Seelen-Gedichte - Matthias Müller Kuhn - E-Book

Seelen-Gedichte E-Book

Matthias Müller Kuhn

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Beschreibung

In den 336 Seelen-Gedichten, welche in 4 Bänden in einer Zeitspanne von 36 Jahren entstanden sind, öffnen sich Räume, in welchen unberührte, oft noch unentdeckte Landschaften da liegen. In einer feingliedrigen, musikalischen Sprache kommen Geschichten und Begegnungen zum Ausdruck, welche die ungeahnten Dimensionen der Seele erahnen lassen.

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Matthias Müller Kuhn, geboren 1963, ist Dichter und Theologe. Er lebt und arbeitet im Raum Zürich. Seit 40 Jahren schreibt er Gedichte und Prosa. Er sieht sich als Spracherfinder, dessen Anliegen es ist, eine neue lyrische Sprache zu schaffen, mit welcher Lebenszusammenhänge umfassend ausgedrückt werden können. Weitere lyrische Werke: Leichte Gedichte (1989 bis 2018), Biblia lyrica, (2000 bis 2016)

Inhalt

Bild-Gedichte (2014) 1-120

Seelen-Fenster (2004) 1-120

Im Schatten eines Engels (1986) 1-38

Abendglühen (1980) 1-58

In den 336 Seelen-Gedichten, welche in 4 Bänden in einer Zeitspanne von 36 Jahren entstanden sind, öffnen sich Räume, in welchen unberührte, oft noch unentdeckte Landschaften da liegen. In einer feingliedrigen, musikalischen Sprache kommen Geschichten und Begegnungen zum Ausdruck, welche die ungeahnten Dimensionen der Seele erahnen lassen.

Bild-Gedichte

Hundertzwanzig Seelen-Bilder

(2014)

1 Wolkenbild

Wolken ziehen weiter, Fäden sind zu wundersamen

Mustern verwoben. Wie kann ich’s lesen?

Müsste ich blind mit meinen Fingerspitzen tasten?

Berggipfel sind verhüllt und verlieren ihre Kraft,

unter dem Regentuch versinkt alles im grauen Einerlei.

Jetzt kommt die Sonne und zieht Kreise,

Lichtwirbel, sogar der Himmel beginnt

sich zu drehen. Meine Augen werden klar,

durchsichtig in der Luft überschlagen

sich die Worte und balancieren auf dem

gespannten Seil des Horizonts, denn über

diese Brauen hinaus wird niemand kommen.

2 Erwachen

Die Stadt schlummert in den ruhig daliegenden

Pärken und atmet Stille, kaum hörbar im Schlaf,

so lange die Nacht ihre schützende Hand ausbreitet.

Wie auf ein geheimes Zeichen hin entspringt

ein Fluss von Geräuschen in den Strassen.

Strudel, kleine Wasserfälle entstehen von Stimmen,

von Schritten, von sich reibenden Rädern.

Ein immer breiterer Strom füllt Seitengassen und

Plätze und dringt durch hilflos sich wehrende Fenster

am Ende ins Ohr der sanft Erwachenden.

Wenn heute ein Stück übriggebliebener Schlaf sich

treiben liesse, um im Meer die Stille wieder zu finden.

3 Seele

Seele, ich suche dich! Wie viele Hügel liegen

zwischen mir und deiner unaussprechlichen Zeit?

Reise ich durch Länder, immer folge ich

deiner Spur, die nur hingehaucht ist

in den Himmel, wenn der Abend rot

brennend auf die fremden Städte fällt

und auf die Dächer, unter denen sich Menschen

zum Schlaf betten. Ich gelange zum Stern,

der mit seinen Strahlen ein Zelt aufspannt,

dass der Morgen auftreten kann im Gewand

deiner Schönheit. Hoffnung wird gestreut,

Brot, dem die Hungernden folgen.

4 Tanz

Frauen tanzen in bunten Gewändern

und wirbeln wild um ihre Mitte.

Bäume wachsen von den Wurzeln empor,

werden leicht im Wind und fangen Licht auf

mit den Blättern, die sie glitzernd in die Höhe werfen.

Stille fällt, als wäre der Himmel eingebrochen

und hätte nun seine Fülle verschenkt

an die begeistert sich drehenden Augenblicke.

Mit Würde richten sie sich auf und

verneigen sich vor den zahllosen Zuschauern,

die ihre ewig gültigen Münzen des Glücks

in den Schoss der endlich Gestillten werfen.

5 Feuerwerk

Staunen breitet sich aus.

