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Neuauflage des 2018 erschienen Romans. Maren hat eine große Zukunft vor sich, denn sie soll das Familienunternehmen übernehmen. Obwohl sie sich dem noch nicht gewachsen fühlt, hat sie diese Aussicht bereits verinnerlicht. Doch plötzlich will ihr Vater ausgerechnet mit Thomas Simmons zusammenarbeiten! Mit dem Mann, der ein Unternehmen nach dem anderen kauft und seinem eigenen einverleibt. Maren ist sofort klar, dass sie ihm nicht trauen kann, und doch spricht gerade er einen Teil tief in ihr an ...
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Seitenzahl: 265
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Secret Flowers
Von Charlotte Tendon
Buchbeschreibung:
Maren hat eine große Zukunft vor sich, denn sie soll das Familienunternehmen übernehmen. Obwohl sie sich dem noch nicht gewachsen fühlt, hat sie diese Aussicht bereits verinnerlicht. Doch plötzlich will ihr Vater ausgerechnet mit Thomas Simmons zusammenarbeiten! Mit dem Mann, der ein Unternehmen nach dem anderen kauft und seinem eigenen einverleibt.
Maren ist sofort klar, dass sie ihm nicht trauen kann, und doch spricht gerade er einen Teil tief in ihr an …
Über die Autorin:
Charlotte Tendon wurde 1987 in Stuttgart geboren und schreibt schon seit ihrem dreizehnten Lebensjahr Kurzgeschichten und Gedichte, vor allem aber Romane in denen es stets romantisch zugeht.
Mit ihrem Mann und ihrer Tochter lebt sie in Stuttgart und arbeitet als Bibliothekarin. Wenn sie nicht schreibt, backt sie Cupcakes oder bastelt Schmuck.
Außerdem bereits erschienen:
Sing My Lovesong (Siebenverlag, 2019)
Weitere Informationen: www.charlotte-tendon.de
CHARLOTTE TENDON
Secret
Flowers
Unerwünschtes
Verlangen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.dnb.de abrufbar.
Zuerst erschienen 2018 unter dem Titel »Secret Flowers : falsches Verlangen« bei Books2read
1. Auflage, 2020
© Charlotte Tendon, 2020
Coverdesign: Charlotte Tendon
Bildquelle: Pixabay
Alle Rechte vorbehalten.
Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand, Norderstedt
ISBN: 9783740763930
❀ Kapitel 1 ❀
Maren stand im Vorzimmer ihres Vaters im fünften Stock des Firmensitzes und blickte hinaus auf den grünen Innenhof des Gebäudes, wo sich leuchtend grüner Efeu an einer Säule emporrankte. Lange hatte sie diskutieren müssen, um ihn dort anpflanzen zu dürfen. Schließlich hatte sie sich mit dem Argument durchgesetzt, dass Efeu einst eine wichtige Heilpflanze war und daher gut in ein traditionsreiches Medizinunternehmen passte. Nun genoss sie den Anblick, während sie darauf wartete, dass ihr Vater seinen Gast endlich verabschiedete. Ausgerechnet mit seinem härtesten Mitbewerber Thomas Simmons wollte ihr Vater über ein gemeinsames Software-Projekt verhandeln.
Obwohl sie ihre Meinung über dieses Bestreben deutlich zum Ausdruck gebracht hatte, bestand ihr Vater darauf, ihr den ehemaligen Erzfeind und zukünftigen Geschäftspartner persönlich vorzustellen. Als spielte es eine Rolle, was sie von Simmons hielt.
Es wäre gerade so viel wichtiger, mit ihren Mitarbeitern die Ergebnisse der jüngsten Kundenbefragung auszuwerten. Außerdem wollte sie endlich wieder den Garten im Innenhof umgestalten, das brannte ihr immer mehr unter den Nägeln, je länger sie aus dem Fenster des Vorzimmers starrte.
Ungeduldig zupfte sie an ihrem grauen Blazer, in dem sie auf Simmons den Eindruck einer knallharten Geschäftsfrau machen wollte. Er sollte Respekt, am besten sogar Angst vor ihr haben, auch wenn ihr Vater neuerdings auf Kuschelkurs war.
Endlich öffnete sich die Milchglastür zum Büro ihres Vaters, und amüsiertes Gelächter kam zusammen mit den beiden Männern aus dem Raum. Ihr Vater klopfte Simmons mit einer Hand auf die Schulter und lachte erneut. Auch Simmons zeigte ein freundliches, angenehmes Lächeln, das ihn viel sympathischer machte, als es Maren lieb war. Sie hatte sich ihn verbissen und ernst vorgestellt, doch er wirkte herzlich und vollkommen entspannt.
Er war groß, zumindest einen Kopf größer als ihr Vater, und beeindruckend sportlich für jemanden, der seine Zeit vorrangig am Verhandlungstisch verbrachte. Anders als ihr Vater und all die anderen Geschäftsmänner, die sie sonst traf, trug er keinen Maßanzug, sondern wirkte in seiner grauen Stoffhose und dem lockersitzenden weißen Hemd überraschend natürlich. Noch dazu war er viel jünger als angenommen, höchstens 30, und damit nur fünf Jahre älter als Maren.
