Seemannsschicksale aus Emden und Ostfriesland – erlebte Geschichten rund um die Seefahrt - Jürgen Ruszkowski - E-Book

Seemannsschicksale aus Emden und Ostfriesland – erlebte Geschichten rund um die Seefahrt E-Book

Jürgen Ruszkowski

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Beschreibung

Seemannsschicksale auf Fischkuttern, Dampfern und Motorschiffen aus dem 20. Jahrhundert werden in diesem Band 18 der maritimen gelben Zeitzeugen-Buchreihe "Seemannsschicksale" vorgestellt. Woher stammen die Männer? Wie kamen sie zur Seefahrt? Was erlebten sie an Bord und auf ihren Reisen? Diese Seeleute und ihre Zeit der Seefahrt sollten nicht in Vergessenheit geraten. Viele der in diesem Band abgedruckten Texte wurden bereits um 1996/97 in der Emder Zeitung veröffentlicht und durch Vermittlung der "Freunde der Seefahrt" in Emden von Jürgen Ruszkowski als Buch gestaltet. Der Herausgeber dieser Buchreihe leitete 27 Jahre lang das große Seemannsheim in Hamburg neben dem "Michel" am Krayenkamp und begegnete dort Tausenden Seeleuten. Aus Rezensionen: Ich bin immer wieder begeistert von der "Gelben Buchreihe". Die Bände reißen einen einfach mit und vermitteln einem das Gefühl, mitten in den Besatzungen der Schiffe zu sein. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights der Seefahrts-Literatur. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechselungsreiche Themen aus verschiedenen Zeitepochen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlich hat. Alle Achtung!

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Jürgen Ruszkowski

Seemannsschicksale aus Emden und Ostfriesland – erlebte Geschichten rund um die Seefahrt

Band 18 in der maritimen gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort des Herausgebers

Udo Tjardes

Horst Brügma

Albert Buabeng

Richard de Buhr

Das Schicksal der „URSULA SCHULTE"

Hero Buss

Adolf van Detten

Hermanus Eickholt

Johannes Elster

Ferdinand Feldkamp

Dimitrios Frangulis

Arthur Giesselmann

Pedro Gomez Rodriguez

Untergang des Loggers „RAVENSBERG“

Eduard Harle

Hermann Heiten

Friedrich Wilhelm Hübner

Jan Hülsebus

Srdajan Ilic

Marten van Laaten

Ludwig Kampmann und Adolf Lindloff

Marios Matsinos

Peter Mehlbreuer

John Morecroft

Gerd Nörder

Fred von Omorczyk

Heinrich Pollmann

Johann Pupkes

Ernst Richter

Ernst Richters Fahrzeiten auf Emder Schleppern

Karl-Heinz Schmidt

Johannes Schmitz

Karl Schwäke

Walter Spott

Johann Stöhr

Heiner Struck

Karl á Tellinghusen

Gerhard Treustedt

Gerhard Treustedt über ROCKNES-Unglück

Michael Wernicke

Piratenüberfall in Westafrika

Untergang der „IRENE OLDENDORF“

Rolf Buse

Seemännische Umgangssprache und Fachausdrücke

Erwähnte Reedereien, Organisationen und Behörden

Personenregister

Weitere Informationen

Die maritime gelbe Buchreihe

Impressum neobooks

Vorwort des Herausgebers

Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche, ein Hotel für Fahrensleute mit zeitweilig 140 Betten. In dieser Arbeit lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.

Im Februar 1992 kam mir der Gedanke, meine Erlebnisse bei der Begegnung mit den Seeleuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzutragen, dem ersten Band meiner gelben Reihe „Zeitzeugen des Alltags“: Seemannsschicksale.

Insgesamt brachte ich bisher über 3.600 Exemplare davon an maritim interessierte Leser und erhielt etliche Zuschriften als Reaktionen zu meinem Buch. Diese Reaktionen auf den ersten Band und die Nachfrage ermutigen mich, in weiteren Bänden noch mehr Menschen vorzustellen, die einige Wochen, Jahre oder ihr ganzes Leben der Seefahrt verschrieben haben.

