Satirische Blicke auf meine Heimat - Hans Buring - E-Book

Satirische Blicke auf meine Heimat E-Book

Hans Buring

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Beschreibung

Das neue Buch Satirische Blicke auf meine Heimat ist eine Antwort auf das neue Heimatministerium der BRD und dessen ersten Amtsinhaber Horst Seehofer.

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Mein Dank gilt meinem Schüler, Mitstreiter und Freund Klinte für seine hilfreichen Korrekturvorschläge.

Inhaltsverzeichnis

Über dieses Buch

Heimatminister

Erste Heimat (pränatal): in utero

Fremde Heimat: Neulich im Baumarkt

Das Lied der Deutschen

Deutsche Grammatik – oder Wie man richtig beugt

Die größten Frauen Deutschlands

Denk ich an Deutschland in der Nacht

Heimatkunde

Heimatvertriebene

Lied von der moralisch-vaterländischen Nachrüstung

Heimatverlag

Goethes Rückkehr im Jahre 1982

Heimaterde

Heimatschutz

Heimatliebe

Die zweite Hochzeitsnacht

Aus der Gartenkolonie

Heimathäppchen

Kinderlieder der Heimat

Besuch der Milkakuh im Musikantenstadl

Heimatpfarre

Neue Heimat

Heimatbühnen

Heimatadresse

Gedichte der deutschen Heimat (mit Postleitzahlen)

Ortsnamen

Quellenverzeichnis

Bildnachweis

Über dieses Buch

Mit dem Limerick-Band „Inselschönheiten“ und seinen 300 Nonsense-Gedichten wollte ich mich im Jahre 2018 von meinen Lesern mit einem Augenzwinkern verabschieden. Da erfand Horst Seehofer für die Bundesregierung ein neues Amt, das es bis dahin so nicht gegeben hatte, das Heimatministerium, und er wurde auch gleich dessen erster Amtsinhaber.

Als Satiriker und Kabarettist, der nicht nur fast 50 Jahre mit den „Kettwichten“ den Umgang mit dem Begriff „Heimat“ kritisch verfolgt hatte, war das ein Affront, mehr noch: eine Kampfansage.

Ich musste mich noch einmal einmischen. Die Interpretation der Heimat durfte ich nicht Seehofer überlassen. Und so durchsuchte ich die alten Texte der Kettwichte und wurde schon in deren zweitem Programm aus dem Jahr 1966 fündig, siehe Quellenverzeichnis im Anhang.

Auch reizte mich die Flut von Heimat-Beiträgen der letzten Jahre in unserer Gesellschaft (vom Heimatschutz und der Heimaterde bis hin zu den gewagten Serien des WDR mit „Heimatflimmern“ und „Heimathäppchen“), denen ich mich noch nicht gestellt hatte. So entstanden noch einige neue Originalbeiträge für dieses Buch.

Die Themen Flucht und Vertreibung, die in vielen der Texte eine Rolle spielen, bekamen im Februar 2022 durch den Krieg in der Ukraine eine erschütternde und ungewollte Aktualität. Innerhalb von sechs Wochen nach dem Einmarsch der russischen Streitkräfte wurden bereits mehr als 10,5 Millionen Menschen – rund ein Viertel der Bevölkerung der Ukraine – entweder innerhalb des Landes vertrieben oder sind als Flüchtlinge ins Ausland geflohen – die größte Flüchtlingskrise in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Den vielen Heimatgedichten, die nicht aus der Mode kommen wollten, erst recht nicht in Zeiten von Asylverweigerung, begegnete ich mit Limericks zu den Orten des Postleitzahlenbuchs – ein Versuch, deutsche Heimatgedichte zu ordnen und zu verwalten. Viel Freude damit!

Seehofer erklärt bayrischen Ureinwohnern die Ankerzentren: „Bis hierher und keinen Schritt weiter!“

Foto: Peter Kneffel / dpa

Heimatminister

Gerade als ich mich aus dem literarischen Leben zurückziehen wollte – ich hatte mich bei meinen aussterbenden1 Leserinnen und Lesern mit dem Limerick-Büchlein „Inselschönheiten“ verabschiedet – verhinderte meine Absicht ein Unfall: Horst Seehofer erfand für unseren Staat das Ministerium für Heimat, dessen erster Minister er wurde. Die beiden anderen Sparten (Innenministerium und Bauministerium) nahm er (miss-)billigend in Kauf, immerhin hatte er durch deren Übernahme schon einmal den Fuß im Kabinett2.

