Schmerz beiseite - Roman Pallesits - E-Book

Schmerz beiseite E-Book

Roman Pallesits

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  • Herausgeber: Riva
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Chronische Schmerzen sind bald Geschichte – schmerzfrei durch deinen Alltag Ob Beschleunigungstrauma, Witwenbuckel, Tennisellbogen, Hexenschuss, Hüftfehlbildung, Kreuzbandriss oder Fersensporn – der renommierte Wiener Physiotherapeut Roman Pallesits hilft schmerzgeplagten und präventionswilligen Menschen auf unkonventionelle Art und erzielt damit großartige Erfolge. Anhand von beeindruckenden Fallbeispielen aus seinem Praxisalltag erklärt er in bester Wiener Manier, aber für jeden verständlich und auf humorvolle Weise beschrieben, seine Therapieansätze, Selbsthilfe- und Vorsorgemaßnahmen. Über 90 Übungen hält er für dich in seinem »Werkzeugkisterl« bereit und zeigt, welche davon nur vom Physiotherapeuten angewandt werden dürfen und welche du selbst ausführen kannst. Zu diesen Übungen hat er mit seinem haarigen Begleiter, der ihm im ganzen Buch zur Seite steht, zusätzlich Anleitungsvideos gedreht, die über einen QR-Code abrufbar sind und weitere wertvolle Tipps enthalten. Egal, wo es bei dir zwickt und zwackt: Wenn du dich wieder schmerzfrei bewegen möchtest, ist Romans Physioprogramm genau das Richtige für dich!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 291

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Roman Pallesits

SCHMERZBEISEITE

Roman Pallesits

SCHMERZBEISEITE

Wie du mit den besten Methodenund der richtigen Bewegungendlich beschwerdefrei wirst

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtige Hinweise

Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung dar und sollte auch nicht als solcher benutzt werden. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und die Autorinnen haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

Originalausgabe

1. Auflage 2021

© 2021 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Susanne Schneider

Umschlaggestaltung: Manuela Amode, München

Umschlagabbildung: Angelo Kreuzberger

Foto- und Videoproduktion: Angelo Kreuzberger, Wien, www.photoangelo.at

Layout: Katja Muggli, www.katjamuggli.de

Satz: Daniel Förster, Belgern

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-7423-1540-3

ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-1214-0

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-1215-7

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

Roman, der Grobian – oder wie ich lernte, Physiotherapie interessant zu finden

Umwege erhöhen die Ortskenntnis – mein langer Weg zur wahren Berufung

Warum dieses Buch?

KAPITEL 1

PHYSIOTHERAPIE ALS PUZZLESPIEL – WARUM JEDES TEIL WICHTIG IST

Vom modernen Leben mit unmodernen Körpern

Die Puzzleteile der Therapie – von den Voraussetzungen zur täglichen Routine

KAPITEL 2

DER NACKEN - DIE KEHRSEITE DER FREIHEIT

Kleine Anatomiegeschichte für interessierte Nichtanatomen

Peitschenschlagsyndrom aka Beschleunigungstrauma aka »Gnackwatschn«

Witwenbuckel

Kopfweh aka Hohlraumsausen

KAPITEL 3

SCHULTER UND SCHULTERGÜRTEL – VOM HANGELN, WERFEN UND EINRENKEN

Kleine Anatomiegeschichte für interessierte Nichtanatomen

Was schlechte Haltung mit der Schulter zu tun hat

Luxation – Hypermobilität

Hypomobilität – eingeschränkte Beweglichkeit

KAPITEL 4

ELLBOGEN UND HAND – DAS WERKZEUG DER WERKZEUGE

Kleine Anatomiegeschichte für interessierte Nichtanatomen

Tennisellbogen und Golferellbogen

Sehnenscheidenentzündung und Karpaltunnelsyndrom

KAPITEL 5

KREUZ UND HÜFTE – DER HOHE PREIS DER VERTIKALEN

Kleine Anatomiegeschichte für interessierte Nichtanatomen

Lumbago aka Hexenschuss

Protrusion, Prolaps, Sequester aka Bandscheibenvorwölbung, -vorfall und -abriss

Hüftdysplasie aka Hüftfehlbildung

KAPITEL 6

DAS KNIE – EMPFINDLICHES WUNDER DER NATUR

Kleine Anatomiegeschichte für interessierte Nichtanatomen

Kniescheibenspitzensyndrom – wenn das Knien wehtut

Meniskus-, Seitenband- und Kreuzbandriss – ein Unglück kommt selten allein

Knorpelschaden – die (Gon-)Arthrose

KAPITEL 7

UNSERE FÜSSE – EIN GENIALES FUNDAMENT

Kleine Anatomiegeschichte für interessierte Nichtanatomen

Plantarfasziitis – Faszienentzündung an der Fußsohle

Pes planovalgus – Knick-Senk-Spreizfuß, der Plattfuß oder Plattler

Fersensporn – die Qual der Wahl

Danke!