Rezensionen, etwa: Ich bin immer wieder begeistert von der „Gelben Buchreihe“. Die Bände reißen einen einfach mit und vermitteln einem das Gefühl, mitten in den Besatzungen der Schiffe zu sein. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. oder: Sämtliche von Jürgen Ruszkowski aus Hamburg herausgegebene Bücher sind absolute Highlights der Seefahrts-Literatur. Dieser Band macht da keine Ausnahme. Sehr interessante und abwechselungsreiche Themen aus verschiedenen Zeitepochen, die mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt haben! Man kann nur staunen, was der Mann in seinem Ruhestand schon veröffentlich hat. Alle Achtung!

In diesem Band 18 können Sie wieder etliche Seeleute, deren Erlebnisse oder Schicksale kennen lernen. Sie alle stammen aus Emden und Ostfriesland oder fanden dort nach ihrer Seefahrtszeit ihre Heimat. In der Emder Zeitung berichtete um 1996 herum EZ-Mitarbeiter Gerd Redenius im Rahmen einer Serie über Ereignisse aus der Seefahrt über Begebenheiten, die sich mit Menschen verbinden, die in Emden ihre Heimat haben. Ein Beitrag aus dem Jahr 2004 stammt von Herrn Axel Milkert. Der Beitrag von Rolf Buse ist der Ostfriesenzeitung entnommen. Die durch Kopien von alten Zeitungsartikeln teilweise schlechte Qualität einiger Grafiken wurde in Kauf genommen, statt ganz auf diese Bilder zu verzichten. Der in Emden lebende Schiffskoch Ernst Richter setzt in diesem Band seinen im Band 17 veröffentlichten Lebensbericht fort. Einen Beitrag fand ich über das Internet, wo sich der inzwischen verstorbene Funkoffizier Udo Tjardes aus Norddeich vorgestellt hatte. Noch vor seinem Tode gab er mir die Einwilligung zur Veröffentlichung seiner köstlichen Texte in dieser Buchreihe.

Mein Dank gilt besonders dem in Emden lebenden früheren Seemann Uwe Heins (Band 19 dieser maritimen gelben Buchreihe), ohne dessen Mithilfe dieses Buch nicht denkbar wäre. Er machte mich auf die in der Emder Zeitung erschienenen Artikel aufmerksam und vermittelte mir die Texte, Kontakte und das Bildmaterial. Der Redaktion der Emder Zeitung, Herrn Axel Milkert und dem früheren Funkoffizier Geede Remmers sei hier besonders herzlich für die Genehmigung zur Veröffentlichung der Texte in diesem Buch gedankt.

Hamburg, 2005 – 2014 Jürgen Ruszkowski

Udo Tjardes

(an Bord Paletti genannt – verstorben)

Geboren wurde ich am 28.08.1943 in Delmenhorst, verzog dann 1947 mit meiner Mutter (Scheidung nach dem Krieg usw.) nach Iserlohn im Sauerland. Dort bin ich als so genanntes „Schlüsselkind“ aufgewachsen.

Nach Handelsschulabschluss machte ich eine Lehre als Industriekaufmann, was mir später in meinem Beruf als Funkoffizier / Verwalter / Zahlmeister sehr zugute kam.

Nach der Lehre war ich 1962 bis 1965 drei Jahre als Zeitsoldat bei der Bundeswehr; dort genoss ich u. a. eine Tastfunkausbildung und war im Einsatz im Fernmeldedienst (Funk-Aufklärung). Es gefiel mir beim „Bund“ ganz gut, aber es waren dort m. E. zu viele Leute ohne Ahnung: zu viele Häuptlinge und zu wenig Indianer.

Nach dem Abschied vom Bund finanzierte ich von meiner für damalige Verhältnisse ganz guten Abfindung mein erstes Seefunk-Patent (SFSZ) 1965 in Bremerhaven und konnte dann, bedingt durch die seinerzeit exzellente Mangellage in der Handelsschifffahrt, sofort als F.O./Verw. bei Stinnes in der großen Fahrt einsteigen.