Seehofer wird Heimatminister. Als Satiriker empfand ich das als Kampfansage. Ein (Berufs)leben lang hatte ich den Begriff Heimat im Augenschein behalten. Es war zu viel Schindluder mit ihm getrieben worden. Wenn man nur an das Dritte Reich denkt: „Heimat, deine Sterne“, an die Heimatvertriebenenverbände: „Schlesien gehört uns“ oder an den Kitsch der deutschen Heimatfilme. Als Kabarettist war die hinterfotzige Frage des Kollegen Polt „Heimat, wo ist dein Zuhause?“ keine bloß rhetorische, sondern eine durchaus berechtigte. Wenn es denn ein bundesweites Heimatministerium gibt, kann es nur von einem Bayern geführt werden. Das war zu befürchten. Die bayrische Mentalität „Mia san Mia“ ist überall in Deutschland bekannt. Und sie hat eine jahrhundertealte Tradition.

Schon 1899 schrieb die Geraer Zeitung:

„Wenn man in das bayrische Oberland kommt, dann ist einem gleich die stille und innige Gegend mit den harmlosen, frohen, den ganzen Tag singenden Menschen lieb, dass man jedes Jahr dorthin möchte: nirgends kann man den Verdruss der Stadt so schön vergessen. Alles ist heiter, jeder Rede wachsen Flügel an, gleich flattert ein Lied heraus. Das Leben wiegt sich lustig und ist zum Tanz bereit.

Die Gräser sind schmal und zart, wie zum Scherz für artige Kinder liegen die blanken Häuser am Fuße der Berge. Hier kann man nicht traurig sein, die Gegend erlaubt es nicht. Die Leute, die da wohnen, sind eins mit ihrer Heimat.“

Was mich an dem Artikel gewundert hat, ist die mangelnde Erfahrung in der Beurteilung der Menschen. „Harmlose Menschen“. Aber gut. Sie kannten weder Seehofer, noch Söder, noch Strauß.

Seehofer war mir seit langem schon wegen seiner gnadenlosen Erfindungen suspekt. Zwei Jahre vor der Erfindung des Bundesministers für Heimat hatte er bereits die „Ankerzentren“ erfunden und getestet. Als bajuwarischer Zyniker scheute er sich nicht, das christliche Symbol für Hoffnung, den Anker, für seine Zwecke zu nutzen und ins Gegenteil zu verkehren. Ankerzentren sind Sammellager für „Ankunft – Entscheidung – Rückführung“.

Der neue Heimatminister bietet den Flüchtlingen mit ihren zum Teil schrecklichen Verlusterfahrungen kein neues friedfertiges Haus, sondern – wie der Filmemacher Edgar Reitz3 ihm vorwirft – einen gnadenlos verschlossenen Rückzugsort der Angst.

Mich wundert, dass erst jetzt – im Jahre 2021 – „Rückführungspatenschaften“ von der Jury der „Sprachkritischen Aktion“ zum „Unwort des Jahres“ gekürt wurde. Da haben sie wohl die „Ankerzentren“ Seehofers vor Jahren übersehen. Aber mit Wertbegriffen des christlichen Abendlandes (Pate ist ein Ehrenamt christlicher Gemeinschaften) ist offenbar gut Schindluder treiben.

Heute ist Seehofer noch einen Schritt weiter. Überall in Deutschland stehen die Flüchtlingsunterkünfte halbleer, dazu trägt bei, dass Seehofer als Innenminister sein Einverständnis für die Aufnahme von Flüchtlingen geben muss, was er nicht tut. Da nutzt es auch nicht, dass deutsche Ministerpräsidenten wie Laschet nach Griechenland reisen und sich ein Bild der himmelschreienden Not und Enge im Lager Moria machen. Seehofer untersagt die Aufnahme von Flüchtlingen in Berlin und Thüringen.