Die Blicke der beiden Männer trafen auf sie, und Maren bemühte sich um ein freundliches, allerdings nicht zu herzliches Lächeln. Simmons sollte wissen, dass er für sie weiterhin der Erzfeind war, auch wenn er mit Abstand der attraktivste Mann war, dem sie je gegenüber gestanden hatte. Dennoch blieb er das Monster, das bereits seit Jahren kleine Unternehmen aufkaufte oder ins Verderben stürzte.
Sie wollte ihn gar nicht mehr persönlich kennenlernen, seit sie von einer ehemaligen Kommilitonin gehört hatte, dass er schon einmal ein liebevoll aufgebautes Kleinunternehmen erst aufgekauft und dann aufgelöst hatte. So sollte es dem Lebenswerk ihres Vaters und Großvaters nicht ergehen. Das würde Maren niemals zulassen.
Ihr Vater, Oscar Albright, lenkte Simmons zielstrebig auf sie zu.
»Thomas, bevor du uns wieder verlässt, möchte ich dir noch meine Tochter Maren vorstellen.«
Maren zuckte zusammen angesichts des vertrauten Tons zwischen den beiden Männern, der so gar nicht dem entsprach, was sie erwartet hatte.
Im Näherkommen fuhr Simmons sich durch seine kurzen schwarzen Haare – dafür, dass er ein hartes Verhandlungsgespräch hinter sich hatte, wirkte er viel zu gelassen, er schien geradezu Spaß zu haben. Maren dagegen bemühte sich, einen selbstbewussten und entschlossenen Eindruck zu machen.
Zumindest vor ihr sollte Simmons Respekt haben.
Erwartungsvoll reichte Thomas Simmons ihr die Hand. »Schön dich kennenzulernen, Maren.« Er lächelte freundlich. »Diesen Namen hört man selten.«
Er hatte eine raue Stimme, die irgendetwas tief in ihr zum Klingen brachte und sie beinahe ihren Unmut über seine freundschaftliche Anrede und seine sinnlose Feststellung über ihren Namen vergessen ließ.
»Mr. Simmons«, erwiderte sie abweisend, wobei sie eilig seine Hand abschüttelte.
Er ließ sich nichts anmerken, obwohl er ihre Abneigung bemerkt haben musste, ihr Vater allerdings beäugte sie skeptisch. Vermutlich erwartete er von ihr mehr Professionalität.
»Maren hat ihren Namen von einer Urgroßmutter meiner Frau geerbt«, berichtete ihr Vater unangebracht freizügig. Was gingen Simmons solche Familiengeschichten an? Obwohl Maren sich sonst um ein seriöses Auftreten gegenüber ihrem Vater bemühte, strafte sie ihn nun mit einem zornigen Blick.
»Maren leitet unsere Produktentwicklung und hoffentlich wird sie eines Tages meine Nachfolgerin«, wechselte Oscar nun wieder sachlich das Thema.
In Simmons’ efeugrünen Augen blitzte Anerkennung auf. Unverhohlen musterte er Maren von Kopf bis Fuß, und sie war froh, dass sie ihren eleganten neuen Blazer mit schwarzem Saum trug. Dem erfahrenen Geschäftsmann gegenüber fühlte sie sich plötzlich unsicher.
Der schicke, neue Blazer milderte das zumindest etwas.
»Schön, dass das Unternehmen in Familienhand bleibt.«
Es überraschte Maren, dass es bei ihm tatsächlich klang, als hätte er Respekt vor der Tradition des Familienunternehmens. Aber vermutlich war das nur gespielt. Sie hatte von mehreren kleinen Unternehmen Klagen gehört, Simmons habe sie um ihre Zukunft gebracht.
»Daran besteht kein Zweifel«, bestätigte Maren entschlossen, obwohl ihr diese Zukunft inzwischen viel zu nahe schien, wenngleich sie sich dafür noch nicht bereit fühlte.
Simmons lächelte. »Es ist schön, zu sehen, dass diese Familie so gut zusammenhält. Familienbande sind etwas sehr Kostbares.«
Maren stutzte. Seine Worte waren zwar nur altbekannte Floskeln, die sie schon so oft gehört hatte, doch seine Stimme hatte sie verändert. Die letzten Worte hatte er leiser gesprochen, und seine Stimme schien etwas belegt.
Automatisch wollte sie nach seiner Familie fragen und herausfinden, warum diese Worte bei ihm traurig klangen. Doch sie widerstand dem Drang. Das war kein Thema für den Smalltalk mit einem neuen Geschäftspartner.
Außerdem war es viel wichtiger, ihrem Vater den Kopf zurechtzurücken, und dazu musste sie erst einmal Simmons loswerden. Deshalb nahm sie es hin, dass das Gespräch mit einer freundlichen Verabschiedung endete und ihr Vater Simmons zum Aufzug begleitete.
Sobald der unliebsame Gast die oberste Etage des Firmensitzes von Albrights verlassen hatte, folgte sie ihrem Vater in sein Büro. »Ich traue ihm nicht«, platzte es aus ihr heraus, sobald sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte.
