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Am liebsten tagsüber und Fenster zu wegen der Nachbarn. So mag es Elizabeth. Ihr Mann macht die Heizdecken auf dem Bett an, dann kann´s losgehen. Sie fährt sofort mit der Hand rein in Georgs XXL-Yogahose. Und ab hier betrügt sie ihre Männer hassende Mutter, die ihr beibringen wollte, dass Sex etwas Schlechtes sei. Hat aber nicht geklappt, Glück für Elizabeth, Glück für Georg. Aber Sex ist ja nicht alles, es gibt auch noch das Essenkochen für ihre Tochter Liza, und es gibt den Exmann, Lizas Vater. Keine geringe Rolle spielen auch ihre Ängste und ihre schrecklichen Eltern. Wobei diese Themen für Elizabeth seit dem Unfall immer zusammengehören. »Schoßgebete« erzählt von Ehe und Familie wie kein Roman zuvor. Radikal offen, selbstbewusst und voller grimmigem Humor ist es die Geschichte einer so unerschrockenen wie verletzlichen jungen Frau.
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Veröffentlichungsjahr: 2011
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Dieser Roman basiert auf einer wahren Begebenheit. Darüber hinaus ist jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen sowie realen Geschehnissen rein zufällig und nicht beabsichtigt.
für Martin
ISBN 978-3-492-95032-9
November 2015
© 2011 Piper Verlag GmbH, München/Berlin
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Wie immer vor dem Sex haben wir beide Heizdecken im Bett eine halbe Stunde vorher angemacht. Mein Mann hat ganz hochwertige Heizdecken gekauft, die reichen auf beiden Seiten vom Scheitel bis zur Sohle. Für mich muss man da etwas mehr investieren. Ich habe wahnsinnige Angst, dass so ein Ding anfängt zu glühen und ich nach dem Einschlafen bei lebendigem Leibe verbrenne oder am Rauch ersticke. Unsere Heizdecken schalten sich angeblich nach einer Stunde automatisch ab. Wir legen uns in das vierzig Grad warme Bett nebeneinander hin und starren an die Decke. Der Körper entspannt sich in der Wärme. Ich fange da schon an, tief zu atmen, und grinse in mich rein, in erregter Vorfreude. Dann drehe ich mich um und küsse ihn, meine Hand fährt sofort in seine XXL-Yogahose. Kein Reißverschluss oder so, wo sich Haare oder Vorhaut verfangen könnten. Erst fasse ich seinen Schwanz nicht an, sondern rutsche weiter in die Hose zu den Eiern. Die halte ich wie einen Beutel voll Gold und wiege sie leicht in der Hand. Ab hier betrüge ich meine männerhassende Mutter. Die hat versucht mir beizubringen, dass Sex etwas Schlechtes ist. Hat bei mir aber nicht gewirkt.
Tief einatmen und ausatmen. Das ist der einzige Moment am Tag, wo ich richtig durchatme. Sonst hab ich nur flache Schnappatmung. Immer auf der Lauer, immer kontrolliert, immer aufs Schlimmste gefasst. Beim Sex verändere ich komplett meine Persönlichkeit. Meine Therapeutin Frau Drescher meint, ich würde mich unbewusst abspalten, weil meine feministische Mutter mich zum asexuellen Wesen erziehen wollte. Und nur um sie nicht zu verraten, müsste ich im Bett jemand anderer werden. Das funktioniert sehr gut. Dann bin ich völlig frei. Mir ist nichts peinlich. Die Geilheit auf zwei Beinen. Ich fühle mich dann nicht mehr wie ein Mensch, eher wie ein Tier. Ich vergesse alle Pflichten und Probleme, bin nur mein Körper und nicht mehr mein anstrengender Geist. Ich rutsche langsam mit dem Gesicht in seinen Schritt. Und rieche seinen männlichen Geruch. Ich finde, der ist nicht sehr weit weg vom weiblichen. Wenn er sich nicht direkt vorm Sex geduscht hat, und wann macht man das schon, wenn man so lange zusammen ist wie wir, hat der eine oder andere Urintropfen schon angefangen zu gären zwischen Eichel und Vorhaut. Es riecht wie die Küche meiner Oma, nachdem sie auf dem Gasherd Fisch gebraten hat. Augen zu und durch. Es ekelt mich ein wenig, gleichzeitig aber erregt mich dieser Ekel.
Wenn ich schnell alles sauber gelutscht hab, riecht da nichts mehr. Wie eine Kuh ihr Kalb sauber leckt. Ich vergrabe mein Gesicht schnuppernd im weichen Hodensack, reibe meine Wange den hochgestreckten Schaft entlang. Steif wird er schon beim Küssen auf den Mund. Mein Mann Georg ist viel älter als ich, bin mal gespannt, wie lange das noch so gut funktioniert mit der Erektion. Ich küsse die Leisten, oder wie das heißt, wo die Beine am Rumpf festgewachsen sind. Spätestens da höre ich ihn leicht stöhnen und nach mehr verlangen. Im Moment geht es nur ums Bedienen. Ich überlege genau, welchen Rhythmus was haben muss, um ihn in den Wahnsinn zu treiben. Erst mal nur ärgern. Bei den Leisten bleiben, die Eier immer noch fest mit der Hand umschlossen. Vom Küssen langsam ins Lecken übergehen. Ich mache laute Schmatzgeräusche, damit er nicht nur fühlt, sondern auch hört, was ich da mache. Unter dem Sack ertaste ich die Verlängerung des Schwellkörpers, der bis zum Damm geht. Sagt man beim Mann überhaupt Damm? Dort ist eine Linie zu erkennen, die aussieht wie zusammengewachsene Schamlippen, ja, ja, alles das Gleiche. Eigentlich befriedige ich ihn, wie ich es gerne mag, ich stelle mir vor, er hätte eine Vagina. Nur eben so lang gezogen und rausstehend, weit rausstehend! Ich drücke fester auf den Sack und massiere den Schwellkörper dahinter.
Damit ich auch was davon habe, reibe ich meine Vagina an seinem Knie. Wenn ich etwas den Rücken wölbe, passt das zentimetergenau. Von den Leisten wandert meine Zunge langsam rüber zum Schaft. Ich lecke ihn komplett feucht und atme darauf, damit er an den feuchten Stellen die Kühle spürt. Vom Schaft drücke ich meine Zunge runter zu den Eiern. Ich sauge beide Eier in den Mund und spiel mit ihnen rum. Ich habe gelernt, dass ich drauf achten muss, dass sich die Hodenleiter nicht verdrehen. Hab ich schon mal gemacht bei ihm, hat ihm sehr wehgetan! Unter dem Sack massiere ich mit der Zunge den Damm und lasse etwas Spucke für meinen Finger am Poloch. Ich mache meine Zunge ganz fest und spitz und fahre mit ihr von unten über den Damm und die Hodenhaut zwischen die Eier bis ganz nach oben zur Eichel und reibe zugleich mit dem Zeigefinger langsam um die Rosette. Ich mache meine Lippen und die Eichel vorher mit Spucke nass. Wenn ich anfange, an der Eichel zu saugen, öffne ich die Lippen nur ein kleines bisschen, damit es schön eng ist für ihn. Und lasse nur die Spitze der Eichel rein und wieder raus. Rein und wieder raus. Rein und wieder raus. Rein und wieder raus. Ich lasse immer weiter Spucke nachlaufen. Das habe ich bei irgendeinem Mann früher gelernt: dass es wehtut, wenn es trocken wird und reibt. Ich nehme den Schwanz immer tiefer in den Mund. Beim Runterschieben umschließe ich mit engen Lippen komplett den ganzen Schwanz. Beim Hochgehen sauge ich noch dran. Durch den Unterdruck schnalzt es, wenn ich oben angekommen bin. Mit dem Mund nehme ich immer die Vorhaut mit hoch, über die Eichel. Die Zunge drehe ich jetzt immer im Kreis drum herum. Die Eichel beult von innen meine Wange. In Pornofilmen reißen die Frauen den Männern immer mit der Hand die Vorhaut vor und zurück. Vor allem das Zurückreißen geht für meinen Mann gar nicht. Ihm tut das richtig weh. Keine Ahnung, warum die so was in Pornofilmen trotzdem immer zeigen. Ich habe mal in einem Sexbuch gelesen, dass die Frau auch lieber, wenn sie es ihm mit der Hand macht, die linke nehmen soll, wenn sie Rechtshänderin ist. Weil man dann nicht zu feste zugreift und mehr Gefühl in die Sache legen kann.