Bin dann bis Mitte 1978 bei verschiedenen Reedereien (immer unter deutscher Flagge; allein sieben Jahre bei der Hamburg-Süd) zur See gefahren; nur unterbrochen durch Schulbesuche 1972 in Bremen – SfZ 2. Klasse – und 1975 Elsfleth – SfZ 1. Klasse.

1978 bekam ich in Brasilien an Bord des MS „LLOYD ESTOCOLMO“ Heimatpost mit der Nachricht, dass bei Norddeichradio noch Seefunker 1. Klasse eingestellt würden (möglichst unter 35 Jahre alt). Meine damals mitfahrende Verlobte meinte, ich sollte mich doch mal bewerben. Na gut, gesagt getan; eine Woche später bekam ich ein Amts-Telegramm vom Funkamt, sobald ich wieder in Deutschland wäre, sollte ich mich sofort zwecks Vorstellungsgesprächen melden.

Wir sind dann im April 1978 in New York ausgestiegen und noch etliche Wochen mit Leihwagen durch die USA gereist und flogen anschließend von NY wieder in die Heimat.

Dann ging alles ganz schnell; am 1. Juli wurde ich bei der KüFust Norddeichradio angestellt, meine Verlobte bekam auch zum gleichen Datum eine Anstellung als Krankenschwester am hiesigen Krankenhaus und ist dort immer noch im Dienst.

Meine Berufswahl habe ich nie bereut; durch die lange Zeit bei Norddeichradio blieb ich der Seefahrt ja verbunden und erlebte Geschichte.

Die letzten zwei Jahre (Ende 1996 bis Ende 1998) bekam ich noch die Chance, etwas ganz anderes zu tun. Man bot mir an, zu versuchen, die Kurzwellen-Sender in Jülich weltweit zu vermarkten.

Die Deutsche Welle hatte sich (bedingt durch die Wiedervereinigung) aus Jülich zu den KW-Sendern nach Nauen/Potsdam verabschiedet und nun gingen in Jülich die Lichter aus. Diese Tätigkeit war genau „mein Ding“; habe das bis Ende 1998 recht erfolgreich betrieben.

Dann war endgültig Feierabend bei Norddeichradio; ein Stück große Geschichte ging zu Ende!

Altersbedingt konnte ich dann mit 55 in den so genannten Vorruhestand mit Überbrückungsgeld gehen; die damaligen Verträge hierzu waren fantastisch; man hätte wirklich richtig „bekloppt“ sein müssen, diese Bedingungen nicht zu akzeptieren.

Ab 1. September 2003 bin ich nun offiziell Rentner und ganz zufrieden.

Vier wahre Storys aus der Seefahrt:

* * *

Äquatortaufe

Die Äquatortaufe ist wohl eines der ältesten Rituale der „Christlichen Seefahrt“. In alten Segelschiff-Zeiten muss die Taufe teilweise recht grausam gewesen sein; die Menschen damals waren nicht gerade zimperlich. Die Täuflinge wurden oft „kielgeholt“, d.h., sie wurden gefesselt und an einem „Tampen“ (Seil) an einer Seite des Schiffes ins Meer geworfen und quer unter dem Schiffskiel zur anderen Seite wieder an Bord „geholt“. Alten Überlieferungen zufolge soll so manch ein braver Seemann dabei sein Leben gelassen haben. Für unsere „Altvorderen“ war das wohl ganz „normaler Verschleiß“!

Später in der Dampfschifffahrt und ebenso in der dann beginnenden Motorenfahrt waren Äquatortaufen auch kein „Zuckerschlecken“. Die „Scherze und Schikanen“ waren wohl nicht mehr lebensgefährlich, aber als Täufling musste man schon gut was einstecken können.

Auf einem langen Seetörn freute sich jeder über eine Abwechslung, die Taufe musste schon etwas „hart“ ausfallen; beim abendlichen Äquator-Essen (und -Trinken) waren alle wieder happy und sämtliche „Misshandlungen“ waren vergessen.

