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In diesem Band findest du alles, was du zur Vorbereitung auf Referat, Klausur, Abitur oder Matura benötigst.
Alle wichtigen Infos zur Interpretation sowohl kurz (Kapitelzusammenfassungen) als auch ausführlich und klar strukturiert.
Inhalt:
- Schnellübersicht
- Autor: Leben und Werk
- Inhaltsangabe
- Aufbau
- Personenkonstellationen
- Sachliche und sprachliche Erläuterungen
- Stil und Sprache
- Interpretationsansätze
- 6 Abituraufgaben mit Musterlösungen
NEU: exemplarische Schlüsselszenenanalysen
NEU: Lernskizzen zur schnellen Wiederholung
Layout:
- Randspalten mit Schlüsselbegriffen
- übersichtliche Schaubilder
NEU: vierfarbiges Layout
In Zweigs Schachnovelle besiegt ein NS-Emigrant einen Schachweltmeister, der Emigrant wird jedoch von seinen durch das Schachspiel hervorgerufenen Erinnerungen fast besiegt.
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Seitenzahl: 178
KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN
Band 384
Textanalyse und Interpretation zu
Stefan Zweig
Schachnovelle
Sven Jacobsen
Alle erforderlichen Infos zur Analyse und Interpretation plus Musteraufgaben mit Lösungsansätzen
Zitierte Ausgaben: Zweig, Stefan: Schachnovelle. Heftbearbeitung: Stefan Rogal. Husum/Nordsee: Hamburger Lesehefte Verlag, 2022 (Hamburger Leseheft Nr. 234). Zitiert als H. Zweig, Stefan: Schachnovelle. Herausgegeben von Klemens Renoldner. Ditzingen: Reclam, 2013 (Reclams Universal-Bibliothek Nr. 18933). Zitiert als R. Bei geringfügigen Abweichungen der Schreibweisen oder des Novellentextes wird nach der Ausgabe der Hamburger Lesehefte zitiert.
Über den Autor dieser Erläuterung:Sven Jacobsen unterrichtet derzeit an einem Gymnasium in Baden-Württemberg die Fächer Deutsch und Geschichte; langjährige Erfahrungen im Auslandsschuldienst mit Hochbegabtenförderung sowie als Endbeurteiler.
1. Auflage 2023
978-3-8044-7097-2
© 2023 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelbild: Oliver Masucci als Dr. Josef Bartok in dem Film Schachnovelle von 2021 © 2020 STUDIOCANAL. All rights reserved.
Inhaltsverzeichnis Das Inhaltsverzeichnis ist vollständig mit dem Inhalt dieses Buches verknüpft. Tippen Sie auf einen Eintrag und Sie gelangen zum entsprechenden Inhalt.
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1. Das Wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht
2. Stefan Zweig: Leben und Werk
2.1 Biografie
2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
Hitlers Wien, Zweigs Wien
Die Krisen der Donaumonarchie
Der Erste Weltkrieg und seine Folgen
Der Weg in den Faschismus
2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken
Psychologische Novellen (ab 1904)
Erzählende Biografien, Essays, Autobiografie (ab 1920)
3. Textanalyse und -Interpretation
3.1 Entstehung und Quellen
3.2 Inhaltsangabe
3.3 Aufbau
Gattungsfrage und Handlungsabschnitte
Zur Erzählgestaltung
3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
Ich-Erzähler
Dr. B.
Czentovic
McConnor
Nebenfiguren
3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
3.6 Stil und Sprache
3.7 Interpretationsansätze
Historischer Bezug: NS-Zeit
Biografischer Bezug
Psychologischer Deutungsansatz
Europäischer Humanismus versus Verrohung
3.8 Schlüsselstellenanalysen
4. Rezeptionsgeschichte
„Der ewige Weltbestsellerautor“
Neuverfilmung von 2021
5. Materialien
6. Prüfungsaufgaben mit Musterlösungen
Aufgabe 1 ***
Aufgabe 2 **–***
Aufgabe 3 **–***
Aufgabe 4 **
Aufgabe 5 **–***
Aufgabe 6 **–***
Lernskizzen und Schaubilder
Literatur
Zitierte Ausgaben
Weitere Primärliteratur
Sekundärliteratur
Online-Quellen
Verfilmungen
Damit sich die Leser:innen in diesem Band schnell zurechtfinden und das für sie Interessante gleich entdecken, hier eine Übersicht.