Leider kann ich nicht wie die Frauen im Pornofilm diesen Trick mit dem ganz Reinstecken, also am Kotzezäpfchen vorbei. Hab mehrmals fast gekotzt und es dann schnell wieder drangegeben. Man muss ja nicht alles nachmachen von Pornofilmen! Auch habe ich schon oft im Leben versucht zu schlucken. Klappt auch nicht bei mir. Finde den Geschmack und die Konsistenz hinten im Rachen beim Schlucken so ekelhaft, dass ich es einfach nicht runterkriege. Ich hab dann ganz starken Würgereiz, klingt auch nicht gerade angenehm für den Mann. Nur mit riesiger schauspielerischer Leistung wäre das zu bewerkstelligen, finde ich zu anstrengend. Würde ich bei einem One-Night-Stand wahrscheinlich hinkriegen, aber meinen Mann kann ich so nicht verarschen. Der weiß ja, dass ich das hasse, also will er auch nicht, dass ich das mache. Das Einzige, was ich leisten kann: Er kommt in meinem Mund, aber ich drücke mit der Zunge das schießende Sperma wieder raus.
Manchmal brauchen der Mund und das Kiefergelenk eine Pause, dann nehme ich den nass gelutschten Schwanz in die Hand und ziehe die Vorhaut vorsichtig immer wieder nach oben über die Eichel. Da wär ich jetzt selber nicht drauf gekommen. Ich habe aber mal meinen Mann, als wir zusammenkamen, darum gebeten, sich selbst zu befriedigen. Wenn man frisch zusammen ist, macht man ja noch so lustige Sachen. Und hab mir dann davon ganz viel abgeguckt. Im Laufe der Zeit habe ich dann festgestellt, je näher ich mit meinen Händen und Füßen seiner Selbstbefriedigung komme, umso besser für ihn. Gegen jahrzehntelange Sexsozialisation kommt man mit eigenen Ideen nicht an. Also besteht meine Herausforderung darin, so nah wie möglich an seine Selbstbefriedigung zu kommen, mit mehr Mitteln natürlich. Er kann nur die Hand einsetzen. Ich: Zunge, Mund und und und. Wenn ich mit der Hand weitermache, hebe ich den Sack an in Richtung Schwanz, während ich mit der anderen Hand Richtung Eichel reibe. Sodass er das Gefühl hat, dass ich alles fest umschlossen habe.
Mittlerweile liegt er da wie ein Käfer auf dem Rücken und gibt sich mir vollkommen hin. Breitbeinig, die Arme von sich gestreckt, die Augen verdreht, wie in Trance. Ich habe ein starkes Machtgefühl, wenn er da so liegt. Ich könnte ihm die Kehle durchschneiden, und er würde es noch nicht mal bemerken. Zwischendurch falle ich immer wieder aus der Rolle der Sexdienerin raus und betrachte die Szene wie eine Außenstehende. Dann muss ich kurz schmunzeln, weil es alles lustig erscheint, was wir da machen. Das wische ich aber schnell wieder weg und mache mit dem gebotenen Ernst weiter.
Meistens fangen wir so an, dass einer den anderen bedient. Wenn wir in der 69er-Stellung was machen, stellen wir immer wieder fest: Ist zwar schön, wenn man so genau die Teile alle sieht, man ist aber vom Bedienen so abgelenkt, dass man nicht mehr richtig annehmen kann. Entweder oder! Nicht, dass wir da je offen drüber gesprochen haben. Das ergibt sich wortlos. Unsere Sexverständigung. Während ich bediene, achte ich immer darauf, dass ich mich auch irgendwo reiben kann, weil er ja sonst meilenweit voraus ist in seiner Geilheit und ich dann mühevoll hinterherhinke. Während ich meinem Kiefergelenk die Pause gönne und mit vollem Einsatz beider Hände die ganze verfügbare Haut auf- und abschiebe, sitze ich mit meiner Vagina breitbeinig auf seinem Oberschenkel und sau da alles ein. Wir steigern uns jedes Mal in einen richtigen Rausch rein, mich macht das sehr stolz, was ich so alles kann mit meinem Mann.
Außer der Heizdecke muss aber für mich immer noch eine Maßnahme getroffen werden. Ich habe unglaubliche Angst, dass mich unsere Nachbarn beim Sex hören könnten. Also gehört es zum Vorspiel dazu, dass alle Türen und Fenster geschlossen sind. Nur dann kann ich absolut locker sein. Ganz selten ist es vorgekommen, dass ich mich auf meinen Mann verlassen habe und er doch ein Fenster vergessen hat. Wenn ich das nach dem ganzen Sexgeschrei feststelle, werde ich ganz rot vor Scham. Und es ist auch eine volle Belästigung für die Nachbarn. Für diese Einstellung werde ich ständig von meinem Mann verarscht. Therapeutisch betrachtet, ist es aber für ihn sehr einfach, diese Rolle einzunehmen, weil er sich ja drauf verlassen kann, dass ich die Verklemmte von uns beiden bin. Jeder nimmt die Rolle in der Partnerschaft ein, die noch frei ist. Ich belege die der Panischen, Zwanghaften, Schamhaften. Dann kann er der Lockere und Exhibitionistische sein. Ich achte ja für ihn darauf, dass ihn keiner hört. Ich schließe Fenster, Türen und Gardinen. Manchmal gehe ich im Dunkeln im Bademantel vors Haus, sage ihm, er soll sich auf dem Bett räkeln, mit Licht an, damit ich draußen testen kann, ob man reingucken kann. Manchmal kommen mir unsere Gardinen nämlich zu dünn vor. Sie sind aus Kravattenseide, braunes Paisleymuster.
Im Winter reicht uns manchmal die Heizecke nicht aus, sodass wir als zusätzliche Wärmequelle in unserem Kellerloch seine Infrarot-Rückenschmerz-Lampe nehmen, ein ganz großes, breites, teures Modell. Und wenn wir dann so rot angeleuchtet werden wie in einem Schaufenster in Amsterdam, mache ich mir sehr große Sorgen, dass die Seidengardine für Vorbeigehende zwei schwitzende, ineinander verkeilte Köper preisgibt. Er weiß, dass ich einen Ratsch im Kappes habe, wie wir sagen. Ich muss von draußen kontrollieren, ob man uns bei diesen Lichtverhältnissen sehen kann. Wie oft im Leben ich schon festgestellt habe, dass Menschen sich offensichtlich gar keine Gedanken machen, was deren 100-Watt-Birne für Schattenspiele an die Fenster wirft. Ein gesunder Mensch würde sich ja eventuell freuen, einer Frau dabei zugucken zu dürfen, wie sie sich entkleidet. Ich denke nur: O Gott, das darf mir nicht passieren, das muss ich auf jeden Fall für mich ausschließen.
