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Das Leben bietet jeden Tag Situationen und Begebenheiten, aber auch persönliche Befindlichkeiten, die immer wieder aufs Neue zum Nachdenken inspirieren. Wer oder was ist normal, wer oder was ist schön, hässlich oder gar abstoßend, wer oder was ist gut oder schlecht? Und wer oder was bin ich? Auf der Suche nach Antworten entstand eine Sammlung von Geschichten, Gedichten und Texten, die in diesem Buch zusammengefasst wurden. Die Gedichte sind frei von Lyrik-Regeln. Vielmehr erinnern sie an Vorträge von Künstlerinnen und Künstlern der Poetry-Slam-Szene. Die Glossen beschreiben alltägliche Begebenheiten und die Kurzgeschichten handeln - wie bereits im ersten Buch der Autorin - von besonderen Menschen wie du und ich.
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Seitenzahl: 75
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Iris Boden wurde 1966 in Köln geboren. Von 2009 bis 2011 absolvierte sie den Studiengang Belletristik an der Hamburger Akademie für Fernstudien. Mit ihrem zweiten Buch „Schau in den Spiegel, wenn du dich traust“ präsentiert sie eine Mischung aus Slam Poetry, Glossen und Kurzgeschichten. Bei BoD ist außerdem die Kurzgeschichtensammlung „Das Leben ist ein Regenbogen“ erschienen. Die Autorin lebt und schreibt in Dormagen.
Wenn du einen Menschen zum Nachdenken
anregst,
kannst du heimlich seinen Reis essen.
(koreanisches Sprichwort)
Vorwort
Schau in den Spiegel, wenn du dich traust …
Und morgen bekommt Mops Moppel einen Regenmantel
Mein Traum
Süßes Nichtstun
Marie und die Marsianer
Ich und du
Der Nächste bitte …
Eine zufriedene Frau
Und ewig locken weiße Socken
Wut
Ich kann es schaffen
Überall Hormone
Der Hypochonder in mir
Und am Freitag sauf‘ ich mir den Kragen zu
Eine durchtriebene Nacht
Ich bin viele
Gutmenschen
Ein Mensch sogar
Gut gemeint ist längst nicht gut
Das Geständnis
Es gibt diese Tage
Die Gedankenfabrik
Ich habe keine Lust
Generationen
Hanne und Lore
Sommer
Wald- und Wiesenerlebnisse
Der Mutmacher-Hut
Übermensch
Die zweite Chance
Noch etwas Weihnachtliches:
Oh, du schöne Weihnachtszeit
Weihnachtswünsche
Das Leben bietet jeden Tag Situationen und Begebenheiten, aber auch persönliche Befindlichkeiten, die mich immer wieder aufs Neue inspirieren. Und dann frage ich mich: Wer oder was ist eigentlich normal oder auch nicht, wer oder was ist schön, hässlich oder gar abstoßend, was ist gut oder schlecht? Und wer oder was bin ich? So entstand eine Sammlung von Geschichten, Gedichten und Texten, die ich in diesem Buch zusammengestellt habe.
Meine Gedichte sind frei von Lyrik-Regeln. Ich habe mich vielmehr von den großen Künstlerinnen und Künstler der Poetry-Slam-Szene beflügelt lassen.
Die Glossen beschreiben alltägliche Begebenheiten, die ich erlebt und dann doch wieder nicht erlebt habe. Letztendlich entspringen alle meine Texte der reinen Fiktion.
Mit „Schau in den Spiegel, wenn du dich traust“ will ich auf keinen Fall moralisieren, denn der erhobene Zeigefinger ist mir selbst ein Gräuel. Jedem steht es frei, sich den Schuh anzuziehen und auszuprobieren, ob er passt oder nicht.
Ich für meinen Teil danke allen Menschen, die ich im Laufe meines Lebens kennenlernen durfte. Denn ohne ihre Besonderheiten, ihre gelebten Beispiele, wären viele meiner Texte wahrscheinlich nicht entstanden.
Und nun wünsche ich viel Spaß beim Lesen.