Als im Sommer 2021 eine Jahrhundertkatastrophe Teile unserer Heimat für immer vernichtet, werden schwere Versäumnisse des Bundesinnen- und -heimatministers sichtbar, für die dieser unmittelbar die persönliche Verantwortung trägt. Die FDP fordert, „die Heimat-Abteilung im Innenministerium unverzüglich aufzulösen und die freiwerdenden Stellen neben der Digitalisierung für den Bevölkerungsschutz zu verwenden.“

Den Begriff „Heimat“ haben die jungen Kabarettisten an meiner Schule, die Kettwichte, als „schwiemelig“4 bezeichnet. So verstehe ich auch die Aussage einer mir unbekannten Schriftstellerin, die augenzwinkernd meinte, HeiMat sei eine Abkürzung aus „Heiliger Matsch“. In der Tat war der Begriff für uns Saupreußen aus Essen, erst recht in den widerborstigen 60er Jahren, zu schwammig, aber deshalb umso besser zu karikieren. Immer wieder haben wir Bayern in Trachten auf die Bühne gestellt, meist als Paare, natürlich unterschiedlichen Geschlechts. Hier ein Auszug aus „Wenn die Abendglocken klingen“ (1966)

Er: Wenn die Abendglocken klingen,

Seemannstod, oh Mütterlein,

lasst die Rührungstränen rinnen,

Heidelberg bei Wien am Rhein.

Sie: (gesprochen)

Hörst du unsere Abendglocken?

Er: (gesprochen) Und ob.

(Beide treten an die Rampe, im

Hintergrund summt ein Knabenchor,

Nachtigallen schlagen, er singt wieder)

Wenn die Abendkassen klingeln,

wird noch lang nicht jedem schlecht.

Lasst die Knabenchöre singen!

Deutsche Seele, du hast Recht.

(Ensemblechor summt mehrstimmigen

Satz von „Der Mond ist aufgegangen“ –

Sie spricht dazu langsam den Text:)

Sie:

Der Mond ist aufgegangen,

die güldnen Sternlein prangen.

Dort hinterm düstern Strauch

steigt deutscher Tiefsinn hoch hinauf.

Er hängt uns schon zum Hals heraus

und unserm lieben Nachbarn auch.

1 Als Autor schrieb ich viele Jahre für meine Zeitgenossen. Die aber starben unentwegt weg. Schließlich bin ich über 80 Jahre alt.

2 In meinem Beruf als Deutschlehrer hätte ich diese Metapher als besonders gelungen hervorgehoben, denn „cabinet“ heißt im Französischen so viel wie „Zimmerchen“ oder gar „Hinterzimmer“.

3 „Heimat“ ist der Titel einer Filmtrilogie, mit der Reitz 1984 und in den Folgejahren Fernsehgeschichte schrieb.

4 Der Duden hat das andernorts eher seltene Adjektiv mit den Synonymen duselig, benebelt, im Tran und dösig gut gefasst.

Erste Heimat (pränatal): in utero

Szene für 2 Personen: Optimist (O), Pessimist (P) Ort: Mutterleib

O: Mensch, rück mal ’n Stück! Das ist ja verdammt eng hier.

P: Und es wird immer enger.

O: Und deswegen will ich raus.

P: Nö, ich bleib hier.

O: Das geht nicht. Wir haben nur für neun Monate gemietet.

P: Dann verlängern wir eben fristgerecht.

O: Ach was, wir werden doch schon erwartet.

P: Vielleicht wollen die uns gar nicht.

O: Nachdem der Check gut ausgefallen ist, freuen die sich sogar auf uns.

P: Von welchem Check redest du überhaupt?

O: Fräulein, hast du ein Kurzzeitgedächtnis! Weißt du nicht mehr, wie sie uns vor ’n paar Monaten beinahe aufgespießt hätten?

P: Ach so, du meinst die Fruchtwasseruntersuchung.

O: Ja eben. Und seit sie wissen, dass wir gesund sind, freuen sie sich auf uns.

P: Du meinst, jetzt brauchen wir keine Abtreibung mehr zu fürchten?

O: Richtig. Aber mit der Abtreibung, das geht sowieso nicht mehr so einfach.

P: Da hab’ ich aber schon anderes gehört.

