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"Dieser Mann wird immer ein Playboy bleiben!" Was als Warnung gemeint ist, kommt der schönen Cheerleaderin Roxie gerade recht. Denn sie will keine feste Beziehung. Sie will nur eins: endlich Sex, und zwar richtig guten Sex. Und wenn der attraktive Arzt Gabe Hollingsworth angeblich so gut im Bett ist, scheint er genau der Richtige für sie zu sein! Doch kaum hat Roxie die heiß ersehnte Liebesnacht mit Gabe verbracht, spürt sie plötzlich eine ungeahnte Sehnsucht. Aber wenn sie zulässt, dass sie von mehr als einem kleinen erotischen Abenteuer träumt, ist sie verloren, oder?
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Seitenzahl: 206
Natalie Anderson
Schenk mir einen Traum
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH
© 2012 by Natalie Anderson Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 142012 - 2012 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Juliane Zaubitzer
Fotos: gettyimages
Veröffentlicht im ePub Format im 08/2012 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86494-192-4
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Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY, STURM DER LIEBE
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Dr. Gabe Hollingsworth studierte finster den Aufkleber auf dem Wagen vor ihm. Die schnittigen silbernen Schemen erinnerten ihn daran, dass sich morgen die neuen Cheerleader vorstellten. Das halbe Team würde aufkreuzen, um die möglichen Neuzugänge zu begutachten. Doch während die Spieler die Tänzerinnen als willkommene Abwechslung betrachteten, fürchtete Gabe die hübschen Mädchen mit ihren glänzenden Augen, den aufreizenden Posen, der gnadenlosen Koketterie. Offiziell mochten sie das beste Rugby-Team des Landes anfeuern, doch sie hatten schon mehr als einen Mann Kopf und Kragen gekostet. Ihn eingeschlossen. Beim Vortanzen morgen würde er also Lichtjahre vom Stadion entfernt sein.
Er nahm die nächste Abzweigung links, und das Auto mit dem silbernen Aufkleber verschwand aus seinem Blickfeld. Erleichtert wandte er sich dem Grundstück am Rande des Parks zu. Seine Neugier war zur lieben Gewohnheit geworden. Deshalb bemerkte er sofort das „Zu vermieten“-Schild mit der handgeschriebenen Telefonnummer, das am Vormittag noch nicht dort gestanden hatte. Gabe hielt an und wollte schon in der Tasche nach seinem Handy greifen, doch dann ließ er die Hand sinken. Warum ging er nicht einfach hinein und erkundigte sich persönlich?
Dazu musste er allerdings erst einmal den Eingang finden.
Am Straßenrand stand eine baufällige Garage, der Garten war wild überwuchert. Er ging die zwei Meter hohe, undurchdringliche Dornenhecke entlang, spähte hinter das Schild, das an dem rostigen Briefkasten lehnte, und meinte, einen schmalen Pfad im Gebüsch zu erkennen. Als die knorrigen Äste seine nackten Arme zerkratzten, verzog er schmerzhaft das Gesicht. Wahrscheinlich versteckte sich eine morsche Villa hinter der Hecke, um dessen Schicksal Umweltaktivisten und Immobilienhaie rangen. Die einen wollten das Grundstück an den Park anschließen, die anderen Wohn- oder Büroblöcke aus dem Boden stampfen.
Doch die dornige grüne Festung reizte ihn, ebenso wie die Vorstellung eines solchen Verstecks mitten in der Stadt, vor allem, nachdem seine letzte Affäre sich als verhängnisvolle Affäre entpuppt hatte. Keine enttäuschte Geliebte würde ihm hier zu Leibe rücken. Eine eitle Frau wie Diana würde nie riskieren, sich ihre Haut oder ihre Nägel zu verschandeln. Er selbst schaffte es ja kaum durch dieses Gestrüpp, blieb ständig mit Haaren und Kleidung hängen. Der Widerstand machte ihn umso entschlossener. Er brach Äste entzwei und stolperte über den unebenen Boden, bis er plötzlich im Freien stand und in die Abendsonne blinzelte.
Er richtete sich auf, und was er sah, ließ ihn die unzähligen Kratzer auf seiner Haut vergessen. Es war alles andere als eine baufällige Ruine.