Iris Boden im Oktober 2015
Wenn du dich traust
dann schau in den Spiegel
und öffne den Riegel
der Ignoranz zur Selbstreflexion.
Dazu gehört eine große Portion
Mut zur Interpretation
der eigenen Gefühle und klare Ziele.
Schau in den Spiegel
wenn du dich traust
sie ehrlich zu dir selbst
auch wenn du dir die Haare raufst.
Sei standhaft und senke niemals den Blick
dann schaust du eines Tages auf ein
wunderbares Leben zurück.
Wenn du dich traust
dann schau in den Spiegel …
Also, man kann ja nun wirklich alles übertreiben. Auch die Tierliebhaberei. Haustiere werden zu Familienmitgliedern, haben Stimmrecht, eigene Möbel, Schmuck und (Fr)Essgeschirr. Selbst vor Kleidung wird kein Halt gemacht. Regenmäntelchen und Wollpullover (farblich abgestimmt) werden den Lieblingen – vorzugsweise Hunden – übergestülpt. Ihnen werden Krönchen aufgesetzt (armes Vieh), sie werden auf dem Sofa platziert, fotografiert und dieses Foto dann stolz gepostet. Auf Facebook, auf Blogs. Hauptsache öffentlich, im Internet. Und bei all den weltlichen Gütern, die ihnen (also den Haustieren) angeboten werden, schlafen sie doch letztendlich bei Herrchen und Frauchen (oder besser gesagt: bei Mama und Papa) im Bett. Ich sage nur: Kindersatz. Tierhaare findet man fortan im Kleiderschrank, in Kochtöpfen, auf der Tischdecke, auf dem Kopfkissen. Die Vierbeiner werden geherzt und geknuddelt, bereitwillig lässt sich der Mensch abschlecken, quer übers Gesicht und findet es sogar niedlich, wenn das Tier (na ja, eigentlich ist es ja schon gar kein Tier mehr) dieses auch beim menschlichen Nachwuchs tut. Würmer, Zecken, Milben, Flöhe und was-weiß-ich welche Parasiten es noch so gibt, werden ausgeblendet. Na ja, Parasiten sind halt auch Tiere. Man ist doch tierlieb, oder? Alter Finne, man kann es auch wirklich übertreiben.
Also, unser Kater hat keine eigenen Möbel, keinen Schmuck und keine Kleidung. Aber auf meinem Sessel lümmle ich mich schon lange nicht mehr. Denn dort liegt eine Decke. Voller Katzenhaare. Und wenn ich mich ganz leise verhalte, auch ein Kater. Meistens. Manchmal. Na ja, eigentlich selten. Denn sein derzeitiger Lieblingsplatz ist mein Bett. Oder mein Kleiderschrank. Oder noch besser: auf meinem Arm. Denn dort kann er herrlich schmusen …
Ich träume von einem Leben
in dem das Geben
mehr zählt als das Nehmen
in dem alle danach streben
glücklich in Frieden zu leben
in dem Neid und Hass fehlen
Menschen sich mit Respekt gegenüberstehen
und nur das Gute im anderen sehen.
Ich träume von einer Welt
ohne Gewalt
in der ein jeder zusammenhält
in der das Geld
nicht so viel zählt
wie es heute üblich ist.
Ich träume von freundlichen Worten
auch für Menschen aus anderen Orten
und dass jedem die Pforten
dieser Welt geöffnet werden.
Ich träume von einer Welt ganz ohne Drogen
dafür mit guten Dialogen
in der weder betrogen
noch gelogen wird.
Ich träume von Menschen die sich lieben
und nicht dermaßen getrieben
sich ständig verbiegen
meckern wie die Ziegen
und ihr Gewissen verbissen besiegen.
Ich träume von Gesundheit
einem Leben ohne Bitterkeit
dafür voller Heiterkeit
ohne Angst vor Lächerlichkeit
Dankbarkeit
und der Gewissheit
ohne Überheblichkeit
und ohne Blick auf Äußerlichkeit
anerkannt zu werden.