Ich befriedige also grade meinen Mann. Es kann vorkommen, dass er minutenlang daliegt und alles geschehen lässt. Meistens liegt er auf dem Rücken, weil er seit vielen Jahren Rückenschmerzen hat und ich somit auch, denn ich kann mich in meinen Mann so gut reinfühlen, dass ich davon auch Rückenschmerzen kriege. Er hasst es, vor mir schwach zu sein. Wir sind auch nur zusammen, weil ich mir ausgedacht habe, dass er irrsinnig stark ist. Wenn ich ihn täglich frage: »Wie geht’s deinem Rücken?«, kastriere ich ihn. Aber ich will doch höflich sein. Will zeigen, dass ich Anteil nehme. Das ist ein Problem, das auftauchen kann, wenn man mit Älteren zusammen ist. Es geht nicht um mein Verhalten, sondern darum, dass er es so schlimm findet, an meiner Seite Rückenschmerzen zu haben.
Dass er einfach so daliegt, ist, glaube ich, für ihn auch neu. Früher hatte er immer Frauen, die er bis zum Abwinken bedienen musste, und dann blieb nicht mehr viel für ihn übrig. Na, vielen Dank, liebe Frauenbewegung! So war das doch auch nicht gedacht. Dass nur noch die Frauen kommen und die Männer gucken müssen, wo sie bleiben. Er liebt es, wenn ich seine Sexdienerin bin. Ich wiederhole alles, was ich kann und gerade beschrieben habe, mal in schnellem und dann in langsamem Rhythmus. Ich muss gar nicht mehr nachdenken, alles geht wie von allein, wie auf Droge.
Wenn wir mitten dabei sind, vergesse ich Zeit und Raum. Das ist der einzige Moment am Tag, an dem ich abschalten kann. Ich glaube wirklich, dass es eher am Atmen als am Sex an sich liegt, aber vielleicht auch an beidem. Im Gegensatz zu dem, was meine Mutter wollte, habe ich in der Therapie über die Jahre gelernt, dass ich auch ein sexuelles Wesen bin. Ich lerne ganz langsam, meine eigene Lust überhaupt wahrzunehmen.
Früher, also die ganzen letzten Jahre mit meinem Mann, war es bei uns wie das dumme Klischee, dass die Frau nie Lust hat und der Mann ständig und überall will! Wenn dann aber die richtigen Knöpfe gedrückt waren, dachte ich jedes Mal: Warum komm ich nicht selber auf die Idee? Warum verführe ich ihn nicht mal, warum muss er das immer bei mir machen? Für ihn war es sehr erniedrigend, andauernd einen Korb zu kriegen und der Initiator für unseren Sex zu sein. Hat oft zum Streit geführt. Ich hätte lügen müssen, wenn ich behauptet hätte, dass ich Lust auf Sex hatte. Hatte ich kein einziges Mal. Habe nur mitgemacht, um ihm einen Gefallen zu tun und weil ich wusste, dass unsere Beziehung sonst den Bach runtergeht. Das weiß ja jeder: Wenn es im Bett nicht mehr läuft, ist es nur eine Frage der Zeit, bis alles den Bach runtergeht. Davon bin ich fest überzeugt. Wenn aber die Anfangslähmung überwunden war, bin ich jedes Mal steil gegangen. Und jedes Mal der Satz danach: Wieso erinnerst du mich nicht einfach daran, was ich für einen Spaß daran habe, dann lass ich mich auch nicht so bitten!
Dank meiner Therapeutin fange ich jetzt immer öfter selbst an. Sage zweimal die Woche: »Heute wieder?« Beim Vorspiel kann ich nur so selbstlos sein, weil ich genau weiß, dass ich das alles immer noch und nöcher zurückkriege, später. Egal, wie viel Mühe ich mir gebe, ihn so versaut wie möglich zu befriedigen, an seine Blasekunst komme ich nicht ran. Sehr oft frage ich ihn, ob er das, was ich für ihn mache, wirklich ansatzweise so gut findet wie ich das, was er bei mir macht. Ein Dilemma. Wir werden es nie rausfinden.
Wenn ich das Gefühl habe, dass es jetzt aber auch mal reicht mit der Bedienung, höre ich langsam auf. Das versteht er immer richtig und kümmert sich dann sehr dankbar um mich. Er macht meine Beine breit und legt sich mit dem Kopf dazwischen, damit er alles ganz genau sieht. Er untersucht mich Millimeter für Millimeter, wie ein Frauenarzt. Sagt man bei Erwachsenen auch Doktorspiele? So ist das jedenfalls. Besser, man hat wenigstens am gleichen Tag geduscht. Wer so nah guckt und riecht, bemerkt jede Unreinheit. Er nimmt meine Hand und legt sie auf meine Vagina. Ich weiß genau, was das bedeutet. Er möchte, dass ich mich für ihn selbst befriedige. Das mache ich für mich alleine nie. Meine Mutter hat mich sehr feministisch erzogen. Ich glaube, da ist irgendwas schiefgelaufen in der Erziehung, und ich bin eine Art sexuelle Katholikin geworden. Ich habe mich noch nie selbst befriedigt. Das Einzige, das im weitesten Sinne unter Selbstbefriedigung fällt, ist ein ganz verschämtes Im-Schamhaar-Rumkratzen. Ich glaube, ich betuppe mich dann selbst. Ich denke erst, ach, es juckt etwas im Schritt, dann kratz ich mich in meinem kurz geschorenen Schamhaar, meistens wenn ich im Bett liege, und merke, dass mich das erregt, und höre schnell wieder damit auf. Aus irgendeinem bescheuerten, unmodernen Grund mach ich dann nicht weiter. Ich verwechsle meine Geilheit im Schritt oft mit irgendeiner Krankheit, will es einfach nicht zugeben.
Wenn wir ein paar Tage keinen Sex hatten und ich manchmal dieses heimliche Kratzen im Bett unter der Bettdecke gemacht habe, tut die Geilheit irgendwann richtig weh, ich will aber nicht wahrhaben, dass ich geil bin, und denke lieber, ich habe einen Pilz oder eine Blasenentzündung oder dass ich mich mit Herpes angesteckt habe. Obwohl ich total immun dagegen bin, sonst hätt ich das ja schon längst gehabt. Sagt man doch so bei Herpes, entweder man kriegt das, oder man kriegt das nicht, und ich scheine immun zu sein. Wenigstens gegen etwas. Diese Gedanken an irgendeine Krankheit bleiben im Kopf, bis ich dann irgendwann Sex habe, auf Initiative meines Mannes natürlich, plötzlich sind alle Beschwerden weggebumst.
Wenn aber mein Mann das möchte, mach ich für ihn die größte Selbstbefriedigungsshow aller Zeiten. Wenn er zuguckt und mich dazu auffordert, dann gebe ich Vollgas. Ich reibe, und ich schubber, was das Zeug hält. Er guckt mir kein einziges Mal ins Gesicht. Ich bestehe ja dann auch nur aus Vagina! Ich bin meine Vagina. Er bleibt mit dem Kopf zwischen meinen Beinen und guckt ganz genau zu, wie ich alles abrufe, was ich je über Selbstbefriedigung im Internet und auf DVD gesehen habe. Seine Augen, seine Nase, sein Mund sind nur ein paar Zentimeter von meinen inneren Schamlippen entfernt. Ich mache kreisende Bewegungen auf meiner Klitoris, ich klappe die Schamlippen auseinander, reibe mich dazwischen, und ab und zu schiebe ich ein oder zwei Finger rein und ficke mich damit selber. Auch wenn mich das jetzt eher belustigt als aufgeilt, spätestens wenn ich sehe, wie sehr ihn das erregt, erregt es mich zurück.