Über den Autor

Über den Ghost

Übersicht der Krankheitsbilder

Übersicht der Übungen

Roman, der Grobian – oder wie ich lernte, Physiotherapie interessant zu finden

Vorwort von Christian Kugler

Wenn Roman Pallesits mit mir essen gehen will, dann schreibt er mir folgende Nachricht: »Wüst heit wos habern, Oida?« Er schreibt tatsächlich alle seine Nachrichten im Wiener Dialekt, weil er ein wenig Angst vor Rechtschreibfehlern und grammatikalischen Irrtümern hat. Er ist bildungsfern aufgewachsen, aber das soll er weiter unten aus seiner Sicht erzählen. Jedenfalls will oder kann er nicht schriftlich hochdeutsch kommunizieren, und deshalb gibt es mich hier als nicht mehr geheimen Ghostwriter, der auch real ein wenig herumgeistert in diesem Buch. Ich bin übrigens genauso wie Roman im Gemeindebau, also in einer Sozialwohnung, in Wien aufgewachsen und damit ursprünglich ebenfalls einigermaßen bildungsfern, allerdings hat mir das Schicksal irgendwann eine Abzweigung in Richtung Akademiker (Sport, Geschichte) und Wortgewalt angeboten und ich bin abgebogen und schließlich glücklich beim Journalismus gelandet. Die Themen Gesundheit, Konsumentenschutz und Wissenschaft habe ich zu meinen Schwerpunkten gemacht, und so gehört auch die Physiotherapie gewissermaßen zu »meinem« Gebiet.

Anders als Roman mag ich exakte Sprache und viele Worte sehr, sie sind interessant und sexy für mich. Aber ganz ehrlich: »Physiotherapie« klingt nicht wahnsinnig sexy. Das liegt vielleicht schon an der klanglichen Ähnlichkeit zu »Psychotherapie«. Gerade die Psychotherapie hat die Kraft zu polarisieren: Diejenigen, die sie schätzen, sind vielleicht sogar lebenslange Adepten (klingt ein wenig wie »Depp«, bedeutet aber »Eingeweihter«) wie Woody Allen. Ein solcher Adept wird unbedingt versuchen, sie nicht einer Verwechslung – eben jener mit Physiotherapie – auszusetzen. Und ein Adept wird wohl auch von der Höhe Freud’scher Erkenntnis ein wenig herabsehen auf die Niederungen des rein Körperlichen. Im anderen Lager befinden sich diejenigen, denen die Psychotherapie unheimlich ist. Wer diesem Lager angehört, belächelt sie und hält Menschen wie Woody Allen sowieso für verrückte Spinner. Dann wird der Physiotherapie ebenjene klangliche Ähnlichkeit zum Verhängnis.

Hinzu kommt – zumindest in Österreich: Physiotherapeuten sind langweilige Gesellen. Ich weiß, wovon ich rede. Als Gesundheitsjournalist – ich habe mich nicht gänzlich erfolglos in dieser Disziplin im Printsektor, beim Radio und jetzt seit nunmehr fast drei Jahrzehnten als Gestalter fürs Farbfernsehen versucht – muss man seinen Gesprächspartnern möglichst Spannendes entlocken.

Ich suche »Sager«, wie man hierzulande sagt, also griffige, kurze, leicht verständliche, aber nicht den komplizierten Inhalt verstümmelnde Statements, die man gern liest, hört oder sieht. Und einem Gesundheitsexperten solche »Sager« zu entlocken, ist bei vielen Berufsgruppen keine ganz leichte Aufgabe. Man denke nur an Politiker oder Wissenschaftler. Aber die Physiotherapeuten gehörten meiner Erfahrung nach all die Jahre zu den Schwierigsten. Vielleicht liegt es daran, dass sie halt nach innen arbeiten müssen – in den Körper ihrer Patienten hinein – und deshalb nicht so extrovertiert sind. Vielleicht liegt es auch daran, dass es da drinnen eben so kompliziert ist, dass es schwer zu erklären ist, was sich tut und was man tut. Jedenfalls war es immer viel leichter, einen Physiotherapeuten bei der Arbeit zu beobachten oder zu filmen, als ihm einen gut verwertbaren Satz zu entlocken.

Und dann traf ich diesen Roman. In Wien sagt man (ich bitte um Verzeihung!): »Er scheißt sich nichts.« Korrekt ausgedrückt: Er nimmt (»sich«, wie der Wiener bei dieser Phrase inkorrekterweise sagt) kein Blatt vor den Mund. Kein Blatt, hinter dem er zum Beispiel eine kleine Ahnungslosigkeit verstecken müsste. Ahnungslosigkeit? Na ja, bei allen Fortschritten der medizinischen Wissenschaft kennt man immer noch sehr vieles nicht oder nicht genau, was sich im menschlichen Körper abspielt. Roman weiß es jedoch sehr oft sehr genau und sagt das auch. Und wenn er es nicht oder nicht genau weiß, dann sagt er auch das.

Mit der Zeit habe ich begriffen, warum das so ist. Er ist erstens hochkompetent – mit Abstand kompetenter als jeder andere Physiotherapeut, den ich kennengelernt habe, und das waren nicht wenige. Er braucht also kein Nichtwissen zu verstecken. Gleichzeitig hat er einen Drang zu ständigen Fortbildungen, er ist geradezu lernsüchtig, was einen nicht mehr wundert, wenn man seine Geschichte kennt, die er gleich zu Beginn in seinem Vorwort erzählt. Dauernd ist er irgendwo auf dem Erdball unterwegs, um etwas Neues zu lernen. Das hat eine ganz praktische Nebenwirkung für den Gesundheitsjournalisten: Er bringt ständig interessante Methoden und Erkenntnisse mit, die meistens – Stichworte ferne Länder, andere Kontinente – auch noch einen exotischen Touch haben.

Der zweite Grund, warum er (sich) kein Blatt vor den Mund nimmt: Er kann es gar nicht. Sein Naturell ist trotz des enormen Wissens, das er sich im Laufe der Jahre angeeignet hat, im Grunde simpel und erdverbunden geblieben und er neigt zur sprachlichen Vereinfachung, sehr zum Vorteil seiner Patienten und des assoziierten Journalismus – also mir zum Beispiel. Er ist, um hier die Überschrift zu erklären, oftmals geradezu ein bisschen grob – und das nicht nur dann, wenn er mit seinen geschulten Händen gezielt therapeutische Schmerzreize setzt, wie du im Laufe des Lesens bemerken wirst.

