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Einige Menschen im Leben vergisst man nie - für Hotelmanager Alex war es das Mädchen, das er zum ersten Mal geküsst hatte und danach nie wieder sah. Bis zu dem Tag, als er mit seiner Verlobten in eine Papeterie geht, um Hochzeitskarten auszusuchen. Die Verkäuferin ist niemand anderes als Caroline, eben jenes Mädchen.
Von da an hilft sie ihm nicht nur bei der Auswahl der Karten, und verhindert kleinere und größere Fehler, sondern ist auch für ihn da als sich sein Leben auf den Kopf stellt. Alex weiß gar nicht, womit er sie verdient hat, aber ist sich sicher: Ohne sie wäre er verloren.
Spürt auch sie diesen Funken wieder, den es schon einmal zwischen ihnen gab?
Alle Bücher der Dating Serie können unabhängig voneinander gelesen werden.
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Einige Menschen im Leben vergisst man nie - für Hotelmanager Alex war es das Mädchen, das er zum ersten Mal geküsst hatte und danach nie wieder sah. Bis zu dem Tag, als er mit seiner Verlobten in eine Papeterie geht, um Hochzeitskarten auszusuchen. Die Verkäuferin ist niemand anderes als Caroline, eben jenes Mädchen.
Von da an hilft sie ihm nicht nur bei der Auswahl der Karten, und verhindert kleinere und größere Fehler, sondern ist auch für ihn da als sich sein Leben auf den Kopf stellt. Alex weiß gar nicht, womit er sie verdient hat, aber ist sich sicher: Ohne sie wäre er verloren.
Spürt auch sie diesen Funken wieder, den es schon einmal zwischen ihnen gab?
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Monica Murphy ist New-York-Times- und USA-Today-Bestsellerautorin. Ihre Bücher wurden in fast ein Dutzend Sprachen übersetzt und haben sich weltweit über eine Million Mal verkauft. Die Autorin lebt mit ihrer Familie, ihrem Hund und vielen Katzen mitten im kalifornischen Nirgendwo. Wenn sie nicht gerade an neuen Büchern schreibt, verbringt sie ihre Zeit am liebsten mit ihrem Mann und ihren drei Kindern. Sie glaubt fest an Happy Ends, auch wenn ihre Romanfiguren viele bange Momente durchleben müssen, bevor sie endlich zusammen glücklich werden dürfen.
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Monica Murphy
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Sechzehn: Caroline
Siebzehn: Caroline
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Neunzehn: Caroline
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Einundzwanzig: Caroline
Zweiundzwanzig: Caroline
Dreiundzwanzig: Alex
Vierundzwanzig: Caroline
Fünfundzwanzig: Caroline
Sechsundzwanzig: Alex
Siebenundzwanzig: Caroline
Achtundzwanzig: Caroline
Neunundzwanzig: Caroline
Dreißig: Alex
Einunddreißig: Caroline
Zweiunddreißig: Caroline
Dreiunddreißig: Alex
Vierunddreißig: Caroline
Fünfunddreißig: Alex
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Eins
Alle nennen mich »die Problemlöserin«. Weil ich jedes Problem in den Griff bekomme.
Absolut jedes.
Na schön, okay, diese mysteriösen »alle« sind frei erfunden, war bloß ein Scherz, und »jedes« Problem wäre auch übertrieben. Tatsache ist jedoch, dass meine Kolleginnen mich »die Brautflüsterin« nennen.
Das, meine Lieben, ist Fakt. Ich weiß genau, wie man mit Bräuten umgeht. Zukünftigen Bräuten. Weinenden Bräuten, überglücklichen Bräuten, ängstlichen Bräuten, scheußlichen Bräuten, traurigen Bräuten, Brautzillas. Ich kenne sie alle. Ich habe sie alle durch.
Ich schaffe es, dass sie die Nerven behalten. Indem ich ihnen versichere, wie megafantastisch alles werden wird. Selbst wenn sie mitten in einer riesigen Krise stecken, weil sie beispielsweise Farben und Schrifttypen aussuchen sollen, bin ich direkt zur Stelle und erkläre ihnen, dass sie sich garantiert richtig entscheiden werden. Glaubt mir, das Ganze ist keine Geheimwissenschaft. Dafür braucht man weder eine spezielle Aura noch besondere Fähigkeiten. Man muss bloß:
Nett sein.
Ihnen zuhören.
Ihre Wutanfälle ignorieren.
(Schlechtes Benehmen zu dulden ist ein gewaltiger Fehler.)
Ihnen das Gefühl geben, dass sie besonders sind, und voilà: Sie sind glücklich.
Jetzt denkt ihr vielleicht, dass ich eine Hochzeitsplanerin bin, aber das bin ich nicht (Gott bewahre). Dennoch spiele ich eine immens wichtige Rolle im Prozess der Planung. Mit den Jahren ist es übrigens ganz normal geworden, meine Dienstleistung nicht nur einmal, sondern zweimal in Anspruch zu nehmen. Möglicherweise sogar dreimal, wenn wir Glück haben.
Was ist es denn dann, was sie macht, fragt ihr euch? Tja, ich arbeite in einem Schreibwarengeschäft. Klingt langweilig, schon klar, ist es aber nicht. Bei Weitem nicht. Und es ist nicht irgendein Schreibwarengeschäft. Der Laden ist absolut top, im Spitzensegment angesiedelt. Wenn ihr aufs Geld gucken müsst, könnt ihr euch diesen Typografie-Kram allerdings nicht leisten. Wir verwenden Tinte und Papier von höchster Qualität. Wir verkaufen unfassbar schöne Schreibwaren und Karten an die Schickimicki-Kundschaft, aber auch an Urlauber, die den Laden nach ausgefallenem Schnickschnack durchstöbern. Für die zukünftigen Brautpaare bieten wir Save-the-Date-Karten, Hochzeitseinladungen und Danksagungen an.
Auch bekannt als der Klassische Dreier.
Falls ihr es noch nicht wissen solltet, die heutigen Paare verschicken gerne eine Einladung vor der Einladung, in Form der Save-the-Date-Karten, um ihre Lieben über ihre bevorstehende Hochzeit zu informieren. Manche denken, dass diese Vorabankündigungen Zeit- und Geldverschwendung seien, und ich verstehe natürlich, aus welcher Ecke das kommt, ernsthaft. Wer sparen muss, kann diese Karten problemlos von der obligatorischen Must-have-Liste streichen.
Trotzdem sind diese Karten super. Zumal die meisten Leute schwer im Stress sind und quasi einen Termin für Ihren Termin einzuplanen haben, ist klar, oder? Also müsst ihr dafür sorgen, dass diese Leute auf dem Schirm haben, dass euer großer Tag bevorsteht.
Es ist wichtig. Nein, wartet – es ist mehr als das.
Es ist lebenswichtig.
Okay, also bin ich die erste Person, mit der ihr euch im Noteworthy Stationery Store (toller Name, was?) treffen werdet, wenn ihr einen Termin für Einladungskarten machen. Ehrlich gesagt bin ich so ziemlich die einzige Person, mit der ihr euch trefft, weil es meine Abteilung ist. Ich bin die Save-the-Date-und-Hochzeitseinladungen-Expertin.
Normalerweise mache ich keine Termine außerhalb der Öffnungszeiten, und der Laden öffnet um punkt zehn Uhr. Doch manchmal erlaubt es der Terminkalender der KundInnen nicht, gleich um zehn Uhr morgens reinzukommen. Oder um zwei. Oder um fünf am Nachmittag.
Manche Leute wollen einen Termin um …
Acht. In. Der. Frühe.
Ich bin kein Morgenmensch. Ich kann ein bisschen (okay, vielleicht auch sehr) launisch sein. Fragt mal meine Mitbewohnerin Stella. Morgens früh würde sie sich lieber mit ihren nervigen großen Brüdern abgeben als mit mir. Irgendwie bin ich ein Monster, bevor ich meine erste Dröhnung Koffein bekomme.