Roxie musste nur noch das Bad im Erdgeschoss putzen, dann war das Haus bereit für seine neuen Mieter. Sie nahm die Spraydose mit übel riechendem Desinfektionsmittel zur Hand, drehte das Heißwasser auf und stieg in die Duschkabine. Dass sie nass wurde, störte sie nicht, denn danach würde sie in ihre kleine Einzimmerwohnung hinaufgehen, duschen und nur noch ins Bett fallen.
Sie bückte sich, um die Ecken zu erreichen, zielte mit dem Wasserstrahl und schrubbte die Wände. Den ganzen Tag hatte sie geputzt und in den Pausen ihre Nummern geübt, um nicht darüber nachdenken zu müssen, wie verloren das Haus ohne Möbel aussah. Es würde nie wieder so sein wie früher, aber es würde immer ihr Zuhause bleiben. Es war alles, was ihr geblieben war.
Sie schnaubte verächtlich über die eigene Sentimentalität und sprühte wie verrückt, um die melancholischen Gedanken zu vertreiben. Die Dusche war eigentlich sauber, war seit Monaten nicht benutzt worden, doch für die zukünftigen Mieter sollte alles makellos sein, damit sie sich verpflichtet fühlten, das Haus in genau diesem Zustand zu erhalten. Denn so wenig ihr das gefiel, sie brauchte Mieter. Brauchte Geld, um endlich ihr Leben zu leben.
Ihre Augen brannten, während sie weiterschrubbte. Nicht von Tränen, die waren längst versiegt. Nein, es lag an den scharfen Dämpfen des Reinigungsmittels, die ihr die Sinne schwinden ließen. Obwohl sie mit angehaltenem Atem putzte, fühlte sie sich benebelt.
Sie schüttelte den Kopf, um die Benommenheit zu vertreiben, versuchte den Schaum mit dem Wasserstrahl fortzuspülen. Doch die Dämpfe wurden immer überwältigender. Inmitten von Schaum und Dunst und Gestank konnte sie kaum noch sehen. Und hören konnte sie auch nicht mehr richtig, denn sie meinte durch das Rauschen des Wassers jemanden rufen zu hören. Dabei gab es niemanden mehr, der sie rief.
Noch immer mit angehaltenem Atem stolperte sie aus der Wanne, ohne das Wasser abzustellen, um ein Fenster zu öffnen.
„Alles okay?“
Roxie erschrak, atmete eine Wolke chemischer Dämpfe ein und schrie wie am Spieß. Die beste Methode, um eine drohende Ohnmacht abzuwenden. Adrenalin durchströmte ihren Körper und versetzte Gehirn und Muskeln in Alarmbereitschaft. Nur sehen konnte sie immer noch nichts. Sie bereute, dass sie das Putzmittel in der Dusche gelassen hatte. Es hätte ihr als eine Art Selbstverteidigungsspray dienen können. Stattdessen war sie selbst vorübergehend erblindet. Sie wusste nur, dass ein Mann, den sie kaum erkennen konnte, mit ihr im Raum war.
„Hey!“, übertönte er ihr Kreischen. „Beruhigen Sie sich. Ich tue Ihnen nichts.“
Sie verstummte. Auch das Wasserrauschen erstarb. Roxie versuchte, etwas zu erkennen, doch sie musste vor Schmerz die Augen zusammenkneifen. „Wer sind Sie?“, krächzte sie heiser.
„Haben Sie dieses Zeug ins Auge bekommen?“
Roxies Panik legte sich, als sie die ruhige, Respekt einflößende Stimme hörte. „Ich fürchte, das Spray hat sich mit dem Wasserdampf vermischt“, stieß sie hervor.
„Es ist ein Wunder, dass Sie nicht das Bewusstsein verloren haben. Kommen Sie.“ Er fasste sie am Oberarm und führte sie zwei Schritte weiter. „Setzen Sie sich.“ Er drückte sie auf den Badewannenrand.
Sie blinzelte verzweifelt. Dann hörte sie, wie der Wasserhahn aufgedreht wurde, spürte den Luftzug, als der Mann das Fenster geöffnet hatte. Doch so sehr sie auch blinzelte, das Brennen in ihren Augen ließ nicht nach. Durch den Schmerz sah sie verschwommen eine große Gestalt, viel zu nah. „Wer sind Sie?“
„Gabe Hollingsworth. Ich habe das Schild gesehen und bin einfach so hineingegangen“, erwiderte er mit derselben ruhigen Stimme, doch jetzt klang es, als ob er lächelte. „Tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe.“
Niemand ging „einfach so“ hinein. Dafür sorgte die Hecke. Die meisten Leute hielten das Grundstück für einen Teil des Parks, die Villa für das ehemalige, unbewohnte Haus des Gärtners oder so. Sie selbst kam durch die Garage herein, aber die war abgeschlossen. Deshalb war sie nicht sicher, ob sie ihm glauben sollte. War er über den Zaun geklettert, um etwas zu stehlen oder Schlimmeres? Doch wenn er ein Serienmörder oder Sexualstraftäter war, würde er ihr dann helfen?