Aber »grob« ist überhaupt prima! Nicht nur für TV-Journalisten, schließlich ist Fernsehen ein einfaches Medium für einfache Leute, gemacht von einfachen Menschen. Auch für die Patienten ist »grob« gut. Man darf die Genesungsbefohlenen nicht unnötig verwirren mit Fachausdrücken und komplizierten Erklärungen. Da sind sie dem Wahlvolk durchaus nicht unähnlich, Stichwort Populismus. Als Patient – ich bin sportlich und deshalb immer wieder verletzt – sage ich: Grobe Vereinfachungen erhöhen die Handlungsmöglichkeiten und verbessern die Compliance, also den Willen zur Zusammenarbeit der Patienten mit dem Therapeuten. Deshalb ist Roman eine Art physiotherapeutischer Populist, und das ist gut so!

Der Populismus ist ja überhaupt stark im Kommen. Und im Unterschied zu den meisten politischen Populisten weiß unser Physiopopulist genau, was er tut. Ich werde deshalb nicht beginnen, den Populismus insgesamt sympathisch zu finden, dafür sorgen schon Typen wie Donald Trump, Boris Johnson, Jair Bolsonaro, Viktor Orbán oder auch diverse österreichische Politiker. Aber in der Physiotherapie ist mir Populismus höchst willkommen und ausgesprochen zielführend. Die Gefahr allzu großer Vereinfachung verleitet wohl oft dazu, über das Ziel hinauszuschießen, so nach dem Motto »Es gibt für jedes Problem eine ganz einfache Lösung – sie ist nur leider praktisch immer falsch«. Das macht Roman bei aller vereinfachenden Grobheit nicht. Es wird einfacher durch ihn, aber es wird niemals zu einfach. Das wäre erstens unseriös und zweitens auch schlecht für ein seriöses Geschäft: Die Patienten sollen länger bleiben und nicht (scheinbar) wundergeheilt für immer verschwinden. Und beim nächsten Problem sollen sie wiederkommen, weil sie wissen, dass ihnen wirklich geholfen wird. Und die Journalisten – so wie ich – sollen auch wiederkommen und an seinen Lippen hängen. Und das tue ich tatsächlich immer wieder. Roman ist nämlich auch noch ein bisschen verrückt, was man schon an seinen Hemden sieht, und vor allem sehr lustig, ein richtig witziger Mensch und Physiotherapeut – wahrscheinlich kommen seine Patienten auch deshalb immer wieder zu ihm zurück.

Die Kombination aus einzigartiger fachlicher Kompetenz, moderater Verrücktheit und wienerischem Witz ist jedenfalls eine Qualität, die ihn in seiner (und meiner) Branche völlig einzigartig werden lässt. Diese Verknüpfung ist einfach hochattraktiv, denn schließlich will ich bei der Arbeit selbst so oft wie möglich Spaß haben. Und dieses Buch mit Roman zu schreiben, hat – bei aller Mühe mit diesem verrückten Typen – definitiv auch sehr viel Spaß gemacht. Ich hoffe, du hast mindestens ebenso viel Spaß beim Lesen.

Christian KuglerGhost, aber höchst lebendig

Umwege erhöhen die Ortskenntnis – mein langer Weg zur wahren Berufung

Nachträglich betrachtet muss ich sagen: Ich musste einfach Physiotherapeut werden! Aber vor 40 Jahren war solch eine nachträgliche Betrachtung noch kein Thema, sondern es herrschte eher vorsorgliche Ratlosigkeit. Manche wissen nämlich schon sehr früh ganz genau, wofür sie geboren sind, ich hatte 20 Jahre lang keinen blassen Schimmer. Das lag auch daran, dass ich nie gelernt hatte, wie man lernt.

Wo ich herkomme

Meine Mutter war extrem liebevoll, konnte mir aber als Hausmeisterin in einem Wiener Gemeindebau kein Potpourri bildungsnaher Berufsperspektiven bieten, und mein Vater war zuerst mit anderen Dingen als mit mir beschäftigt und irgendwann einmal ganz weg. »Bildungsfern« nennt man heute wohl die Verhältnisse, in denen ich aufgewachsen bin, ich sage lieber »lernfern« dazu, das hat nicht so einen negativen Beigeschmack und reimt sich sogar. Dabei war ich immer schon ein kluges, aufgewecktes, vifes, pfiffiges, »goschertes« (wienerisch für »angeberisch«) Kerlchen, aber das reichte damals halt nur bis zum Hauptschulabschluss.

Die Technikerschule, die ich später besuchte, endete nach einem Jahr vorzeitig mit vier Fetzen – so nennt man die schlechtestmögliche Note bei uns in Wien. Also hieß es für mich: ab in die Lehre, mehr oder minder zufällig als Schreibmaschinenmechaniker. Obwohl ich sagen muss: Nachträglich betrachtet hat das schon mit dem Interesse am Innenleben von etwas zu tun. Und natürlich auch mit dem Wunsch, anderen Menschen zu helfen, wenn etwas nicht funktioniert – in diesem Fall die Schreibmaschine. Ich war wirklich nicht schlecht als Schreibmaschinenmechaniker, aber erstens war es nicht meine Bestimmung und zweitens habe ich nach einer durchzechten Nacht den Firmenwagen geschrottet. Weil die im Laderaum befindlichen Schreibmaschinen (viele Schreibmaschinen!) großteils ebenfalls geschrottet waren, eigentlich aber am gleichen Tag auf einer Messe hätten ausgestellt werden sollen, wurde ich gekündigt. Was für ein Glück – nachträglich betrachtet.