Das zweite Kapitel beschreibt Stefan Zweigs Leben und stellt den zeitgeschichtlichen Hintergrund vor.
Stefan Zweig wurde am 28. November 1881 in Wien geboren, ging 1934, nach dem „Anschluss“ Österreichs ans „Dritte Reich“, ins Exil und nahm sich am 23. Februar 1942 in Brasilien (Petrópolis) das Leben.
Zweig hat ein umfangreiches Gesamtwerk hinterlassen und zählte bereits zu Lebzeiten zu den meistgelesenen Schriftstellern der Welt. Das Spätwerk Schachnovelle bestätigte ein letztes Mal den Ruf Zweigs als herausragender psychologischer Autor und avancierte schnell zu einem Klassiker.
Die Schachnovelle ist tiefgründig konzipiert und erlaubt mehrere Deutungsansätze, die in der Literaturwissenschaft nach wie vor diskutiert werden.
Im dritten Kapitel geht es um eine Textanalyse und -interpretation.
Die Schachnovelle (1942) entstand in den Monaten vom September 1941 bis zum 21. Februar 1942 und damit kurz vor dem Suizid des Autors. Die Erzählung verwebt Biografisches wie die Exilerfahrungen Zweigs mit der Zeitgeschichte, namentlich der NS-Zeit, kulturgeschichtlichen Fragen, gesellschaftskritischen Betrachtungen sowie psychischen Extremsituationen zu intensiver Literatur.
Die Handlung beginnt kurz vor der Abfahrt eines Passagierdampfers von New York nach Buenos Aires im Sommer 1939. Dem Ich-Erzähler fällt der Pressetrubel um einen prominenten Passagier auf. Er wird von einem Freund aufgeklärt, dass es sich um den Schach-Weltmeister Mirko Czentovic handle, der es in kurzer Zeit von einem begabten Bauernjungen zum Weltmeister gebracht hat und der seither sein Talent zu vermarkten versteht. Der Ich-Erzähler ist gebannt von den Anekdoten seines Freundes über Czentovic und beschließt, ihn während der Schiffsreise aus psychologischem Interesse zu ergründen. Nach anfänglichen Hürden, einen Kontakt herzustellen, gelingt es dem Ich-Erzähler, das Interesse des Weltmeisters mit Schach (und Geld) zu wecken: Ein Spielpartner des Ich-Erzählers ist ein Passagier namens McConnor, ein vermögender Schotte, der schwach spielt, aber maßlos ehrgeizig ist. McConnor gelingt es, gegen ein hohes Honorar eine Partie, bei der sich mehrere Herrschaften gemeinsam beraten können, gegen Czentovic zu arrangieren. Nach einer krachenden Niederlage der versammelten Amateure greift bei der Revanche ein Unbekannter in die Partie ein und holt mit meisterlichen Ratschlägen noch ein Remis heraus. Der Ich-Erzähler kommt in der Folge mit dem Unbekannten, ein Landsmann, der sich als Dr. B. vorstellt, ins Gespräch. Dr. B. erzählt, wie er als Jurist und Vermögensverwalter höherer Kreise Österreichs nach dem sogenannten Anschluss von der Gestapo in Isolationshaft kam, weil man von ihm Informationen über Vermögenswerte wollte. Minutiös schildert Dr. B., wie ihn die Isolation sowie der vollständige Entzug geistiger Nahrung beinahe zermürbt habe, wenn es ihm nicht durch einen glücklichen Umstand gelungen wäre, einem Gestapo-Mann heimlich ein Buch zu entwenden. Dabei habe es sich um ein Buch mit Meisterpartien im Schach gehandelt, die er zunächst nutzen konnte, um seinen Verstand wieder zu trainieren; dann aber habe die fortgesetzte und ausschließliche geistige Beschäftigung mit Schach, das Spielen gegen sich selbst, zu einer „Schachvergiftung“ am Rande des Wahnsinns geführt. Es sei schließlich zum Kollaps gekommen; seither hat sich Dr. B. vom Schachspiel ferngehalten. Jetzt, an Bord des Dampfers, kommt der Ich-Erzähler mit Dr. B. überein, eine letzte Partie gegen Czentovic zu wagen. Diese Partie gewinnt Dr. B. sensationell, allerdings mehren sich dabei die Zeichen seiner an Wahnsinn grenzenden Obsession für das Spiel. Trotz Warnungen des Ich-Erzählers willigt Dr. B. in eine Revanchepartie ein und muss kurz vor einem endgültigen psychischen Zusammenbruch vom Ich-Erzähler davon abgehalten werden, weiterzuspielen.
