Schattenwald - Band 1 - Roman D. Koszałka - E-Book

Schattenwald - Band 1 E-Book

Roman D. Koszałka

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Beschreibung

Christoph, ein mächtiger Werwolf, begibt sich auf eine gefährliche Mission: die Suche nach dem verschollenen Alpha seines Rudels. Von den dunklen Wäldern Deutschlands bis zu den geheimnisvollen Hügeln Polens stellt sich Christoph mit seinen Gefährten den finsteren Mächten der Sternzeichen-Clans entgegen. Auf ihrer Reise entdecken sie uraltes Wissen und verborgene Kräfte, die sie auf die Probe stellen und ihre Loyalität zueinander festigen. Komm an Bord der Schattenwald, wo Magie und Gefahr aufeinander treffen und das Schicksal der Menschheit auf dem Spiel steht.

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Schattenwald

 

Roman D. Koszałka

 

Impressum:

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Veröffentlicht bei Infinity Gaze Studios AB

1. Auflage

Juni 2024

Alle Rechte vorbehalten

Copyright © 2024 Infinity Gaze Studios

Texte: © Copyright by Roman D. Koszałka

Lektorat: Barbara Madeddu

Cover & Buchsatz: Valmontbooks

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung von Infinity Gaze Studios AB unzulässig und wird strafrechtlich verfolgt.

Infinity Gaze Studios AB

Södra Vägen 37

829 60 Gnarp

Schweden

www.infinitygaze.com

 

Kapitel 1

 

Wie alles beginnt

 

#Summer #Me #Sonne #Sun #Nordsee #Borkum

#Eemshaven #Beauty #Sun #Sunshine

#EineReisedieistLustig #OnTour #Vorfreude #Timeout

#Etwaswindig #Windy #SingersLife #LovemyJob

#Love #Staystrong #Lifesgoeson

 

Jetzt nur noch ein schönes Selfie und schon ist der Post fertig. Kira lächelte in die Kamera und hielt mit einer Hand ihren großen Sommerhut fest, mit der anderen machte sie das Bild mit einem ihrer schönsten Lächeln. Mit einem leicht kritischen Blick auf das Foto wurde es dann in das World Wide Web gestellt. Zufrieden setzte sie sich auf den Sitz des offenen Oberdecks der Fähre, welche sie bald nach Borkum bringen sollte. Über ihr kreischten die Seemöwen und die Luft war angenehm kühl, verschleierte auf angenehme Weise die auszehrende Sonne. Diese brannte schon seit Sonnenaufgang ungnädig auf die Erde nieder. Kira schaute lächelnd zur Sonne hoch und setzte sich ihre Sonnenbrille mit den regenbogenfarbenen Gläsern auf.

„Was für ein schöner Tag“, seufzte sie und holte ihre Sonnenmilch hervor, um sich schützend einzucremen. Ihr doch sehr heller Hauttyp und ihre dazu passenden rotblonden Haare hatten ihr in der Vergangenheit schon mehrfach einen Sonnenbrand beschert.

„Heute werde ich mich nicht wieder in einen Feuerkrebs verwandeln“, säuselte sie leise zu sich selbst und begann, sich in ihrem Sommerkleid vor der Sonne zu schützen. Dabei beobachtete sie den Steg, der zur Fähre hinführte, und wo sich immer mehr Sportler tummelten und dann die Fähre bestiegen. Fast alle waren mit großen Taschen bepackt und wirklich jeder hatte einen Anglerstuhl dabei, einige hatten tatsächlich Kühltaschen mitgebracht. Etwas verwirrt schaute Kira zu, wie die Fähre sich mehr und mehr füllte. Zwischen den ganzen großen und schlaksigen Leuten sah sie hin und wieder einen Volleyball, was ihr die Bestimmung der Sportgattung enorm erleichterte. Die Damen und Herren der Schöpfung schienen allesamt guter Laune zu sein und öffneten vereinzelt Bierdosen, was zu einem allgemeinen Anstoßen führte. Die Stimmung war gelöst, man lachte viel, begrüßte andere Volleyballfanatiker und herzte sich.

Die gesamte Szenerie wirkte auf Kira eher so, als wäre sie auf einem Fest, und man hätte ihr vergessen, eine Einladung zukommen zu lassen. Die wenigen Reisenden, die, wie sie selbst, nicht zu dieser feiernden Horde gehörten, hielten sich diskret zurück und amüsierten sich mehr über das, sehr bald, wilde Treiben. Auf einmal dröhnte das Horn der Fähre laut auf und ein sanfter Ruck ging durch den Riesen der Nordsee. Kira und viele andere erschreckten sich, aber sofort kehrten die Geräusche der Spontanparty zurück. Ein helles Lachen kam von Kiras rechter Seite und sie wurde sanft angestupst. Eine Blondine mit langen Haaren und einem Trainingsanzug in Rot und Schwarz reichte ihr ein Plastikglas, welches mit Sekt gefüllt war.

„Auf den Schreck“, die Blonde wirkte nett und war wie alle eher von sportlicher Natur, „nicht, dass du uns noch einen Herzinfarkt bekommst.“

Kira schaute noch etwas verwirrt drein und nahm dann dankend das Glas an. „Ich bin Kira Veldboer“, stellte sie sich vor, „aber sag bitte Kira.“

„Ich bin Melanie, aber sag ruhig Mella. Das hier sind meine Mädels: Lea, Karolin, Jessica und Mareike.“ Melanie deutete neben sich auf das Grüppchen von motiviert dreinschauenden Volleyballerinnen. Diese nickten kurz zurück, als ihre Namen genannt wurden, und prosteten Kira zu.

„Wir sind auf dem Weg zum Beachvolleyballturnier am Borkumer Strand. Du scheinst eher wegen etwas anderem hier zu sein, oder?“ Kira musterte die Damen freundlich, welche bereits jetzt schon sonnengebräunt waren.

„Ne, mit Volleyball habe ich nichts am Hut. Ich habe auf Borkum einen Auftritt. Um genau zu sein, im Promenaden-Musikpavillon. Ich soll da morgen Abend und am Sonntagmittag die Leute besingen.“ Sie nahm einen Schluck vom Sekt und blickte die Damenmannschaft an.