Der Sinn der Taufe war (kurz gesagt), denjenigen, der den Äquator in Richtung Süden überquerte, vom „Dreck und Staub der nördlichen Halbkugel“ zu befreien. Neptun, der „Herrscher aller Meere“, konnte es nun mal gar nicht vertragen, dass schmutzige, nicht getaufte Nord-Bewohner in diesem Zustand die südliche Halbkugel betraten.

Nun, es wird sicher noch andere Erklärungen für dieses Ritual geben, aber belassen wir es einmal dabei. In jeder Gesellschaft gab (und gibt) es ähnliche Riten bzw. Mutproben. Solange keinem ernsthaft dabei etwas passiert und es beim zugegebenermaßen auch teilweise „groben Spaß“ bleibt, ist m. E. dagegen ja auch nichts einzuwenden.

Meine Taufe fand an Bord des MS „BARBARA“ Anfang August 1966 statt. Die BARBARA war ein in den 50er Jahren gebauter Stückgut-Frachter von ca. 5.000 BRT, d.h., wir konnten in vier Luken ca. 10.000 tons Ladung über die Meere „karren“. Das Schiff war ca. 150 m lang und ca. 17 m breit, zwei Luken vorne, die Aufbauten einschließlich Maschine, Brücke, Kombüse, Messen, Offz./Ing.-Kammern bzw. Uffz./Assi.-Kammern mittschiffs, dann noch zwei Luken achtern und ganz achtern nochmals Aufbauten mit Mannschafts-Kammern, allgemein „berüchtigt“ als „Hotel zur Schraube“. Die Besatzung zählte ca. 40 Mann.

Wir fuhren seinerzeit in Charter für die große niederländische Reederei „KNSM“ in der Fahrt „Ostküste/USA – Kanada / Große Seen – Karibik / Mittel- u. Südamerika / Westküste Südamerika“; ein absoluter „Wahnsinns-Trip“, von dem in anderen Geschichten noch zu berichten sein wird!

Das Schiff war ein richtig ehrlicher „Arbeits-Dampfer“ mit ca. 11 Knoten (etwas unter 20 km/h) Durchschnittsgeschwindigkeit und – bedingt durch die „Kisten-und-Kasten-Ladung“ – immer ziemlich ausgedehnten Liegezeiten in den einzelnen Häfen, aber auch – wetter- und geschwindigkeitsbedingt – recht langen Seetörns.

Wir hatten gerade eine mehrtägige wilde Liegezeit im Hafen von Buena-Ventura an der Westküste (Pazifik-Seite) von Kolumbien hinter uns und fuhren nun weiter in südlicher Richtung nach Callao/Peru (Hafen von Lima). In ca. drei Tagen würden wir an der ecuadorianischen Küste also den Äquator passieren.

Der „Alte“ (Kapitän) hatte für die Taufe „grünes Licht“ gegeben; auf unserem Dampfer machten die haarsträubendsten Gerüchte über die zu erwartende Zahl der Schwerverletzten die Runde, und es begann ein reges geschäftiges Treiben.

Die Besatzung war nun natürlich in zwei Lager gespalten: Auf der einen Seite die bereits getauften Seeleute mit „Taufschein“, also u. a die aktiven Täufer, auf der anderen Seite der ungetaufte Rest, die armen Täuflinge ohne schriftlichen Nachweis über eine überstandene Äquatortaufe.

Es war ein ungeschriebenes Gesetz bei der Seefahrt, dass jeder seinen Äquator-Taufschein bei sich zu führen hatte, bzw. dass die Vorlage des Zettels evtl. im Seefahrtbuch amtlich dokumentiert war. Wer also irgendwann bereits mal getauft worden war (oder es behauptete), und es nicht beweisen konnte, hatte eben Pech gehabt und galt als ungetauft!

Außerdem wurde dieser Brauch längst nicht auf allen Schiffen der damals noch sehr großen deutschen Handelsmarine praktiziert; (1966 ca. 50.000 Mann) so dass auch bei uns an Bord noch etliche langjährig „befahrene“ alte Hasen ganz schön „ins Frieren“ kamen. Das Verhältnis „getauft / ungetauft“ auf der BARBARA betrug damals etwa „fifty / fifty“!