Länger hält er das nicht mehr aus und will mit seinem Schwanz machen, was meine Finger da tun. Ich liege vor ihm, komplett nackt, und mache die Beine so weit auseinander, wie es geht. Er rutscht nach vorne und peitscht ein paarmal mit seinem harten Schwanz gegen meine Vagina. Ich glaube, das hat er sich auch in einem Pornofilm abgeguckt. Finde ich aber auch richtig gut, wenn er das bei mir macht. Ohne dass ich jetzt erklären könnte, warum oder was das genau soll. Ein paarmal draufgepatscht und rein. Ich komme meistens schon sehr schnell. Ein paar Stöße reichen. Und das war’s dann bei mir. Meine Mutter und führende Feministinnen haben mich so erzogen, dass es einen vaginalen Orgasmus nicht gibt. Sie sitzen immer zwischen Georg und mir und flüstern mir ins Ohr: »Es gibt keinen vaginalen Orgasmus!« Jetzt, mit dreiunddreißig, muss ich leider ganz alleine rausfinden, dass das nicht stimmt. Beim Sex habe ich das immer gespürt und für ein psychisches Kommen gehalten. Ich dachte: Nur weil ich die Vorstellung so geil fand, gestoßen zu werden, der Gedanke, jajajaahh, er ist in mir, er füllt mich aus, ohne Berührung der Klitoris, würde ich kommen. Weil mir ja aus politischen Gründen sehr überzeugend eingetrichtert wurde, dass es ein anderes Kommen außer dem klitoralen nicht gibt! Ist doch klar, dass man dann irgendwann denkt, dass man verrückt ist oder auf jeden Fall eine starke Einbildungskraft besitzt. Im Bett habe ich gespürt, dass meine feministische Erziehung meilenweit an der Realität vorbeigeht. Ganz klammheimlich und hinter dem Rücken meiner Mutter und dem von Alice Schwarzer habe ich gedacht: Die haben unrecht! Ich spüre das doch fast jedes Mal: Es gibt ja wohl einen vaginalen Orgasmus! Verfickt noch mal! Habe jetzt auch die wissenschaftliche Bestätigung gelesen in Geo Kompakt Nr. 20. Mein Lieblingsheft. Es heißt: »Liebe und Sex«. Ich habe viel daraus gelernt, noch viel mehr als aus der Emma. Alice Schwarzer sitzt immer beim Sex zwischen mir und meinem Mann und flüstert mir ins Ohr: »Ja, Elizabeth, das denkst du nur, dass du jetzt einen vaginalen Orgasmus hast, das bildest du dir nur ein, um dich deinem Mann und seinem Machtschwanz zu unterwerfen.« Aus der besagten Geo Kompakt habe ich gelernt, dass die Frau zwei Wege hat, einen Orgasmus zu kriegen, auch auf beiden Wegen gleichzeitig. Der vaginale Orgasmus wird, jetzt mal laienhaft formuliert, durch die Nervenbahnen der Gedärme ans Hirn weitergeleitet, der klitorale durchs Rückenmark. Ich spüre manchmal ein extremes Kommen, das ist dann wahrscheinlich auf beiden Wegen gleichzeitig. Ich habe auch das Gefühl, dass ich am schnellsten komme, wenn ich es mir nehme, wie ich es brauche. Also ich meine, dass ich eigentlich seine Stoßbewegungen vollführe, ich haue mich gegen seinen Schwanz, mehr als dass er mich stößt. Dann ist es für mich genau der richtige Rhythmus. Und eine Sache von Sekunden, bis ich komme. Ich bin sehr laut, jedes Mal flippe ich vollkommen aus. Und fertig. Er muss immer sehr drauf achten, dass er nicht kommt, weil es ihn natürlich wahnsinnig erregt, wenn ich mir nehme, was ich will. Er steht darauf, wie geil mich sein Schwanz macht. Aber wahrscheinlich redet er sich das nur ein, und in Wirklichkeit mache ich mich selber geil. Also muss er sich mal ganz kurz richtig konzentrieren und an seine katholische Mutter denken oder was, bis ich fertig bin. Damit er nicht vor mir kommt und es das dann war. Ich bin sehr dankbar dafür, dass er es so ernsthaft betreibt mit dem Vortrittlassen. Ich schätze, dass es in sieben Jahren Beziehung nur dreimal passiert ist, dass er zu früh gekommen ist und sich mein Kommen durch Schwanz damit erledigt hatte. Das hat er aber jedes Mal noch und nöcher mit Finger, Zunge und Zeh wiedergutgemacht. Ich hab ja dann richtig was davon, von seinem schlechten Gewissen.
Abgesehen von diesen drei Ausnahmen, ist er immer dran, nachdem ich gekommen bin. Dann bin ich wieder, wie am Anfang, seine Dienerin. Das ist das einzige Mal, dass ich beim Sex spreche. Leider kann ich keinen Dirty-Talk. Aus dem gleichen Grund wahrscheinlich, aus dem ich mich auch nicht selbst befriedige. Alles meine Mutter schuld! Wie immer. Ich frage: »Wie willst du kommen?« Gibt ja nicht sooo viele Möglichkeiten. Er wählt aus folgenden Angeboten aus: Hand, Mund, Vagina – aber ich ficke ihn, sitze also oben, auch schon wegen seinem Rücken – und ganz selten, weil schon mal sehr schmerzhaft für mich gewesen: in meinem Arsch. Wenn ich mich mit meiner Vagina auf ihn draufsetzen soll, will er meistens, dass ich es rückwärts mache. Damit er meinen Arsch greifen und angucken kann. Er zieht dann meine Pobacken auseinander, damit er genau sehen kann, wie sein Schwanz sich in meiner Vagina bewegt.
Er erzählt mir genau, was er sieht. Im Gegensatz zu mir kann er Dirty-Talk sehr gut. Er bedauert sehr, dass ich selber leider nicht sehen kann, wie die Haut meiner Vagina seinen Schwanz umschließt, wenn ich hochgehe. Er sagt, es sieht aus, als wäre meine Vaginahaut die Mütze für den Schwanz, die Haut bleibt etwas hängen und wird um den ganzen Schwanz rum lang gezogen. Ein paarmal in unseren gemeinsamen sieben Jahren hat er mit diesem Auseinanderreißen meiner Pobacken die Polochhaut etwas angerissen und mich leicht damit verletzt. Ich sage dann am nächsten Tag nach meinem Toilettengang: »Bitte nächstes Mal nicht ganz so feste die Pobacken auseinanderreißen, ist was kaputtgegangen, danke.« Er hat direkt ein schlechtes Gewissen und gelobigt Besserung. Passiert eben im Eifer des Gefechts!
Habe oft das Gefühl, dass geiler Sex öfter mal an der Verletzung vorbeischrappt. Auch beim Aufspreizen meiner Vagina, damit er sie voll untersuchen kann, reißt manchmal die empfindliche Haut. Bis zu einem gewissen Grad macht mich ein leichter Schmerz noch geiler, weil ich mir dann einrede, er hat sich aus lauter Geilheit nicht mehr unter Kontrolle und kann seine Kräfte nicht mehr einschätzen. Das klingt jetzt so wie bei einem Downsyndrom-Mann. So ist das aber bei mir im Kopf beim Sex. Wenn es gerade auszuhalten ist, warte ich, bis wir fertig sind, und beschwere mich erst dann sehr freundlich. Sehr oft hat er auch meine harten, erregten Nippel geknickt, das tut vielleicht mal weh! Ganz vorsichtig möchte ich ihm das beibringen, dass es mir wehgetan hat, weil er sonst ein zu schlechtes Gewissen hat und nächstes Mal zu vorsichtig ist. Das will ich auch nicht. Und er soll auf keinen Fall dauerhaft das Gefühl haben, dass er ein Grobian ist.