„Also hat sich Karo doch nicht getäuscht. Sie meinte, du wärst in der klassischen Szene bekannt und auch bei deinen Nebenprojekten ziemlich gut.“

Mella deutete dabei auf die erwähnte Karolin. Diese war etwas kleiner als der Rest der Gruppe, hatte dunkelblonde Haare, war aber ebenso athletisch wie der Rest der Mannschaft.

„Das stimmt. Zwar weiß ich nicht, ob ich so gut bin, aber ich muss wohl etwas richtig machen. Was hast du denn von mir gehört oder warst du mal bei einem Auftritt von mir?“

Die angesprochene Spielerin fing an, schnell mit den Fingern Zeichen von sich zu geben und lächelte dabei.

„Sie sagt, sie hätte dich mal in Andernach gesehen bei einem 'Klassik Abend', wo sie mit der Familie war. Es waren mehrere schöne Lieder gewesen.“ Mella schaute Kira an.

„Ja, unsere Karo ist ein wahres Plauderkästchen, kaum zu halten mit ihrer klaren Stimme“, lachte Melanie frech und bekam prompt auch einen Volleyball zugeworfen, den sie elegant fing. Die Werferin, Karolin, streckte ihr die Zunge raus, war allerdings von einem Ohr zum anderen am Grinsen. Dann kamen wieder Fingerzeichen, die Kira nicht verstand, dafür antwortete Mella:

„Ok, dafür gebe ich dir heute Abend einen aus und werde bei den Jungs dolmetschen.“ Die gesamte Mannschaft lachte und trank weiter.

„Ihr geht aber hart miteinander um“, kam es erschrocken aus Kira hervor, die die Situation anscheinend anders interpretiert hatte als der Rest der Mannschaft.

„Ach wo, Karo versteht das schon richtig. Wir sind alle gut befreundet und wissen, wie man hier was von wem wie zu verstehen hat“, winkte die schwarzhaarige Riesin ab. Kira glaubte noch zu wissen, dass sie Lea hieß. Kira war Zeit ihres Lebens schlecht darin, sich Namen schnell zu merken, und diese Vorstellrunde war beim besten Willen viel zu schnell für sie gewesen.

„Karo ist von Geburt an stumm, aber sie ist unsere Beste. Sie ist bedeutend flinker, schneller und beweglicher als wir anderen. Sie scheint immer zu wissen, was wir als Nächstes machen. Sie ist wie ein verdammter Blitz oder ein Schatten.“ Lea prostete Karolin nach der versöhnlichen Lobeshymne zu, sie zog einen imaginären Hut und prostete zurück.

„Erstaunlich.“ Kira schaute Karo mit großen Augen an. „Dabei dachte ich immer, dass man beim Volleyball groß sein muss.“ Karo ihrerseits verdrehte freundlich die Augen und nahm einen leicht lasziven Gesichtsausdruck an, ihre Hände formten wieder Zeichen.

„Größe ist nicht alles“, kam es aus allen Damen gleichzeitig heraus und alle lachten laut auf. Selbst Kira musste lachen. Diese Damengruppe hatte eine eigene, sehr schöne Dynamik, die einen mitriss.

„Und warum diese ganzen riesigen Taschen, die hier jeder mit sich führt?“ Sie schaute sich um und deutete auf die Ungetüme.

„Zelte. Wir zelten am Strand“, kam es locker von Jessica.

„Oh!“ Kira machte wieder ein bestürztes Gesicht. „Das wäre nichts für mich. Ist das nicht zu kalt und der ganze Sand?“, schüttelte sie sich kurz.

Wieder war es Karo, die ihr antwortete, und diesmal übersetzte Mareike:

„Dafür ist ja die Party am Abend, nicht dass man alleine schläft.“ Alle glucksten in ihre fast leeren Gläser, Mella schenkte alle Gläser wieder neu ein und ergriff das Wort.

„Na ganz so schlimm sind wir nicht, aber der Sand nervt tatsächlich nach einiger Zeit. Deswegen gehen wir morgen Nachmittag ja auch in das Hallenbad, um uns einmal richtig abzuduschen und sauber zu sein. Paradoxerweise ist das ein Solebad, als wenn man hier nicht genug Salzwasser hätte.“ Sie schüttelte den Kopf.

„Paradox“ ist ein gutes Stichwort. „Ist es nicht seltsam, erst in die Niederlande fahren zu müssen, um von dort mit einer Fähre auf eine deutsche Insel zu fahren?“, warf Kira ein.

„Ich glaube, das hat was mit dem Parkplatz zu tun“, meinte Lea.

„Mmm, dann hätte ich mir das auch sparen können, ich bin mit der Bahn angereist“, schnaufte Kira etwas verdrossen.

„Tja, dann wäre für dich Emden tatsächlich besser gewesen“, winkte Lea ab, „aber ärger dich nicht, so kommst du in den Genuss, alles Wichtige für das Wochenende zu erfahren. Und wir können dich bestimmt auch zu den Abendpartys reinschleusen.“

Irgendwo auf der Fähre fing jemand an, Gitarre zu spielen. Kurz darauf erhoben sich mehrere Stimmen zu einem Lied. Lea schaute Karo an: „Ist das dein Cousin, der da mit seinen Jungs spielt und singt?“

Diese nickte nur und nahm einen großen Schluck. Es wirkte, als wäre sie etwas wütend.

Nach einigen Liedern, die Kira alle nicht zuordnen konnte, verstummten die Stimmen, nur die Gitarre hallte noch etwas nach. Die Insel rückte immer näher, der Hafen wurde immer deutlicher erkennbar. Kira beschlich ein unbestimmtes Gefühl, die Insel wirkte bedrohlich auf sie. Dabei befand sie sich gerade in einer so ausgelassenen Stimmung und angenehmer Gesellschaft.

Die Mädelsmannschaft ging mit ihrem Gepäck, und ein gewisses Wanken war bereits in ihrem Schritt zu erkennen, den Anlegersteg hinauf.