Viele bunte Funken am Nachthimmel erleuchten

die verwunderten Gesichter. Farben verglühen,

neue höhere Kreise steigen in glühendem Erscheinen,

bis ein Regen stürzt und im Dunkeln sich

auflöst, dann werden neue Lichter noch höher

geschleudert und berühren das Gewölbe des Alls.

Alles umfassende Lichtwirbel reissen

sogar die leeren Räume mit sich.

Das Feuerwerk taumelt ins Innerste

der Herzen, wo die Gewissheit wächst,

dass alles am Ende in Gottes Hand fällt.

6 Die Sterbenden

Sanft gehen die Sterbenden hinüber

und lösen sich vom letzten Kreis des Daseins.

Die versteinerte Schuld, die noch schwer war,

verwandelt sich in Blumenbänder voll von Erinnerung.

Bilder der Erde, Wolken, bunte Häuser,

Treppen und Räume drehen sich

um diesen letzten Moment des Lebens.

Durch Kinder Augen wandelt sich die Zeit

hinein in den Strom der Reife, wo nichts bleibt.

Endlich auf dem Meer sind die sanften Segel

gespannt und gehen langsam dem lichtvollen

Ufer der Ewigkeit entgegen.

7 Sturm

Kannst du übers Wasser gehen?

Worte fügen sich zusammen und bilden

eine Oberfläche, die im Licht glitzert.

Feine Wellen breiten sich aus und berühren

mein inniges Verstehen, plötzlich wage ich

es Sinn suchend. Ein Sturm verdunkelt

den Himmel, das Schiff ist hin und her gerissen,

schwarze Abgründe der Zweifel überschlagen sich,

die Ruder greifen ins Leere, nichts ist sicher!

Schreie, hilf uns! Da kommst du fast tanzend

übers Wasser und fasst alle verlorenen Worte

in einem rettenden Wort zusammen.

8 Unterwegs

Viele Fäden sind in meine Zeit verflochten.

Flüsse sehe ich, glitzernde Lebensströme,

die durch die vielverzweigten Adern fliessen.

Ich sehe Träume, die aufblühen, Bilder rollen

heraus wie Kugeln, um zu spielen, triffst du das Ziel?

Wie könnte ich ankommen im Hier und Jetzt,

ich bin unterwegs! Einen letzten Schimmer

wirft die Liebe auf die Dächer der einfachen

Hütten am Meer, wo die Armut kauert

und mit ausgestreckter Hand bettelt,

um einen Augenblick der Zuwendung, vielleicht

eine schimmernde Münze des Glücks zu bekommen.

9 Auferstehen

Ich sehe das Licht und schwebe,

welchen Sternen entgegen,

auf anderen Bahnen durchs Universum,

bis sich neue Galaxien öffnen im unendlichen Raum.

Ich breite meine Arme aus

bis zu den äussersten Rändern,

wo noch aus Nebel neue Welten entstehen.

Plötzlich unbekümmert aus Farbenschleiern fällt

ein Wort: Ich bin das Licht. Ihr habt mich zu Grabe

getragen und einen Stein vor den Ausgang gerollt,

jetzt aber werde ich auferstehen in eure leuchtende

ungläubig staunende Hoffnung.

10 Weisheit

Weisheit zeigt sich in einem einzigen Blatt.

In der Stille waren die Knospen verschlossen,

jetzt verführt sie die Sonne zum Blühen.

Von Widerwärtigkeiten wussten

die frühlingshaft flatternden Blätter nichts,

bis über ihnen die schweren regenüberladenen Tage

niedergingen und ihre feinen Falten überfluteten.

Jetzt wächst die Erkenntnis, dass die Zeit ein Fluss ist:

Ihn gelassen hinnehmen, im Sturm tanzen,

im Blitz zusammenzucken, sich in den Wind legen,

um endlich leuchtend durchsichtig zu werden

für die zärtliche Umarmung der Vergänglichkeit.

11 Landschaft

Ein Lächeln legt sich über die Landschaft,

Nebelschleier lösen sich auf. Ein klarer Tag

steigt über die Hügel, ein See glitzert

und wirft Sterne in den Himmel.

Der Bogen der Zeit spannt sich von den still

daliegenden Wäldern über Brücken und

Flüsse bis hin zur fernen Ebene. Nun wandern

auch die blauen Schatten unter den Bäumen

über die Gesichter, über die hellen Felder

der Stirnen und gleiten über die Augen

von Menschen, die an runden Tischen sitzen.

Auf ihren Lippen zeichnet sich ein leichtes Lächeln ab.

12 Erinnerung

An den Rändern sind verdorrte Blätter,

Herbstworte rascheln, wenn Menschen

ihre Wege gehen. Fällt ein Schicksal

als reife Frucht in den Schoss der Wartenden,

vermischen sich Himmel und Erde.