Jetzt soll er ja kommen. Mit den Jahren habe ich einen Trick entwickelt, den ich zum ersten Mal in dem Film Chicken Ranch von Nick Broomfield gesehen habe. Da wenden ihn Prostituierte bei ihren betrunkenen Freiern an, damit der Fick schneller vorbei ist und der Stundenlohn steigt. Sobald ja der Mann gekommen ist, war’s das mit dem Ständer, dann hat die Prostituierte für das gleiche Geld schneller frei. Diesen Trick wende ich auch am Ende vom Sex mit meinem Mann immer an. Wenn ich gekommen bin, sehe ich meistens nicht richtig ein, warum das jetzt noch Ewigkeiten weitergehen soll. Ich habe über die Jahre extrem gut meine Scheidenmuskulatur trainiert. Ich kann mich innen um ein Vielfaches enger machen, als ich es normalerweise bin. Keine Ahnung, ob man durch die Geburt eines Kindes ein minibisschen ausleiert, mein Gynäkologe sagt, man leiert nicht aus, bildet sich alles zurück, wie es vorher war. Auf jeden Fall ist es für das Engegefühl des Mannes auch nicht unbedingt förderlich, dass ich beim Sex so viel Flüssigkeit produziere. Beim Vorspiel ist das immer sehr willkommen, hinterher beim Kommenwollen mit vaginaler Reibung am Schwanz eher hinderlich. Wenn er reinsteckt, bevor ich richtig feucht bin, merke ich ihm an seiner Reaktion an, dass ihn das geiler macht, weil dann die Reibung stärker ist. Jedenfalls habe ich ja, wenn ich schon gekommen bin, auch nicht mehr so die große Lust und will, dass es bald zu Ende geht. Außer es ist Weihnachten oder unser Jahresjubiläum oder so, dann würde ich mich noch hinreißen lassen, ihn ganz lang nach meinem Kommen zu befriedigen. Also kneife ich alles, was ich an Scheidenmuskulatur habe, zusammen, und sofort, aber wirklich sofort, kommt er, da kann der gar nichts gegen machen. Das gibt mir immer ein sehr wohliges Gefühl, dass ich mit meinem inneren festen Klammergriff um seinen Schwanz selber in der Hand habe, wann Feierabend ist. Toll. Nachdem er ziemlich viel beim Kommen rumgeschrien hat, frage ich fast immer im Scherz, ob er jetzt gekommen sei.
Ich finde, dass die Lautstärke doch sehr das sexuelle Gefühl steigert, es betont das Animalische und Rauschhafte. Früher, am Anfang unserer Beziehung, war ich die Einzige, die immer geschrien hat, bis ihm die Ohren abgefallen sind. Mittlerweile schreit auch er mir die Ohren ab. Das macht großen Spaß.
Ich bin sehr gegen Nachspiel. Ich werde vom Sex sehr hibbelig und will sofort aufstehen und was machen, wie zum Beispiel mich waschen. Nicht weil ich mich dreckig fühle, sondern weil ich anfällig bin für das Frauenleiden Nummer eins: Blasenentzündung. Und ich werde das Gefühl nicht los, dass ich diese Entzündung besonders häufig nach Sex bekomme. Also sind ganz unwissenschaftlich in meinem Kopf die männlichen Bakterien schuld. Die wasche ich mir schnell weg und lasse meinen Mann wie immer am Tatort liegen, weil er sofort nach dem Sex in eine tiefe Entspannung fällt und fest schläft, manchmal stundenlang. How does a cliché become a cliché? Habe gelesen, dass dieses unterschiedliche Verhalten von Mann und Frau nach dem Sex völlig normal ist und an den Hormonen liegt. Das beruhigt mich sehr, das wissenschaftlich begründet zu sehen, weil ich mir vorher jahrelang anhören musste, wie unromantisch ich sei, wenn ich immer sofort aufspringe und aufräume, zum Beispiel. In dem Artikel stand, dass dieser Witz, den alle machen über den kleinen Tod des Mannes und die Hyperaktivität der Frau nach dem Sex, mit der Ausschüttung von unterschiedlichen Hormonen zu tun hat. Ich liebe Wissenschaft, weil die schlechtes Gewissen wegmacht. Seitdem wir das wissen, darf ich, ohne böse angeguckt zu werden, sofort aus dem Bett raus und was machen. Er schläft schon tief und fest, ich schalte beide Heizdecken aus, damit er nicht im Schlaf durch die schmorende Heizdecke erstickt! Und schnappe mir ein Stofftier meiner Tochter, das auf unserem Schlafzimmerboden rumliegt, einen Orang-Utan, und halte ihn von unten an meine Vagina, damit das Sperma auf dem Weg ins Badezimmer nicht rausläuft. Das kommt komischerweise nie in einem Film vor, nachdem ein Paar Sex hatte, dass immer irgendwann die ganze Suppe wieder aus der Frau rausgelaufen kommt. Das nervt vielleicht mal! Ich lächele vor mich hin. Es gibt nach dem Sex keine Probleme im Kopf. Ich denke immer nach dem Sex, lockerer und freier geht nicht, und dann setzt er immer noch einen drauf, wir setzen noch einen drauf. Kurz vor dem Badezimmer steht unser Rattanwäschekorb, wir sind sehr für alte, dunkelbraune Sachen, in Vorbereitung auf unseren Tod, da kommt der Orang-Utan rein, und ab ins Bad. Falls meine Tochter das Stofftier da drin finden würde, wäre das Sperma bis dahin schon getrocknet. Ein Kind würde das sowieso eher für Rotze halten, bestimmt. Ich setze mich verkehrt rum auf unser Bidet und wasche mich, so wie ich es schon als Kind in der Blechtrommel gesehen habe.
Meine Mutter hat uns Kindern ständig nicht jugendfreie Filme gezeigt. Sie war der Meinung, bei Kunstfilmen könne es kein FSK geben. Das sitzt seitdem so tief in meinem Kopf, dass ich mir nach dem Sex, hockend über dem Bidet, immer vorkomme wie das Dienstmädchen aus der Blechtrommel, Katharina Thalbach, die als nachträgliche Empfängnisverhütung versucht, das Sperma ihres Arbeitgebers mit Wasser rauszuspülen. Die Bilder gehen, glaube ich, aus meinem Kopf niemals wieder weg. Nach dem gründlichen Abwaschen mit Seife spüle ich noch mal mit klarem Wasser nach.
Ich schnappe mir das für die Umwelt luftgetrocknete, kratzige Handtuch und trockne mich im Schritt viel zu feste ab. Ich möchte schnell fertig werden. Gleich kommt mein Kind von der Schule, dann wollen wir bald essen. Es ist noch nichts gemacht.
Im Spiegel betrachte ich mich nackt. Nach dem Sex sehe ich am besten aus, weil dann die Gesichtszüge komplett entspannt sind. Die Brüste sind massivst durchblutet und ein minibisschen größer, die Nippel stehen steif ab, die Pupillen sind wie im Drogenrausch geweitet, die inneren Schamlippen und die Klitoris sind dick und geschwollen, von der Reibung und der Geilheit, und hängen zwischen den äußeren Schamlippen raus. Am Hals und zwischen den Brüsten habe ich meine typischen roten Orgasmusflecken. Die kann man nicht faken. Da freut sich mein Mann immer sehr drüber, über diese roten Flecken auf meiner weißen Haut. Er hat immer große Angst, dass ich was faken könnte. Mach ich aber nicht, muss ich auch nicht. Ich kämme mich, damit ich nicht so derangiert aussehe, wenn Liza heimkommt. Mit Make-up-Entferner und einem Wattestäbchen wische ich die Sexschmiererei unter meinen Augen weg. Und falte zwei Blatt Klopapier in die Unterhose, bevor ich sie hochziehe. Bloß nicht mehr, das bringe ich auch meinem Kind für Toilettengänge bei, für die Umwelt.