„Nun, Kira, wenn du Lust hast, komm doch heute Abend zu uns an den Strand. Da steht ein großes Festzelt, wir finden uns schon.“ Sie knuffte Kira leicht in die Seite. „Kneif bloß nicht.“

„Ich werde es versuchen, ich habe noch eine Probe und dann habe ich vermutlich nichts mehr zu tun“, sinnierte sie. Ihr kleiner rosa Rollkoffer, den sie hinter sich zog, klapperte fröhlich vor sich hin. Es war eine ganze Völkerwanderung, die sich aus der Fähre begab, so zumindest sah es für die rothaarige Sängerin aus. Vor der Fähre stand ein historisch aussehender Zug mit einigen Waggons. Der würde einige Male fahren müssen, um alle Gäste ins Zentrum der Insel zu bugsieren.

Kira kletterte gerade mit der Damenmannschaft in den Eisenbahnwagen und wollte ihr Gepäck reinhieven, als ein wahrer Hüne vor dem Einstieg stand. Er nahm ihren Koffer mit einer Hand an den Griff und wuchtete diesen ganz lässig, ohne die Spur einer Anstrengung, zu ihr in den Waggon.

„Danke“, stotterte die sonst so resolute Sängerin. Obwohl sie bereits im Wagen standen, waren sie fast auf Augenhöhe. Er wirkte auch nicht wie die anderen Volleyballspieler. Gut, er war groß, sogar sehr groß. Aber wo die anderen eher drahtig waren, wirkte er wie ein Berg: breite Schultern, muskeltrainierte Arme und Beine, dazu ein gewaltiger Brustkorb. Er trug ein schlichtes schwarzes T-Shirt mit einer dazu passenden Trainingshose. Er hatte etwas längere dunkelblonde Haare und einen Henriquatre-Bart. Allerdings, was wirklich besonders an ihm war, waren seine zwei unterschiedlichen Augenfarben. Er kaschierte es zwar mit einer Kontaktlinse, aber von Nahem war es deutlich zu erkennen.

„Iris-Heterochromie, das ist aber selten“, flüsterte Kira unbewusst und starrte ihn weiterhin an.

„Gut erkannt Kira, aber das solltest du ja noch wissen“, gab der Hüne lächelnd von sich.

Er stieg auf die erste Treppe des Waggons und schaute durch den Eingang in den Innenraum. „Nun, Mädels, wie sieht es aus? Gleicher Deal wie letztes Jahr oder wollt ihr eure Zelte selbst aufbauen?“

„Hallo Chrissy, ja, gleicher Deal“, gab Melanie winkend von innen heraus und stieß dabei Karolin an. Diese drehte sich um und winkte ebenfalls.

„Feine Sache, nun fahren wir mit dem Auto vor und sehen uns dann am Strand. Passt mir auf mein Cousinchen auf.“ Er hopste vom Waggon herunter, deutete dann eine leichte Verbeugung an. „Kira“, und ging dann zu einer Gruppe von Jungs, die sich dann in Richtung Parkplatz aufmachten.

Kira setzte sich, immer noch etwas überrumpelt, in den historisch restaurierten Zug. Es gab nur zwei Sitzbänke, die sich an den beiden Innenwänden des Waggons entlangzogen. Ihr grüner Lederbezug gab dem ganzen Ambiente etwas Edles.

„Wer war das?“

„Christoph, Karos kleiner Cousin. Er wirkt im ersten Moment immer einschüchternd, aber keine Sorge, er ist ein lieber Kuschelbär“, meinte Lena und öffnete die nächste Flasche Sekt, danach verteilte sie diese an die Mädels.

„Für mich nicht, danke. Sonst komme ich noch betrunken zur Probe. Kann es sein, dass ihr eine etwas größere Gruppe seid, als es den ersten Anschein hatte?“

„Ach wo, wir sind nur über die Jahre organisierter als Neulinge. Das wirkt nur so. Die Jungs sind ganz lieb und bauen uns die Zelte auf. Dafür gibt es dann später zwei Runden Freigetränke für die Herren der Schöpfung.“ Melanie nahm einen großzügigen Schluck aus ihrem Glas. Mit einem leichten Ruck bewegte sich dann der Zug und gab ein lautes Signal von sich. Die Landschaft mit den langläufigen Dünen und spärlicher Vegetation gab der Umgebung ihren eigenen Charme. Direkt an der Kleinbahn hatte man viele Büsche und Bäume gepflanzt, und so konnte man nur vereinzelt die Gegend dahinter erhaschen. Kira genoss die Fahrt, die Mädels alberten immer mehr rum und schmiedeten schon Pläne für den Abend.

Nach etwa zwanzig Minuten kam der Zug in ein bewohntes Gebiet herein. Einige Reihenhäuser waren nun an der rechten Seite des Zugs zu sehen, auf der linken standen vermehrt Einzelhäuser, und man konnte hinter diesen bereits einen hohen Leuchtturm erkennen. Vereinzelt waren die Häuser mit verschiedenen Sachen geschmückt, das übergeordnete Thema war, wie man erwarten konnte, das Meer. Man sah dekorative Rettungsringe, Anker, kleine Leuchttürme in den Gärten oder auch Miniaturschiffe.

„Wisst ihr, wo das Strandhotel Vier Jahreszeiten ist?“ Kira schaute fragend in die Mädelsgruppe. Diese wiederum klappten kollektiv die Mundladen nach unten. Die sonst sehr schweigsame Mareike fing sich als Erste.

„Das ist direkt am Bahnhof, du fällst quasi in den Eingang rein. Sag mal, kann es sein, dass du reich oder berühmt bist in deiner Szene der Musik?“ Nun war es an Kira, abzuwinken.