Wenn die Vorsehung dazwischenkommt

Meine Orientierungslosigkeit wurde dadurch zwar nur wenig verringert, aber da ich als Arbeitsloser jetzt genug Zeit zum Nachdenken hatte, erinnerte ich mich an den Zivildienst, den ich während meiner Tätigkeit als Schreibmaschinenmechaniker absolviert hatte. Da hatte ich als Sanitätsfahrer viele Nachtdienste mit einem gewissen András Pohl geschoben, der mir in der gemeinsam verbrachten Zeit ein guter Freund wurde. Er war gelernter Krankenpfleger, also aus meiner damals eingeschränkten Sicht eine Art Schreibmaschinenmechaniker für Menschen, und weil mir gefallen hatte, was er in den Nachtdiensten so vom Krankenpflegen erzählt hatte, beschloss ich, die Krankenpflegerschule in Wien zu absolvieren. Ich habe mir vor dieser Zeit eher die Behandlung von Schreibmaschinen als von Menschen zugetraut, aber das lag vor allem wohl auch daran, dass mir als Lernfernem der Lehrstoff (Anatomie et cetera) als unüberwindliche Hürde erschien. Aber tief drinnen waren mir Menschen immer schon lieber als Schreibmaschinen, und András war ein großes Vorbild für mich und hatte es geschafft. Also habe ich mich entschlossen umzusatteln und mich für die Pflegeschule angemeldet.

Zwischen Kündigung wegen der kaputten Schreibmaschinen und Ausbildungsbeginn – meine Zukunft wollte ich kranken Menschen widmen – lagen allerdings fast neun Monate, und angesichts dieses langen Frei-Zeitraums fand ich es eine gute Idee, meine gesamten Ersparnisse von 15 000 Schilling (etwa 2000 D-Mark, für alle, die sich noch erinnern) in ein Round-the-World-Ticket zu investieren. Das gibt es bis heute in verschiedenen Varianten, fast immer wird dabei eine Überquerung des Atlantiks, eine Überquerung des Pazifiks sowie das Einhalten einer Reiserichtung nach Osten oder Westen und die Rückkehr zum Abflugkontinent oder -land verlangt. Das klang nach einer guten Sache für einen jungen Mann mit ein wenig Erspartem, viel Tatendrang und gerade jeder Menge Freizeit. Ferne Länder, fremde Kulturen, Abenteuer und was weiß ich noch, was ich mir erhoffte – alles das lag vor mir, und in meiner Tasche waren die 15 000 Schilling, mit denen ich Abenteuer und Freiheit in wenigen Minuten erwerben konnte.

Doch dann kam die Vorsehung in Form des erwähnten Krankenpflegers András auf mich zu – und zwar genau 50 Meter vor dem Eingang des Reisebüros, in dem ich gerade buchen wollte. »Wir werden bald Kollegen!«, rief ich dem Freund aus vielen Nachtdiensten zu, der mich damals wohl kannte wie keiner sonst. »Keine gute Idee«, meinte er, »du bist kein Krankenpfleger, sondern der geborene Physiotherapeut!« Wieso er das wusste, weiß ich nicht, aber nachträglich betrachtet hatte er unzweifelhaft recht. Er kannte meine Begeisterung für Fitness und ich war tatsächlich sehr gut trainiert damals – sogar ein wenig »aufblosn«, wie man in Wien zu auffällig muskulösen Menschen sagt. Allerdings diente mein Interesse an Muskeln, Bewegung, Übungen nur privaten Zwecken, einen Beruf hingegen, für den man drei Jahre lang sehr viel lernen muss, den habe ich mir – Stichwort lernfern – nicht einmal im Ansatz zugetraut.

»Des dalern i nie!«, sagt der Wiener, wenn er beim Lernen überfordert ist. Aber weil es András gesagt hatte und ich tief drinnen wohl schon gespürt habe, dass es das Richtige für mich sein würde, wollte ich dem Gedanken trotz aller Ängste nachgehen. Das Problem: 50 Meter vor mir, im Reisebüro, war der Zugang zu fernen Kulturen, fremden Ländern und Abenteuern. Und in mir war neben Verwirrung vor allem keine Matura, wie das Abitur in Österreich heißt. Und mir war klar: ohne Matura kein Studium und auch keine Physiotherapeutenausbildung. Also rief ich aus einer Telefonzelle, die direkt vor dem Reisebüro stand, einen anderen Freund an, von dem ich wusste, dass er gerade die Studienberechtigungsprüfung absolvierte, weil er Medizin studieren wollte. Ich fragte ihn, wo er denn die nötigen Kurse machte, und die Vorsehung in Form meines Freundes sagte, dass die Volkshochschule in der Stöbergasse nur etwa 10 Minuten Fußmarsch von jener Telefonzelle entfernt sei. Jetzt stritten sich die Aussicht im Wortsinne – direkt durch die Fenster des Reisebüros – auf ferne Länder, fremde Kulturen, Abenteuer einerseits mit meiner Verwirrung und keiner Matura andererseits um meine Zukunft. Stell es dir so vor: Highlife gegen harte Arbeit – und das in einem Mann Anfang 20. Brutal!

Aber nicht nur in Hollywoodfilmen gibt es magic moments, heute weiß ich, dass dort in der Telefonzelle wohl – nachträglich betrachtet – der entscheidende Moment, der magic moment in meinem Leben war. Obwohl ferne Länder, fremde Kulturen und Abenteuer mit aller hormonellen Gewalt an mir in Richtung Reisebüro zerrten, bewegten sich meine Beine – powered by Vorsehung – in die andere Richtung.