Trauben werden voll in ihrem Innern,

Säfte sammeln sich, in denen kostbare

Erinnerungen ruhen. Trunken

von Sehnsucht, angehaucht von Farben

beim Untergang der Sonne, rot ausgegossen

wie Blut in der Dämmerung, von Dornen verletzt,

feiern wir in Brot und Wein das letzte Mahl.

13 Die Elenden

Leer gefegte Bäume, Enttäuschungen hängen

im kahlen Geäst. Schwarze Raben

kommen von weit her und sammeln

Schweigen im eisigen Wind, sogar

die Brunnen gefrieren und der Blick

verliert sich klirrend in der Ferne.

Nur im Innenhof der Herzen brennt noch

ein Feuer, an dem sich die Verlorenen

ihre Hände wärmen, die nichts

mehr festzuhalten wissen als

das kleine, unsägliche, schon nicht

mehr gültige Stück Hoffnung.

14 Die Schlafenden

Nächte fallen wie von einer anderen Welt

und verfangen sich in den Haaren

der Schlafenden. Von der Sonne weg

dreht sich der Traum und wird

bevölkert von fremden Menschen,

auf deren Stirnen Sterne aufgehen.

Wälder verklingen leise, vor den Augen

wird ein durchsichtiger Schleier

gewoben von kostbaren Begegnungen,

manchmal berührt ein Engel unscheinbar

mit einer goldenen Flügelspitze kurz

vor dem Erwachen meine Wimpern.

15 Stiller Trost

Die Zeit dreht sich, eine Träne rollt

über die Wangen der Welt. Menschen

werden fortgedrängt im breiten Strom,

bauen Türme von Ehrgeiz, graben Schluchten

von Fortschritt, häufen Zahlen, dass fahrige

Buchstaben durch ihre leer gelesenen Augen wirbeln.

Jetzt bricht leise eine Quelle auf

und aus der Tiefe fliessen Träume

über Treppen und Stufen der Ungeduld

und eine Stunde blüht auf, in der die zeitlose

Erinnerung an den Himmel schimmert:

Wächst im Innern des Herzens ein stiller Trost?

16 Feuerzungen

Aus einem Augenblick springen

Funken in die Gedanken hinein

und entzünden ein Feuer,

das um den ganzen Erdball geht.

Nun leuchten die grauen Mauern

und die Hochhäuserschluchten und

die breiten Ausfallstrassen verwandeln sich

in feine von Feuerzungen durchzuckte

Blätter, die von den Bäumen taumeln,

weil der Herbst Begeisterung

in die Herzen haucht. Geist

wirbelt leicht durch Vergänglichkeit.

17 Einschlafen

Auf Wolken betten sich weich

meine Gedanken und ziehen weiter durch

die Augen, die wie stille Seen daliegen.

Vögel fliegen auf und lösen

sich langsam vom Spiegel.

Eine hingehauchte Spur am Himmel

will wirklich werden, auf ihr tanzen

Wörter und Zahlen und Bilder,

bis sich ein kugelrunder Traum formt,

wenn ich in den Schlaf gleite

und nichts mehr festhalte: Drehe ich mich

lachend leicht in Gottes Hand hinein?

18 Ausblick

Berge ragen auf und beschweren

den Atem der Wälder und der Flüsse.

Steile Felsen fallen in welche Schluchten,

und einschneidende Täler verengen sich.

Letzte Steilwände stehen verloren da,

bis sie von unglaublichen Gipfeln

überragt werden. Nur noch Himmel ist

zu sehen, doch der Weg windet sich empor

über Steine, abgebrochene Grate, verschüttete Hänge,

staubiges Geröll. Jeder Schritt ist kostbar,

denn er führt endlich zum Ausblick

über die zerklüftete Landschaft des Herzens.

19 Ein Tag

Das Hier und Jetzt schaukelt

auf den Wellen des Herzschlags.

Welches Boot fährt hinaus? In welchen Netzen

verfangen sich die glitzernden Fischschwärme

der Gedanken? So werden nun

die einzelnen zappelnden Glücksmomente

ans Licht gehoben und verschmelzen

mit der langsam aufgehenden Sonne,

um den aus vielen Ideenbögen

bestehenden Tag zu bilden.

Bis er am Abend mit einer Flut von Bildern

und schweren Erinnerungen im Meer versinkt.

20 Seelenklänge

Am Ende kehrt alles zur Seele zurück.

Die Ränder tönen noch, die äussersten Saiten

des Seins schmiegen sich in geschwungene

Buchten und Ufer. Höre,

die klingenden Körper gehen immer

in der Dämmerung den Übergängen entlang.