„Ihre Augen sind ganz rot.“ Er schien aufrichtig besorgt. Und zugleich belustigt.
„Was Sie nicht sagen.“ Sie konnte die Augen nicht offen halten, so sehr schmerzten sie. Mit kalten Fingern umfasste sie den Badewannenrand und versuchte, sich zu beruhigen. Dieser Typ klang nicht wie ein Serienkiller.
„Wir müssen sie ausspülen.“
Wir mussten gar nichts. „Es geht mir gut. Ich bin gleich wieder fit.“
„Nein, wir müssen die Augen auswaschen. Keine Sorge, ich bin Arzt.“
Sie schnaubte spöttisch. Zwar mochte er kein Serienkiller sein, doch mit Sicherheit auch kein Augenarzt.
„Nein, ehrlich, ich bin Arzt.“ Er konnte Gedanken lesen. „Legen Sie sich das für einen Moment über die Augen.“
Er hielt ihr einen nassen, kalten Waschlappen vors Gesicht. Wieder hörte sie den Wasserhahn.
„Abnehmen.“ Als traute er ihr nicht zu, seinen Anweisungen zu folgen, legte er eine warme Hand an ihre Wange und nahm den Waschlappen ab. Dann neigte er ihr Gesicht zur Seite und dann zur anderen, während er vorsichtig kaltes, sauberes Wasser über jedes Auge goss.
„Versuchen Sie, die Augen offen zu halten“, murmelte er. „Das wird helfen.“
Seine Stimme war ganz nah an ihrem Ohr. Roxies Herz klopfte. Seit fast einem Jahr war sie niemandem mehr so nah gewesen, und das letzte Mal hatte sie den Arzt gespielt. Das hier war anders. Das hier …
„Besser?“, murmelte er, wieder viel zu nah.
Gänsehaut prickelte über ihren Körper, während sie ein Schaudern unterdrückte. Nicht, dass ihr kalt war. Tatsächlich hatte sie plötzlich das Gefühl zu verbrennen. Und plötzlich fiel ihr auch ein, dass sie nur alte Lycra-Shorts trug und ein ärmelloses Trikot. Keinen BH. Und Wasser lief ihr vom Gesicht auf die Brust. „Ich werde ganz nass.“ Sie wollte zurückweichen.
„Nicht nasser, als Sie schon waren“, widersprach es, diesmal etwas schroffer.
„Ich komme ab jetzt allein zurecht, vielen Dank.“ Sie befreite ihr Kinn aus seinem Griff.
Das Brennen hatte tatsächlich nachgelassen. Vorsichtig schlug sie die Augen auf, um sich den Mann anzusehen, der vor ihr kniete – und blinzelte noch heftiger als zuvor. Litt sie an Halluzinationen? Aber nein, sie spürte seine Berührung, sie hörte seine Stimme, sah, wie er sich zu voller Größe aufrichtete.
Mindestens ein Meter dreiundachtzig, dunkles Haar und noch dunklere Augen, mit denen er sie beunruhigend intensiv betrachtete. Nur am Rande nahm sie die blaue Jeans, das rote T-Shirt und Skater-Schuhe wahr. Die coolen Klamotten schienen den kraftstrotzenden Körper, die gesunde Bräune, die durchtrainierten Muskeln nur noch zu betonen, und sie war froh, dass sie saß, denn ihre Hormone spielten so verrückt, dass sie ganz weiche Knie bekam. Doch sein Blick ließ sie nicht los – sein pechschwarzer, unergründlicher, unverwandter Blick.