In der Volkshochschule kam ich 10 Minuten vor Büroschluss an, fragte nach der Studienberechtigungsprüfung und bekam von der um diese Uhrzeit bereits leicht arbeitsscheuen Rezeptionistin zur Antwort: »Das wird sich nicht mehr ausgehen, denn die Kurse beginnen morgen und Sie müssten sich in den nächsten 10 Minuten anmelden und gleich bezahlen. 1000 Schilling Anmeldegebühr und je 1000 Schilling für die fünf Kurse für das kommende Semester werden Sie wohl kaum mithaben, junger Mann.« Welch ein Irrtum der guten Frau, denn in dem Umschlag in meiner Tasche befanden sich ferne Länder, fremde Kulturen und Abenteuer im Wert von 15 000 Schilling, die mithilfe der Vorsehung jetzt den Besitzer wechselten und zumindest potenziell zu Wissen wurden.

Von lernfern bis fortbildungssüchtig

»Potenziell« passt wirklich gut. Denn das war noch lange nicht alles an Umwegen, die meine Berufung für mich vorgesehen hatte. Ich war nämlich jetzt irgendwie entschlossen, wenn auch vielleicht verwirrt, aber immer noch ganz sicher lernfern. So etwas vergeht nicht von selbst, weil man eine Weltreise absagt und stattdessen Gebühren bezahlt, wie ich rasch merkte. Ich habe den Stoff für die Studienberechtigungsprüfung, mit dem ich ab dem nächsten Tag förmlich überschüttet wurde, nämlich einfach nicht verstehen, lernen und mir merken können. Die Lehre als Schreibmaschinenmechaniker war nicht so schwer für mich gewesen, da bekommt man Dinge gezeigt, erklärt, kann sie angreifen und spüren, und weil ich ja lernfern war, aber nicht blöd, habe ich alles schnell verstanden. Aber hier: alles schriftlich, theoretisch, nur im Kopf zu lösen, kein hands on möglich, ganz schlecht für Palle, wie mich alle nannten.

Als ich schon aufgeben wollte, stellte ich zunächst fest, dass 9000 Schilling nicht mehr für eine Weltreise reichten, und danach schickte mir die Vorsehung Dr. Peter Theurl. Er war derjenige, der die Deutschkurse der Studienberechtigungsprüfung abhielt und außerdem Wochenendkurse mit dem Titel »Lernen zu lernen« – speziell für Kursteilnehmer, die nicht gelernt hatten zu lernen. Die Inhalte werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Es ging darum, wie das Gehirn arbeitet, um verschiedenste Lerntechniken, Gedächtnistraining und andere hilfreiche Tricks. Was er in diesen Kursen bot, war ein wunderbarer Selbstbedienungsladen für jeden, der mit schlechten Karten ein gutes Spiel schaffen will – und ich habe diesen Stoff geradezu aufgesogen. Was Krankenpfleger András für meine Motivation und Zielrichtung war, war Dr. Theurl für mein intellektuelles Instrumentarium und mein Lernpotenzial.

Ich habe dann in der Volkshochschule jede Menge Blut geleckt. Seither bin ich süchtig nach Fortbildung, nach mehr Wissen, nach mehr Verstehen, nach mehr Lernen. Jedes Jahr – falls keine Seuche ausbricht – bin ich viele Wochen unterwegs, weil man die Behandlung von Menschen (das ist eine Ähnlichkeit zu Schreibmaschinen) nur dann immer besser lernen kann, wenn man sich austauscht, und zwar aus nächster Nähe und nicht per FaceTime, Zoom oder was weiß ich, also persönlich austauscht mit Menschen, die in einem Teilbereich etwas mehr wissen oder besser können als man selbst.

Aber ich schweife ab und greife vor. Denn nachdem ich die Studienberechtigungsprüfung in Rekordzeit und danach die Physiotherapeutenschule mit lauter Bestnoten absolviert hatte, war ich zwar dank Dr. Theurl nicht mehr lernfern und diplomierter Physiotherapeut statt Schreibmaschinenmechaniker, aber lange noch nicht zufrieden. Der Rest des Schreibmaschinenmechanikers in mir wollte hands on und nicht nur verstehen, sondern auch »begreifen«. Nachträglich betrachtet war das ein kluger Schachzug meines Alter Egos, denn wenn man als Physiotherapeut gleich in irgendeiner Praxis beginnt, dann kann man schon gut werden, aber man wird ziemlich sicher nicht der Beste, der man sein kann. Und gleich in einer Arztpraxis oder gar in einer eigenen zu beginnen, das hätte ich mir ohnehin nicht zugetraut, denn jahrelange Lernferne hinterlässt auch Spuren im Selbstvertrauen. Also ging ich zunächst weiter in die Lehre und suchte mir Stellen, wo ich viel praktische Anleitung (wie in der Lehre zum Schreibmaschinenmechaniker) bekam, und zwar dorthin, wo es am schwierigsten ist. Statt wie früher zu den kaputtesten Schreibmaschinen zog es mich jetzt also zu den Menschen, denen man am meisten helfen kann.

Lehrjahre in der Praxis

Das erste Jahr in einem Rehabilitationszentrum brachte mir Schichten mit bis zu 18 Therapien pro Tag und Fließbandarbeit, bei der ich zwar meine therapeutische Virtuosität und mein Durchhaltevermögen schulen konnte, aber viel zu wenig Zeit für die Patienten hatte. Was ich dort neben physiotherapeutischer Praxis ebenfalls gelernt habe, war, wie ich es sicher nicht machen möchte, wenn ich einmal mein eigener Herr sein würde. Streng durchgetaktet möglichst viele Patienten durchzuschleusen, um möglichst viel Geld zu verdienen, ist mir immer zuwider gewesen.