Die ganzen mehrtägigen Vorbereitungen auf das große Fest (wobei dem Bier natürlich seitens der „Aktiven“ schon reichlich zugesprochen wurde) liefen also schon auf unsere Kosten; wir schmutzigen „Nordhalbkugler“ wussten es bloß noch nicht!

Um eine solche Taufe „zünftig“ durchzuführen, war wirklich auch eine Menge Arbeit erforderlich. Erstmal mussten die Rollen der Akteure verteilt und besprochen werden; dann waren die Kostüme und Utensilien anzufertigen, die einzelnen Stationen aufzubauen und und und...!

Unser 1. Offizier wurde vom Kapitän außerdem dazu vergattert, für die Sicherheit vor und während der Taufe zu sorgen, d.h., unter anderem aufzupassen, dass die Schikanen nicht ausarteten bzw. dass die Akteure sich nicht schon „vor und während“ zu sehr beschluckten!

Um im Folgenden alles einigermaßen zu verstehen, muss ich jetzt die Akteure der einzelnen Stationen aufzählen:

Chef und „Herrscher aller Meere, Flüsse und Seen“ NEPTUN und seine liebe Frau THETIS, der DOKTOR mit „Kranken-Pfleger“, der STERNGUCKER, der SCHMIED, der FRISEUR, die TÄUFER, der PASTOR und die als Wächter eingesetzten diversen POLIZISTEN und NEGER!

Der Tag des großen Ereignisses war also nun angebrochen; die BARBARA dampfte mit ca. 11 Knoten gen Süden, das Wetter war gut, zwar war der Himmel durchgehend grau bewölkt, aber es war niederschlagsfrei, ca. 25 Grad warm und fast windstill.

Nach dem Frühstück, so gegen 08:30 Uhr, ging's dann so ganz langsam zur Sache! Die Polizisten und Neger, martialisch kostümiert bzw. schön schwarz angemalt und im Baströckchen, bewaffnet mit Holzknüppeln und Hanfseil-Peitschen, holten so nach und nach die einzelnen Täuflinge aus ihren Kammern bzw. von ihren Arbeitsplätzen ab und brachten sie mit mehr oder weniger „sanfter Gewalt“ in ein kleines „Deckshaus“ zum Vorschiff, das normalerweise als „Werkzeug-Schuppen“ benutzt wurde und mit allerlei Gerümpel - alte Farbeimer, gebrauchtes Tauwerk etc. - vollgestopft war.

Normal gearbeitet wurde heute natürlich nicht, der Wachbetrieb musste aber weiterlaufen; d.h., ein Ing. und ein Assi waren ständig unten im Maschinen-Fahrstand und ein Steuermann und Ausgucks-Mann auf der Brücke. Ich persönlich hatte insofern einigermaßen Glück, dass ich meine von morgens bis abends immer zwei-um-zwei-stündigen international vorgeschriebenen Sicherheits-Hörwachen in der Funkstation wahrnehmen musste und nicht (da alleiniger Funk-Offz.) ersetzt werden konnte. So wurde ich im Laufe des Tages etwa alle 1 ½ Stunden für gut 2 ½ Stunden aus dem Deckshaus freigelassen und konnte mich in der Funkbude wieder erholen.

Das Deckshaus hatte es schon „in sich“, wir Täuflinge wurden dort für die kommenden Strapazen so richtig schön weichgekocht! Wir waren dort mit ca. 20 Mann (alle in Shorts / Badehose) wie die Ölsardinen in der Dose eingepfercht, es war stockdunkel und stank infernalisch nach Farbverdünner, Dreck und Altöl; außerdem herrschte ein Höllenkrach, die Neger und Polizisten lösten sich ständig ab und bearbeiteten das Dach mit zwei „Rostmaschinen“! Zu essen und trinken gab's natürlich nichts, ab und zu wurde das Schott zwecks Frischluft mal geöffnet; es gab höhnische Kommentare und wir durften kurz zur Kenntnis nehmen, dass dem „Wachpersonal“ das kalte Bier schmeckte.