„Danke“, brachte sie heiser hervor, um die plötzliche Stille zu brechen. Sie schluckte. „Kann ich Ihnen noch irgendwie helfen?“
Er stellte das Glas, das er benutzt hatte, neben das Waschbecken, dann ging er ein paar Schritte und schob die Hände in die Taschen seiner Jeans. „Ich habe das Schild gesehen.“
„Das habe ich erst heute Nachmittag aufgestellt.“ Sie stand auf, um mehr auf Augenhöhe zu sein. Ein vergebliches Unterfangen, denn er war groß und sie nicht. Er war angezogen und sie praktisch nackt. Er sah unverschämt gut aus und sie definitiv nicht.
„Ich weiß.“
„Sie wollen dieses Haus mieten?“ Er sah nicht wie ein Mieter aus. Er sah aus wie jemand, der Dinge besaß. Viele Dinge. Da sie als Verkäuferin arbeitete, wenn auch nur in einer verstaubten Boutique, kannte sie sich mit Mode aus, wusste, was teuer war und was nicht, wusste, dass allein die Uhr an seinem Handgelenk ein Vermögen kostete. Er war definitiv jemand, der alle Trümpfe in der Hand hielt.
„Ich möchte es kaufen“, erklärte er unverblümt.
Sieh an. Sie hatte sich also nicht getäuscht.
„Es ist nicht zu verkaufen“, erwiderte sie ebenso unverblümt.
Einen Moment lang hielt er ihren Blick gefangen, dann sah er zu der Pfütze auf dem Boden zwischen ihnen. „Wo ist der Eigentümer?“
Roxie versteifte sich. „Er steht vor Ihnen.“
Seine unverschämt langen Wimpern flatterten, und die tiefgründigen dunklen Augen weiteten sich vor Überraschung.
„Sie glauben mir nicht?“
„Na ja, Sie sehen nicht aus, als …“ Er schüttelte den Kopf. „Schon gut.“
Sie ahnte, was er hatte sagen wollen. Er fand, sie sah zu jung aus, um ein Haus zu besitzen. Was dachte er wohl, wie alt sie war? Wahrscheinlich nicht viel älter als ein Schulmädchen. Glaubte er, sie putzte das Haus, um sich ein Taschengeld dazuzuverdienen? Na, super. Doch sie war kein Kind, sie war zweiundzwanzig und kümmerte sich seit fünf Jahren praktisch allein um das Haus. Nicht, dass sie vorhatte, ihm das auf die Nase zu binden. Doch heimlich schmerzte es sie, dass dieser attraktive Mann sie nicht als Erwachsene, nicht als Frau wahrnahm.
Die Ungerechtigkeit der ganzen Situation wurmte sie. Obwohl dies ihr Haus war, ihr Badezimmer, hatte er die Oberhand, weil er sie aus einer misslichen Lage gerettet hatte. Dabei hatte sie seine Hilfe gar nicht nötig gehabt. Sie kam wunderbar allein zurecht. Und es war wieder typisch, dass sie ausgerechnet in dem Moment, wo ihr dieser unfassbar gut aussehende Mann begegnete, aussah wie ein Schmuddelkind.
Hätte sie wenigstens Schuhe angehabt, richtige Schuhe mit zehn Zentimeter hohen Absätzen, dann hätte sie ihm in die Augen sehen können. So musste sie sich den Hals verrenken, um seinem unverwandten, aber enttäuschend ausdruckslosen Blick zu begegnen. Sie verzichtete darauf und ging stattdessen betont lässig ins Wohnzimmer. Was ihr nicht ganz leichtfiel, da ihr Herz heftiger pochte als zuvor.
„Das Haus steht nicht zum Verkauf“, begann sie höflich, aber bestimmt. „Tut mir leid, dass Sie umsonst gekommen sind.“
„Es war nicht umsonst.“ Er folgte ihr. „Ich war schon immer neugierig auf dieses Haus. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich mich gern umsehen.“
Sie konnte schlecht Nein sagen, nachdem er ihr so nett geholfen hatte, wenn auch nur auf seine ärztlich nüchterne Art. Sie nickte und machte eine ausladende Geste. „Es wird auch das Baumhaus genannt. Warum, ist ja offensichtlich.“
Er trat in die Mitte des großen Zimmers und nahm es in sich auf. „Allerdings.“
Als sie sah, wie sehr ihm das Haus gefiel, verzieh sie ihm ein bisschen, dass er sie nicht für voll genommen hatte.
„Warum vermieten Sie es?“
„Ich brauche das Geld“, erwiderte sie wahrheitsgemäß.
„Wenn Sie verkaufen, bekommen Sie mehr Geld.“
„Verkaufen kommt für mich nicht infrage. Es wird sich schon ein Mieter finden. Da mache ich mir keine Sorgen“, log sie.