Die Handlung beginnt kurz vor der Abfahrt eines Passagierdampfers von New York nach Buenos Aires im Sommer 1939 und umfasst fünf Tage.
Ein Rückblick erzählt von der erstaunlichen Karriere Mirko Czentovics, ein junger Mann aus ärmlichsten Verhältnissen aus dem Banat (eine historische Region, die heute in Rumänien, Serbien und Ungarn liegt), der in den 1930er Jahren in kurzer Zeit in die Weltspitze des Schachs aufsteigt.
Ein weiterer Rückblick erzählt vom „Anschluss“ Österreichs im März 1938 an das „Dritte Reich“ sowie die Monate Dr. B.s in Isolationshaft in einem Wiener Hotelzimmer.
Die Novelle hat keine formal erkennbare Einteilung in Kapitel oder sichtbare Abschnitte nach Leerzeilen. Die Handlung legt aber eine Einteilung in fünf inhaltliche Gliederungsabschnitte nahe.
Erzähltechnisch handelt es sich um eine personale Ich-Erzählsituation; das Erzähltempus ist das Präteritum. Das Lesepublikum kann intensiv das Geschehen verfolgen, da der erlebende und berichtende Ich-Erzähler sowie der Erinnerungsbericht von Dr. B. emotional und authentisch wirken.
Ich-Erzähler:
kommt wie Dr. B. aus Wien, ist gebildet und lebt möglicherweise im Exil,
hat ein ausgeprägtes psychologisches Interesse an Menschen sowie dem, was sie antreibt,
kann auf der Basis seiner psychologisch fundierten Menschenkenntnisse andere manipulieren,
ist Dr. B. wesensnah und erkennt dessen zwanghafte Krisensituation, aus der er ihn befreit.
Dr. B.:
ein hochgebildeter österreichischer Jurist, vom Alter her etwa Anfang 40,
hat in der Familienkanzlei die Vermögensverwaltung höherer österreichischer Kreise aus dem Adel und dem Klerus betreut,
kommt nach dem sogenannten Anschluss Österreichs in eine zermürbende Isolationshaft,
kann sich durch das gedankliche Nachspielen von Schachpartien sowie durch imaginäres Schachspielen gegen sich selbst zunächst vor dem geistigen Zusammenbruch retten,
steigert sich dann aber bis fast in den Wahnsinn; ein Trauma, das sich im Spiel gegen Czentovic zu wiederholen droht.
Czentovic:
bäuerlicher Herkunft, kommt aus dem Süden der Habsburgermonarchie, amtierender Schachweltmeister,
hat scheinbar keinerlei intellektuelle Fähigkeiten außer einer Inselbegabung im Schach,
wird in seiner frühen Jugend entdeckt und durchläuft eine kometenhafte Karriere,
eher menschenscheu, um seine Unbildung zu kaschieren,
wirkt emotionslos, ist ein guter Taktiker und einzig am Gelderwerb durch Schach interessiert.
McConnor:
Tiefbauingenieur schottischer Herkunft, machte ein Vermögen im Ölgeschäft,
verfügt über eine starke physische Präsenz,
sieht im Geld das entscheidende Mittel zur Durchsetzung aller Interessen,
leidenschaftlicher, aber schwacher Spieler, wohl nicht nur im Schach, angeberisch.
Die Schachnovelle fällt mit ihrem ausgefeilten, hohen Sprachniveau auf. Der Wortschatz ist vielseitig, mitunter sprachschöpferisch (Verb „ernsten“), der Stil bildungsbürgerlich und erkennbar je nach Situation komponiert. Zweig hat damit die Grandezza der europäischen Bildungstradition eingefangen und, wie in seinem Werk allgemein der Fall, den Wert der Bildung für eine humane Gesellschaft herausgestellt.