Ich schleiche mich noch mal so leise, wie es geht, in den begehbaren Schrank neben unserem Schlafzimmer, krame gemütliche Kleidung heraus für den Abend. Ich muss gleich, vor dem Abendessen mit der Familie, noch kurz zu meiner Therapeutin Frau Drescher. Da darf ich hin, egal, wie ich angezogen bin. Das ist ja das Schöne. Egal, wie ich aussehe, egal, wie ich rieche, ich kann immer dahin, egal, in welchem Zustand. Sagen das nicht die Spinner über ihren Gott, normalerweise? Aber die sind sich nicht ganz sicher und waschen sich doch lieber für ihn, falls er doch nicht so lieb ist, wie sie ihn erfinden.
Frau Drescher wünscht sich sogar, dass ich auch mal bei ihr zur Toilette gehe, groß, das traue ich mich aber noch nicht. Wir arbeiten dran!
Und dann laufe ich nach oben in die Küche. Auf dem Weg dahin schließe ich wieder alle Türen, damit ich gleich mit meiner Tochter Lärm machen kann, ohne Georg zu wecken. Ich weiß, dass mein Mann mindestens eine Stunde schläft. Ich rede mir ein, dass ich ihn so geschafft habe. Dann kann ich ihn besser schlafen lassen, weil ich stolz bin. In dieser Stunde koche ich was Gesundes. Und durch tiefes Atmen schaffe ich, dass diese roten Durchblutungsflecken am Hals weggehen, die soll mein Kind nicht sehen. Kinder wollen nicht, dass Erwachsene Sex haben. Von unserem Brettchenstapel ziehe ich das mit der Brenngravur Knoblauch und Zwiebeln raus und von dem magnetischen Messerhalter das Mühlenmesser mit der Eddingschrift Knoblauch. Seit ich nicht mehr rauche, habe ich so gute Geruchs- und Geschmacksknospen, dass ich bei Obst rausschmecken kann, was vorher mit dem Messer geschnitten wurde, und davon, wenn es Zwiebeln oder Knoblauch waren, fast kotzen muss. Wenn Sachen, die eigentlich süß schmecken sollten, herzhaft schmecken, könnte ich durchdrehen. Ist auch erst so, seit ich älter geworden bin, früher war ich lockerer. Viel lockerer!
Unter der Spüle in der Holzkiste wohnen die Zwiebeln. Das hat meine Oma immer gesagt: »Now, where do the onions live?« Meine Exschwiegermutter hat mir einen guten Trick beigebracht, wie man am besten ganz fein Zwiebeln schneidet. Zum Braten in der Pfanne, als Basis von fast jedem Gericht, das ich koche, sollen sie so fein gewürfelt sein, dass sie sich beim Braten fast auflösen. Ich schäle die Zwiebel, schneide Kopf und Po ab und strecke dann die Zunge raus, nur die Spitze, das reicht, weil sich die Säure, die von der Zwiebel aufsteigt, die nächste feuchte Stelle sucht. Das wäre bei geschlossenem Mund das Auge und fühlt sich unangenehm an. Ich weine sehr ungern. Gar nicht erst anfangen, sonst hör ich nie wieder auf. Aber so fängt die Zunge vor dem Auge die ganze Säure ab. Das Auge brennt nicht, und ich muss gar nicht erst anfangen zu weinen. Ich drehe die Zwiebel mit dem abgeschnittenen Kopf zu mir, schneide waagerecht und senkrecht ganz oft eng nebeneinander tief ein und schneide dann von der Seite die kleinen Würfel ab. Die schmeiße ich in die Pfanne mit dem Bioolivenöl und dünste sie, bis sie glasig werden. Aus dem Kühlschrank nehme ich den Wirsingkopf, das schönste Gemüse überhaupt. Mit einem großen, sehr scharfen Messer schneide ich den Wirsing in der Mitte durch und gucke mir die Schnittfläche genau an. Er wird von außen nach innen immer hellgrüner. Ich setze zwei Keilschnitte an, um den harten Strunk zu entfernen, werfe ihn in die Biotonne unter der Spüle und schneide den ganzen Wirsing in dünne Streifen. Am Anfang denke ich jedes Mal, es ist zu viel, wenn es aber dann in der Pfanne dünstet, reduziert sich das Volumen. Ich werfe eine Handvoll von meiner besonderen Zutat dazu: Biogemüsebrühe ohne Hefeextrakt. Das war sehr schwierig zu finden. Auch im Bioladen gibt es nur Brühe mit Hefeextrakt, und das ist das moderne Greenwashing-Wort für Glutamat. Ich, als gute Mutter, kann Glutamat in unserer Küche nicht dulden.
Ich habe mehrmals ein Experiment gemacht, als es noch Fleisch bei uns gab, das war vor der Jonathan-Safran-Foer-Ära: Ich habe echte Hühnerbrühe aus ganzem Huhn und Knochen gemacht. Kam mittelmäßig an in der Familie. Am nächsten Tag habe ich eine Biotütenhühnersuppe aus dem Bioladen serviert, und alle waren begeistert. Das liegt nur an dem Geschmacksverstärker Glutamat beziehungsweise Hefeextrakt, klingt so schön harmlos. Wenn ich meine Familie an diesen Geschmacksstoff gewöhne, schmeckt denen nur noch das Verstärkte und die ganzen natürlichen Sachen nicht mehr. Deswegen will ich da nichts mit zu tun haben.
In die Pfanne schütte ich das besondere Biobrühepulver ohne Glutamat, hab ich im Internet gefunden, noch etwas Wasser, das durch Verdampfen das Gemüse garen soll, einen ganzen Becher Sahne drüber, ein Stück Butter, viel Salz, viel Pfeffer, Abendessen fertig.
Es klingelt an der Tür, ich mache Liza auf. Auf dem Weg zur Tür denke ich: Kochen hilft gegen Verrücktwerden. Gemüse hilft, nicht verrückt zu werden.
»Wie war’s in der Schule?«
»Gut.«
Wenn die reinkommt mit Teenagerjacke, Röhrenjeans und Stiefel, kann ich gar nicht glauben, wie groß sie ist. Das soll mein Kind sein? Toll. Ich habe es geschafft, sie ist aus dem Gröbsten raus, sagt man dazu. Ich habe es geschafft, dass sie noch lebt. Das ist in unserer Familie gar nicht so üblich. Einer meiner Brüder war mit sechs schon tot, der andere mit neun, der dritte mit vierundzwanzig, da muss ich meine Tochter erst noch hinkriegen! Aber ich habe schon mehr geschafft als meine Mutter. Mein Kind lebt noch. Also hundert Prozent meiner Kinder sind älter als sechs geworden. Sie hatte fünf, drei sind tot. Eins davon war jünger, als meine Tochter jetzt ist, also hat sie zwanzig Prozent ihrer Kinder vor dem achten Lebensjahr verloren.
Ich spüle die Sachen schnell weg, die ich für das Kochen dreckig gemacht habe. Der Zwiebelgeruch muss nicht ganz weggewischt werden, weil das Brett ja nur dafür benutzt wird. Wir sind so spießige Trickser zu Hause!
»Kannst du deine Jacke bitte nicht auf den Boden schmeißen, jedes Mal wenn du reinkommst?«
»Warum nicht?«
»Wo ist denn dein Diener, der dir alles aufhebt?«
Sie zeigt auf mich.
Wir müssen beide lachen. Sie hebt die Jacke auf und hängt sie an unsere handgeschnitzte Kindergarderobe, die mir nur bis zum Knie geht.
»Kannst du bitte den Tisch decken.«
»Oh, nee.«
»Sonst kriegst du nichts zu essen.«
»Okay.«
Sie stampft demonstrativ zur Arbeitsfläche, schwingt sich wie am Reck hoch, sie schiebt die Spitze vom Stiefel als Unterstützung in den Griff der Schublade und steht oben drauf.
