahl mir ein Goldstück pro Tag und ich denke darüber nach.«
»Was?!« Dalton stapft hinter mir her. »Du wagst es, Geld dafür zu verlangen, dass du gesunden Menschenverstand zeigst?!«