Glücklicherweise arbeitet Stella zufällig in einem Café, das ihrer Familie gehört. Sie ist die Chefbarista während der Morgenschicht. Und bei den sehr seltenen Gelegenheiten, wenn ich einen Kunden in aller Herrgottsfrühe treffen muss, versorgt sie mich vorher mit Kaffee.
Wie gut, dass es Freundinnen gibt.
An diesem besagten Morgen düse ich ins Sweet Dreams Café und winke Stellas Dad Lorenzo, der die Kasse macht, zu. Jetzt gerade unterhält er sich mit einem Kunden, gibt einem anderen Wechselgeld heraus und schafft es ganz nebenbei, mich zu begrüßen.
Der Mann ist ein begnadeter Multitasker.
Ich laufe direkt zum Abholschalter, wo ein fettarmer Vanilla Latte für mich bereitsteht, mein Name steht in Stellas vertrautem Gekritzel auf einer Seite des Bechers. Ratzfatz schnappe ich mir das Teil, um den Duft zu inhalieren, bevor ich einen Schluck trinke. Bloß einen winzigen Schluck, um zu genießen. Für ein, vielleicht zwei Sekunden schließe ich die Augen, und als ich sie wieder öffne, stelle ich fest, dass da ein Typ steht.
Der zu mir schaut.
Und er ist nicht irgendein Typ. Er ist süß. Nein, warten Sie. Nicht süß. Er ist … heiß. Dunkle Haare. Blaue Augen. Perfekt sitzender Anzug – maßgeschneidert, das erkenne ich am Stoff. Teuer.
Er lächelt mich an. Und ich blicke finster zurück, weil das Koffein noch keine Zeit hatte, seine Wirkung zu entfalten, und ich demzufolge nicht in Topform bin.
»Sah so aus, als hätten Sie gerade einen ganz besonderen Moment.« Seine Stimme ist tief. Wohlklingend. Sein Gesicht … vage vertraut?
Ich drücke mein Rückgrat durch. Nehme noch einen Schluck Kaffee, während ich den Mann vor mir schweigend begutachte, weil ich aus irgendeinem Grund keinen Ton herausbringe.
Glaubt mir, sonst fällt mir immer etwas ein. Aber dieser Typ. Dieser umwerfende, gut gekleidete Möglicherweise-Fremde macht mich ein bisschen …
Sprachlos?
Hoppla.
»Gerade eben. Mit Ihrem Kaffee«, fährt er fort und zeigt auf den Becher, den ich mit beiden Händen umklammere, als wäre es mein Baby. Was heute Morgen – jeden Morgen – so ist.
»Sie liebt Kaffee«, sagt Stella hinter mir.
Mit einem Blick über meine Schulter gebe ich ihr zu verstehen, dass sie die Klappe halten soll.
»Sieht ganz so aus.« In seiner Stimme schwingt Belustigung mit. Er findet das witzig. Der heilige Moment, den ich mit meinem Latte hatte, amüsiert ihn.
Ich könnte mir andere Möglichkeiten vorstellen, mich mit ihm zu amüsieren.
Ups. Wie komme ich jetzt darauf?
»Mich würde mal eins interessieren. Wieso kommen Sie eigentlich schneller dran als ich?«
Wie eine verständnislose Idiotin blinzle ich ihn an. »Bitte?«
»Also, ich bin seit einer Viertelstunde hier. Erst habe ich mich hinten angestellt.« Er zeigt auf die Schlange von Kunden, die bis zur Tür hinausreicht. »Und jetzt warte ich auf meine Bestellung.«
Mich überkommt der Hauch eines schlechten Gewissens. Das Sweet Dreams ist das meistbesuchte Café in Carmel-by-the-Sea. Touristen lieben es. Aber auch die Einwohner. Schon seit mehreren Generationen ist es im Besitz von Stellas Familie.
»Sie dagegen mogeln sich an der Schlange vorbei zum Tresen, wo Sie innerhalb von Sekunden Ihr fertiges Getränk abgreifen. Haben Sie etwa einen Fast Pass?« Er zieht eine Augenbraue hoch, und mich überläuft ein Schauer. Als hätte Amor seinen Bogen gespannt und seinen Pfeil direkt in mein Herz geschossen.
Oder vielleicht hat mich dieser Pfeil an einer – ähem – anderen Stelle getroffen.
Wer hätte geahnt, dass ein Hochzucken der Brauen so sexy sein könnte?
»Einen Fast Pass?«, wiederhole ich. »Wie in Disneyland?«
»Ja.« Er nickt. Und kommt einen Schritt näher. Oooh, ich rieche ihn. Und er riecht, als käme er direkt aus dem Wald, wo er sich die letzten vierundzwanzig Stunden in würzigen Kiefernadeln gewälzt hat. »Wie in Disneyland. Mir war nicht klar, dass es die hier auch gibt. Wie bekomme ich so einen?«
»Sie ist meine Mitbewohnerin«, antwortet Stella für mich, und ich werfe ihr noch einen Mörderblick zu, mit der stummen Aufforderung: Halt dich gefälligst raus. Ich bin schon groß und kann für mich selber sprechen.
Stella kriegt den Wink jedoch nicht mit. Sie quasselt munter weiter. »Ich mache ihr jeden Morgen einen entrahmten Vanilla Latte. Heute ist sie sogar noch etwas früher dran als sonst«, erklärt sie, während sie ganz nebenbei das Monstrum namens Espressomaschine bedient.
Bestimmt hat sie das Multitasking-Talent von ihrem Dad geerbt.
»Wie clever, mit einer Barista zusammenzuwohnen«, meint er und schießt mir ein kleines Lächeln zu.
Himmel. Vielleicht ist er Amor. Dieses Lächeln lässt mein Herz flattern, und das passiert selten. Ich kann mich nicht entsinnen, wann es das letzte Mal geflattert hätte, und zweifellos flattern gerade auch noch andere Körperteile von mir.
»Ja, ist echt super«, sage ich matt und trinke einen Riesenschluck. Der Latte ist brutal heiß, und ich habe mir wahrscheinlich voll den Gaumen verbrannt, aber dieser Morgen, dieser Moment ist es echt wert.
Er hört nicht auf zu grinsen, was mich auf den Gedanken bringt, dass er entweder a) aufrichtig freundlich, b) extrem an mir interessiert oder c) einer von diesen attraktiven Serienmördern à la Ted Bundy ist.
Nicht, dass ich ihn tatsächlich für einen Serienkiller halten würde, aber man weiß ja nie. Habt ihr eine Ahnung, wie schwierig es ist, Männern zu vertrauen? Schwierig ist gar kein Ausdruck. Ich bin in den Zwanzigern und stolze Singlefrau. Ich meine, ja, sicher, ich suche nach dem Einen (wer tut das nicht?). Ich habe Dating-Apps ausprobiert und bei Tinder einen ganzen Haufen Kerle weggewischt, denn mal ganz ehrlich, Mr. Right war nicht dabei.
Offenbar ist er das nie. Der Eine bleibt eine unerreichbare Wunschvorstellung.
Meine Mutter behauptet, meine Erwartungen wären zu hoch, und das ausgerechnet aus dem Mund der Frau, die viermal geschieden ist und gerade mit Hochzeit Nummer fünf an den Start geht, deswegen denke ich, dass ihre Standards viel zu niedrig sind.
Aber wer bin ich denn, über andere den Stab zu brechen?
Das Handy summt in meiner Tasche, und ich angle danach. Verdutzt blinzelnd registriere ich die Uhrzeit. Das Summen war der Alarm, den ich gestern Abend eingestellt hatte, um mich daran zu erinnern, dass ich in schätzungsweise fünf Minuten bei Noteworthy sein muss. Und Noteworthy ist exakt sechs Minuten vom Café entfernt. Wenn ich flache Schuhe anhabe.
Natürlich trage ich ausgerechnet heute High Heels. Sogar extra hohe, in einem angesagten Nudeton und aus Lacklederimitat, klingt scheußlich, ist es aber nicht. Es sind überaus glamouröse Pumps im klassischen Louboutin-Look, nur ohne die megateure rote Sohle.