„Ne, ne, mir wird dort nur ein Zimmer gestellt. Berühmt ist so eine Sache.“ Sie machte eine kleine Denkpause, sammelte etwas Luft. „Ich mache das halt nicht als Hobby. Ich finde mich selbst gut, allerdings will man sich ja immer verbessern. Als darstellende Künstlerin muss man sich halt etwas breiter aufstellen. Daher mache ich nicht nur klassische Musik, mein Konzept heißt 'Crossover'.“ Die Volleyballerinnen hingen an ihren Lippen und wollten unmissverständlich mehr von ihr wissen. „Naja, hin und wieder leihe ich auch meine Stimme in Spielen oder Filmen aus, aber nur kleine Nebenrollen.“ Die Stimmung war schlagartig angespannt, Kira hatte schon das Gefühl, dass sie zu viel und vor allem zu schnell von sich preisgegeben hatte. Dann sah sie, dass Karo in einer aberwitzigen Geschwindigkeit Handzeichen formte. Im nächsten Moment lachte Melanie lauthals los.

„Karo meint, da kannst du sehen, was man alles erreichen kann, wenn man eine Stimme hat, ihr Amateure.“ Das nun aufkommende Gelächter pflanzte sich in der Gruppe fort. Wieder ging ein Ruck durch den Zug und sie hielten an. Ohne es bemerkt zu haben, waren sie langsam in den Stadtkern vorgedrungen. Nun standen sie am Hauptbahnhof Borkum.

Mit nun wieder guter Laune stiegen alle aus. Es war genau wie Mareike gesagt hatte, das Hotel hatte seinen Eingang in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs. Die Mädels verabschiedeten sich, allerdings nicht ohne Kira das Versprechen abzuringen, dass sie am Abend zur Strandparty kommen sollte.

Kira zog ihren kleinen Koffer hinter sich her und betrat das Vier Jahreszeiten. An der Rezeption wurde sie von einem älteren Herrn begrüßt, der ohne Probleme ihr Großvater hätte sein können. Auch hatte er diese angenehme Ausstrahlung. Lächelnd meldete Kira sich an: „Hallo, ich bin Kira Veldboer. Man sagte mir, man hätte hier ein Zimmer für mich reserviert.“ Sie schob ihren Personalausweis zu ihm.

„Moin, dann wollen wir doch mal sehen, wo wir Sie stehen haben“, kam es von dem Herrn mit seinem weißen Rauschebart. Er war etwas fülliger, seine Finger flogen aber nur so über die Tastatur, und nach wenigen Sekunden wandte er sich wieder an Kira. „So, Frau Veldboer, Sie hätten dann Zimmer 312.“

Er deutete den eleganten Eingangsbereich mit seinem roten Teppich und den lichtspendenden Kronleuchtern entlang. „Dort befinden sich die Fahrstühle.“ Er gab dann noch ein Päckchen an Kira weiter: „Dies wurde für Sie hinterlegt. Haben Sie noch Fragen oder Wünsche?“

Kira nahm das Bündel entgegen und schüttelte verneinend den Kopf. „Schön, in dem Fall wünsche ich Ihnen einen schönen Aufenthalt. Sollten sich doch noch Fragen ergeben, scheuen Sie sich nicht zu fragen.“

Kira nahm ihren Personalausweis und die Keycard. „Dankeschön, wenn hier alle so nett sind, werde ich bestimmt einen schönen Aufenthalt haben.“

 

 

„Der Deal steht so wie jedes Jahr, Männer.“ Gut gelaunt kam Christoph zu seinen Jungs. Allesamt sehr große Kerle. Sie waren zu viert angereist, nur empfanden sie es als nervig, mit der Bahn zu fahren und bevorzugten daher ein Auto. Die Gruppe bestand aus Martin, Patrick und Jan. Martin und Patrick waren Zwillinge und ähnelten von der Statur eher dem Bild eines Volleyballspielers. Beide hatten sich eine Glatze geschoren. Jan hatte einen durchschnittlichen Körperbau, nicht besonders trainiert, aber auch nicht verfettet. Er hatte schwarze kurze Haare. Sie stiegen ins Auto ein und Jan fuhr los.

„Wer war denn der Rotfuchs bei Ihnen? Eine Neue?“, kam es von Martin.

„Kann ich mir nicht vorstellen. Das war Kira Veldboer. Sie ist Sängerin und eigentlich eher ungeschickt, wenn es um Sport geht. Aber wer weiß, wozu die Hühner sie anstiften können. Wir gingen zusammen in die gleiche Abistufe. Sie scheint mich aber nicht erkannt zu haben.“ Patrick schlug Christoph von hinten lachend auf die Schulter.

„Du alter Charmeur, Chrissy, hast ja richtig Eindruck hinterlassen.“

„Lass ihn“, fiel Martin ein, „du weißt doch, er ist ein Sensibelchen, oder möchtest du jetzt über deine Gefühle reden, Chrissy?“ Dieser wiederum drehte sich nach hinten.

„Aber natürlich, ich war schwer verliebt und konnte mir nicht vorstellen, was ich ohne sie machen sollte.“ Breit grinsend drehte er sich dann wieder nach vorne. Das Lachen der drei war laut, nur Jan blieb ruhig und fügte leise hinzu, als alle sich beruhigt hatten:

„Mich kannst du nicht verarschen, Chrissy, du kannst immer noch nicht lügen.“ Er fuhr weiter und kurz darauf erreichten sie ihr Reiseziel. Am Ende des Parkplatzes war wie jedes Jahr ein großes Duschzelt aufgestellt worden, gleich daneben hatte man einen Toilettenwagen hingestellt. Die Jungs nahmen ihre Rucksäcke aus dem Auto und machten sich über eine kleine Steigung auf den Weg zum Strand. Die Luft roch nach Meer und über ihnen kreischten die Seemöwen ihr altbekanntes Lied. Nach ein paar Metern auf der Promenade, welche sich am gesamten Nordstrand entlangzog, bogen sie in die große Lücke der Norddüne ein. Sobald sie den festen Weg, bestehend aus aneinandergereihten Betonplatten, verließen, sanken sie knöcheltief in den feinen Strandsand ein.

„Wie ich das vermisst habe“, stöhnten die Zwillinge im Chor auf. Fast 50 Meter vor ihnen erhob sich das große Festzelt, in diesem Zelt würde man jeden Abend an diesem Wochenende feiern, und am nächsten Morgen konnte man dort ein sehr karges Frühstück einnehmen. Vor dem Zelt waren noch einige Fressbuden aufgestellt worden und natürlich auch Bierbuden.