O: Seit neuestem stellt die katholische Kirche keine Beratungsscheine mehr aus.

P: Und das heißt?

O: Dass wir unter dem Schutz der Kirche stehen. Also Kirche – find’ ich gut.

P: Der Schutz der Kirche hört aber schlagartig auf.

O: Wann?

P: Draußen. Sobald wir raus sind.

O: Woher willste das denn wissen, du Klugscheißer?

P: Das hat schon Kurt Tucholsky gewusst. Und gesagt. Und sich anschließend umgebracht.

O: Aber das ist über 50 Jahre her.

P: Na und? Seither ist es eher schlimmer geworden. Hast du gehört, dass die Kirchen neuerdings sogar viele ihrer Kindergärten schließen, obwohl sie immer predigen: „Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht.“

O: Na und? Dann bleiben wir eben zu Hause.

P: Und wer soll auf uns aufpassen? Der Alte bestimmt nicht. Der steht kurz vor ’ner Beförderung. Der ist mit dem Betrieb verheiratet.

O: Aber sie.

P: Geht nicht. Unsere beiden Alten sind – sozial gesehen – „Dinks“.

O: „Dinks“?

P: Ja, double income no kids. Das ist die gesellschaftliche Gruppe mit dem höchsten Einkommen in Deutschland.

O: Ja hör mal, endlich mal ’ne gute Nachricht. Da kommen wir ja quasi ins gemachte Nest. Super!

P: Mensch, bist du blöd! Wir machen denen das doch kaputt.

O: Kaputt?

P: Statt no kids – double kids. Sie muss dann zu Hause bleiben und er muss nicht nur sie, sondern auch noch uns beide durchziehen, damit wir was zu beißen haben.

O: Beißen ist gut, du Großmaul, du hast ja noch gar keine Zähne!

P: Und das ist auch gut so: Hast du erst mal Zähne, kriegst du auch Karies und dann wird gebohrt und neuerdings musst du die Quälerei vom Zahnarzt auch noch selbst bezahlen.

O: Wieso ich?

P: Ja, zunächst natürlich der Alte, aber später dann auch du. Und das alles kann mir bei der Ernährung hier drinnen nicht passieren. Deswegen bleib’ ich hier. – Schließlich gibt’s jeden Tag Kuchen.

O: Aber immer nur Mutterkuchen. Ich freu mich auch mal auf Pflaumenkuchen oder – wie Guildo Horn – auf Nussecken (schreit) Piep – piep – piep! Ich will auch Nussecken.

P: Hör auf hier rumzutoben! Die wird sonst gleich wieder wach und dann schaukelt sie uns wieder stundenlang durch die Gegend.

O: Na und?

P: Ja dann stehst du wieder kurz vorm Kotzen.

O: Nun hör schon auf mit dem Thema, sonst wird mir wirklich noch übel. Diese diffuse Beleuchtung hier und die trübe Suppe, also ich will raus. Verstehst du? An die frische Luft.

P: Frische Luft, dass ich nicht lache. Hier drin bist du vor den CO2-Emissionen und dem anderen Dreck noch einigermaßen geschützt. Draußen stinkt’s zum Himmel.

O: Du übertreibst bestimmt wieder.

P: Und warum wollen dann alle Parteien eine Öko-Steuer einführen, einige denken sogar an Fahrverbote? Riechst du den Braten nicht? Nö, ich bleib drin.

O: Und ich hau ab. Ich will jetzt endlich das Licht der Welt erblicken, meine Heimat kennen lernen.

P: Wie denn? Noch hängst du schön an der Leine.

O: Die werden sie schon durchschneiden, wenn ich erstmal draußen bin. Schließlich heißt das ja Entbindung. Außerdem solltest du dich freuen, wenn ich schon mal weg bin. Dann hast du in der engen Bude hier auch mehr Platz.

P: So, und du glaubst, draußen bekämst du mehr Platz?

O: Aber sicher. Die weite Welt steht mir offen.

P: Zunächst kommst du mal hinter Gitter. Käfighaltung, ca. einen halben Quadratmeter Grundfläche. Und später müssen wir uns dann acht Quadratmeter teilen.