Wäre die Nacht ein Spieler,

nähme sie die Geige und striche mit dem Bogen

der hohen Sternenräume über die menschlichen

Gefühle Freude, Trauer und Schmerz.

Und die Enttäuschungen gingen ein

wie kreisrunde Wellen ins Ohr der Ewigkeit.

21 Nachtvergessen

In den Wogen des Vergessens tauchen

die Wörter unter. Mit Silberfäden

gewobener Sternenschleier bedeckt

das Gesicht der Nacht: Schau, im Schatten

der Bäume versteckt sich Vergänglichkeit,

obwohl es nur das Licht des Mondes ist.

Schemenhaft schleicht die Schuld

den Waldrändern des Gewissens entlang

und schreckt den traumwandlerischen Gedanken

auf. Nur weiter auf diesem dunklen Weg,

wenn die Sonne aus meinen Augen fällt,

spüre ich einen Glanz auf meinen Fingerkuppen?

22 Herbstmusik

Tonreihen springen aus dem hellgelben Laub,

wenn der Wind hinein fährt.

Blätter lösen sich und schweben taumelnd,

Kinder mit ausgestreckten Armen versuchen

sie zu fangen und rennen lachend nach ihnen.

Niemand denkt, wie lange der Winter währt.

Die Äste sind übermütig

und schütteln ihr Haar:

Wie kahl werden sie da stehen und die Leere

aushalten, in die Tiefe des Himmels starren,

voller Sehnsucht träumen von jener Musik,

ein klingendes Kleid von lichtgrünen Tönen.

23 Gewebe der Zeit

Luftiges Gewebe der Zeit, manchmal

siehst du den Himmel hindurch lächeln,

als ob es keine festen Gegenstände gäbe.

Es scheint alles zu schweben,

sogar die Gefühle bekommen Flügel!

Sieh, plötzlich fliegt die Trauer

flach durch deinen Blick oder

von der Wimper springt die Freude auf,

gewinnt an Höhe und gleitet

über die letzten Hügelzüge der Endlichkeit.

Die nur flüchtig gezählten Stunden sind Saiten

der Harfe, die himmlisch in deinem Ohr klingt.

24 Gewissheit

Du gibst mir Recht: Im Innersten

schweben Atome auf Bahnen

wie Sterne im Raum und irgendwo

schlägt ein Herz, wo das Wunder

des Lebens kauert und sich verborgen hält.

Aber diese Berge, diese Sterne

und Meere sind flüchtig, sie spiegeln

sich in deinen Augen und fallen entzückt

und voller Jubel tief in dein Inneres,

wo in deiner Hand die Ahnung langsam zerrinnt

und übergeht in eine leise klingende Gewissheit,

dass alles in Gott neu beginnt.

25 Im Fluss der Zeit

Auf dem Fluss gleitet das Schiff,

an welchen Städten zieht es vorbei,

wo Worte sich auftürmen und Gedanken

Brücken schlagen und Strassen des Schicksals

wild verschlungen sind. Menschliches löst

sich auf wie jene Berge in der Ferne,

die in der Ebene versinken. Weiter

drängen die Stunden und die grosse

Sehnsucht geht auf am Rand der Zeit.

Auch die Bäume und Häuser am Ufer sind

schwer von Erinnerung und fliessen ins Meer,

um endlich im Grossen geborgen zu sein.

26 Geschichte

Mit der Vergangenheit verwoben lebt

der Mensch im Heute und ist schon

verflochten ins Gewebe von Morgen,

das in klaren Nächten funkelt und

sternenweit sich über die dunkel

schimmernde Landschaft legt. In den Wurzeln

des Stammbaums schlummern Geschichten,

Gespräche erwachen, Schicksalsbilder,

Gesichter zeichnen sich ab im Wechsel

von Not und Freude, doch in der Krone,

die sich leise im Winde wiegt, blüht

plötzlich duftend unwiederbringlich das Jetzt.

27 Stillleben

Ein Apfel liegt da,

auf ihm spiegelt sich das Fenster.

Sogar die fallenden Vorhänge sind

zu erkennen, quer dazu das Messer.

Über die Klinge gleitet das Licht

und fliesst auf den runden Tisch.

Die Schale weiss es nicht aufzufangen, die gefüllt

ist mit Trauben, welche wie Perlen glänzen.

Nur der Teller deutet an,

dass einmal jemand sitzen wird auf

dem zufällig auf der Seite stehenden Stuhl

und dieses Bild neu gestalten wird.

28 Porträt

Die Bogen der Augenbrauen

tragen die Stirn, ein weises Gewölbe,

das den Himmel in die Höhe hält.