Als die Jungs an dem aufgestellten WC-Wagen vorbeikamen, meinte Jan sinnierend: „Noch stinken sie nicht.“

„Das wird sich spätestens morgen Mittag ändern.“ Chrissy gab dabei ein würgendes Geräusch von sich. Nach den letzten Ausläufern der Düne, auf welcher sich tatsächlich noch etwas Grün befand, kamen sie zum Anfang des Zeltlagers. Dort standen bereits einige Biertischgarnituren, an denen wiederum die Leute des Organisators mit ihren Listen warteten. Die Zwillinge holten die eigenen Teamunterlagen heraus.

„Jo, wir sind die Warriors,“ begann Patrick.

„Of Crail, hier ist der Teilnehmerbrief,“ beendete Martin.

Den beiden wurden Armbänder ausgegeben, die jedes Teammitglied tragen sollte. Damit kam man am Abend auf die Party und am Morgen zum Frühstück, ganz zu schweigen davon, dass man ohne dieses Bändchen nicht wieder auf den Zeltplatz kommen würde. Die Jungs nahmen das zur Kenntnis, danach suchten sie sich einen schönen Platz am Strand und bauten ihre Zelte auf. Nachdem das erledigt war, gingen die Zwillinge los, um die restlichen Sachen aus dem Auto zu holen. Chrissy setzte sich in den Sand und schaute aufs Meer hinaus. Jan stand neben ihm.

„Willst du es immer noch durchziehen? Es ist kein gutes Omen, dass Kira auf einmal auch noch hier ist. Wie wahrscheinlich ist das?“ Chrissy schaute zu ihm hoch.

„Da kann man nichts machen. Endlich weiß ich, wo er ist und Andrasch ist auch schon auf dem Weg. Du weißt doch, was er vom Meer hält.“

„Wattenmeer.“

„Ist ihm egal, alles das Gleiche für ihn. Im Übrigen wird es Zeit, dass ich aktiv werde. Der Rest des Stammes ist bereits in ihrer Passivität so eingelullt, dass man meinen könnte, wir wären Geistige der katholischen Kirche.“ Beide grinsten sich an.

„Dann ist es also beschlossene Sache. Wann kommt Andrasch an?“

„Heute Nacht, morgen Nacht geht es los.“

„Das kann ja heiter werden.“

„Wem sagst du das?“

 

 

#Angekommen #VierJahresZeiten #Borkum #Hotelzimmer #Smile #Etwasangeschwippst #Wetter #Loveit #Sommer #Sonne #Sunshine #Goodtimes #Happy #Strand #Picoftheday

 

Kira hatte ihr Zimmer bezogen und war sehr zufrieden. In dem Paket war eine Straßenkarte, beziehungsweise eine Touristenkarte enthalten, wo man sehen konnte, was es zu besichtigen gab oder wo welches Restaurant lag. Eigentlich unnötig, da sie ein Smartphone dabei hatte, aber gut, was man hatte, hatte man.

Nun noch schnell ein Bild mit einem gehauchten Kuss drauf und ab damit ins World Wide Web. Bis zur Probe war es noch ein paar Stunden hin, daher nahm sie sich vor, noch auf einige Kommentare auf Facebook und Instagram zu reagieren. Das war die andere Seite, immer nette Sachen schreiben, sich immer über alles freuen, was man ihr zukommen ließ. Da war das gerade mit den Mädels vollkommen anders, die waren nicht aus ihrer Szene und hatten sie trotzdem freundlich aufgenommen. Was sie heute Abend auf der Party machen sollte, wusste sie noch nicht. Sie würde einfach zwei Flaschen Wein mitbringen und dann mal sehen, was die Mädels machen würden. Da fiel ihr wieder der Hüne ein. Er hatte sie wie von selbst ohne Scheu angesprochen, als würden sie sich kennen. Kira setzte sich in einen Sessel und schaute ihre Kontakte auf allen Plattformen durch, um einen Ansatzpunkt zu bekommen. Erfolglos. Etwas frustriert, aber noch guter Laune, ging sie eine Stunde später in die Hotellounge. Dort erkundigte sie sich bei dem Borkumer Weihnachtsmann, wie sie nun den netten älteren Herren an der Rezeption getauft hatte, nach den Essenszeiten. Dieser gab ihr einen Zettel, auf dem sie vermerkt waren. Danach verabschiedete sie sich und ging, anhand des Navis im Smartphone, zu den Proberäumlichkeiten. Als sie durch die Straßen stromerte und die Fassaden der schönen alten Gebäude bewunderte, wurde ihr erst bewusst, wie viele Sportler nun nach und nach die Stadt überfluteten. Überall konnte man sie anhand der Trainingsanzüge ausmachen. Sie war schon gespannt auf die Zeltstadt, die am Strand entstehen würde. Da kam sie auch schon an der kleinen Probehalle an. Der Eingang war weit offen und von innen konnte man bereits einzelne Töne von Instrumenten hören. Im Innern waren schon ein paar Musiker dabei, sich einzuspielen. Ein stattlicher Mann, Anfang der Fünfziger, mit bräunlichen kurzen Haaren, kam auf sie zu.

„Ach, da sind Sie ja schon, Frau Veldboer. Ich bin Herr Welsh, aber sagen Sie ruhig 'Welshy', machen hier alle.“ Er reichte ihr zur Begrüßung die Hand, welche sie auch freudig annahm.

„Hallo, dann sagen Sie aber bitte auch Kira, okay Welshy?“ Mit einem professionellen Lächeln ging sie dann zu den anderen Musikern und begrüßte sich ebenfalls mit allen. Dort fiel die Begrüßung zwar nicht ganz so herzlich aus, aber immer noch freundlich. Kira holte sich ein Glas mit Sprudelwasser und einem Strohhalm und fing an, Blasen in das Wasser zu pusten. Weniger eine echte Vorbereitung zum Singen, sondern vielmehr eine Marotte, danach fing sie an zu singen, wobei sie ab und an wieder Blasen im Wasser aufsteigen ließ. Nach einer Viertelstunde waren sie und die anderen bereit für die Probe.