O: Du meinst das Kinderzimmer. Aber draußen…

P: Draußen rollt der Verkehr.

O: Aber es gibt Spielplätze.

P: Dort lassen sie ihre Hunde scheißen. – Apropos Hunde. Sie hier oben hätte uns als Welpen werfen sollen, dann hätten wir garantierten Freiraum. Einem Hund mittlerer Größe steht ein großzügiger Auslauf zur Verfügung, gesetzlich. Da staunste, was?

O: Und warum haben wir keinen garantierten Auslauf?

P: Weil wir keine Lobby haben. Für das Recht der Hunde steht der mächtige Tierschutzbund.

O: Und es gibt keinen Kinderschutzbund?

P: Doch – mit König Herodes als seinem Präsidenten! (lacht)

O: Du kannst mich nicht verarschen. Ich lass mir die Vorfreude auf meine Mitmenschen nicht mies machen.

P: (zeigt ins Publikum) Schau sie dir doch an, deine zukünftigen Mitmenschen!

O: Wo?

P: Na, da unten. – Und was siehst du?

O: Ich glaub’, die freuen sich auf meine Geburt.

P: Und wie! Sie freuen sich darauf, dass du den Generationenvertrag einlöst. Such dir mal drei bis vier alte Typen raus! Hast du welche? (O nickt) So, die erwarten von dir, dass du deren Rente bezahlst. Ja, die freuen sich auf dich. Guck mal, wie gierig die gucken! Nö, ich bleib drin.

O: Sei mal still! Spürst du das auch, wie das wackelt? Ist das ein Erdbeben?

P: Verflucht, das sind die Wehen. Jetzt wird’s ernst. Ich halt’ dagegen.

O: Dann wärst du der erste, der das schafft. Gib’s auf! Sag lieber, wenn wir uns draußen aus den Augen verlieren sollten, wo treffen wir uns wieder?

P: Spätestens auf dem Arbeitsamt, bei der Jobsuche.

Fremde Heimat: Neulich im Baumarkt

Ein Zwischenhoch hatte die ersten Sonnenstrahlen in unseren Garten geworfen. Das hatte meine Frau kribbelig gemacht und sie hatte mich in die Gartenabteilung des Baumarkts geschickt, eine Palette bunter Primeln zu kaufen. Für gerade mal 99 Cent das Stück wollte sie den Frühling hervorlocken, wollte sie frisches Leben ergattern.

Vor mir in der Warteschlange an der Kasse stand eine merkwürdige Type: ganz in schlabbriges Schwarz gekleidet. Eine Stirnbandrolle wie ein Damenstrumpf – auch schwarz – hielt das strähnige, klebrige Haar. Als er einen – eher verächtlichen – Blick auf meine Primeln warf, sah ich ihn im Profil. Den kenn’ ich doch.

Ich drängte mich etwas nach vorn und tippte ihm auf die Schulter. Ein Nachbarsjunge. Er trug jetzt einen zotteligen ungepflegten Bart. „Hey, Heinz Dieter, schön, dich nach so langer Zeit mal wiederzusehen.“

„Heinz Dieter ist gestorben“ sagte er.

„Aber muss man denn unbedingt schwarz tragen, wenn man selbst gestorben ist?“, dachte ich – zugegeben – etwas amüsiert.

„Ich heiße jetzt Jussuff.“

„Jussuff?“

Ausgerechnet dieses Muttersöhnchen, das als einziges aus der ganzen Nachbarsclique nie gesoffen hatte, nannte sich Jus-Suff.

Er war ein schwächliches Kind gewesen. Immer erkältet. Sein Markenzeichen: die triefende Nase. Ständig wuselte seine Mutter mit einem Taschentuch um ihn herum, das sie ihm vor die Nase hielt: „Komm, Heinz Dieter, mach feste Hatschi.“ Jetzt macht Heinz Dieter Dschihad. Ganz feste. Diese Rotznase.

Zur Märtyrerausbildung brachte er – neben der Alkoholabstinenz - eine weitere gute Voraussetzung mit. Er war Vegetarier, sogar Veganer, also der Extremist unter den Vegetariern. Er aß kein Fleisch, folglich auch kein Schweinefleisch. Noch eine Versuchung weniger.