Seine dunklen Augen musterten sie erneut, dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Zimmer zu. „Es ist einzigartig.“
Ja. Es war kein modernes Haus mit Panoramafenstern. Und es war auch nicht groß. Es war tatsächlich ein Baumhaus: In einer Ecke wuchs eine alte, dicke Eiche durch die Wand. Das Licht fiel durch geschickt platzierte Oberlichter, die Fenster waren wie Bilderrahmen für die schöne Parklandschaft. Das Haus selbst bestand ganz aus handgeschnitztem, glänzendem Holz. Gebaut mit der Liebe, dem Schweiß und Blut ihrer Großeltern, und nachdem sie alles, was sie besaßen, in das Haus gesteckt hatten, investierten sie ebenso viel Liebe und Energie in ihre Enkeltochter. Bis sich das Blatt wendete und Roxie ihre kranken Großeltern pflegen musste. Sie würde das Haus nie aufgeben, doch es war an der Zeit, das Nest zu verlassen.
„Die meisten Leute lieben es“, antwortete sie. Jedenfalls die wenigen Leute, die es in den vergangenen Jahren zu Gesicht bekommen hatten. „Mein Großvater hat immer gesagt, dass nichts an natürliche Schönheit heranreicht.“
Sein dunkler Blick ruhte erneut auf ihr. „Da hat er recht.“
Roxie erwiderte den Blick und bekam eine Gänsehaut. Redete er noch vom Haus? Er wandte sich ab, sodass sie seine Augen nicht mehr sah – die aber sowieso nichts verrieten.
„Für wie lange suchen Sie denn einen Mieter?“
„Mindestens für sechs Monate, am liebsten für ein Jahr“, verriet sie. In Wahrheit konnte sie nur hoffen, dass sie überhaupt jemanden fand.
Er ging zur gegenüberliegenden Ecke, wo der knorrige Baum buchstäblich durch den Boden wuchs. Doch Roxies Aufmerksamkeit wurde ganz von Gabe in Anspruch genommen. Von hinten sah er fast so gut aus wie von vorn. Das maskuline V aus breiten Schultern und schmalen Hüften erweckte den Eindruck von Stärke.
Sie schluckte. Es war definitiv an der Zeit auszuziehen und die Welt zu erobern – und die Männer dieser Welt. Offensichtlich hatte sie schon zu lange gewartet. Anders war es nicht zu erklären, dass der erste Mann, der ihr seit Ewigkeiten über den Weg lief, so eine Wirkung auf sie hatte.
Er legte eine Hand an den Baumstamm und strich mit den Fingern über die Rinde. Sofort erinnerte sie sich, wie sich seine Handfläche an ihrer Wange angefühlt hatte. Ihr Gesicht brannte.
Plötzlich drehte er sich um. „Für ein Jahr nehme ich es.“
Ihre Augen weiteten sich, und ganz kurz vergaß sie seine Wirkung auf sie. „Sie wissen doch gar nicht, wie hoch die Miete ist.“
„Das spielt keine Rolle. Und wenn Sie je beschließen, es zu verkaufen, habe ich das Vorkaufsrecht.“
Er hatte noch nicht einmal den Rest gesehen, nur den Wohnbereich, aber manchmal hatte das Haus eine magische Wirkung auf die Leute. Für Roxie war es ein Zufluchtsort – allerdings nicht, solange dieser Mann hier war. Er hatte eine elektrisierende Spannung mitgebracht, die sie nervös machte. Doch sie brauchte einen Mieter, und wenn er es ernst meinte, musste sie sich zusammenreißen.
„Da gibt es ein paar Dinge, die Sie nicht wissen.“ Es war nur fair, ihn zu warnen, auch wenn ihr Herz bei der Aussicht auf die Lösung ihrer Geldsorgen heftig pochte.
„Bedingungen?“
Sie nickte. „Zur Garage und zu der kleinen Wohnung über der Garage haben Sie keinen Zutritt.“
Er kniff die Augen zusammen. „Wohnt jemand in der Wohnung?“
Sie nickte.
Seine Miene verhärtete sich.
„Wenn ich in der Stadt bin, wohne ich dort“, beeilte sie sich zu erklären. Sie war schließlich kein Fremder, und sie würde ihn in Ruhe lassen. Doch ihre Erklärung schien ihn nicht im Geringsten zu beruhigen. Im Gegenteil.