Unter den literarischen Mitteln fallen die Motive Wahnsinn und Bildung auf; das Dingsymbol Schach(brett) ist komplex angelegt. Mitunter wird in prägnanten Situationen das Erzähltempo bis zur Zeitdehnung verlangsamt.
Die Schachnovelle wird unterschiedlich gedeutet. Sie gilt vielen in erster Linie als Auseinandersetzung mit den psychischen Tiefen des Menschen und der NS-Zeit. Die eindrücklich geschilderte Leidenszeit von Dr. B. in der Isolationshaft gibt Einblicke in die Brutalität der NS-Herrschaft; die Verweise auf Flucht und Exil zeigen die Auswirkungen dieser Herrschaft und deuten die biografischen Erfahrungen des Autors an.
Der Abschluss der Novelle unmittelbar vor dem Suizid Zweigs dürfte der Schachnovelle den Wert eines literarischen Vermächtnisses zuweisen, sodass (nur angedeutet) wichtige Grundzüge des Lebenswerkes in den an sich kleinen Text einfließen. Deshalb sollte in diesem Kontext auch das autobiografische Werk Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers (ebenfalls 1942) gelesen werden. Bei dieser Lesart dominiert der Gegensatz von europäisch-humanistischer Bildungstradition auf der einen Seite und Rohheit oder Brutalität auf der anderen den Text der Novelle wie auch andere Werke Zweigs.
Die Schachnovelle wurde posthum schnell zu einem Welterfolg des ohnehin weltweit geschätzten Schriftstellers. Sie wurde zum bekanntesten Text Zweigs, in fast 60 Sprachen übersetzt und gehört bis heute zum festen Kanon der Schullektüren. Die Literaturwissenschaft hat zum Werk Zweigs und natürlich der Schachnovelle selbst zahlreiche Studien angehäuft, und auch in jüngerer Zeit kommen noch neue bzw. überraschende Details zur Sprache. Mehrere Verfilmungen und Bühnenadaptionen der Schachnovelle haben zur Popularität des Textes beigetragen; im Jahr 2021 kam eine viel beachtete Verfilmung in die Kinos.
Stefan Zweig (1881–1942) © picture-alliance / Leemage
Jahr
Ort
Ereignis
Alter
1881
Wien
Geburt am 28. November in Wien als zweiter Sohn des böhmischen Textilfabrikanten Moritz Zweig (1845–1926) und seiner Ehefrau Ida, geb. Brettauer (1854–1938).
1899
Wien
Matura am Gymnasium in der Wasagasse.
17/18
1900–1904
Wien
Studium der Philosophie, Psychologie und Literaturgeschichte, Abschluss als Dr. phil. (Dissertation über Hippolyte Taine).
18–23
1901
Wien
Silberne Saiten. Gedichte.
19/20
1902
Wien
Beginn der Mitarbeit an der „Neuen Freien Presse“. Auf einer Reise nach Belgien erste Begegnung mit dem belgischen Dichter Émile Verhaeren.
20/21
1904
Wien
Die Liebe der Erika Ewald. Novellen-Band.
22/23
1904–1914
Wien und Reisen
Großbürgerliches Leben mit Reisen, z. B. nach Indien und Amerika, enormer Lektüreaufwand und Niederschrift vieler Werke.
23–33
1911
Wien
Brennendes Geheimnis. Populäre Novelle, die das zeitgenössische Interesse an Erotik und Tiefenpsychologie bedient.
29/30
1914–1918
Wien, Zürich
Zweig arbeitet während des Ersten Weltkrieges im Kriegsarchiv, wird nach anfänglicher Begeisterung zum Pazifisten, befürwortet die Europa-Idee, lebt zum Kriegsende kurz in Zürich.
32–37
1917
Jeremias. Eine dramatische Dichtung in neun Bildern. Zweig verstand das Drama als Schlüsseltext und den biblischen Stoff als Bezug zum Ersten Weltkrieg bzw. Pazifismus.
35/36
1919–1933
Salzburg und Reisen
Zweig lebt im Paschinger Schlössl am Kapuzinerberg bei Salzburg, intensive Schaffensperiode (historische Biografien, Essays, Erzählungen).
37–52
1920
Heirat mit Friderike von Winternitz, Januar 1920. Drei Meister: Balzac – Dickens – Dostojewski.
38/39
1922
Amok. Novellen der Leidenschaft erscheinen.
40/41
1924
Die gesammelten Gedichte erscheinen.