Es wird mehr als sechs Minuten dauern, um auf meinen gefakten Louboutins zum Geschäft zu gelangen, und ich hasse es, mich zu verspäten. O Gott, wie ich so was verabscheue! Wieso habe ich den Alarm nicht auf zehn Minuten vor meinem Termin eingestellt? Manchmal bin ich echt dämlich.
»Tut mir leid, ich muss los«, erkläre ich dem Typen. Dem Anzugtypen. Der Vage-vertraut-aber-vielleicht-ist-das-bloß-Wunschdenken-Typ. Heißer Typ. Strahlend-sexy-ich-wünschte-ich-könnte-mehr-mit-ihm-plaudern-Typ. Ich drehe mich zur Theke und winke. »Tschüs, Stella!«
»Zeig’s ihnen, Caroline!«, ruft Stella, während sie Milch aufschäumt, ihre Wangen gerötet vom Dampf.
»Viel Glück«, wünscht er mir, obwohl er keine Ahnung hat, was ich beruflich mache oder ob ich überhaupt Glück brauche. Trotzdem weiß ich die Geste zu schätzen.
Nach einem schnellen Dankeslächeln zu meiner neuen Flamme stöckele ich ohne ein weiteres Wort aus dem Café, meine Schuhwahl im Stillen den gesamten Weg zum Noteworthy verfluchend.
***
Als ich ankomme, werde ich bereits erwartet. Die Braut in spe läuft vor dem Laden auf und ab, während sie – lautstark – mit ihrem Handy kommuniziert.
»Bitte beeil dich. Du willst doch nicht zu spät kommen«, sagt sie eindringlich, ihre Stimme kalt wie Eis. Kaum fängt sie meinen Blick auf, strahlt sie, allerdings erreicht das Lächeln ihre Augen nicht. »Oh, na endlich. Ich glaube, sie ist da. Seh dich gleich.«
Okay. Vor Jahren habe ich in der Cosmopolitan mal einen Artikel über Menschen, die einen innerhalb von drei Sekunden nach dem ersten Kennenlernen einzuschätzen wissen, gelesen, und was meine zukünftigen Bräute anbelangt, stimmt das hundertprozentig. Meistens habe ich sofort auf dem Schirm, wie diese Damen ticken, und ich irre mich selten.
Bei diesem Exemplar tippe ich, dass sie nicht einfach sein wird. Sie wollte ganz bewusst, dass ich mithöre, was sie sagt. Das war ein Seitenhieb wegen meiner Verspätung, und in ihren Augen ist das ein Kritikpunkt an mir. Ich kann jedoch nicht auf meine nachgemachten Louboutins zeigen und Mitgefühl erwarten, weil ich genau sehe, dass sie die echten Teile trägt. Ich könnte vor Neid platzen, darf mir jedoch nichts anmerken lassen.
Deswegen beschließe ich, sie stattdessen mit Nettigkeiten zu überschütten.
»Hiii«, sage ich gedehnt, während ich mit meinen Schlüsseln zur Eingangstür gehe, meine Lippen zu diesem perfekten Ich-kann-es-gar-nicht-erwarten-mehr-über-Sie-zu-erfahren-Lächeln verzogen. »Sie müssen Tiffany sein.«
»Und Sie sind … Carolyn?« Sie zieht ihre perfekte kleine Nase kraus, und ich möchte wetten, dass sie das niedlich findet.
Oh, und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie meinen Namen mit Absicht falsch ausgesprochen hat.
»Caroline.« Ich lege die Betonung auf die letzte Silbe, dann schließe ich das Geschäft auf. Ich trete zur Seite, um ihr die Tür aufzuhalten, damit sie vor mir hineingehen kann. Zwar ist die Beleuchtung noch nicht eingeschaltet, doch es fällt genügend Sonnenlicht durch das große Frontfenster, sodass es im Geschäftsraum relativ hell ist. »Es tut mir wahnsinnig leid, dass ich mich verspätet habe. So früh am Morgen brauchte ich vorher noch eine kleine Koffeindröhnung.« Demonstrativ halte ich meinen fast leeren To-Go-Becher hoch.
Mit einem missbilligenden Kopfschütteln wirft sie ihre langen kupferroten Haare über die Schultern und stürmt an mir vorbei in den Laden. Sie ist wunderschön, so verdammt schön, dass ich insgeheim argwöhne, ob sich hinter der ganzen Schönheit nicht eine schwarze Seele verbirgt. Aber vielleicht bin ich auch zu voreingenommen.
»Koffein ist schlecht für Sie.« Sie dreht sich auf dem Absatz um und mustert mich streng. »Es ist wie eine Droge, wissen Sie.«
Die beste legale Droge in der freien Welt, möchte ich ihr entgegenschmettern, doch ich halte mich zurück. Stattdessen zwinge ich mich zum Dauerlächeln, schalte das Licht ein und erkundige mich: »Schafft Ihr Verlobter es denn, auch zu unserer Verabredung zu kommen?«
Er ist der Grund, weshalb wir uns so früh treffen. In der ersten E-Mail zur Kontaktaufnahme mit mir schrieb Tiffany Ratcliffe nämlich Folgendes:
Mein Verlobter ist ein überaus wichtiger Mann mit einem extrem vollen Terminkalender. Ich hoffe sehr, dass Sie uns entgegenkommen und wir uns zu einer adäquaten Uhrzeit treffen können.
Ihre Definition von einer adäquaten Uhrzeit war sieben Uhr morgens, woraufhin ich acht vorschlug und Tiffany zustimmte. Also taucht dieser Typ besser auf, oder ich bin schwer angepisst.
»Er wird sich ein wenig verspäten«, erwidert Tiffany, die zwischen den Regalen umherschlendert. Alle teuren Andenken und Kerzen und die bunt bedruckten Grußkarten mit ihren flachsinnigen Sprüchen sind vorne im Laden. Das ist für die Laufkundschaft und die vielen Touristen, die bisweilen von der Straße hereinspringen.
Der Edelkram, meine Domäne, befindet sich im hinteren Teil.
»Mhm, er verspätet sich. Etwas, das ich gut nachempfinden kann«, versuche ich, die Situation herunterzuspielen, doch seine Zukünftige kann sich nicht einmal ein Grinsen abringen.
Entschlossen drücke ich den Rücken durch und trinke den letzten Rest Vanilla Latte, bevor ich den Becher im Abfallkorb versenke. Ich werde sie brechen. Und dazu bringen, dass sie mir im Laufe unserer Geschäftsbeziehung aus der Hand frisst.
»Haben Sie ein Buch, das wir uns ansehen können? Mit Mustern?«, fragt Tiffany und reißt mich aus meinen Ich-werde-dich-so-weit-kriegen-dass-du-mich-liebst-Gedanken. Jesses, ich klinge wie eine irre Stalkerin.
»Selbstverständlich.« Ich zeige auf den riesengroßen Metall-Glas-Tisch, den ich gern als meine Domäne bezeichne. Auf diesem Tisch liegt ein dicker Katalog mit Mustern für entsprechende Save-the-Date-Karten. »Setzen Sie sich doch.«
Nachdem sie ihren kleinen Hintern auf einem Stuhl platziert hat, schlägt Tiffany den Ordner auf und geht sachlich-präzise die eingehefteten Seiten durch. Ich nutze den Augenblick, um zu meinem kleinen, in eine Ecke geschobenen Schreibtisch zu gehen und mir einen der schlanken weißen Folder aus der Box zu angeln, die dort bereitsteht. So eine Broschüre gebe ich allen potenziellen Klientinnen mit. Darin sind viele Informationen enthalten, die ihnen bei ihren Entscheidungen helfen sollen, und natürlich die Lobeshymnen früherer Kundinnen, die mich zu einem Superstar machen.
Es liegt mir fern, mich selbst zu beweihräuchern, doch positives Feedback ist im Geschäftsleben einfach unverzichtbar. Ich muss diese Leute schließlich davon überzeugen, dass sie mich brauchen. Dass ich die Einzige bin, die einen Unterschied macht und ihnen das richtige Produkt liefern wird.