Nach einem Jahr therapeutischer Akkordarbeit war Schluss mit lustig und ich nahm ein Angebot auf einer Intensivstation an. Das erwies sich als eine harte, aber großartige Schule. Es ist wirklich schwer, mit Menschen zu arbeiten, die erstens um ihr Leben kämpfen und zweitens dabei tief schlafen oder sogar apallisch sind, also ohne jedes Bewusstsein. Das einzige Feedback, das ein Therapeut bekommt, ist jenes vom Monitor, wenn Blutdruck, Puls oder Sauerstoffsättigung sich verändern, wenn der Therapeut eine Zeit lang unsensibel gearbeitet hat. Also musste ich lernen, in die Muskeln, in das Bindegewebe, in die Gelenke mit meinen Händen hineinzuhören und mir meine Rückmeldungen direkt dort zu holen. Das »G’spür« (wienerisch für »Gefühl«), das ich in diesem Jahr auf der Intensivstation bekommen habe, nimmt mir niemand mehr weg. Und wenn ich heute jemandem bei der manuellen Therapie Schmerzen zufüge, dann passiert das sicher nicht zufällig oder irrtümlich, sondern weil es gerade therapeutisch sinnvoll ist und dem Patienten hilft.

Und schließlich absolvierte ich noch drei Jahre in einer Behinderteneinrichtung, wo ich neben der Behandlung besonders schwieriger Fälle auch eine gehörige Portion Demut entwickeln durfte. Es gibt einfach so viele Menschen, die nichts falsch gemacht, sondern schlicht Pech gehabt haben, ein paar verdrehte Gene zum Beispiel, und die Erkrankung ist besiegelt. Ich habe dort Menschen mit Schicksalen gesehen, die jedem Couch-Potato mit seinen degenerativen Beschwerden oder jedem Hobbysportler mit seinen Abnützungen die Schamesröte ins Gesicht treiben sollten, schließlich haben sie es viel mehr selbst in der Hand als jene mit den wirklich schlechten genetischen Karten. Dort habe ich nicht nur gelernt, was die Physiotherapie alles leisten kann, sondern auch, wo ihre Grenzen liegen.

Sportlich unterwegs

Apropos Grenzen: Über meine eigenen wollte ich immer weiter hinausgehen, nicht nur als Physiotherapeut, sondern auch als Sportler. Ich habe viele verrückte Dinge gemacht, den Atlantik im Segelboot überquert, Österreich und Kuba mit dem Fahrrad umrundet, 200 Fallschirmsprünge absolviert und Kampfsport mit der gleichen Begeisterung und Hingabe betrieben wie Badminton, zumindest, solange die Knie es zuließen. So kam ich dann auch als Physiotherapeut in diverse Spitzenmannschaften und sogar zu den Spitzentänzerinnen der Wiener Staatsoper und habe gelernt, dass auch Leistungssportler Menschen mit Behinderungen sein können. Manche Behinderungen sind eher psychisch und angeboren, andere durch zu viel oder falsches Training, aber auch durch Verletzung erworben. Menschen, die einen Sport mit voller Leidenschaft und Hingabe betreiben, sind fast immer auch solche, die aus ihren psychischen Ecken und Kanten nicht nur Energie beziehen, sondern daraus etwas Sinnvolles für ihr Leben gemacht haben. Gute Typen halt. Süchtig nach Sport zu sein, ist zwar vielleicht auch nicht die völlige Freiheit, aber das Geld einem Trainer (oder mir) zu geben, ist sicher besser, als es einem Dealer in den gierigen Rachen zu schmeißen.

Der Weg zu meinem »Turnsoi«

Derart gerüstet war ich bereit für meine Berufung, auch wenn es noch ein paar weitere Umwege und glückliche Zufälle gab, die meine Ortskenntnis in der Physiotherapie noch steigerten und mich dorthin brachten, wo ich heute bin, mit denen ich aber den geneigten Leser nicht langweilen möchte. Und wen es brennend interessiert, der kann gern bei mir in Wien, in meinem »Turnsoi« (wienerisch für »Turnsaal«) vorbeikommen und sich noch mehr verrückte Geschichten anhören. Die verrückte Vorsehung – an die ich übrigens nicht glaube, aber mein Ghostwriter findet, dass es eine schöne Metapher ist – hat mir zuerst ferne Länder, fremde Kulturen und Abenteuer genommen, um mich dann über einen Umweg wieder genau dorthin zu führen. Meist finden die Fortbildungen in fernen Ländern statt, und so lerne ich fremde physiotherapeutische Kulturen kennen und erlebe abenteuerliche Genesungsreisen mit meinen Patienten. Neben vielen wirklich guten Freundschaften, die dabei entstanden sind, hatte ich auch die Ehre, fast alle in der Welt verstreuten Gurus der Physiotherapie besuchen und persönlich kennenlernen zu können.

So wurde also mein Erfahrungsschatz immer größer und irgendwann war ich reif für meine eigene Praxis und dafür, meinen Beruf auch wirklich zur Berufung werden zu lassen, in dem ich dann all das Gelernte, Erfahrene und Begriffene zum Wohle meiner Patienten anwenden konnte. Weil ich in bestimmten Bereichen immer noch lernfern und unroutiniert war, hat es eine ziemliche Weile und viele Absagen lang gedauert, bis sich ein Bankberater fand, der meinen »patschert« (wienerisch für »ungeschickt«) geschriebenen Businessplan in eine Form brachte, die seine Vorgesetzten akzeptierten. Dass ich ihn von seinen langjährigen, hartnäckigen Kreuzschmerzen befreien konnte, hat sicher nicht geschadet.