42/43
1925
Der Kampf mit dem Dämon. Hölderlin – Kleist – Nietzsche.
43/44
1927
Novellenband Verwirrung der Gefühle und eines der bekanntesten Werke Zweigs, Sternstunden der Menschheit. Fünf historische Miniaturen, erscheinen.
45/46
1928
Salzburg, Sowjetunion
Drei Dichter ihres Lebens. Casanova – Stendhal – Tolstoi. Im September Reise in die Sowjetunion.
46/47
1929
Joseph Fouché. Bildnis eines politischen Menschen.
47/48
1932
Marie Antoinette. Bildnis eines mittleren Charakters erscheint.
50/51
1933
Deutschland
Öffentliche Bücherverbrennungen der Nazis, auch Zweigs Werke werden verbrannt.
51/52
1934–1942
Die Exiljahre Zweigs zeichnen sich unmittelbar nach der Machtergreifung Hitlers 1933 ab; Zweig ist ob der Methoden und der Ideologie der Nazis früh alarmiert und bereitet die Emigration vor, den „Anschluss“ Österreichs ahnend. Eine Hausdurchsuchung im Februar 1934 gibt den Ausschlag.
52–60
1934
Salzburg London
Hausdurchsuchung am 18. Februar 1934. Flucht am folgenden Tag nach England. Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam erscheint.
52
1935
Die Biografie Maria Stuart erscheint.
53/54
1936
London, Brasilien, Buenos Aires
Castellio gegen Calvin oder Ein Gewissen gegen die Gewalt. Verschlüsselte Kritik am NS-Regime. Erste Reise nach Brasilien, PEN-Kongress in Argentinien.
54/55
1937
London
Trennung von seiner Frau Friderike.
55/56
1938
Portugal
Mit seiner Sekretärin Lotte Altmann nach Portugal. Magellan. Der Mann und seine Tat erscheint: über Magellan auch eine Auseinandersetzung mit der Unsicherheit des Exils. Scheidung der Ehe mit Friderike im November 1938.
56/57
1939
Bath
Umzug nach Bath im Juli 1939. Zuvor Heirat mit seiner Sekretärin Charlotte Altmann, mit der Zweig eine Affäre hatte. Mit Kriegsbeginn Annahme der britischen Staatsbürgerschaft. Der Roman Ungeduld des Herzens erscheint auf Englisch.
57/58
1940
London, Paris, New York, Brasilien, Argentinien
Zweig verlässt am 25. Juni 1940 mit Lotte Zweig England aus Angst, man könne ihn in der Kriegssituation als gebürtigen Österreicher als feindlichen Ausländer einstufen.
58/59
1941
New Haven (USA), Petrópolis (Brasilien)
Arbeit an Amerigo – Geschichte eines historischen Irrtums (1944 ersch.), Brasilien. Ein Land der Zukunft erscheint. Übersiedlung nach Brasilien. Aberkennung des Doktortitels durch die Nazis.
59/60
1942
Petrópolis
Nach Zweigs Suizid am 22./23. Februar, den er zusammen mit seiner Frau Lotte beging, erscheinen Schachnovelle und Die Welt von gestern. Erinnerungen eines Europäers. Zweig litt unter Depressionen und an der Exilsituation. In den Folgejahren erscheinen weitere Werke aus dem Nachlass.
60
Stefan Zweig kam in einem wohlhabenden Wiener Elternhaus zur Welt. Die Mutter entstammte einer jüdischen Bankiersfamilie aus dem Vorarlberg, der Vater kam aus einer jüdischen Familie aus Prossnitz in Mähren, die im Textilhandel erfolgreich war. Die Eltern waren mehrsprachig, hatten andere Länder kennengelernt und legten ihren Kindern eine kosmopolitische Einstellung in die Wiege. Zweig reiste später gern und viel. Das Elternhaus war allerdings nicht sonderlich religiös. Der elterliche Stolz auf das materiell Erreichte prägte den Heranwachsenden insofern, dass er zeitlebens eine unterschwellig herablassende Art des Großbürgers beibehielt, auch wenn er sich wiederholt großzügig zeigte, beispielsweise Exilanten in Not gegenüber. In seinem Werk schimmert das immer wieder durch, so auch in der Schachnovelle. Über die Kindheit Zweigs ist nur manches bekannt. Die Beziehung zu den Eltern scheint eher kühl gewesen zu sein, namentlich zur Mutter. Der autoritäre Vater hat gern zurückgezogen gelebt, Klavier gespielt und von seinem Sohn viel erwartet. Dieser brach den Klavierunterricht jedoch bald ab, beschäftigte sich lieber mit Literatur, scheint unsportlich gewesen zu sein und hatte schulisch keineswegs durchgehend große Erfolge.