Die Probe verlief ohne nennenswerte Zwischenfälle, am Ende war Welshy sehr zufrieden mit allen. „Es war schon ganz richtig, dass man mir angeraten hat, Sie dazu zu holen. Du singst engelsgleich!“ war sein letzter Kommentar dazu gewesen. Solche Komplimente waren immer eine Wohltat für Kiras Seele. Am Ende machte sie noch ein Gruppen-Selfie mit allen Anwesenden und es verschwand kurze Zeit später im Web.

 

#rehearsal #allesProfis #Welshy #LovemyJob

 

Der Abend zog langsam auf und Chris und seine Jungs hatten die Zelte der Mädels in Windeseile hochgezogen. Nun saßen sie alle in einem großen Stuhlkreis zwischen ihren Zelten und ließen Knabbereien rumgehen. Die Jungs hatten zwei Kühltaschen mittig hingestellt, dort konnten sich alle bedienen. Es waren vor allem Bierdosen darin enthalten. Chrissy und Martin hatten dazu ihre Gitarren herausgeholt und klimperten nun etwas vor sich her, dabei stimmten sie die Musikinstrumente. Alle wirkten zufrieden, man hatte sich zuvor an den Fressbuden mit Essen versorgt und war nun satt, etwas angetrunken, aber höchst zufrieden. Die Sonne ging langsam in einem kräftigen Rot am Horizont unter.

„Wunderschön“, gab Lea von sich, die letzten Sonnenstrahlen tankend.

„Dann wollen wir mal mit den Liedern anfangen“, meinte Martin und stimmte das bekannte Lied 'Westerland' von den Ärzten an. Chrissy sprang sofort mitspielend ein, die anderen beiden Jungs fingen lautstark an zu singen. Die Mädels, die Augen verdrehend, stimmten ebenfalls mit ein, nur nicht ganz so laut. Die Zeltstadt war bis zum Abend gewaltig gewachsen, über 3000 Sportfanatiker hatten hier ihre Stoffbehausungen aufgeschlagen. Nach dem Lied gab es Beifall von anderen Campern. Chrissy stand auf und verneigte sich.

„Dankeschön, wenn ihr Songwünsche habt, ruft sie einfach!“

„Spielt denselben Song nochmal!“, rief Patrick, was Chris natürlich lachend aufgriff.

„Alles klar, denselben Song nochmal.“ Sofort fing Martin wieder an mit 'Westerland', diesmal mit viel Gelächter, und viele andere Leute um sie herum stimmten mit ein. Gerade als sie das Lied beendet hatten und Chris aufstehen wollte, stöhnte Melanie frustriert auf.

„Ach nö, macht doch jetzt bitte keinen auf Cantina Band.“ Wieder lachten alle auf und Chris unterdrückte die Versuchung, es dennoch zu machen. Stattdessen fragte er:

„Sagt mal, weiß Kira, wo sie hinkommen muss?“ Die Zwillinge zwinkerten sich feixend zu.

„Ja, halt zum Strand“, kam es als Antwort von Melanie. „Woher sollten wir wissen, wo ihr das Lager aufschlagt?“

„Dann müssen wir wohl weiter singen und spielen, damit wir auffallen“, überlegte Chris kurz und stimmte dann 'Die Horde rennt' von Jan Hegenberg an, was wieder begeistert von den Jungs gesungen wurde. Die Damen hielten sich bedeckt.

„So wird das nichts“, meinte Jan am Ende. „Wir müssen etwas spielen, was hier nicht hinpasst und daher auffällt.“ Wissend, dass nun sein Typ gefragt war, nickte Chris Martin zu. Chris fing an zu spielen, es war ein langsames Lied, ein sehr melancholisch angehauchtes Lied, und als Chris seine Stimme erhob, hatte sie die passende dunkle Stimme.

Die Sprache, die er da sang, verstand niemand von den Anwesenden, bis auf Jan, der an einigen Stellen unterstützend einstimmte.

„Das war aber schön“, kam es auf einmal aus der Dunkelheit zwischen ihren Zelten. Was die Mädels dermaßen erschrak, dass sie laut aufschrien. Als sie in die Dunkelheit blickten, schälte sich langsam Kira heraus, die mit zwei Weinflaschen bewaffnet dastand.

„Was war das für ein Lied?“ Kira trat langsam in den Kreis.

„Bist du wahnsinnig? Ich glaube, ich habe mich eingemacht. Boah, mach das nicht nochmal!“, beschwerte sich Jessica, was natürlich wieder für Lacher sorgte. Chris reichte Kira einen Stuhl.

„Es fehlt ein Klavier und eine Geige, dann würde das Lied seine volle Wirkung erzielen. Es geht um die Zukunft, dass eigentlich nur die Tage wichtig sind, die da noch kommen und wir noch nicht kennen. 'Dni, których nie znamy' heißt es. Der Sänger Marek Grechuta, dieses Liedes ist eine Koryphäe aus Polen. Deshalb habt ihr kein Wort verstanden.“ Chris reckte sich dann vom Stuhl in Richtung seines Zeltes, dabei zerrte er langsam seinen Rucksack zu sich.

„Bloß nicht aufstehen?“ kommentierte Lea sein Geturne auf dem Stuhl.

„Lieber alles riskieren, als zweimal zu laufen“, bekam sie als Antwort. Kurze Zeit später war der schwarze Rucksack endlich auf Chrissys Schoß und er fing an, darin zu wühlen.

„Da seid ihr ja“, kam es triumphierend von ihm und er zog mehrere Steine hervor.

„Wolltet euch wohl verstecken?“ Er legte sie zu einem kleinen Haufen in die Mitte des Kreises, die Kühltaschen wurden hinter die Stühle gestellt.