Klingt dramatisch, ist aber wahr. In der Hochzeitsindustrie machen wir das alle so. Die beste Floristin in der Stadt, der renommierteste Tortenbäcker, Fotografin etc. … wir müssen unsere Talente in den Vordergrund spielen.
»Hier sind ein paar Informationen für Sie«, erkläre ich Tiffany, als ich mich ihr gegenüber auf den Stuhl setze und ihr die Hochglanzbroschüre zuschiebe.
Sie verschwendet keinen Blick darauf. Konzentriert blättert sie Katalogseiten um, um die Muster kurz zu inspizieren, bevor sie mit einem missfälligen Stirnrunzeln die nächsten aufschlägt. Blättern, inspizieren, Stirnrunzeln, blättern und so weiter. Heimlich beobachte ich sie, um eine Idee zu bekommen, was ihr abwesender Verlobter wohl in ihr sehen mag. Das mache ich öfter. Manchmal kann ich total spüren, wie verliebt Braut und Bräutigam sind. Oder dass die Chemie stimmt. Manche Paare, mit denen ich mich getroffen habe, waren muy caliente – sehr heiß, wenn ihr versteht, was ich meine.
Da der Bräutigam noch nicht hier ist – wo zum Teufel steckt er denn bitte? –, kommt mir zwangsläufig der Gedanke, dass er ein Mistkerl sein muss. Tiffany ist vermutlich nicht viel besser. Sehr wahrscheinlich ist er ein attraktiver Mistkerl, weil Tiffany eine schöne Bitch ist, mit den fantastischen roten Haaren und den goldbraunen Augen, den perfekten Brüsten und dem schwer geschminkten Gesicht, das dabei aber kein bisschen schwer geschminkt aussieht. Mehr so, als wollte sie bloß ihre Vorzüge unterstreichen – die großen braunen Augen, ihre weichen malvenroten Lippen – und das Negative herunterspielen. Wie die Konturen ihrer Nase, die sie zwar dunkel abgepudert hat, aber nicht ausreichend genug.
Ich habe mir eine Menge Make-up-Tutorials auf Youtube angesehen. Ich weiß, wovon ich spreche.
»Oh.«
Tiffanys gehauchter Ausruf reißt mich aus meinen Überlegungen, und ich entdecke, dass sie auf eine Seite starrt, auf ein bestimmtes Muster, ich kann die Herzchen in ihren Augen fast sehen.
Mal ernsthaft, wünscht ihr euch nicht auch, dass Emojis lebendig werden? Ich ganz bestimmt.
»Sie haben etwas gefunden, das Ihnen gefällt?« Ich falte die Hände auf dem Tisch, denn eigentlich bin ich schon ganz kribbelig, mir ein Formular zu schnappen, um mit dem Ausfüllen zu beginnen. Doch Tiffany ist das, was im Business als Einbeiner bezeichnet wird, jemand, der als Paar etwas kaufen möchte, trotzdem kommt bloß sie in den Laden. Sich nur mit der zukünftigen Braut zu treffen könnte ein Fehler sein. Womöglich braucht sie erst die Meinung ihres Verlobten, bevor sie etwas bestellt.
Oder sein Geld.
Oder seine Zustimmung.
Ja, das habe ich alles schon durch.
Noch schlimmer ist der männliche Einbeiner, also wenn er allein zu einem Termin auftaucht. Ich meine, hallo. Wir wissen doch, wer bei diesen Dingen sämtliche Entscheidungen für die Hochzeit trifft. Die Braut.
Nicht der Bräutigam.
Was mich wieder auf den verdammt überfälligen Bräutigam bringt …
»Ich denke, ich habe exakt das gefunden, was mir vorschwebt, trotzdem sollte ich die endgültige Entscheidung sicher nicht allein treffen. Ich wünschte, Alex wäre hier«, seufzt Tiffany, ihr Herzchen-Blick klebt immer noch an dem Muster, in das sie sich verguckt hat.
»Vielleicht sollten Sie ihn anrufen«, schlage ich ihr sanft vor. Der Typ hat gefälligst seinen Arsch herzuschwingen. Schließlich bin ich bloß seinetwegen so verdammt früh hier. Es ist ausgesprochen unhöflich, dass er noch nicht aufgetaucht ist. »Er hat aber mit Ihnen abgesprochen, dass er heute Morgen hier sein würde, korrekt?«
»Ja, natürlich«, blafft sie. Sie reißt ihr iPhone aus der riesengroßen, pink glitzernden Chanel-Tasche, öffnet es mit Gesichtserkennung – ich habe immer noch ein iPhone 7 plus, keine Ahnung, wie so ein Luxusteil funktioniert. Mit ihrem superlangen, perfekt geformten Fingernagel tippt sie mehrmals auf den Bildschirm, bevor sie das Handy an ihr Ohr hält.
Das Telefon ist so laut gestellt, dass ich das Klingeln höre. Ich kann auch mithören, was ihr Verlobter sagt.
»Wo bist du?«, zischt Tiffany. »Du bist eine Viertelstunde überfällig.«
»Musste noch einen Anruf erledigen«, höre ich ihn antworten, seine Stimme gereizt.
Seine … furchtbar vertraute Stimme.
Uffz. Ich weiß nicht, wer dieser Alex ist. Privat kenne ich niemanden, der so heißt, geschäftlich hatte ich in der Vergangenheit jedoch mit einigen Kunden zu tun, die Alex hießen. Oh, und dieser eine Alex, als ich noch ganz jung war. Wie konnte ich den vergessen? Groß. Schlaksig. Mit Brille. Er war der beste Freund von Carter, meinem älteren Bruder. Gab mir meinen ersten Kuss, als wir Verstecken gespielt und wir uns zusammen in unserem Gartenschuppen versteckt hatten.
Jap, dieser Alex. Den habe ich jahrelang nicht mehr gesehen. Keine Ahnung, was er heute macht. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht mal mehr seinen Nachnamen. Nach der achten Klasse wechselte er die Schule. Irgendwas von wegen Privatschule? Um eine bessere Bildung zu bekommen?
»Beeil dich mal«, blafft sie, ihr Zorn ultra-offensichtlich. »Ich habe schon gefunden, was ich haben will.«
»Was hält dich dann noch auf? Schlag zu.« Er klingt wie einer von diesen Typen, die sich durch nichts erschüttern lassen.
»Aber ich will dich dabeihaben, Schatz. Wirklich, ich muss deine Meinung dazu wissen. Du weißt, wie viel mir das bedeutet«, quengelt Tiffany.
Würg. Findet dieser Typ ihr Rumgejammere etwa anziehend? Mir geht sie damit nämlich jetzt schon auf die Nerven, dabei stehen wir erst gaaaanz am Anfang.
Nicht, dass sie das Lächeln auf meinem Gesicht durchschauen könnte. Verdammt, ich bin ja so was von begeistert, ihr morgens um Viertel nach acht unsere Kollektion zu zeigen, während ihr Verlobter Anrufe entgegennimmt und uns durch den Rost fallen lässt.
Geschenkt.
»Ich bin fast da.« Ich wette, das ist er nicht. Keine Ahnung, wieso, aber es klingt nach einer Ausrede. »Ich bin direkt um die Ecke.«
Also ist es bloß ein dahingesagter Spruch. Wir sind nämlich nirgendwo um die Ecke. Wir sind direkt an der Ocean Avenue, zwischen einer Kunstgalerie und einem Geschäft für Kinderbekleidung, wo sie Babystrampler ab fünfzig Dollar aufwärts verkaufen.
Ganz ohne Scherz.