„Sind Sie denn nicht immer in der Stadt?“, fragte er scharf.
„Ich verreise.“
„Wann?“
„Bald.“ Sobald sie das Geld zusammenhatte, doch sie beschloss, nicht zu erwähnen, dass es wohl ein paar Monate dauern würde. „Vorher muss ich noch ein paar Dinge erledigen“, erklärte sie ausweichend.
Er nickte. Endlich. „Okay.“
Plötzlich wurde Roxie von Panik ergriffen. Es würde nicht leicht sein, einen Fremden hier wohnen zu sehen, aber es war ja nicht für ewig, und das Haus gehörte immer noch ihr. Sie atmete tief durch: „Um den Garten brauchen Sie sich nicht zu kümmern.“
Er lächelte spöttisch.
„Sie haben den Garten doch noch gar nicht gesehen“, verteidigte sie sich.
Er breitete die Hände aus und blickte an sich herab. „Ich habe die halbe Hecke mitgebracht.“
Finster betrachtete sie die Blätter in seinem Haar. „Ich hoffe, Sie haben nichts kaputt gemacht.“
„Wollen Sie mir ernsthaft weismachen, dass sich ein Gärtner um die Hecke kümmert?“
Sie ignorierte sein ungläubiges Lächeln. „Absolut. Sie braucht viel Pflege.“
„Sie braucht eine Kettensäge.“
„Die Hecke bleibt. So wie sie ist. Das gehört auch zu den Bedingungen.“
„Wie soll ich denn ins Haus kommen, wenn ich weder durch die Hecke noch durch die Garage darf?“, fragte er mit gespielter Verzweiflung.
„Auf der Parkseite gibt es einen versteckten Eingang.“
„Einen versteckten Eingang?“ Er lachte. Ein warmes, ansteckendes Lachen.
So überraschend, so sexy, dass es ihr fast die Sprache verschlug. Sie musste sich zwingen, ihn nicht mit offenem Mund anzustarren, ihn nicht unverblümt anzuschmachten. Hastig wandte sie sich ab, um klar denken zu können. „Was dieses Haus ausmacht, ist vor allem die Ungestörtheit. Ist es nicht genau das, was Ihnen daran gefällt?“
Es entstand eine kurze Pause. „Scharf beobachtet.“ Jetzt klang er nicht mehr amüsiert. „Na gut, mit den Bedingungen kann ich leben. Ich möchte es immer noch mieten.“
Roxie war fast so schwindelig wie vorhin in der Dusche, als sie versehentlich das Putzmittel eingeatmet hatte. „Ich brauche irgendwelche Sicherheiten.“
„Gern. Wie wäre es, wenn ich Ihnen gleich die Kaution da lasse und unsere Anwälte morgen die Verträge aufsetzen? Sie haben doch einen Anwalt, oder?“
„Natürlich. Die Telefonnummer auf dem Schild draußen ist die meines Anwalts. Ich werde ihn bitten, die Bedingungen in den Vertrag aufzunehmen.“
Gabe nickte und wandte sich eilig wieder dem Baum zu, denn das weiße Top der kleinen Hausherrin war seit der Duschaktion praktisch durchsichtig. Sie hätte ebenso gut nackt sein können. Doch das wusste sie nicht, und er würde es ihr auch nicht sagen. Er wollte sich keine Sekunde länger damit beschäftigen als nötig. Nein, er wollte nicht darüber nachdenken, wie absolut hinreißend sie war. Stattdessen erinnerte er sich daran, dass sie aussah wie siebzehn. Und er durfte sich nicht nach einem Mädchen verzehren, das kaum volljährig war. Sie war noch ein Kind.
Und doch war sie alles andere als ein Kind. Sie besaß den betörendsten weiblichen Körper, den er je gesehen hatte. Es war ihm sofort aufgefallen – die langen Beine, die zarten Schultern, die schmale Taille, das ebenmäßige Gesicht, glatte, strahlende Haut, sinnliche, volle Lippen …
Und dann hatte sie die Augen geöffnet, und es hatte ihn förmlich umgehauen. Leuchtend blaue Augen. Er redete sich ein, dass das Putzmittel schuld war. Dass die Chemikalien irgendwie die Intensität der Farbe steigerten. Aber daran lag es nicht. Und jetzt sah sie ihn mit diesen bezaubernden Augen an.