Nach harten Anfangsjahren, in denen meine zeitaufwendige Art zu arbeiten aus rein geschäftlicher Sicht nicht nur meinem Bankberater Kopfschmerzen bescherte, stellte sich heraus, dass die »Methode Pallesits« (klingt ziemlich »goschert«, meint mein Ghost) bei Patienten und Ärzten wirklich gut ankam. So gut, dass ich irgendwann bemerkte, dass ja gar nicht alle, die mit Schmerzen am Bewegungsapparat zu kämpfen haben, zu mir kommen können.

Mein Ghostwriter, der zuerst als Journalist, dann als Patient zu mir kam und mich jetzt als guter Freund beim Schreiben unterstützt, hat mich irgendwann ins Fernsehen gebracht. So sind meine bunten Hemden in Dutzenden Sendungen zu einer Art Markenzeichen geworden und ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich Menschen auch helfen kann, wenn sie weit weg sind und ich sie gar nicht zu Gesicht bekomme. Das vorliegende Buch ist deshalb für mich nur die logische Konsequenz dieser Erkenntnis und daraus, dass ich meine Berufung gefunden habe.

Ich behandle jetzt seit über zwei Jahrzehnten Schmerzgeplagte – von Menschen mit körperlichen Behinderungen bis zu Spitzensportlern, die berufsbedingt nicht unversehrt bleiben – und erlebe täglich, wie umfassend Schmerzen das Leben beeinträchtigen können. Andere Menschen von ihren Leiden zu befreien, ist deshalb viel mehr als nur mein Berufsmotto, es ist mein ganz persönliches Anliegen geworden und steht heute im Mittelpunkt meines Lebens. Das ist nebenbei viel besser, als Schreibmaschinen zu reparieren, die heute ohnehin keiner mehr braucht.

Warum dieses Buch?

Deshalb möchte ich meine jahrzehntelange Erfahrung nun in diesem Buch weitergeben, weil ich weiß, dass meine Methoden helfen, auch wenn sie mal schmerzhaft sein können. Ich habe größte Sorgfalt darauf verwendet, Übungen und Behandlungsmethoden aus der Physiotherapie auszuwählen, die jeder zu Hause ganz ohne Physiotherapeut allein ausführen kann. Damit das aber auch wirklich gut funktioniert, beginnt jedes Kapitel mit einer Motivationsgeschichte, die dir zeigen soll, was alles möglich ist, wenn ein Mensch wirklich will. Den Patienten, die dafür ihre bemerkenswerten – wahren – Geschichten zur Verfügung gestellt haben, möchte ich an dieser Stelle sehr herzlich danken.

Die kleine Anatomiegeschichte, die sich an jede Patientengeschichte anschließt und einen Einblick in unsere doch höchst erstaunlichen Körperstrukturen gibt, öffnet nicht nur die Augen für biologische Gesetzmäßigkeiten, sondern macht auch vielleicht so manche Beschwerden erträglicher – weil du dann verstehst, dass du nicht nur persönliches Pech gehabt hast, sondern dass die Menschheit als ganze Spezies von der Evolution ein wenig verarscht wurde. Zumindest verstehst du dann die körperlichen Schwachstellen, mit der du und der Rest der Menschheit leben müssen, besser.

Die Kästen mit den Übungshilfen, Werkzeugen und organisatorischen Hinweisen geben dir zusätzliche Hilfestellung beim Üben, und jene Abschnitte mit der Antwort auf die Frage »Was macht der Pallesits?« sollen vor allem auch das Verständnis für die Problematik aus der Sicht des Physiotherapeuten vermitteln. Je nachdem, in welchem Stadium einer Verletzung oder des Trainingsprozesses du dich befindest, gibt es anschließend passende Übungen zur Selbsthilfe oder zur Prävention. Die Übergänge zwischen Physiotherapie, Selbsthilfe und Vorbeugung sind in der Praxis und damit auch in diesem Buch durchaus fließend. Manches, was der Pallesits macht, kannst du auch zur Selbsthilfe oder Prävention einsetzen, dann oft in etwas abgewandelter Form. Daher ist auch die Zugehörigkeit zu einer der Kategorien nicht bei jeder Übung in Stein gemeißelt. Du solltest aber nicht unbedingt bei einem Freund Physiotherapeut ohne Ausbildung spielen, das könnte die Beschwerden vergrößern und die Freundschaft verkleinern.

Die Bilder und Videos sind übrigens alle vor meinem Wohnwagen auf einer Alm in Niederösterreich entstanden – und zwar, weil es dort erstens wunderschön ist (und keine Sünde gibt) und weil Studiobilder zweitens einfach viel langweiliger wären. All das soll dir die Pallesits-Methode, schon bevor du sie in den Übungen anwendest, so nahebringen, dass du sie begreifst – wie ein Mechaniker eine Schreibmaschine.

Apropos – hier schließt sich der Kreis meines Berufungslebens: Von der verpassten Weltreise ist wahrscheinlich mein Faible für bunte Hawaiihemden geblieben und der Gorilla im Bild ist nicht nur ein Gag, der Aufmerksamkeit schafft, sondern vielleicht sogar mein ganz frühes, bildungsfernes Alter Ego, das sich wundert, was aus dem Buben aus dem Gemeindebau geworden ist. Außerdem passt der zottelige Geselle gut zu den Anatomieabschnitten, in denen du erfährst, wie der Mensch wurde, was er ist, und warum er sich mit dem Schritt vom Primaten zum Homo sapiens eine ganze Menge Probleme aufgehalst hat. Also: Fangen wir an, diese Probleme zu lösen, wenn du drunter leidest oder sie gar nicht erst bekommen willst.

Ich hoffe, dass dir meine Übungen, Methoden und Tipps helfen, wenn’s wieder irgendwo zwickt und zwackt, und du dich bald wieder schmerzfrei bewegen kannst! Ansonsten schau einfach mal bei mir im Turnsoi (Turnsaal) in Wien vorbei, dann gehen wir deine Beschwerden gemeinsam an – entweder grob oder ganz sanft!