»Beeil dich«, wiederholt Tiffany, bevor sie das Handy vom Ohr nimmt, mit dem Zeigefinger auf das rote Symbol tippt und den Anruf beendet. Mit einem zuckersüßen Lächeln wendet sie sich wieder an mich. »Haben Sie etwas bei den Hochzeitseinladungen, was zu dieser Save-the-Date-Karte passen würde?«
»Selbstverständlich.« Mit entschlossenem Griff ziehe ich den noch voluminöseren Ordner mit den Einladungsmustern vom Regal und klappe einige Trennseiten um, bis ich der Sache näherkomme. Ich bilde mir ein, dass die passende Einladungskarte hier irgendwo sein muss …
Die Klingel über der Tür bimmelt, als jemand den Laden betritt. Verblüffend, dass er plötzlich so schnell hier sein kann. Schätze mal, er war doch irgendwo um die Ecke. Tiffany springt von ihrem Stuhl auf und stürmt zu dem Typen, der direkt im Eingang stehen geblieben ist. Ich höre leises Gemurmel und überlege, mich wegzudrehen, um ihnen einen Augenblick Privatsphäre zu gönnen, doch ich schaffe es irgendwie nicht. Stattdessen beobachte ich, wie sie den groß gewachsenen Mann im perfekt sitzenden Anzug umarmt und ihm einen schmatzenden Kuss auf die Lippen drückt.
Jedes einzelne Haar an meinem Körper stellt sich auf, als ich einen Blick auf das Gesicht des Mannes erhasche. Na gut, vielleicht nicht jedes, aber gefühlt schon. Ich bin fix und fertig, weil ich diesen Mann kenne. Also, wirklich kennen wäre der falsche Ausdruck, aber ich erkenne diesen perfekt sitzenden Anzug wieder. Den dunklen Haarschopf.
Tiffany stellt sich neben ihn, um ihn unterzuhaken und zu mir zu schleifen. In dem Augenblick, als ich ihn voll auf dem Schirm habe, rutscht mir das Herz in die Magengrube und von dort weiter in die Hose. Als wollte es meinen Körper für immer verlassen angesichts der Enttäuschung, die mich unvermittelt durchflutet.
Mit wackligen Knien stehe ich auf, als Tiffany uns miteinander bekannt macht: »Das ist mein Verlobter, Alexander Wilder. Alex, das ist –«
»Caroline«, beendet Alex-scheiß-drauf-Wilder für sie, seine Miene ziemlich perplex und verwirrt.
Tiffany ist ebenfalls perplex und verwirrt. Aber nur für eine Sekunde, bevor sie blinzelt und ihr ein Licht aufgeht: »Ach, so ist das.« Eine vielsagende Pause schließt sich an, und mir wird mit jeder verstreichenden Sekunde unbehaglicher zumute, während ihr Verlobter kein bisschen betroffen wirkt. »Dann kennt ihr beiden euch also?«
Ich antworte spontan mit nein, und Alex-»Dumpfbacke«-Wilder sagt gleichzeitig Ja, sodass wir wie Lügenpack rüberkommen.
»Oh. Haha.« Ich sage tatsächlich Haha und könnte mir ob so viel Blödheit mit der Hand vor die Stirn schlagen. Dass ich mich hier komplett zum Deppen mache, geht gar nicht. »Wir haben vorhin im Café miteinander geplaudert«, erkläre ich Tiffany milde grinsend und mit einem kleinen Schulterzucken, als wäre es keine große Sache.
War es ja auch nicht, oder? Bloß weil ich ihn heiß fand, bloß weil ich dachte, er käme mir von früher bekannt vor …
Ich bitte euch. So war es wirklich nicht. Es war frühmorgendliches Geplänkel, bevor ich eine volle Dosis Koffein intus hatte.
Totale Fehlinterpretation.
»Sie hat sich vorgemogelt«, meint Alex aalglatt. »Und nachdem sie das Café verlassen hatte, ist mir plötzlich eingefallen, dass ich sie von früher kenne. Durch ihren Bruder Carter.«
Nachdenklich schaue ich ihn an. Ich habe länger nicht mehr mit Carter gesprochen, weil er in Südkalifornien lebt, um das zu tun, was er am besten kann, nämlich Immobilien verkaufen. Ich entsinne mich nicht, dass Carter so einen gut aussehenden Typen kennt …
Warte. Das ist Alex. Der Alex. Der beste Freund meines Bruders von der Grundschule bis zur Mittelschule. Als sein bester Kumpel die Schule wechselte, brach der Kontakt ab. Carter hat nie mehr von ihm gesprochen. Es ist derselbe Alex, der mir in jenem Sommer vor langer Zeit meinen ersten Kuss gab.
Mist. Ich kenne diesen Typen also tatsächlich. Nicht, dass ich oft mit meinem Bruder und seinem Freund zusammen abgehangen hätte, denn Carter war früher ziemlich gemein zu mir, weil er es hasste, auf seine lästige kleine Schwester aufpassen zu müssen, dieser Scheißkerl.
Alex war mehr der ruhige Vertreter. Eine Art Nerd, mit seinem schlaksig dürren Körper und der Brille, die er ständig auf seinem Nasenrücken hochschob. Carter erledigte das Reden, aber wahrscheinlich bloß, wenn wir bei uns zu Hause waren und mein Bruder Oberwasser hatte.
»Sie kennen Carter?«, druckse ich herum. Mir ist sonnenklar, dass er Carter kennt, dennoch habe ich Schwierigkeiten, mich mit der Tatsache anzufreunden.
»Wir waren jahrelang die besten Freunde, bis der Kontakt vor der Highschool abbrach. Inzwischen sind wir aber immerhin Freunde auf Facebook.« Alex macht einen Schritt vor und hält mir seine Hand hin. Er möchte, dass ich ihm die Hand schüttle. Ich möchte das nicht. Ich will ihn nicht anfassen. Das wird furchtbar enden. Ganz furchtbar …
»Schön, Sie mal wieder zu treffen. Wirklich«, erkläre ich, und als hätte ich null Kontrolle über meine Extremitäten, strecke ich die Hand aus, und er greift sie, um sie fest zu schütteln. Ein sanfter Händedruck. Ein anhaltender, sanfter Händedruck, der Blick aus seinen warmen blauen Augen senkt sich in meinen, sein Lächeln freundlich.
Umwerfend.
Meine Knie werden weich, und ich lasse seine Hand blitzschnell wieder los, doch es ist zwecklos. Jetzt bin ich diejenige mit den Herzchen-Augen, und das ist so, so furchtbar.
Es ist so ziemlich das Schlimmste, was mir passieren kann.
Zwei
»Das ist genau die Karte, die ich haben will«, erläutert Tiffany ihm, indem sie mit einem langen, mattschwarz lackierten Fingernagel auf die Save-the-Date-Karte tippt, auf die sie kurz zuvor gestoßen ist. »Gefällt sie dir?«
Ich bin bereits mit meinem iPad zugange, um das Auftragsformular hochzuladen, das wir für alle unsere Klienten benutzen. Konzentration auf den Job versus Konzentration auf Alex Wilder.
Wieso ausgerechnet er? Und wieso ist er mit der nervigen, eingebildeten Tiffany zusammen? Herrgott, schon allein dieser Tussiname, wie typisch, das totale Klischee. Jetzt gerade sitzen die beiden mir gegenüber, an dem riesengroßen Tisch im rückwärtigen Bereich von Noteworthy. Der umwerfend attraktive Alexander Wilder – der beste Freund meines Bruders aus Kindertagen und mein erster Kuss, Scheißspiel – und seine schöne, rothaarige Verlobte Tiffany.
Würg.
»Hauptsache, dir gefällt sie«, erwidert er abwesend.
Als ich kurz aufblicke, stelle ich fest, dass er aufs Handy starrt, das er in seiner rechten Hand hält. Er hebt den Kopf, als könnte er spüren, dass ich ihn beobachte, und als sich unsere Blicke treffen, senke ich schnell die Lider und werde rot, weil ich mich eiskalt erwischt fühle.
In meiner Erinnerung war er nicht so attraktiv, denn das ist etwas, was ich definitiv behalten hätte. Die Geschichte von meinem ersten Kuss erzähle ich nur selten, weil sie ziemlich bescheuert ist. Ich war da erst … zwölf? Und er war dementsprechend vierzehn. Wir hatten uns in dem alten Lagerschuppen versteckt, als ich ein riesengroßes Spinnennetz entdeckte und mich praktisch in seine Arme stürzte. Bestimmt wollte er mich bloß ablenken, und dann waren seine Lippen auf meinen, und es war …
Es war schön.