„Und jetzt ein kleiner Zaubertrick.“ Die Hände beschwörend vor sich haltend, stand er vor dem kleinen Steinberg und verfiel in ein Gemurmel in einer tiefen Stimmlage, die sich langsam steigerte und mit den Worten endete: „Funkelt, funkelt, kleine Sterne.“

Im nächsten Augenblick gaben die Steine ein angenehmes hellblaues Licht von sich. Die Damen schauten Chrissy verwundert an, dieser wiederum zwinkerte und deutete mit einem Kopfnicken auf Jan. Dieser hielt eine kleine handgroße Fernbedienung hoch.

„Weniger Zauber, dafür mehr Trick“, kam es prustend von ihm. Chris ließ sich mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck auf seinen Stuhl fallen.

Die Stimmung war ausgelassen. Die Mädels köpften die mitgebrachten Weinflaschen. Die Jungs sangen nun leiser. Man löcherte Kira mit einigen Fragen, die sie auch gern beantwortete. Mit dem Fortschreiten des Abends kamen alle langsam in Feierlaune. Das große Festzelt in den Dünen schien ebenfalls schon geöffnet zu haben, wie man am Lärm und der dortigen Musiklautstärke vernehmen konnte. So kam es, dass man nun nach dem Leeren des Weins aufbrechen wollte.

„Geht ihr schon vor, ich warte noch auf jemanden“, meinte Chris, sich räkelnd im Stuhl. „Ich komme dann nach.“

Die Gruppe stand, gut angeheitert, auf und ging schwankend in Richtung des großen Lärms. Bereits wieder halb im Schatten verschwunden, drehte sich Kira um.

„Wenn du dann da bist, dann musst du mir noch sagen, woher du mich kennst“, meinte sie mit etwas beschlagener Zunge, hakte sich dann bei Lea und Mareike unter und mit einem freudigen Lied auf den Lippen gingen sie in die Nacht hinein.

Nun saß der Hüne in seinem Anglerstuhl. Sein Blick schweifte über die Zeltstadt bis ins Meer.

„Ich danke euch, dass ihr uns Licht gespendet habt. Wenn es euch nichts ausmacht, könnt ihr es nun bitte in das vereinbarte Zeichen legen und kräftiger scheinen?“, schien er in die Dunkelheit zu sagen.

„Aber gern doch“, schallte es in seinen Kopf. Augenblicklich begannen sich die Steine zu bewegen und formten einen Kreis mit einem Punkt in der Mitte. Der Punkt selbst fing an, in einem dunklen Blutrot zu leuchten, der Kreis intensivierte sein Blau und auch seine Helligkeit.

„Danke.“ Chris schloss seine Augen und begann mit einer leichten Meditationsübung. Tiefes Einatmen und kontrolliertes, langsames Ausatmen. Dabei versuchte er, durch seine anderen Sinne mehr von der Umgebung wahrzunehmen. Nach einigen Minuten war er im Einklang mit sich und der dort vorherrschenden Natur.

„Sind die anderen weg?“, durchdrang auf einmal eine tiefe, brummige Stimme seinen Kopf. „Ich habe heute keine Lust mehr auf unwissende Menschen.“

„Sie sind alle trinken und feiern. Ich bin hier mit den Lichtigeln, du dürftest das Zeichen aus deiner Position sehen“, gab Christoph mental als Antwort. Auf dem Stuhl sitzend musste er trotz allem lächeln.

Er mochte den Zwerg mit seiner etwas ruppigen, aber herzlichen Art.

„Ich halt die Augen auf. Verfluchtes Meer. Warum musste es auch eine Insel sein? Und wie bei den Ahnen hast du es nochmal geschafft, mich davon zu überzeugen, dir zu helfen?“

„Es ist nur das Wattenmeer! Alle paar Stunden ist es weg.“

„Und alle paar Stunden ist es dann wieder da“, gab der Zwerg fluchend zurück.

„Überzeugen musste ich dich nicht. Ich wollte nur diesen störrischen Ochsen eins auswischen und Grimm wieder zurückholen.“

„Ach ja, nun dann wird das alles doch eine riesige Freude. Grimm. Ich habe nur Legenden über ihn gehört. Ah, ich sehe das Zeichen, sag den kleinen Glühsteinchen, dass sie aufhören können.“

Augenblicklich richtete Christoph das Wort an die leuchtenden Steine.

„Ich danke euch. Ihr könnt nun aufhören. Ihr könnt euch zurückziehen oder noch die Gegend erkunden. Haltet euch aber bitte bedeckt, nicht dass man euch noch entdeckt.“ Das Licht wurde schwächer und nun konnte man sehen, dass aus dem vermeintlichen Stein kleine Beine hervorkamen und die Igel sich bewegten. Ihre Gesichter waren noch immer schwer zu erkennen im Dunkeln. Statt Stacheln auf dem Rücken besaßen sie eine glatte Oberfläche, sie erinnerten an Gürteltiere oder Schildkröten. Nur im Gegensatz zu diesen Tieren zogen sie sich nicht bei Gefahr in einen schützenden Panzer zurück, sondern sie wurden dieser Panzer. Als Stein getarnt, konnten sie fast jeden täuschen.

Zwei dieser wundersamen Tiere machten sich auf den Weg, um ihre Umgebung zu erkunden, der Rest dieses kleinen Trupps ging zielstrebig auf Christophs Rucksack zu und verschwand darin.

Ein warmer Windhauch strich durch Chris' Gesicht, als kurz darauf eine Drohne vor ihm im Sand landete. Sie war dunkel gehalten und im Gegensatz zu den sonst bekannten ferngesteuerten Drohnen, die sich immer größerer Beliebtheit erfreuten, hatte sie keine Rotorenblätter. Man konnte ein mechanisches Zischen hören und es öffnete sich eine Metall-Luke. Heraus kam ein daumengroßes Männchen mit einem kessen Barett in Rot auf dem Kopf. Er war von stämmigem Körperbau, in etwa so, wie man sich einen Zwerg vorstellt. Er hatte allerdings kein Kettenhemd an, sondern trug ein hellbeiges Hemd und eine ebenso beige Hose, darüber einen marineblauen Militärmantel.