Der Wunsch, den Eltern zu gefallen, manifestierte sich in den frühen literarischen Publikationen zur Schulzeit. Bereits in der Studienzeit schrieb Zweig regelmäßig für die bedeutendste Tageszeitung Wiens, die „Neue Freie Presse“. Ohnehin zeigt sich eine geradezu unermüdliche literarische Arbeit spätestens ab seiner Studienzeit, die von Biografen als Versuch gesehen wird, den vielen Künstler- und Schriftstellerkollegen, die teils die Rolle von Väter-Idolen einnahmen, zu imponieren und den Vater durch die damit einhergehenden finanziellen Erfolge zu beeindrucken. Weder der Schule, die Zweig später als „Tretmühle“ beschrieb, noch der Universität schenkte der junge Mann mehr als ein Minimum an Aufmerksamkeit. Seine Energie investierte er in den Literaturbetrieb seiner Zeit. Bereits sein wenig bekanntes Frühwerk zeigt alle denkbaren Facetten: Essays, Artikel, Rezensionen, Porträts, Feuilletons, Gedichte, Theaterstücke, Erzählungen, Biografien, Vor- und Nachworte für Bücher, Übersetzungen sowie die Arbeit als Herausgeber. Es spricht einiges für die Annahme, dass Zweigs Unrast auch Ausdruck der Suche nach Selbstfindung war.
Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Sommer 1914 erlebte auch Stefan Zweig, wie so viele Intellektuelle seiner Zeit, eine patriotische Phase (er meldete sich sogar freiwillig für den Fronteinsatz[2]), die in seinem Fall aber nur kurz anhielt (und später von ihm verleugnet wurde). Angesichts der Kriegsfolgen in ganz Europa wurde Zweig bald Pazifist und engagierte sich für die damals utopische Vorstellung eines geeinten Europas. Zweig hat deswegen sensibel auf die antidemokratischen, nationalistischen Tendenzen der 1920er Jahre reagiert und war sich sicher, dass der Machtergreifung Hitlers in Deutschland bald ein faschistisches Österreich folgen werde. Seine Emigration im Februar 1934 aus dem damaligen österreichischen Ständestaat war daher schon länger vorbereitet. Was er aber im Exil nicht abschütteln konnte, war das Gefühl eines hilflosen Ausgesetztseins gegenüber der rohen Gewalt durch Menschen, politischen Prozessen oder Institutionen. Seine Flucht über den halben Erdball über mehrere Stationen bis nach Brasilien war von dem Gefühl begleitet, den Halt und die Zuversicht der europäischen humanistischen Bildungs- und Kulturtradition verloren zu haben, was letztlich in Resignation und Depression mündete. Stefan Zweig nahm sich im Exil das Leben, „nachdem die Welt meiner eigenen Sprache für mich untergegangen ist und meine geistige Heimat Europa sich selber vernichtet“ hat, wie er in seinem Abschiedsbrief schrieb.[3]
Zusammenfassung
Zweig wuchs im Wien der Jahrhundertwende auf. Diese glanzvolle Metropole zehrte zwar nach 1900 von den Erträgen der Vergangenheit, erlebte jedoch die künstlerisch-literarisch wie wissenschaftlich produktive Blütezeit der „Wiener Moderne“. Zugleich offenbarte sich den aufmerksamen Zeitzeugen die schleichende Agonie des Vielvölkerreiches Österreich-Ungarn.
Mit dem Einschnitt des Ersten Weltkriegs und der vernichtenden Niederlage der Mittelmächte folgte in den 1930er Jahren eine zweite Katastrophe, als das NS-Regime mit seiner Ideologie die politische Lage auch in Österreich immer mehr beeinflusste und dann im März 1938 schließlich den sogenannten „Anschluss“ vollzog. Für einen Schriftsteller jüdischer Herkunft wie Zweig gab es danach in Österreich keine Zukunft mehr.