»Du siehst sie dir nicht mal an.« Tiffany jammert mal wieder, aber ehrlich? Ich kann es ihr nicht verdenken. Sie hat recht – er sieht definitiv nicht hin, und ich bin mir sicher, dass das frustrierend für sie ist. Denn, hallo?, mich frustriert es auch.
Als ich wieder aufblicke, ist er immer noch mit seinem Handy beschäftigt. Die dunklen Brauen nachdenklich zusammengezogen, hat er seine vollen Lippen leicht geöffnet, und der konzentrierte Ausdruck auf seinem Gesicht ist zweifellos sexy.
Mein Herz setzt einen Schlag lang aus.
Ich rate meinem Herzen, den Anblick zu verdrängen.
Er hebt ein wenig den Kopf, sein Blick gleitet nach rechts, um die Musterkarte, auf die sie weiterhin mit ihrem mattschwarzen Nagel tippt, flüchtig zu begutachten. »Ich liebe sie.«
»Perfekt.« Sie strahlt erst Alex, dann mich an. »Wir nehmen sie .«
O mein Gott, am liebsten würde ich sie schütteln, weil, ernsthaft, er die Karte nicht mal angeschaut hat, aber sie ist so verdammt glücklich, dass er einverstanden ist, also werde ich mich zurückhalten.
»Und auch die passenden Einladungen dazu?«, hake ich nach.
»Ja«, antwortet Tiffany mit einem entschlossenen Nicken. »Plus die Danksagungen.«
Bingo. Der Dreier ist komplett. »Wie viele Karten brauchen Sie?«
»Fünfhundert«, meint Tiffany.
Alex schüttelt den Kopf. »Ganz bestimmt nicht.«
»Alex.« Besitzergreifend legt sie eine Hand auf seinen Oberarm und sieht ihn eindringlich an. »Deine Familie kennt mindestens so viele Leute, wenn nicht mehr.«
»Das sind überwiegend geschäftliche Kontakte. Und die meisten von denen können uns sowieso egal sein.« Er richtet seine tiefblauen Blick auf mich. »Zweihundert.«
»Das reicht nicht.« Jetzt sieht auch Tiffany mich an, ihr Blick beschwörend. »Wir brauchen mindestens dreihundert.«
»Zweihundertfünfzig«, kontert Alex.
Meine Finger schweben über der Tastatur des iPads. »Es ist immer besser, mehr zu bestellen«, werfe ich nervös ein. »Dann haben Sie noch Karten in Reserve. Besser zu viele als nicht genug.«
»Caroline hat nicht unrecht.« Tiffany lenkt ihr Augenmerk wieder auf Alex. »Wir werden zweihundertfünfzig Einladungen verschicken, aber dreihundert Karten bestellen. Nur für den Fall.«
»Nur für den Fall«, bekräftige ich mit einem Grinsen zu Tiffany, als unsere Blicke sich begegnen. Als steckten wir zwei unter einer Decke. »Bis wann brauchen Sie sie denn?«, erkundige ich mich, während ich anfange, das Bestellformular auszufüllen. Dieser Teil ist einfach. Der Auftrag ist praktisch erteilt und wird an diesem Punkt selten rückgängig gemacht, aber es kann natürlich immer noch passieren. Normalerweise halte ich große Stücke auf mein Verkaufsgeschick, aber irgendwie ist das heute nicht der Fall. Ich bin ein bisschen zittrig, als hätte ich zu viel Kaffee getrunken, dazu kommt ein nervöses Kribbeln im Magen.
Für all das mache ich Alex verantwortlich. Ich durchblicke es immer noch nicht, dass dieser blendend aussehende Mann der schlaksige Junge von früher sein soll.
Der schlaksige, zurückhaltende Junge, der mir offenbarte, dass er mich mögen würde, bevor er von der Bildfläche verschwand …
Da sage noch mal einer, dass die Welt nicht klein sei.
»Oh, geht es in weniger als einer Woche?« Tiffany lächelt zuckersüß, als ich sie mit großen Augen ansehe. Wie war das? In weniger als einer Woche? Ist sie noch bei Trost? »Wir müssen sie so bald wie möglich verschicken, da die Hochzeit im Juni ist.«
Moment. Hat sie gerade Juni gesagt? Jetzt ist März. Und zwar Ende März. Sie sind spät dran. Verdammt spät. »Mhm, darf ich einen Vorschlag machen?«
Tiffany schweigt und blinzelt mich verständnislos an. Die Antwort kommt von Alex: »Legen Sie los.«
Uffz, Legen Sie los in dieser tiefen Stimmlage zu hören beschwört alle möglichen Fantasien herauf, die ich mir besser nicht allzu detailliert ausmale.
Rigoros blende ich diese Vorstellungen aus.
»Was halten Sie davon, auf die Save-the-Date-Karten zu verzichten und direkt die Hochzeitseinladungen zu verschicken?« Ich fasse es nicht, dass ich das vorgeschlagen habe, obwohl es die logische Vorgehensweise wäre. Wenn wir knapp in der Zeit sind, hat es wenig Sinn, Save-the-Date-Karten zu versenden. Das eigentliche Datum der Hochzeit ist zu nah.
»Oh, aber ich möchte diese Karten so gerne haben. Weil sie einfach … grandios sind«, sagt Tiffany schmollend.
Vielleicht klappt es ja doch noch. »Okay. Wann im Juni ist die Hochzeit?«, hake ich vorsichtig nach, dabei lade ich den Kalender hoch und beginne, die Wochen zu zählen.
»Am 8. Juni«, erwidert sie.
Natürlich ausgerechnet zu Beginn des Monats. »Mhm.« Ich lächle den beiden mitfühlend zu, als hätte ich schlechte Nachrichten für sie, was ja auch stimmt, wenn ihr Herz an diesen speziellen Karten hängt. »Bei dem engen Zeitfenster lassen Sie die Save-the-Date-Karten besser weg und verschicken direkt die –«
»Nein«, unterbricht Tiffany mich entschieden. »Wir müssen zuerst die anderen Karten losschicken. Wenn wir die in einer Woche bekommen könnten, sollte das doch kein Problem sein, richtig?«
Um auf der sicheren Seite zu sein, gehe ich noch einmal den Kalender durch. Jetzt will sie die Karten in einer Woche haben? Wenigstens lässt mir das ein bisschen mehr zeitlichen Spielraum. Die Auftragsbearbeitung dauert mindestens zwei bis drei Tage, und das ist knapp kalkuliert. Das Unternehmen, mit dem wir zusammenarbeiten, übernimmt Eilaufträge, allerdings wird die Expresslieferung nur gegen Aufpreis garantiert.
Und die zusätzlichen Frachtkosten sind happig.
»Es wird zwar eng«, bringe ich Tiffany behutsam bei, während ich im Kopf die Tage überschlage. »Aber es müsste zu schaffen sein.«
»Hach, Gott sei Dank.« Die Erleichterung ist ihrer Stimme deutlich anzuhören.
»Allerdings werden Sie mit zusätzlichen Kosten rechnen müssen«, warne ich.
Abwinkend wedelt Tiffany mit ihren schwarz lackierten Krallen durch die Luft. »Das wird kein Problem sein.«
Ich spähe zu Alex, der mal wieder an seinem Handy herumdaddelt. Es ist, als spüre er meinen Blick, denn er sieht auf, doch nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, scheint er mit seinen Gedanken ganz woanders. »Nein, nein.«
Kurzes Schweigen entsteht, während ich die Informationen eingebe und Alex und Tiffany beide an ihren Handys hängen. Als ich ihnen den Expresszuschlag zeige, zuckt Alex nicht mal mit der Wimper. Tiffany hingegen bleibt der Mund offen stehen, und sie fängt an zu protestieren.
»Das ist ungeheuerlich, finden Sie nicht?«
»Ich habe keinen Einfluss auf die Preise bei UPS oder FedEx«, gebe ich mit einem angedeuteten Schulterzucken zurück.