In meinem Traum lebe ich so
an einem Ort irgendwo
ohne Risiko
farbenfroh
mit Cappuccino und Haribo
ohne Zeter und Mordio
mit meinem Romeo sowieso
in dulci jubilo.
Wann war das? Kann sich jemand erinnern? Weiß das jemand noch? Wann genau geriet die Ruhe in Verruf? Viele schaffen es nicht, sich zu langweilen. Oder schlimmer noch: Sie wollen es gar nicht. Zu groß ist die Angst, gesellschaftlich auf dem Gleis der ewigen Langweiler und Spießer abgestellt zu werden. Und so wird immer noch ein Schippchen draufgepackt. Das fängt heutzutage schon im zarten Kindesalter an. Nach der Schule: Montags zum Sport (vornehmlich die Jungs zum Fußball, die Mädchen zum Ballett - es lebe das Rollenklischee), dienstags zur Musikschule, mittwochs Nachhilfe (das Kind hat ja so wenig Zeit zum Lernen), donnerstags kreatives Mutter-und-Kind-Malen, freitags Therapie usw. Und die Erwachsenen? Neben Beruf, Haushalt, Kindererziehung (obwohl ich die an dieser Stelle einmal vorsichtig in Frage stelle) muss mindestens zweimal wöchentlich Sport getrieben werden (weil ja so gesund). Hier eine Ausstellung (schließlich ist man ja ein Mensch mit Niveau), da eine Party (der Kontakte wegen), Shoppen im neuen Einkaufszentrum, ein VHS-Kurs sollte auch noch drin sein. Dank der heutigen Technik ist man ja schließlich immer auf dem Laufenden und für alles und jeden allzeit erreichbar. Selbst im Urlaub. Die meisten Familien können sich glücklich schätzen, wenn sie den Stress der Urlaubsvorbereitungen überstehen und sich nicht bereits vor der "schönsten Zeit des Jahres" die Köpfe eingeschlagen haben (Beispiele gibt es in meiner Umgebung mehr als genug). Da quält man sich von einem Stau in den anderen oder riskiert Gepäckverlust, Thrombose oder - schlimmer noch - einen suizidgefährdeten Copiloten, um dann (hoffentlich) endgültig urlaubsreif an den Ort der Träume zu gelangen. Man hetzt von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit, folgt scheinbar begeistert den Anweisungen der Animateure (das Risiko erkannt zu werden ist recht gering), nimmt jede Pool-Party mit (nach dem Urlaub muss der Alkoholkonsum unbedingt reduziert werden). Und das Hamsterrad dreht sich immer weiter. Der Mut zur Langeweile ist irgendwo auf der Strecke geblieben. Und schlimmer noch: Die Fähigkeit, Langeweile, Muße und Ruhe zu genießen, haben heute nur noch wenige.
Schön, dass ich den Mut habe. Wenigstens ab und zu einmal. Denn für mich gibt es keine schönere Freizeitbeschäftigung, als dem süßen Nichtstun zu verfallen, den Wolken nachzuhängen und dem Wind zu lauschen. Aber nun werde ich mich zuerst einmal der Bügelwäsche widmen, damit ich morgen, wenn ich wieder arbeiten muss, alles erledigt habe.
Auf den Fluren und im Gemeinschaftsraum bin ich besonders vorsichtig. Denn hier ist der Boden mit hell- und dunkelgrauen Fliesen ausgestattet. Ein weichgezeichnetes Schachbrettmuster. Ein verwaschenes Schwarz und Weiß wie ein übergangsloses Gut und Böse. Ich vermeide es, auf die dunkelgrauen Fliesen zu treten. Die sind nämlich energetisch negativ geladen und von galaktischen Viren verseucht. Das weiß nur niemand. Außer mir. Und natürlich die Marsianer, die – getarnt in ihren weißen Hosen, weißen Schuhen und hellblauen Kasacks – lautlos über den Fliesen schweben. Und das sieht niemand. Außer mir. Aber warum? Ob es daran liegt, dass ich mich kaum bewegen kann?