Sie fragt: »Was gibt es denn?«
»Wirsing.« Ich hebe den Deckel der Pfanne an.
»Nur?«
Sie verdreht die Augen und lässt kurz die Zunge raushängen.
»Ja.«
Ich lache sie an. Es ist ein alter Trick von mir, eine große Portion von nur einem Gemüse zu machen. Sie kommt mit Hunger aus der Schule, und auch wenn sie sich noch so viel beschwert über das von mir ausgesuchte Gemüse, sie isst sich dann eben richtig satt daran, einfach weil es nichts anderes gibt. Das macht mich als Mutter sehr glücklich. Das Kind muss gesund ernährt werden. Da müssen viele Vitamine in den Bauch. Dafür mache ich alles. Weil ich mein Kind liebe.
Man denkt sich ja im Laufe der Jahre Sachen aus, wie das so laufen soll, wie man eine gute Mutter darstellt. Und wenn ich darstellen schreibe, meine ich auch: darstellen. Wie bin ich am besten, damit ich für mein Kind am besten bin? Ich möchte bodenständig sein, so viel zu Hause wie möglich. Damit sie einen möglichst langweiligen, immer wiederkehrenden Alltag hat, das, was ich als Kind nie hatte. Und darauf basierend in die Welt hinausziehen, weil es zu Hause so langweilig ist.
In meiner Kindheit war alles viel zu aufregend, ständig Umzüge, ständig wechselnde Väter, dass mir nichts anderes übrig blieb, als häuslich zu werden, gegen Reisen und Aufregung zu sein. Immer frisch kochen. Sehr selten Essen bestellen, höchstens viermal im Jahr, nie nie niemals, nur über meine Leiche zu McDonald’s.
Bei uns wird immer am Esstisch gegessen, mit allen, die anwesend sind. Keiner darf während des Essens ans Telefon gehen, lesen oder singen. Ich weiß nicht, warum, aber dieses Singen scheint ein großes Problem zu sein, meine Tochter und auch mein Stiefsohn wollen immerzu singen bei Tisch. Das ist strengstens untersagt, weil sonst kein Essen in den Mund reingeht. Das sind jetzt eher die unwichtigeren Sachen, mit denen ich meinem Kind eine gute Mutter vorspiele. Davor auf der Liste steht: Ich signalisiere ihm zu jeder Sekunde des Tages durch mein Verhalten, dass es ein Wunschkind ist und ein Kind der Liebe. Das stimmt auch. Ich zeige ihr, dass ich es gut finde, dass sie geboren wurde. Dass ich stolz auf sie bin, wie sie ist, was sie kann, und sage ihr regelmäßig, dass ich sie liebe. Sage ihr, dass sie schlau und schön ist. Und sehr lustig. Alles lernen kann, wenn sie nur will. Ich versuche ihr durch Taten zu signalisieren, dass ich es auch okay finde, wenn sie nicht so wird wie ich, dass ich sie dann trotzdem liebe, egal, was für einen Wahnsinn sie in ihrem Leben noch abfackeln wird. Das hat meine Mutter bei mir nicht gemacht, sie hat mir immer signalisiert: Entweder du bist so wie ich, oder ich liebe dich nicht. Das wird nicht von Generation zu Generation weitergegeben werden. Das verhindere ich. Ha!
Liza holt drei Teller aus dem Regal, hockt sich hin, legt die Teller auf der Arbeitsfläche ab und springt runter, flink wie ein Affe. Sie muss die auseinandergepflückten Zeitungen, die Zeit und den Freitag, die einzigen Zeitungen, die wir lesen, zur Seite räumen, damit sie unsere Seite des Esstischs decken kann. Es hätten sieben Personen Platz. Wir benutzen aber nur ein Ende des Tischs, damit wir ganz nah beieinandersitzen. Ich zwinge sie, den Tisch zu decken, weil ich es in einem Erziehungsbuch von Jesper Juul gelesen habe. Mein erster Impuls wäre immer, alles für sie zu machen, um ihr zu zeigen, wie sehr ich sie liebe. Dann würde sie aber wohl nie was lernen und könnte mit sechzehn keine Wäsche waschen oder Spülmaschine einräumen. Ich muss meinem ersten Impuls widerstehen und sie quälen, Sachen zu machen, die sie eigentlich in unserem Haushalt gar nicht machen müsste. In dem Erziehungsbuch steht, dass man einem Kind alles beigebracht haben muss, bis es zwölf ist, damit es zur Not allein wohnen könnte, danach ist es zu spät fürs Beibringen. Das mache ich jetzt schnell die verbleibenden fünf Jahre. Tisch decken, Kleidung falten, Zimmer aufräumen und Toilette putzen.
Georg kommt von unten hoch. Er sieht verschlafen aus, ich grinse ihn an, das soll heißen: Ich kann grad nicht sprechen, weil das Kind im Raum ist, aber das war geil mit dir. Er grinst zurück. Er trägt seine locker sitzende, lange, weiße Unterhose mit Eingriff. Ich mache ihm oft dafür Komplimente, weil er dann aussieht wie ein Cowboy, der freihat, und das gefällt mir. Wenn ich ihm über den Po streichele, was ich auch oft mache, wenn das Kind nicht guckt, fühlt sich der Stoff unglaublich weich an, er ist schon hundertmal gewaschen worden und an vielen Stellen fast durchsichtig.
Ich habe in Geo Kompakt (das ist ja wohl meine neue Sexbibel!) eine Theorie gelesen, die absolut auf meine Liebe zu meinem Mann zutrifft. Sie heißt »Hängebrückentheorie«. Eine Frau, in dem Test der Lockvogel, ziemlich attraktiv, stoppt ganz viele Männer in ganz normalen Situationen, in der Fußgängerzone, auf dem Bürgersteig, und stellt ihnen ein paar Fragen. Angeblich für eine wissenschaftliche Studie. Die Männer antworten brav, und sie gibt ihnen ihre Nummer, falls sie an dem Ergebnis der Umfrage interessiert sind. Das Gleiche macht sie auf einer Hängebrücke in einem Park, wo auch ständig Erwachsene drübergehen. Die Brücke bewegt sich im Wind hin und her, und auch dort stellt die Frau die gleichen Fragen und verteilt ihre Nummer an alle Männer. Das Ergebnis des Experiments: Deutlich mehr Männer von der Hängebrücke als vom Bürgersteig rufen sie nachher an. Das bedeutet, dass man schneller eine Verbindung aufbaut, wenn man in einer extremen Situation ist. Das Gefühl auf der Hängebrücke sagt den Männern, oh, wir haben das beide zusammen durchgestanden, ich finde sie sehr attraktiv. Weil man in einer extremen Situation Bindung zu dem Mitleidenden sucht. Die Hängebrücke beim Kennenlernen zwischen mir und meinem neuen Mann war: die Schwangerschaft beziehungsweise die Geburt.
Wir haben uns ganz langweilig, wie fast jedes Paar, bei der Arbeit kennengelernt. Er war Galerist und wollte meine Fotos ausstellen. Seine Frau stand kurz vor der Geburt, ich war ganz kurz nach der Geburt. Wir hatten also beide gerade mit einem anderen Partner eine Familie gegründet. So weit die Hängebrücke. Und dann ging’s ab. Wie zwei Kometen sind wir aufeinander zugeflogen. Es war Liebe auf den ersten Blick. Aber ohne dass wir das bemerkt haben. Es lief praktisch in einem Programm im Hinterkopf ab, wie ein Trojaner auf einem Computer, jenseits unserer bewussten Wahrnehmung. Wir dachten einfach: Schön, wie wir uns verstehen, wir müssen unbedingt Freunde werden. Wir fühlten uns wie Seelenverwandte, rein platonisch, versteht sich.