„Mistiger Sand auch noch, du hast echt Sinn für Humor. Einen Zwerg übers Meer zu schicken und dann noch am Strand zu campieren. Etwas Todessehnsucht hast du schon. Soweit ich weiß, ist das Meer auf dich und deine Art auch nicht besonders gut zu sprechen.“ Chris beugte sich zu seinem Freund herunter, ließ sich dabei auf ein Knie nieder.

„Ich grüße Andrasch, Sohn des Dwinbar, erster Großkönig der Zwerge“, dann beugte er den Kopf.

„Lass den Scheiß“, polterte Andrasch los, „Freunde müssen mich nicht so nennen und du bist im Gegensatz zu den anderen ein wahrer Freund.“ Er schaute ihn dann scharf an. „Sag, kannst du immer noch nicht lügen?“

Chris erhob sich und setzte sich wieder auf den Stuhl. Andrasch hingegen kletterte auf sein Gefährt und schaute ihn an.

„Und?“, hakte er nach.

„Ich versuche es nun mit Humor zu kaschieren. Und was deinen Einwand angeht mit dem Meer: Es sollte sich vor mir fürchten, denn es war es, das dem Biest Unterschlupf gewährte.“

„Gut gesprochen, drohe ruhig einer Naturgewalt“, dröhnte es von Andrasch her.

„Wie sieht nun dein Plan aus?“ Chris reichte ihm einen kleinen Zettel.

„Das ist das Gebäude, das du für mich scannen sollst. Darin ist Grimm eingeschlossen. Sobald ich die Scans habe, werde ich mir einen Plan überlegen, wie ich dort eindringen kann und wie ich mich danach mit Grimm wieder zurückziehen kann.“

„Nun, an mir soll's nicht scheitern. Wo soll ich hin, wenn ich die Daten habe?“

„Hierher. Du kannst am besten über den Tag hinweg in meinem Zelt sein. Es ist zwar nicht die Schattenwald, aber ich glaube, für einen Tag wird es reichen.“

„Kein Problem, ich bin es gewohnt, nicht standesgemäß zu nächtigen. Ach ja, liebe Grüße vom Schattenwald. Deine Eltern lassen fragen, was das alles soll?“

„Werden die schon sehen“, grinste Chris. „Ich habe sie nicht ins Bild gesetzt. Sie wären eh dagegen und bevor du fragst, nur Jan weiß Bescheid. Karo dürfte nur was ahnen, aber nichts wissen.“

„Musst du wissen.“ Mit zuckenden Schultern begab sich Andrasch wieder in sein Fluggerät. Chris hörte wieder die Stimme in seinem Kopf.

„Stell schon mal Bier und Essen bereit.“ Danach hob die bemannte Drohne wieder ab und verschwand in der Dunkelheit der Nacht.

 

#Borkum #Frühstück #Müde #gesternParty #Hangover

#Outfit #Kiss #Singerslife #Volleyballparty

 

Kira knabberte an ihrem Toast mit Honig und verrührte mit der anderen Hand den Zucker in ihrem grünen Tee. Die Nacht war lang gewesen, dafür hatte sie nur kurz geschlafen. Jetzt forderte dieses Verhalten seinen Tribut. Sie hatte zwar keine Kopfschmerzen, war aber dafür übermüdet. Die Sportler und Sportlerinnen hatten sie, nachdem sie vom Zeltplatz losgegangen waren, ins große Partyzelt geschmuggelt. Sie wusste nicht wie, aber auf einmal hatte Karo ihr ein Armband wie alle um den Arm gelegt und ihr mit Zeichen zu verstehen gegeben, ruhig zu sein. Kira hatte sich von der guten Laune mitreißen lassen.

Das Zelt war überfüllt gewesen, was aber niemanden daran gehindert hatte, trotzdem zu tanzen und zu trinken. Kira fasste sich an den Kopf. Unglaublich, was sie gestern alles mitgetrunken hatte. Insgesamt tranken die Leute sehr viel auf diesem Turnier, resümierte sie, wobei sie noch nichts von diesem Volleyballturnier gesehen hatte. Sie sollte im Laufe des Tages zum Strand kommen und sich alles ansehen. Nach dem Zelt und dem dortigen Gelage waren sie nochmal zum Zeltplatz gegangen, da Christoph nicht gekommen war. Als sie dort waren, hatten sie nur sein wohliges Schnarchen aus dem Zelt gehört. Daraufhin hatten sie sich wieder in die Stühle gesetzt. Lea hatte es bevorzugt, sich auf Jans Schoß gemütlich zu machen und mit ihm zu kuscheln. Der Rest hatte sich noch nett unterhalten, bis es langsam am Horizont dämmerte. Das war das Zeichen für Kira gewesen, dann doch langsam ins Hotel zu gehen. Dort war sie dann direkt eingeschlafen.

Kira schaute nun aus dem Hotelrestaurant heraus auf den kleinen, verträumt wirkenden Stadtpark und den dort angrenzenden Bahnhof. Die Sonne stand bereits recht hoch und brannte unbarmherzig auf die Erde nieder. Nach dem kargen Frühstück wollte Kira noch etwas frische Luft schnappen gehen und ging an der Promenade entlang. Dort sah sie dann endlich auch den Pavillon, an dem am Abend ihr Auftritt sein würde. Sie ließ den Blick schweifen und erblickte hinter dem von Strandkörben gesäumten Strand eine Unzahl von abgesteckten Volleyballfeldern. Dort konnte man bereits das Treiben der Sportler sehen. Das äußerste linke Feld mündete fast im Meer und am äußersten rechten Rand standen einige Wagen, die vermutlich zum organisatorischen Teil gehörten. Einige Fahnen und Wimpel waren gehisst, auf denen konnte man den Organisator des NWVV ablesen. Aus ihrer Entfernung konnte sie nicht lesen, was das zu bedeuten hatte, aber ein Vorstand bestimmt für Volleyball.

Kira beschloss, sich nun auch einen Strandkorb zu mieten und den restlichen Tag zu genießen und nicht ihre neuen Freundinnen zu suchen.

„Nachher machen sie damit weiter, womit wir vor einigen Stunden aufgehört haben“, sagte sie lächelnd zu sich selbst.

---ENDE DER LESEPROBE---