Oscar Albright ließ sich an seinem Schreibtisch nieder. »So wie ich das sehe, gewinnen wir ihn entweder als Verbündeten oder wir werden von ihm gefressen.«
»Wer sagt dir, dass er den Verbündeten nicht nur spielt, um uns auszuspionieren, bevor er uns vernichtet?«
Thomas Simmons’ Unternehmen Medicare war erst vor einigen Jahren aus dem Nichts aufgetaucht und verschlang seither einen Konkurrenten nach dem anderen. Es war naheliegend, dass er es nun auf ihr Familienunternehmen abgesehen hatte. Wie schon auf andere zuvor.
»Keiner, deshalb müssen wir ihn an der kurzen Leine halten.«
Maren hob eine Augenbraue. »Denkst du, er lässt sich an die Leine legen?« Obwohl es ihr gar nicht behagte, löste Simmons in ihr eine unerwartete Neugierde aus, dennoch widerstrebte ihr der Gedanke, mit ihm zusammenzuarbeiten unverändert.
Ihr Vater seufzte. »Wir müssen es versuchen. Wir dürfen uns Simmons nicht zum Feind machen.«
❀ Kapitel 2 ❀
Thomas warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Ein Geschenk an sich selbst zum Geburtstag, den er wieder einmal alleine gefeiert hatte.
Bis zu seinem nächsten Termin mit Oscar Albright hatte er noch reichlich Zeit, weil der Verkehr an diesem Montagmorgen harmloser war, als er erwartet hatte. Natürlich konnte er nicht über eine halbe Stunde zu früh bei seinem zukünftigen Geschäftspartner aufschlagen. Hätte er Oscar einschüchtern wollen, hätte er das vielleicht getan, um ihn zu überrumpeln, aber noch hoffte er auf eine freundschaftliche Zusammenarbeit.
Er parkte auf dem großzügigen Besucherparkplatz und sah auf sein Handy. Der Segen der modernen Zeiten. So konnte er die ungeplante Wartezeit zumindest nutzen, um einige E-Mails abzuarbeiten. Allerdings wollte er nach der langen Fahrt nicht noch länger im Auto sitzen, zumal es zum ersten Mal seit Tagen nicht regnete.
An den Parkplatz grenzte eine kleine Grünanlage. Von außen war nicht mehr als eine gut gepflegte Hecke zu sehen, die einen Bereich umschloss und an einer Seite zum Parkplatz hin geöffnet war. Vermutlich eine Art Raucherecke, aber immerhin entspannter als im Auto zu warten.
Kurzentschlossen näherte er sich der Öffnung in der Hoffnung, dass sich dort nicht gerade die halbe Belegschaft von Albrights tummelte. Wobei es durchaus interessant sein könnte, dem Klatsch der Mitarbeiter zu lauschen.
Schon im Näherkommen realisierte er die auffällige Stille, nur ein leises Plätschern drang durch die Hecke. Er würde also ungestört arbeiten können.
Hinter der Hecke kam eine amphitheaterartige Anordnung von Betonblöcken zum Vorschein. Drei Reihen dieser Quader waren dort angeordnet, in ihrer Mitte erhob sich ein Berg aus verschiedenfarbigen Steinen, bewachsen von Moosen und eingerahmt von einigen Schilfhalmen. Von oben floss ein sanfter Wasserstrahl hinab.
Thomas hatte nicht wirklich einen Sinn für derartige Gestaltungsthemen, aber er wusste, dass viele Studien bereits den Wert solcher Einrichtungen für die Arbeitsatmosphäre festgestellt hatten. Und es kam ihm gelegen, um die freie Zeit zu verbringen.
Allerdings hatte er auf den ersten Blick etwas übersehen. Genauer gesagt jemanden.
Eine junge Frau, die am Rand des Wassers am Fuße des künstlichen Steinberges kniete und mit beiden Händen im Schilf hantierte.
Verblüfft blieb er nahe der Hecke stehen und musterte die Gestalt, die in ihrer klassischen weißen Bluse und dem blauen Rock so gar nicht für die Gartenarbeit angezogen war.
Auf den zweiten Blick kam ihm der strenge Dutt aus haselnussbraunem Haar auch von hinten bekannt vor.
Wahrscheinlich wäre es besser, zu gehen, bevor sie ihn bemerkte, aber seine Beine trugen ihn in ihre Richtung, als hätten sie ein Eigenleben.
»Brauchst du Hilfe?«, fragte er, obwohl er sich nicht wirklich vorstellen konnte, zwischen den Pflanzen zu werkeln. Es war eher der Versuch, ihre Aufmerksamkeit zu erregen, damit er sich später nicht vorwerfen lassen musste, sie heimlich beobachtet zu haben.
Erschrocken ließ Maren die Pflanzen los und wandte sich mit dem Blicke eines aufgescheuchten Rehs zu ihm um.
Im selben Augenblick verhärtete sich ihre eben noch liebe Miene. Es war also wohl keine Einbildung gewesen, dass sie ihn vom ersten Moment an nicht hatte leiden können.
»Nein, danke«, erwiderte sie mit Nachdruck, während sie wieder auf die Beine kam. »Ich wollte sowieso gerade gehen.«
Er wollte sie zu gerne fragen, was sie überhaupt hier tat, aber sie schien noch weniger in Plauderlaune als bei ihrer letzten Begegnung.
»Was willst du überhaupt hier?«, fuhr sie ihn nun an und erinnerte ihn so daran, dass er der Eindringling war und ihr eine Erklärung schuldete.