Als Adolf Hitler, 1889 im österreichischen Braunau am Inn geboren, 1908 im Alter von 19 Jahren für fünf Jahre nach Wien zog und noch niemand ahnen konnte, dass dieser Mann einmal das Leben von Millionen, darunter das Stefan Zweigs, verderben oder vernichten würde, zeigte sich ihm eine glanzvolle Metropole voller Gegensätze. In der viertgrößten Stadt Europas mit etwa zwei Millionen Einwohnern landete Hitler nach dem Scheitern seiner Pläne, die Akademie zu besuchen und Künstler zu werden, zunächst auf der Straße. Eine Unterkunft fand er im fortschrittlich geführten Männerwohnheim in Wien-Brigittenau. Dieses Heim wurde 1905 eröffnet, um das als problematisch eingeschätzte sogenannte ‚Schlafgängertum‘[4] und die stinkenden Notquartiere für die vielen Obdachlosen oder armen Arbeiter in der florierenden Großstadt zu reduzieren. Es setzte Maßstabe in der Hygiene sowie der menschenwürdigen Unterkunft und wurde erheblich von den Spenden vermögender jüdischer Familien unterhalten, darunter Baron Louis Nathaniel von Rothschild, über den noch zu sprechen sein wird (vgl. Kap 3.4 dieser Erläuterung).[5] Hitler prägten seine Erfahrungen in Wien maßgeblich („die schwerste, wenn auch gründlichste Schule meines Lebens“, so Hitler später[6]). In jener Zeit sollten sich die Grundlagen seiner späteren Ideologie herausbilden. Bedeutsame Erfahrungen waren dabei: das ihn kränkende zweimalige Scheitern bei der Aufnahmeprüfung an der Akademie, seine Mittellosigkeit, der Anblick von Glanz und Schäbigkeit, die Tatsache, dass in Wien ein großer, beständiger Zuwachs an Menschen vielerlei Herkunft vor allem aus Osteuropa stattfand – darunter viele Juden, die in vielen Wirtschafts- und Gesellschaftsbereichen erfolgreich waren und fast zehn Prozent der Stadtbevölkerung ausmachten – sowie der Kontakt mit zu jener Zeit weit verbreiteten nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Ideen. Vom damaligen Wiener Bürgermeister Karl Lueger (1844–1910) schaute sich Hitler die politische Arbeit und dessen offene Judenfeindlichkeit in seinen Reden ab. Das Leben von jemandem wie Stefan Zweig, der zur gleichen Zeit als Jude im Wiener Großbürgertum in materieller Sicherheit aus dem Haus wohlhabender Eltern ein vermeintlich unbeschwertes Dasein leben konnte, erfüllte bis ins Detail das Feindbild, das Hitler in seinen späteren antijüdischen Tiraden (etwa in Mein Kampf) abliefern sollte.
Ablenkung verschaffte sich Hitler mit Spaziergängen durch die prachtvollen Boulevards im Innenbereich Wiens und mit Konzertbesuchen in der imposanten Hofoper. An der Kunst oder Literatur dieser Zeit zeigte sich Hitler eher uninteressiert. Dabei sollte die Wiener Moderne (1890–1910) der ohnehin berühmten Stadt den Ruf der Weltgeltung einbringen. Die Liste der Namen, die Psychologie, Literatur, Philosophie, Sozial- und Naturwissenschaften sowie Kunst und Musik mit ihren Werken und Erkenntnissen bereicherten, ist atemberaubend. Stefan Zweig schreibt in Die Welt von Gestern, dass in kaum einer Stadt Europas der Drang zum Kulturellen so leidenschaftlich gewesen sei wie im Wien der Jahrhundertwende.[7] Hervorzuheben ist der Psychologe, Arzt und Kulturtheoretiker Sigmund Freud (1856–1939). In einer dichten Serie von Publikationen zur Traumdeutung, Psychoanalyse und Sexualität vor und nach 1900 verhalf er der Psychologie zu einem kaum zu überschätzenden Stellenwert. Bald schon beschäftigte man sich auch im Kaffeehaus mit der verborgenen Botschaft von Träumen, Versprechern oder Krankheitssymptomen; von Wien ausgehend erreichte die Kunde von der neuen Wissenschaft vom Unbewussten