Die Geburt war dann unsere Hängebrücke. Er wollte alles wissen von mir und unserer Geburt, es gab eigentlich kein anderes Thema. Nebenbei fingen wir an, zusammen zu arbeiten. Viel zu früh, also vor der Beendigung des Mutterschutzes, musste ich oder durfte ich meine Fotos in der Galerie von Georg ausstellen. Wegen dem Stress, dem positiven wohlgemerkt, blieb nach drei Monaten Stillen die Milch weg. So konnte ich erzwungenermaßen wieder voll arbeiten und mein damaliger Freund endlich bei der Fütterung des Vogelbabys helfen. Als mein zukünftiger Mann gebar, mit seiner damaligen Frau natürlich, war ich aufgeregter als bei meiner eigenen Geburt. Ich hatte das Gefühl, ich würde ein zweites Kind kriegen, weil ich mich dem Vater so verbunden fühlte. Die Kinder sind ja altersmäßig so nah beieinander, dass man das Zwillingsgefühl nie loswird. Alles wirkt wie vorbestimmt. Ja, ja, gibt es nicht, Vorbestimmung, Gott, Schicksal, fick dich, nur Zufall und Hängebrücken gibt es. Wir dachten, wir sind befreundet, wir haben auch niemanden angelogen, weil wir es selber einfach nicht besser wussten. Als sein Sohn auf der Welt war, wen rief er da an? Vor dem Krankenhaus stehend, wie Männer das so machen, nach der Geburt, nicht die eigene Mutter oder die Geschwister, nein, mich! Ich freute mich so für ihn. Alles war gut gegangen.
Ich hatte meinen damaligen Mann bei unserer Geburt beobachtet und gedacht: Oh, das kann man aber besser machen. Und mein zukünftiger Mann hatte seine Frau bei der Geburt beobachtet und gedacht: Oh, das kann man aber besser machen. Und wir wussten beide, wer das besser könnte. Wir! Spätestens in dem Moment, wo er auch ein eigenes Kind hatte, war unsere Liebe nicht mehr aufzuhalten. Ich dachte, er ist stärker als mein Mann. Er dachte, ich bin stärker als seine Frau. Sollte sich natürlich nachher alles als Irrtum herausstellen, wie sich fast alles immer als Irrtum rausstellt, was man am Anfang voneinander denkt, wenn man verliebt ist. Er ist der Kerl, natürlich hat er einen Sohn. Ich bin die Frau, und natürlich habe ich eine Tochter. Passt doch alles perfekt, wenn nur nicht die alten Partner wären. Die mussten wir noch aus dem Weg räumen. Aber wie? Ich stellte mir das alles ganz einfach vor. Ich habe aber auch meine Mutter als Vorbild, die Verlasserin schlechthin. Er hat als Vorbild seine bescheuerten christlichen Hardcoretreueeltern, seit mehr als fünfzig Jahren verheiratet. In der gesamten Familie null Komma gar keine Scheidung. Wie soll er da raus? Seine Frau merkte sofort alles: »Du wirst dich doch nicht in die verlieben?«
Frauen merken so was meiner Meinung nach schneller als Männer, oder wenigstens sind sie so bescheuert, das dann auch noch anzusprechen, spätestens ab da geht’s bergab. »Liebst du mich noch?« – »Äh.« Eine Sekunde zu lang überlegt. Erwischt. Was für ein schlechter Schauspieler er ist. Mann, sag doch einfach: »Klar liebe ich dich! Was für eine Frage?« Dann hätten wir etwas mehr Zeit zum Denken gehabt. So war es bei denen schon vorbei, bevor es gerettet werden konnte.
Das hatte er nämlich erst mal vor. Plötzlich bekam er die christliche Krise, Familie und alles, und wollte seine alte Familie retten. »Wir dürfen uns nicht mehr sehen, ich hab grad mit ihr ein Kind bekommen, ich muss ihr und uns noch eine Chance geben. Für das Kind.« Ich musste warten. Ich war mir in der ganzen schmerzhaften Wartezeit sicher, dass die das hinkriegen würden. So ist man doch, wenn man wirklich liebt, man ist ja dann nicht selbstsicher und sagt sich: Klar, kein Problem, du kommst sowieso wieder. Ich hatte meinem damaligen, alten Mann noch nichts sagen müssen, er wollte nichts bemerken oder hat wirklich nichts bemerkt. Viel gab es auch nicht zu bemerken.
Wir haben kein einziges Mal Sex gehabt, bevor wir unsere Partner verlassen haben, deswegen wundert mich das so, dass es so gut läuft zwischen uns. Eigentlich immer besser wird, sogar sexuell. Habe ich noch nie erleben dürfen, wie das ist, lange mit der gleichen Person Sex zu haben. Danke, Mutter!
Trotzdem bin ich mir sicher, dass man nur wegen Sex zusammenkommt, weil man denkt, das passt gut. Wegen der Gene, das riecht man, dann passt es auch akrobatisch. Wenn man eine gute Verbindung zu seinem Geruchssinn hat und nicht raucht und ihn damit zerstört, findet man schon die besten Gene beziehungsweise die geilste Akrobatik! Davon bin ich fest überzeugt. Ich muss das doch gerochen haben. Alles. Seine Sexualität. Seinen Hang zum Versorgertum. Wir haben nie darüber geredet, über Geld, über Sex, die Liebe war einfach da, und im Nachhinein macht alles Sinn. Vorher überhaupt nicht. Ich habe mal ein Zitat gelesen, ich glaube von Goethe, könnte aber auch von Yoda sein, and it goes a little something like this: Liebe und Verliebtheit ist nur der romantische philosophische Überbau, damit wir vor uns selber nicht zugeben müssen, dass wir einfach nur geil auf jemanden sind. Der hat das irgendwie besser ausgedrückt, ich finde das Zitat aber nirgendwo mehr. Vielleicht habe ich auch nur geträumt, dass ich das gelesen habe. Daran glaube ich jedenfalls ganz fest. Das ist die Erklärung für den ganzen Wahnsinn, der passiert zwischen erwachsenen Menschen.
Mein Mann sieht überhaupt nicht gut aus. Also mit Aussehen hat Liebe schon mal überhaupt nichts zu tun. Fickt euch alle, mit eurem: Mein Traummann soll so und so aussehen, Sternzeichen, Größe, Haarfarbe, nein, so geht Liebe nicht. Das Erste, was ich an ihm gesehen habe und was mir direkt negativ, aber interessant machend auffiel, war sein kaputter Ellbogen. Das erste Mal sah ich ihn in einem kurzärmeligen Hemd. Kräftige weiße, behaarte Arme und ein ganz komisch rausstehender verkrüppelter Ellbogen, irgendeine Art Überbein steht da raus, vollkommen mit Narben überzogen. Das Phantom der Oper, nur am Ellbogen!
Ich habe ihn direkt gefragt, woher das kommt. Das mache ich immer, als Fluchtreaktion, falls die Person schon bemerkt hat, dass ich starre. Das sei eine Verletzung aus der Kindheit. Er hatte sich mal den Arm gebrochen und musste immer alleine im Winter mit dem Bus zur Reha fahren. Und einmal war Glatteis, er stieg aus, mit eben verheiltem Bruch, und ist so auf den Ellbogen gestürzt, dass er mehrmals operiert werden musste, weil er sich alle Knochen darin vollständig zerschmettert hatte. Die haben den Ellbogen nie wieder rund gekriegt, und deswegen steht an einer Stelle, wie eine Haifischflosse, ein Knochen spitz raus. Das hat mich direkt sehr beeindruckt.
Ende der Leseprobe