»Ich wollte nur ein paar Minuten frische Luft schnappen, bevor ich mich mit Oscar treffe.«
Kurz schien Maren darüber nachzudenken, ob diese Erklärung ausreichend war, um seine Anwesenheit zu rechtfertigen. Wahrscheinlich sollte er froh sein, dass er mit ihrem Vater und nicht mit ihr verhandeln musste. Oscar schien offener für eine Zusammenarbeit, Maren wollte ihn am Liebsten nicht einmal zu Gast haben.
»Ich hoffe, ihr seid bald mit diesen sinnlosen Verhandlungen fertig«, antwortete sie unerwartete schnippisch.
Womit hatte er nur ihren Zorn auf sich gezogen? War es, weil er sie hier gestört hatte?
»Wieso sinnlos? Ich denke, beide Seiten könnten von einer Partnerschaft profitieren.«
Maren machte eine wegwerfende Geste. »Du kannst dir diese Maskerade sparen! Ich weiß, dass du nur darauf aus bist, das Unternehmen zu kaufen und auszuschlachten. Ohne Rücksicht auf das, was mein Vater sich erarbeitet hat, und die Mitarbeiter, die uns schon so lange unterstützen.«
Thomas hob perplex eine Augenbraue. Man konnte ihm sicher einiges vorwerfen, auch dass er bereits mehrere Familienunternehmen aufgekauft hatte, aber nicht, dass er sie zerstört hatte. Er hatte sich immer bemüht, das Know-how dieser Unternehmen und auch die Arbeitsplätze zu erhalten. Es wäre schlichtweg nicht zielführend, wenn er wertvolle Kompetenzen ungenutzt ließ. Ihm ging es bei all seinen Käufen um das große Ganze und das war für ihn die Verbesserung der medizinischen Versorgung.
»Ich wüsste nicht, warum ich das tun sollte.«
Maren wollte offenbar einfach gehen, aber er konnte das unmöglich so stehen lassen, also folgte er ihr entschlossen hinaus auf den Parkplatz.
Irritiert blieb sie wieder stehen und starrte ihn mit unverhohlenem Hass an. Ihre Augen funkelten wild vor Angriffslust.
»Weil es das ist, was du tust. Dein Weg ist gepflastert mit den Leichen von Traditionsunternehmen.«
Er war versucht, sie nach London in seinen Firmensitz einzuladen, um ihr dort eben jenen Weg aus Leichen zu zeigen. Er bezeichnete es üblicherweise eher als Ahnengalerie. Den Flur zu seinem Büro schmückten die Logos und Schriftzüge all jener Firmen, die er aufgekauft und zu einem Teil seines Konzerns gemacht hatte. Die wenigstens waren wirklich tot, viele hatten sogar ihren Namen behalten.
»Nenn mir ein Beispiel!«, verlangte er entschlossen, obwohl er im Grunde gar nicht auf Marens Akzeptanz angewiesen war, solange er sich mit Oscar einigte.
Ihre Augen blitzten, als habe sie nur auf diese Gelegenheit gewartet.
»Brighton, ein Gerätehersteller hier aus der Gegend«, kam es wie aus der Pistole geschossen.
Für ihn leider ein ungünstiges Beispiel, Thomas hätte sicher zwanzig bessere Vorschläge gehabt. Die Familie Brighton hatte ihm bereitwillig ihr Unternehmen verkauft und dabei ganz vergessen zu erwähnen, dass zahlreiche ihrer Produkte bestehende Patente anderer Unternehmen verletzten. Um einen Skandal zu verhindern, war es das einfachste gewesen, das Unternehmen abzuwickeln. Viele der Mitarbeiter hatte er dennoch übernommen.
»Das Unternehmen hatte zahlreiche Probleme, schon bevor ich es übernommen habe. Es war sinnvoll, einen sauberen Schnitt zu machen, und die Mitarbeiter sind in anderen Bereichen untergekommen. Das ist nicht mit Albrights zu vergleichen.«
Maren wandte sich erneut zum Gehen, und wieder folgte er ihr kurzentschlossen, obwohl er sich keine großen Chancen ausmalte, sie umzustimmen.
»Ich nehme an, du findest nach einer Übernahme oft Probleme, die dich zu solchen Entscheidungen treiben«, unterstellte sie trocken.
Natürlich war die Situation mit Brighton ein Sonderfall, aber gerade solche Dinge sprachen sich nun einmal herum.
»Es kommt vor, aber ich bin nicht hier, um Albrights zu übernehmen. Ich weiß sehr zu schätzen, was ihr tut. Ihr bietet zuverlässige Softwarelösungen, sowohl für kleine als auch für große Praxen. Eure Kunden sind euch über Jahrzehnte treu und vertrauen euch. Das ist heutzutage selten un das will ich nicht zerstören, deshalb geht es mir wirklich nur um eine Zusammenarbeit. Du musst also keine Angst um euer Unternehmen und eure Mitarbeiter haben.«
Sie erreichten den gläsernen Haupteingang des Firmensitzes und konnten das Gespräch unmöglich fortsetzen. Was würde es für einen Eindruck machen, wenn er statt mit dem Inhaber zu verhandeln, mit seiner Tochter im Foyer stritt?