Ja, er hätte ein Narr sein müssen, um nicht zu erkennen, wie sie ihn ansah. Er kannte den Blick, jenen überraschten, leicht benommenen Blick, der Interesse und sinnliches Verlangen verriet.
Vielleicht hatte er ebenfalls giftige Dämpfe eingeatmet, denn sie entsprach eigentlich überhaupt nicht seinem Typ. Ihre Shorts waren alt und ausgetragen, ihr mausbraunes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, der das Schulmädchen in ihr betonte. Und das verdammte weiße Top war durchsichtig.
Er bemühte sich redlich, nicht an die aufgerichteten Brustspitzen darunter zu denken. Denn er hatte nicht vor, sich von schemenhaften Brüsten ablenken zu lassen, von der Vorstellung, sie in den Händen zu wiegen, die harten Spitzen zu küssen und sein Gesicht in die weichen Hügel zu pressen.
Okay, das reichte. Seine blühende Fantasie ging mit ihm durch. Es war ewig her, dass er mit einer Frau geschlafen hatte. Zu lange schon wandelte er auf dem langweiligen Pfad der Tugend. Sein Herz raste und klang ihm dumpf in den Ohren. Das Letzte, was er hinter der undurchdringlichen Hecke erwartet hatte, war eine architektonische Sensation mit einer Disneyschönheit à la Schneewittchen oder Dornröschen oder Rapunzel darin. Fast fragte er sich, wo die Zwerge und die bösen Hexen waren …
Oh, er musste damit aufhören. Sie war ein unreifes Mädchen, das noch von der großen Liebe träumte, an die er selbst längst nicht mehr glaubte. Nachdem er Diana das klargemacht hatte, war sie völlig durchgedreht. Die Erinnerung daran ernüchterte ihn schlagartig.
Gott sei Dank trat dieses bezaubernde Mädchen eine längere Reise an. Nur unter dieser Voraussetzung konnte er hier einziehen. Bestimmt würde sie als erfahrene, reife Frau zurückkehren, und mit etwas Glück würden sich ihre Wege dann erneut kreuzen. Vielleicht in fünf Jahren. Fürs Erste würde er sich in sein neues Heim zurückziehen. In ein paar Wochen hatte das Team ein Spiel in Sydney, und dann würde er es krachen lassen. Nachdem er so lange darum gekämpft hatte, sich von den Erwartungen seiner Familie freizumachen, würde er sich diese Freiheit von keiner Frau wieder nehmen lassen. Das junge Ding ließ ihn also völlig kalt.
Er wandte sich ihr wieder zu und nannte einen Mietpreis.
„Eigentlich hatte ich an etwas mehr gedacht. Mein Anwalt wird Ihnen die Einzelheiten schicken.“
Dornröschen war also nicht auf den Kopf gefallen. Sie wusste um den Wert des Hauses – und dass er es sich leisten konnte. Er griff nach seiner Brieftasche, nahm genug Bargeld heraus, um die ersten beiden Monatsmieten abzudecken, und verkniff sich eine aufreizende Bemerkung. Sie nahm das Geld mit ruhiger Hand und fixierte ihn mit ihren großen, schönen Augen.
„Finden Sie nicht, Sie sollten mir Ihren Namen verraten?“, meinte er trocken und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, welche Wirkung sie auf ihn hatte.
„Roxanna Jones“, erwiderte sie ungerührt.
„Es ist ein Vergnügen, mit dir Geschäfte zu machen, Roxanna. Ich darf doch Roxanna sagen?“
„Klar. Wann willst du denn einziehen?“ Roxie umklammerte das Bündel Geldscheine, um der Versuchung zu widerstehen, ihn zu berühren. Es juckte sie in den Fingern …
„Morgen.“
Sie staunte. „Hast du kein Zuhause?“
„Doch, aber du hast recht. Mir gefällt die Abgeschiedenheit hier.“
„Ich weiß.“ Sie lächelte, plötzlich erfüllt von Vorfreude auf ihre Zukunft.
Er nickte knapp. „Tja, ich geh dann mal lieber.“
„Willst du denn nicht den Rest vom Haus sehen?“
„Das hat bis morgen Zeit.“
„Okay, sobald die Verträge fertig sind, sorge ich dafür, dass der Weg durch die Garage für den Umzug frei ist.“
„Sehr freundlich.“ Seine Stimme triefte vor Ironie.