Bis dahin: Viel Spaß und Erfolg mit diesem Buch!

Dein Roman

KAPITEL 1

PHYSIOTHERAPIEALS PUZZLESPIEL –WARUM JEDES TEILWICHTIG IST

Vom modernen Leben mit unmodernen Körpern

Seien wir einmal realistisch: Allen Alltagsproblemen und ungelösten kommenden Katastrophenszenarien zum Trotz leben wir in der besten aller Zeiten und Welten. Zumindest wir Menschen hier in den westlichen Industrieländern. Seit einem halben fast immer friedlichen Jahrhundert geht es im Wesentlichen nur bergauf mit unserer Existenz, wir sind reicher als die Nachkriegsgeneration, haben mehr Freizeit und mehr Freiheiten als jede Kohorte vor uns – das gilt mit vorübergehenden Einschränkungen sogar in schwierigen Zeiten wie der Coronakrise. Und zumindest Deutschland und Österreich werden aus dieser Krise vermutlich langfristig im internationalen Vergleich sogar gestärkt herauskommen, Sozialstaat und Gesundheitssystem sei Dank!

Dazu kommen eine nie da gewesene Mobilität – nein, nicht in unseren Gelenken, sondern in Verkehrsmitteln aller Art! – und ein enormes Maß an technischer Unterstützung, die in den letzten paar Jahren geradezu explodiert ist. Man denke nur an Smartphones und -homes, Computer und Internet, Homeoffice und so weiter und so fort.

Nur: Jede Medaille hat zwei Seiten, und die Rückseite unseres glänzenden Lebens ist oft gar nicht leicht zu verkraften. Ich rede jetzt noch gar nicht von Bewegungsmangel – von wegen Mobilität! – bei extremem Nahrungsüberfluss. Ganz abgesehen von diesem rein körperlichen Problembereich, der allerdings psychische Konsequenzen und Ursachen hat, ist unsere Welt gleichzeitig einfacher und unendlich kompliziert geworden. Wir modernen Menschen des dritten Jahrtausends haben an einem einzigen Tag mehr Input zu verarbeiten als ein Durchschnittsmensch vor 200 Jahren in seinem gesamten Leben.

Allein die Veränderungen zwischen der Generation davor und den Millenials, die ab Beginn der 1990er-Jahre geboren wurden, sind atemberaubend. Eine Musikkassette sehen diese Menschen mit ähnlichem Erstaunen wie ein Vierteltelefon – ein in Österreich bis in die 1980er-Jahre hinein von vier Teilnehmern genutzter Telefonanschluss – und Straßenkarten sind ihnen so fremd wie das Kinoprogramm in einer gedruckten Zeitung. Dafür müssen sie, so wie wir alle, virtuos mit den sozialen Medien und überhaupt mit einem Tsunami an Reizen umgehen.

Ein kleines Beispiel, mit dem ich in meiner Praxis schon seit Längerem extrem gute Erfahrungen gemacht habe, ist der entschleunigte und gleichzeitig fokussierte Ablauf einer Therapieeinheit: Die Patienten kommen 15 Minuten vor dem eigentlichen Therapiebeginn, um sich in Ruhe umzuziehen, sich zu überlegen, welche Fragen und Anliegen sie haben, und um sich aufzuwärmen. Die Physiotherapie bei mir soll nicht einfach ein weiterer Programmpunkt des dichten Tagesablaufs sein – der ist meistens hektisch genug. Den Alltag beiseitezulassen hilft auch dabei, den Schmerz zu lindern. Die 45 Minuten lange Eins-zu-eins-Therapie – ein Therapeut arbeitet mit einem Patienten – wird dadurch wesentlich effektiver, die Kunden sind früher wieder beschwerdefrei und leistungsfähig. Schlecht fürs Geschäft, aber trotzdem super.

Auch alle Übungen für Selbsthilfe und Prävention wirken umso besser, je mehr es gelingt, sie als Pause im hektischen Alltag zu etablieren und damit als einen geschützten Raum, in dem der Stress für den Körper – klar, wir reden von physischen Beschwerden –, aber auch für die Seele kleiner ist als sonst. Das allein macht die Übungen schon effektiver. Vieles kannst du zwischendurch machen, aber das »Zwischen« ist hier das Entscheidende, nicht das »Durch«-Machen. Wenn Physiotherapie beim Profi oder auch einfach als Selbsthilfe und zur Prävention auf diese Art durchgeführt wird, dann wird sie ihr Ziel erreichen und den Schmerz »beiseite kriegen«. Dieses Buch versteht sich in diesem Sinne als geschützter Raum, der sich öffnen soll, wenn es aufgeschlagen wird.

Und hier schließt sich der Kreis zur besten aller Zeiten und Welten: Wir haben so viel Bewegungsmöglichkeiten wie niemals zuvor, aber nur dann, wenn wir es schaffen, unseren Bewegungsspielraum von den Schattenseiten des modernen Lebens nicht allzu sehr einschränken zu lassen. Wir können uns vom Tempo der Entwicklung einfach mitschleifen lassen, bis wir am unmodernen Körper und auch an der Seele ganz wund sind, oder wir nehmen die Zügel selbst in die Hand – zumindest in unserem ganz persönlichen Bereich, wo Gesundheit und Wohlbefinden im Mittelpunkt stehen sollten.

Apropos Zügel: Wie sagen die Fiaker in Wien? »Imma longsom mit de jungan Pferd!« Und mit den Älteren sowieso.

Die Puzzleteile der Therapie – von den Voraussetzungen zur täglichen Routine