»Von wegen Zusammenarbeit! Du willst nur unser Wissen stehlen und vielleicht sogar unsere besten Köpfe abwerben! Aber ich werde das zu verhindern wissen!«
Er streckte bereits eine Hand aus, um sie zurückzuhalten, doch Maren stürmte ebenso entschlossen davon, wie eine Empfangsdame lächelnd auf Thomas zukam.
»Mr. Albright erwartet sie schon.«
Thomas folgte der Dame lächelnd zum Aufzug. Er wolle sich nicht anmerken lassen, wie sehr der Streit mit Maren ihn aufgewühlt hatte. Es wäre wohl kaum ein guter Einstieg in die weiteren Gespräche.
Oscar Albright war ein leidenschaftlicher Geschäftsmann, der nur das Beste für seine Firma wollte, mit ihm konnte Thomas überraschend gut zusammenarbeiten. Immerhin hatte er bereits einem gemeinsamen Softwareprojekt zugestimmt. Was danach kam, würde sich zeigen.
Bei Maren war das etwas anderes. Sie nahm nicht an den Verhandlungen teil, was eigentlich ganz in seinem Sinn war, denn sie hätte sich mit Sicherheit weniger kooperativ gezeigt. Trotzdem dachte er in den Verhandlungen verwirrend oft an sie und ihr liebes, leicht rundliches Gesicht mit diesem roten Schmollmund, der so sehr zum Küssen einlud, auch wenn sie ihm ehrlich die Meinung sagte. Es hatte ihn beim ersten Anblick schon gereizt, diese brave Sekretärinnenfrisur zu lösen und herauszufinden, ob ihre Haare glatt oder gelockt waren.
Obwohl er sonst stets Herr seiner Sinne und Begierden war, löste Maren in ihm etwas aus, das er schon lange nicht mehr erlebt hatte, und das ihn unweigerlich aus der Ruhe brachte. Es ärgerte ihn, dass er sie geschäftlich und nicht privat kennengelernt hatte, andererseits hatte er gar kein Privatleben. Vielleicht sollte er der Arbeit danken, dass sie ihn zu Maren geführt hatte.
Natürlich schob er all diese Gedanken beiseite, sobald er wieder bei Oscar am Verhandlungstisch saß. Sachlich und ruhig trug er seinem Gegenüber seine Vorstellungen vor: ein gemeinsames Projekt, ausgeführt von Experten beider Unternehmen mit Projektbüro an Thomas’ Firmensitz. Entstehen sollte eine Schnittstelle zwischen Thomas’ Diagnosegeräten für Arztpraxen mit geringem Budget und Albrights Patientenverwaltungssoftware.
Genau das wünschten sich viele seiner Kunden und offenbar hatte auch Albrights schon derartige Wünsche zu hören bekommen.
Für alle Vorschläge gab Oscar sich zwar offen, aber auch er hatte klare Vorstellungen. Das Projekt sollte unter Federführung seiner Mitarbeiter durchgeführt werden. Zumindest waren sie sich bezüglich der Ziele und Inhalte des Projekts einig. Vielleicht musste Thomas dankbar sein, dass Maren nicht dabei war, sonst hätte er sich möglicherweise zu nachgiebig gezeigt, um sie milder zu stimmen.
»Einige meiner engsten Mitarbeiter befürchten, dass wir bei diesem Projekt einem Konkurrenten zu großen Einblick in unsere Arbeit und unser Wissen gewähren«, fuhr Oscar ernst fort. Er musste es nicht sagen, Thomas konnte Maren regelrecht vor sich sehen, wie sie das sagte. Und so wirklich verdenken konnte er ihr das gar nicht, schließlich ging es ihm durchaus darum, seinen Feind auszuspähen, um zu entscheiden, ob Albrights in Zukunft Feind oder Freund sein würde.
»Ein gewisser Austausch von Wissen wird sicher für beide Seiten gut sein. Wir werden euch ja auch Details unserer Geräte aufzeigen müssen«, versicherte Thomas. Er machte sich keine großen Sorgen, dass Albrights ihm gefährlich werden könnte, dazu war das Unternehmen zu klein und zu zurückhaltend geführt.
Oscar blieb ernst. »Wenn die Projektarbeit bei uns im Haus stattfindet, fühlen sich meine Mitarbeiter sicher weniger beobachtet.«
Die Forderung war klar, aber genau in diesem Punkt wollte Thomas keinesfalls nachgeben. Er wollte das Projekt bei sich im Haus haben, um ein Auge darauf haben zu können, und vielleicht einen persönlichen Zugang zu den Mitarbeitern seines Konkurrenten zu finden. Egal, wie das Verhältnis ihrer Unternehmen nach dem Projekt sein würde, es war nie schlecht, einige Mitarbeiter des Konkurrenten zu kennen und vielleicht sogar abwerben zu können. Vor allem aber wollte er sehen, ob er sich vorstellen konnte, weiterhin mit diesem Unternehmen zusammenzuarbeiten, oder ob er sich in einen bedingungslosen Kampf um Marktanteile stürzte.