»Sie nehmen so viel, weil sie wissen, dass sie es verlangen können«, erläutert Alex, seine tiefe Stimme schickt einen ganz winzigen Schauer über meinen Rücken. »Das geht so in Ordnung«, bestätigt er mir sachlich, seinen Blick in meinen gesenkt. Gute Güte, er ist wahnsinnig attraktiv. Wie ist das möglich? »Bestellen Sie sie per Expresslieferung.«
»Okay«, antworte ich mit einem kurzen Nicken, bevor ich wieder auf dem iPad herumtippe. »Jetzt brauche ich noch Ihre persönlichen Daten und Ihren Text auf den Save-the-Date-Karten. Sobald der Auftrag raus ist, kümmern wir uns um die Einladungen.«
Ein peinlicher Moment schließt sich an, da Alex aufsteht, in einer Hand das allgegenwärtige Handy, und Kurs auf die Ladentür nimmt. »Alles andere kannst du allein erledigen, Tiff. Ich muss jetzt weg.«
»M-mhm, ja.« Ihre Enttäuschung ist offensichtlich, während ich denkbar erleichtert bin, ihn endlich loszuwerden. Er ist absolut umwerfend, seine Präsenz total überwältigend – und habe ich erwähnt, wie gut er riecht? Weil er nämlich ganz wundervoll duftet, nach teurem Rasierwasser und Mann.
Schwache Umschreibung, ich weiß, aber es ist das Beste, wozu ich unter den gegebenen Umständen fähig bin.
»Ich bin gleich zurück«, gibt sie mir zu verstehen, bevor sie hinter Alex her schießt, um ihn zur Tür zu begleiten, und ich schwöre, ich höre, wie sie ihn küsst. Und ihm sagt, dass sie ihn liebt.
Würg.
Und wisst ihr was? Dieser Typ hat sich nicht mal von mir verabschiedet. Kein freundliches Auf Wiedersehen oder ein Danke für Ihre Hilfe, nichts dergleichen.
Was für ein unhöflicher Mistkerl!
Umso besser. Ich bin megafroh, dass er ein Mistkerl ist, denn das macht es leichter, ihn zu hassen, wisst ihr? Und ich muss ihn hassen. Na gut, nicht unbedingt hassen, das wäre zu extrem, aber besonders gut leiden können darf ich ihn definitiv auch nicht. Er ist unbedeutend.
Und dass er früher der beste Freund meines Bruders war? Und dass er mich geküsst hat, als ich zwölf war? Pah, das war in einem anderen Leben. Ich wette, dass Carter sich nur noch dunkel an ihn erinnert. Alex Wilder ist bloß ein weiterer gut aussehender, aber eingebildeter Workaholic, der ins Noteworthy kam und mich kaum wahrnahm. Oder seine verdammte Verlobte.
Viel Glück mit dem da, möchte ich ihr mitgeben.
Doch natürlich tue ich das nicht.
Drei
Fünfzehn Minuten nach Alex’ Aufbruch ist Tiffany ebenfalls weg. Sie hatte bereits sämtliche Infos abrufbereit auf ihrem iPhone, so als hätte sie sich seit Monaten auf diesen Augenblick vorbereitet. Dass sie Einladungskarten brauchen, ist ihnen aber wohl erst in den letzten drei Tagen eingefallen, denn da hat sie mich das erste Mal kontaktiert.
Schon krass.
Ich glaube, ich war noch nie glücklicher, eine Kundin loszuwerden. In diesem Business habe ich mich mit einer Menge ätzender Paare getroffen. Ich mache diesen Job seit knapp zwei Jahren und habe schon mit einigen extrem schwierigen Leuten zu tun gehabt.
Allerdings habe ich mich noch nie, nicht ein einziges Mal, in den Bräutigam verguckt. Dass ich den Bräutigam schon kenne und geküsst habe, macht das Ganze noch krasser.
Oh, ich habe ständig mit attraktiven Männern zu tun. Hinreißenden Männern. Heißen Männern. Doch das ist normalerweise keine große Sache für mich. Immer wenn ich einen kennenlerne, denke ich bei mir, oh, wow, sieht der nicht super aus?, und hake ihn im Geiste ab.
Vor dem heutigen Termin bin ich allerdings noch nie im Vorfeld mit dem zukünftigen Ehemann zusammengerasselt. Vor heute habe ich noch nie mit einem Bräutigam geflirtet. Wahrscheinlich ist es das.
Scheibenkleister. Wieso muss er ausgerechnet Tiffanys Verlobter sein? Und Carters Jugendfreund? Ich räume es kurz und knackig ein – er war meine erste Flamme. Ich fand seine schüchterne, nerdige Art toll, und er war immer nett zu mir. Carters andere Freunde waren nie nett zu mir. Irgendwann war er eine schöne, nostalgische Erinnerung, wenn ich an die Sommer in unserer Kindheit zurückdachte.
Den heißen Typ in edlem Anzug hingegen – ich hatte fest vor, ihn für meine Fantasien zu instrumentalisieren. Dieses Bild lässt einen Haufen Möglichkeiten zu und hat richtig viel Potenzial.
Potenzial, das ich an dieser Stelle nicht ausbreiten werde. Ich bin eine Dame, mit mehr oder weniger guten Umgangsformen.
Jetzt weiß ich, wer der heiße Anzugstyp ist, und leider ist er anderweitig vergeben. Alexander Wilder. Der Verlobte von Tiffany Ratcliffe. Nicht, dass er besonders verliebt gewirkt hätte. Er hatte es mehr mit seinem Handy als mit seiner Zukünftigen.
Das ist echt mies, oder? Irgendwie habe ich Mitleid mit Tiffany. Ich meine, sie wird diesen Typen heiraten. Ich wette, er ist egoistisch im Bett …
Okay, das ist das Letzte, was mir durch den Kopf gehen sollte.
Alex.
Im Bett.
Womöglich nackt.
Ich schließe die Augen und schüttle den Kopf, ärgerlich mit mir selbst. Es ist lachhaft! Mit einem Typen zu flirten, der meine fast vergessene erste Liebe war – kurz vor acht Uhr morgens für schätzungsweise zwei Minuten zwar, aber ist kein Argument. Ich muss das auf sich beruhen lassen. Ich muss die Finger von ihm lassen.
Alex Wilder ist in festen Händen.
Ihn ganz rigoros ausblendend, konzentriere ich mich auf den restlichen Papierkram für ihre Einladungen. Wir bestellen alles digital, heften sämtliche Vorgänge aber zusätzlich in Papierform ab, weil Iris das so haben möchte. Sie ist die Inhaberin von Noteworthy und wie eine zweite Mutter für mich. Obwohl sie moderne Annehmlichkeiten wie das Internet schätzt, ist sie ziemlich Old School und eine große Verfechterin von Papierkopien, zumal sie mit ihrem Papeterie-Geschäft sozusagen an der Quelle sitzt.
Ich bereite alles vor, dann schicke ich den Auftrag raus und drucke die Formulare aus, nehme sie aus dem Drucker und packe sie in meinen neu angelegten Ratcliffe/Wilder-Ordner. Als ich den Endbetrag noch mal lese, stoße ich einen leisen Pfiff aus. Klar, dass Tiffany vorhin erschrocken die Augen aufriss, als ich ihr die Summe nannte, doch dann schob sie mir eine schwarze Kreditkarte von Alex rüber und lächelte.
»Es macht Ihnen hoffentlich nichts aus, dass ich seine Kreditkarte benutze, auch wenn er nicht hier ist«, druckste sie herum.
Zwar ist es nicht unsere gängige Geschäftspraxis. Dennoch habe ich die Karte widerspruchslos akzeptiert und in das Lesegerät gerammt.
Mit Sicherheit ist Alex einer von diesen Managertypen, die eine Menge Kohle scheffeln. Das konnte ich an seinem Anzug erkennen, an der Rolex an seinem Handgelenk, und dass ihn Preise null zu interessieren scheinen. Die meisten unserer Kunden sind vermögend. Carmel-by-the-Sea ist ein bezaubernder Ort an der kalifornischen Küste, und die Bewohner dieser Gegend sind wohlhabend. Alex wohnt in Carmel – was nicht überrascht –, während Tiffanys Adresse in West Hollywood ist – was schon überrascht.