Nach zwei Stunden zähen Diskutierens waren sie kaum vorangekommen. Immer noch stritten sie über den Ort, an dem die Projektarbeit stattfinden sollte: in London bei Thomas oder in Manchester bei Albrights. Beide beharrten sie auf ihren Positionen und beide hatten sie nur das Wohl ihrer Unternehmen im Blick. So würden sie nicht vorankommen, aber Thomas war sicher, dass Oscar irgendwann einknicken würde, denn er fürchtete sich vor Thomas als Konkurrent und wollte ihn als Verbündeten gewinnen.
Irgendwann warf Oscar einen kritischen Blick auf seine Armbanduhr. »Ich denke, es ist besser, wir unterhalten uns ein andermal weiter.«
Thomas konnte dem nur zustimmen, auch wenn er lieber mit einem Sieg aus dieser Diskussion gegangen wäre, als sich zu vertagen.
»Von mir aus«, stimmte er zu, um sich nicht anmerken zu lassen, wie erschöpft er von dem Gespräch war.
Oscar allerdings schien sich seiner Müdigkeit nicht zu schämen. »Bleibst du über das Wochenende in der Stadt?«, erkundigte er sich nun in einem unerwartet freundschaftlichen Ton, sichtlich erleichtert, die Rolle des knallharten Geschäftsmanns abstreifen zu können.
Thomas nickte. Er hatte noch ein paar Termine mit Zulieferern und treuen Kunden ausgemacht, um die Zeit optimal zu nutzen. Es gab keinen Grund, warum er zurück nach London müsste, er hatte niemanden mehr, der zu Hause auf ihn wartete.
»Morgen Abend veranstalten wir eine kleine Gartenparty. Du bist herzlich eingeladen.«
Thomas lächelte freundlich, um sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. Mit einem Geschäftsessen hatte er gerechnet, aber nicht mit einer Einladung in Albrights Haus. Sei deinen Freunden nahe und deinen Feinden noch näher – dieses Motto beherzigte wohl auch Oscar. Und Thomas wollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen. »Vielen Dank, Oscar. Ich komme gern.«
Nicht zuletzt hatte er so vielleicht doch die Chance, Oscars Tochter wiederzusehen und die Missverständnisse auszuräumen.
Maren begutachtete den Himmel. Düstere Wolken hingen dort, doch sah es nicht nach Regen aus. Was wollte sie mehr vom Frühling in Nordengland? Trotzdem hatten sie und ihre Mutter zusätzliche Regenschirme gekauft, damit keiner der Gäste im Regen stehen musste, falls das Wetter es sich anders überlegte. Um dem hartnäckigen Grau über ihnen den Kampf anzusagen, hatte Maren sich außerdem in ein knielanges sonnengelbes Kleid geschwungen, obwohl es dafür doch noch etwas kalt war. So begrüßte sie um fünf Uhr nachmittags an der Seite ihres Vaters die ersten Gäste, während ihre Mutter ein letztes Mal kontrollierte, ob alles zu ihrer Zufriedenheit war. Natürlich würden die meisten Gäste erst im Laufe der nächsten Stunden eintreffen, aber Oscar bestand darauf, zumindest die ersten persönlich am Gartentor in Empfang zu nehmen. Ihm ging es bei diesen Festen auch darum, abseits von Verhandlungstisch und erschlagenden Vertragstexten ein engeres Verhältnis zu seinen Kunden und Geschäftspartnern aufzubauen.
Gerade deshalb hätte es sie nicht überraschen sollen, als plötzlich Thomas Simmons die Einfahrt heraufgeschlendert kam. Diesmal kam er ganz leger in Jeans und grauem Hemd, worin er viel zu attraktiv für Marens Geschmack aussah. Vor allem aber wirkte er plötzlich menschlicher.
»Du hast Simmons eingeladen?«, zischte sie ihrem Vater ungläubig zu.
»Warum nicht?«, antwortete dieser schulterzuckend. »Es kann nicht schaden, ihn besser kennenzulernen.«
Nun ärgerte sie sich über ihre Kleiderwahl. Thomas sollte sie doch als seine erbitterte Gegnerin erleben, nicht im sonnengelben Kleidchen. Sie wollte ihn auch nicht besser kennenlernen, was sie von ihm kannte, war ihr bereits genug.
»Schön, dass du gekommen bist.« Ihr Vater reichte Simmons freundschaftlich die Hand.
Halbherzig zwang Maren ihre Mundwinkel nach oben. Simmons sollte wissen, dass er nicht willkommen war.
»Es ist mir eine Freude!« Mit einem Lächeln, das sogar seine Augen leuchten ließ, wandte dieser sich Maren zu und reichte auch ihr die Hand. Höflichkeitshalber erwiderte sie seinen Händedruck. Warum fühlte sich seine Hand nur so vertraut an?
Schnell ließ sie seine Hand wieder los.
Zum Glück ging ihr Vater vollkommen in der Rolle des Gastgebers auf, sodass ihre Reaktion auf den Händedruck unbemerkt blieb. »Maren, wie wäre es mit einem Rundgang für unseren Ehrengast?«
Bitterböse blickte sie ihn an. Er wusste doch, wie sie über Simmons dachte und dass sie sicher nicht die beste Gesellschaft für ihn war. Zumindest nicht, wenn er sich wohlfühlen sollte.
»Ich denke, Thomas findet sich auch alleine gut zurecht.« Abschätzig musterte sie den unwillkommenen Gast, der nicht wirkte, als bräuchte er einen Babysitter.
Ihr Vater war sichtlich sprachlos über ihren Widerspruch in Gegenwart eines zukünftigen Geschäftspartners, aber Thomas sollte ruhig sehen, dass Maren sich nicht bedingungslos ihrem Vater beugte. Sie war keine Marionette. Thomas allerdings schien ihre Ablehnung nicht getroffen zu haben, unbekümmert lächelte er sie an. »Eigentlich fände ich es reizend, wenn du mich herum führst. Ich könnte mir keine angenehmere Gesellschaft vorstellen.«
Maren biss sich auf die Lippe. Höflichkeit und Taktgefühl geboten ihr, nun nachzugeben, aber alles in ihr sträubte sich dagegen, unnötig Zeit mit Thomas zu verbringen. »Von mir aus«, murmelte sie.
Sobald sie ihre Pflicht einigermaßen erfüllt hatte, würde sie sich unter einem Vorwand verkrümeln. Alleinunterhalterin für Simmons würde sie sicher nicht spielen, selbst wenn er auf dieser Party vermutlich der einzige Gast in ihrem Alter war.
»Danke, Maren.« Im Blick ihres Vaters lag die eindringliche Bitte, sich zu benehmen. Konnte sie ihn wirklich enttäuschen?
Ungefragt hakte Thomas sich bei ihr unter und führte sie fort, ganz und gar nicht so, als bräuchte er sie als Tourguide.
Schon wieder nahm er sich viel zu viel heraus: Erst ging er ungefragt zum Du über, dann wagte er den Körperkontakt. Er näherte sich gefährlich einer Ohrfeige, und darüber wäre Marens Vater sicher gar nicht begeistert.
Sobald sie um eine Ecke gebogen und außer Sichtweite ihres Vaters waren, entzog sich Maren entschlossen Thomas’ Griff. »Ich zeige dir zuerst die Bar«, erklärte sie kühl, in der Hoffnung, ihn dort einem anderen Geschäftsmann andrehen zu können, der Thomas in ein Gespräch verwickelte. Da von ihm kein Widerspruch kam, steuerte sie auf die weitläufige Terrasse hinter dem Landhaus zu, auf der ein engagierter Koch für die Gäste grillte, während an der Bar Getränke serviert wurden. Ihre Mutter legte bei solchen Festen stets großen Wert auf das leibliche Wohl der Gäste.
»Möchtest du etwas trinken?«, bot Thomas großzügig an, als wäre sie seine Begleitung und nicht Gastgeberin.
»Nein, danke.« Sie würde sicher auch nicht anbieten, ihm etwas zu holen, schließlich war er durchaus selbst in der Lage, an die Bar zu gehen, und sie war keine Kellnerin.
»Ich bestelle uns etwas, damit wir auf unsere baldige Partnerschaft anstoßen können.«
Bevor sie ablehnen konnte, war Thomas schon verschwunden. Im Grunde war es ihre Gelegenheit, sich davonzustehlen. Thomas würde sich gewiss nicht bei ihrem Vater über sie beklagen, schließlich müsste er dann zugeben, dass er von ihr stehen gelassen worden war. Allerdings wäre so eine Flucht kindisch und so gar nicht angemessen für die zukünftige Unternehmensleiterin. Zähneknirschend verharrte Maren an Ort und Stelle. Wie ihr Vater würde sie nicht immer Rücksicht auf persönliche Sympathien nehmen können. Ihre Beziehung zu Simmons war geschäftlich, und so musste sie sich auch benehmen: professionell und zuverlässig.
»Bitte schön.« Thomas war zurückgekehrt und drückte ihr ein Glas Erdbeerbowle in die Hand. Obwohl Maren sich sicher war, dass er nicht der Typ für ein so süßes Getränk war, hatte er für sich dasselbe mitgebracht.
»Danke.« Da sie keine Alternative hatte, hob sie ihr Glas zum Anstoßen.
»Auf dass wir nun das Kriegsbeil begraben können«, verkündete Thomas feierlich, bevor sie tranken.
Glaubte er wirklich daran? Maren nippte nur vorsichtig, denn sich zu betrinken war sicher nicht die Lösung für ihre Probleme mit ihm. »Ich wusste nicht, dass wir uns im Krieg befinden«, erwiderte sie möglichst ruhig.
»Wenn nicht, warum behandelst du mich dann, als wäre ich der Teufel in Menschengestalt?«
Maren nahm einen etwas größeren Schluck aus ihrem Glas, um den Schreck hinunterzuspülen. Sie war nicht darauf vorbereitet, jetzt ein so ernstes Gespräch mit Thomas zu führen.
»Das ist etwas übertrieben«, gab sie schließlich zurück. Beinahe bewunderte sie ihn für seine Direktheit. Sie hätte nie den Mut gehabt, ihre unterschwellige Feindschaft so ehrlich anzusprechen.