»Ich habe mehrere Jahre als Model gearbeitet«, versuchte sie mir hastig zu erläutern. »Wäre fast im Oman engagiert worden und in der zweiten Staffel von Vanderpump Rules dabei gewesen, aber ich habe den Job an diese eine blonde Tussi in der Show verloren.«
Das habe ich ihr zu einhundert Prozent nicht abgenommen. Ich sehe mir Vanderpump Rules an. Ich kenne die Geschichten um Tom und Kristen und Katie und Stassie und Jax, und da war kein blondes Mädchen, das in der zweiten Staffel angefangen hätte.
Ich habe auch nicht nachgefragt, ob sie inzwischen mit Alex zusammenlebt. Es geht mich nichts an, außerdem will ich es gar nicht wissen. Ich stelle mir lieber vor, dass sie getrennt wohnen und Alex sich Hals über Kopf in mich verliebt hat, dass er bereit ist, Tiffany zu verlassen, damit wir uns auf ewig zärtlich und hingebungsvoll lieben können …
Nee. War bloß ein Witz. Er ist verlobt und wird heiraten. Er ist tabu.
Tabu.
Seufzend bringe ich den Auftrag für die Save-the-Date-Karten, die Hochzeitseinladungen und die Danksagungen zum Abschluss, jeweils dreihundert Stück. Die Save-the-Date-Karten versehe ich mit dem Extravermerk »Eilig«, dann drücke ich auf Senden. Mit roter Tinte schreibe ich Neuer Auftrag auf die Papierkopien und lege sie Iris auf den Schreibtisch.
Wenn sie ins Büro kommt, wird sie das als Erstes entdecken, und es wird sie glücklich machen. In den letzten paar Jahren ist das Geschäft nämlich nicht besonders gut gelaufen. Die meisten Leute bestellen ihre Visitenkarten und Einladungen mittlerweile im Internet, und ich kann das nachvollziehen. Es ist bequem, geht schnell, und die Auswahl ist riesig.
Aber bekommen sie unsere Expertise? Unsere Kompetenz? Unsere Preise sind genauso günstig wie die der Online-Anbieter, außerdem bekommen unsere Kunden und Kundinnen Anregungen von uns, und das, meine Lieben, ist Gold wert, wird jedoch häufig vergessen.
Heute muss alles schnell und einfach gehen. Direkte Konsumbefriedigung. Ich nehme mich da nicht aus. Es ist halt die Welt, in der wir leben …
Unvermittelt bimmelt das Glöckchen über dem Eingang, und ich spähe zur Tür. Iris ist im Anmarsch, ihre Miene säuerlich.
»Die Tür war nicht abgeschlossen«, pflaumt sie mich zur Begrüßung an, während sie sich meinem Schreibtisch nähert.
»Ich dachte, ich hätte hinter meinen Kunden abgeschlossen«, rede ich mich heraus, obwohl das eine glatte Lüge ist. Da ich mal wieder abgelenkt war, habe ich vergessen, die Tür abzuschließen.
»Tja, hast du aber nicht. Das ist gefährlich, Caroline. Da kann jeder unbemerkt hereinkommen«, meckert sie, als sie an meinem Schreibtisch vorbei- und weiter in ihr winziges Büro geht. Dann kommt der Moment, auf den ich gewartet habe: »Oh, was für ein fantastischer Start in den Tag.«
»Finde ich auch«, rufe ich zurück. Dabei fixiere ich den Computerbildschirm und gebe Alexander Wilder, Carmel CA in die Google-Suchfunktion ein.
Ich sollte das nicht tun, bin jedoch viel zu neugierig, um mich zu bremsen. Zuerst drücke ich auf Bilder, damit ich ihn betrachten kann und vielleicht ein paar Fotos finde, auf denen er schlecht getroffen ist, um mich besser zu fühlen, aber natürlich sieht er nie schlecht aus.
Es ist mehr so, dass er immer verdammt gut aussieht.
Ich klicke die Bilder weg, bevor ich mich selbst verrückt mache, und versuche, mich auf die wesentlichen Infos zu konzentrieren. Er ist achtundzwanzig – darauf hätte ich auch selbst kommen können, denn Carter ist in etwa gleichalt. Sein Vater baut Hotels, und Alex arbeitet für das Familienunternehmen, was ich wiederum nicht wusste, aber als Jugendliche hat mich so etwas auch kein bisschen interessiert.
Außerdem ist er der Älteste von drei Geschwistern. Auf der Highschool war er in der Football-Mannschaft. Studiert hat er in Stanford.
Natürlich, wo auch sonst?
Sein jüngster Bruder hat Autismus, und Alex unterstützt Autism Speaks mit Geldspenden, manchmal auch mit ehrenamtlicher Arbeit. In der lokalen Gemeinde gilt er als Vorzeige-Unternehmer – der älteste Sohn und Erbe des Familienvermögens, dazu ein Gutmensch, also der ultimative Fang. Sein bislang letzter Coup ist die Gründung eines Komitees zum Schutz und Erhalt historischer Hotels in ganz Kalifornien und deren Restauration in den ursprünglichen Zustand.
Donnerwetter. Er ist perfekt auf dem Papier und in Person.
Ich hasse ihn.
Okay, das ist ein wenig harsch. Ich hasse ihn nicht. Dennoch ist meine neu entdeckte Faszination für Alex Wilder … nervig. Ich habe mich auf andere Dinge zu konzentrieren. Auf meinen Job. Ich scrolle durch mein Handy. Es ist noch keine zehn Uhr, aber da ich seit acht hier bin, kann ich zwei Stunden früher gehen als sonst, was super ist. Ich könnte einen Spaziergang am Strand machen. Mit Stella laufen gehen – ihr sportlicher Ehrgeiz ist irrsinnig, aber bisweilen eine Inspiration.
Vielleicht gehe ich auch nach Hause und mache ein Nickerchen.
Ja, darauf wird es wahrscheinlich hinauslaufen.
»Caroline! Kannst du mal kurz herkommen?«, ruft Iris aus ihrem Büro.
Die Pflicht ruft.
***
Als ich um kurz nach drei in unserem Apartment einlaufe, einen Iced Latte in der Hand, liegt Stella in eine Fleecedecke gekuschelt auf der Couch und netflixt.
»Wieder mal To All The Boys I’ve Loved Before?«, frage ich, als ich die Tür hinter mir schließe und den Riegel vorschiebe. Dabei bin ich die Letzte, die darüber spotten darf, wo ich mir diese Serie seit ihrem Erscheinen bestimmt schon zig Millionen Mal angeschaut habe.
Noah Centineo ist heiß wie Feuer.
»Hab sonst nichts Gutes gefunden«, muffelt Stella halb unter der Decke.
Ich stelle meine Handtasche auf die schmale Küchenanrichte und nehme einen Schluck von meinem Getränk. »Der ist nicht so gut wie deiner«, erkläre ich ihr. Becky, eine von den Nachmittags-Baristas im Sweet Dreams Café, hat meinen Latte gemacht. Zwar ist sie nett und eine überaus freundliche Bedienung. Aber sie ist lange nicht so gut wie Stella.
»Zwei Latte an einem Tag?«, erkundigt sich Stella. Sie weiß, dass ich süchtig nach Kaffee bin, meinen Koffein-Konsum aber eigentlich unter Kontrolle halte.
»Jap.« Ich geselle mich zu ihr auf die Couch und ziehe mir ein Stück von ihrer Decke über den Schoß. Sie tippt auf die Leertaste ihrer Tastatur, um Peter Kavinsky mitten im Satz abzuwürgen. »Wie war dein Tag?«, frage ich.
»Wie immer.« Unvermittelt richtet Stella sich auf, um mich mit einem auffälligen Glitzern in den Augen zu mustern. »Bis auf den Typ im Anzug.«
Na super. Ich mag nicht über den Anzug-Typen reden. »Was für ein Typ im Anzug?«
Oh, ich bin so eine Schwindlerin.