»Dann lass uns doch noch einmal von vorn beginnen.«
Erhobenen Hauptes blickte Maren in seine efeugrünen Augen. »Wir können von vorn beginnen, sooft wir wollen. Das ändert nichts daran, dass du eine Bedrohung für unser Familienunternehmen bist.«
»Können wir das Geschäftliche nicht eine Weile außer Acht lassen? Ich dachte, diese Veranstaltung sei privater Natur.«
Maren funkelte ihn bitter an. »In unserer Familie gibt es keine Trennung zwischen privat und geschäftlich.« Ihr Leben hatte sie ganz dem Unternehmen gewidmet, sogar ihre Berufswahl hatte sie dem untergeordnet, sonst wäre sie sicher nicht in die Software-Branche gegangen.
Thomas’ Lächeln wurde schmaler, ehrlicher. »Dann wage doch heute Abend etwas Einmaliges und nimm dir frei.«
Wenn er wüsste, wie gern sie das täte …
»Das hast du nicht zu entscheiden!«, antwortete sie giftig. »Und was sollte das schon ändern?«
Wenn sie ehrlich war, würde es viel ändern, falls sie das Geschäftliche außer acht lassen könnte: Sie wäre frei, sie müsste nicht einmal bei dieser Party sein.
»Das können wir nicht wissen, wenn wir es nicht ausprobieren«, widersprach er unerträglich selbstbewusst.
Maren ließ ihren Blick über die Runde streifen. Nach und nach trafen immer mehr Gäste ein. Jetzt musste sie es nur noch irgendwie schaffen, dass Thomas sich unters Volk mischte – möglichst schnell, denn das Gespräch mit ihm machte sie unruhig. Sie fühlte sich unwohl in ihrer Haut und stellte in Gedanken ihr ganzes Leben in Frage.
Das musste aufhören!
»Willst du mich nicht noch weiter herumführen?« Die samtweiche Stimme von Thomas riss sie unvermittelt aus ihren Gedanken.
Wahrheitsgemäß wäre die Antwort ein klares Nein, aber diese Blöße konnte sie sich nicht geben. »Es gibt nicht mehr viel zu sehen. Seerosenteich, Rosenbeete, nichts Besonderes. Soll ich dich nicht lieber den anderen Gästen vorstellen? Es sind sicher auch einige Leute aus deiner Branche da.«
»Seerosenteich klingt toll.« Thomas grinste, als hätte er das nur gesagt, um sie zu ärgern.
Widerwillig führte Maren ihn fort vom zunehmenden Gästetreiben zu den Seerosen, die natürlich um diese Jahreszeit noch keine besondere Augenweide waren. Zu sehen waren hauptsächlich die großen Schwimmblätter auf der Wasseroberfläche, man musste schon genau hinsehen, um zu erkennen, dass vereinzelt bereits die Spitzen der ersten Knospen aus dem Wasser ragten.
»Bald werden die ersten anfangen zu blühen«, entschuldigte sie sich unweigerlich, weil sie fürchtete, dass Thomas von dem Anblick enttäuscht sein könnte. Aber warum spielte das überhaupt eine Rolle für sie? Wäre es nicht gut, wenn er enttäuscht wäre, und sie endlich in Ruhe ließ?
»Es ist bezaubernd«, erwiderte Thomas. Obwohl er das sicher nicht ernst meinte, klangen seine Worte aufrichtig und versetzten ihr damit einen Stich.
Im Grunde hätte Maren so gern endlich jemanden getroffen, der Verständnis dafür hatte, dass sie sich mehr für Gartenarbeit begeisterte als für Börsenkurse und Verhandlungsstrategien.
»Ich kann es mir gut vorstellen. Im Sommer muss es herrlich sein. Vielleicht lädst du mich dann noch mal ein.«
Überrascht starrte Maren ihn an. Das konnte doch nicht sein Ernst sein! Er war der wahrhafte Wolf im Schafspelz! Statt ihm deutlich zu sagen, wie seine Chancen auf eine zweite Einladung in diesen Garten standen, wechselte sie lächelnd das Thema. »Eigentlich hatte mein Vater hier nur Goldfische und dachte daran, Kois anzuschaffen, aber so ist es doch viel schöner«, sogar ihr Vater hatte das inzwischen eingesehen, allerdings nahm er sich selten Zeit für Diskussionen über den Garten.
»Du scheinst ein Händchen für Pflanzen zu haben.«
Zum ersten Mal lag eine unbezweifelbare Aufrichtigkeit in seinen Worten und in seinen schönen grünen Augen. Das erste Mal hatte sie nicht den Eindruck, dass er sie nur um den Finger wickeln wollte.
»Es ist nur ein Hobby.« Zwangsläufig, weil ihr Vater es ihr nie verziehen hätte, wenn sie das Familienunternehmen im Stich ließ, um Gärtnerin zu werden. Jetzt durfte sie wenigstens nebenher die Grünanlagen um den Firmensitz gestalten, das musste reichen, um ihre Leidenschaft zu befriedigen.
Thomas seufzte traurig. »Ich wäre froh, wenn ich auch so einen grünen Daumen hätte, aber bei mir scheinen alle Pflanzen einzugehen.«
Maren verkniff sich einen bösen Kommentar darüber, dass er seine Pflanzen vermutlich einfach regelmäßiger gießen oder gleich durch künstliche ersetzen müsste. Sein gedämpfter Tonfall ließ sie zögern.
»Du kannst dir sicher einen guten Gärtner leisten.«