Meine Leidensgenossen beneideten mich selbstverständlich um mein Privileg der regelmäßigen „Pausen“ und wollten während meiner kurzen Aufenthalte im „Loch“ immer über alle draußen stattfindenden Ereignisse informiert werden. Während meiner Funkwachen bekam ich die Vorbereitungen, geplanten Schikanen usw. natürlich einigermaßen mit; von meinen Bewachern wurde ich allerdings unter Androhung der furchtbarsten Folgen für meine Gesundheit zu strengstem Stillschweigen verdonnert!

Demzufolge „knallte“ ich mir in der Funkbude jedes mal etliche (in weiser Voraussicht vorher gebunkerten) Schotten-Wässerchen in den Kopf und sah deswegen den kommenden Dingen immer gelassener entgegen!

Um ca. 15:30 Uhr wurden wir nach gut siebenstündiger „Dunkelhaft“ dann endlich aus dem „Deckshaus-Knast“ gelassen und mit Stricken aneinandergefesselt in langer Reihe zum Achterschiff geführt. Meine Leidensgenossen waren inzwischen schon ziemlich „fertig“; die voreiligen Kommentare von morgens („Die schaffen mich nie!“, „Ich zahl' für diesen Scheiß doch nix!“, „Dat is' doch Kinnerkrom und Geldschneiderei!“ etc. pp) waren inzwischen längst verstummt! Wir wurden nun unter mehr oder weniger derben „Püffen und Schlägen“ auf Luke 3 (Achterkante Aufbauten) verbracht und mussten uns dort - Gesicht Richtung Aufbauten - auf die Knie werfen. Um unter „Neptuns“ Blicken würdig bestehen zu können, wurden wir in dieser Lage von unseren „Wächtern“ - die sämtlich schon gut „angeschickert“ waren - erstmal richtig „gesalbt“; d.h., mittels Farbrollen mit einer Mischung aus Altöl, Farbe, Bilgendreck, Graphit usw. „wunderschön“ eingeschmiert! Es war bestimmt ein herrliches Bild; Proteste gab es kaum noch, wir hatten uns ziemlich alle mit unserem Schicksal abgefunden und warteten auf das Ende der Quälerei... aber... nun ging's ja erst los!

Es war ca. 16:00 Uhr, als die Schiffs-Sirene mit einem langen etwa einminütigen Dauerton aufheulte. Wir bekamen noch jeder ein paar lockere „Peitschenhiebe“ von den Negern und wurden mit lautem Gebrüll' belehrt, dass wir nun just den Äquator passierten und seine Majestät Neptun samt Gefolge sich die Ehre gäbe, unser (noch) dreckiges Schiff zwecks Inspektion zu betreten!

Vorne auf der Luke waren eine Art großer und kleiner Thron sowie ein imposantes Stehpult aufgebaut. Das Schiff war auch sonst prima dekoriert; überall bunte Fahnen und Wimpel, bemalte Planen etc., natürlich ebenfalls „über die Toppen“ geflaggt usw.!

Von der Steuerbord-Seite erschien nun zuerst unser Kapitän in voller „blau-goldener“ Uniform (mit Mütze und Schlips) und begab sich gemessenen Schrittes und mit „würdigem“ Gesichtsausdruck über eine angelegte breite Holztreppe auf die Luke. Ein Neger in seinem Schlepptau trug ein kleines hölzernes Schiffs-Steuer und baute sich hinter dem Alten auf. Von der Backbord-Seite rollten jetzt das Herrscherpaar Neptun und Thetis mit ihren „Mannen“ an! Es war ein wahrhaft erhebender Anblick; ich versuche, eine einigermaßen plastische Beschreibung der Kostümierung der einzelnen Akteure hinzubekommen!

NEPTUN, in langes grau-grünes Sackleinen gehüllt, gegurtet mit „Fisch-Schwänzen“, Schwimmflossen an den Füßen, langes grünliches Haupthaar mit Silberkrone, langer wallender Bart und mit dem mannshohen obligatorischen „Dreizack“ als Zeichen seiner Würde in der linken Hand; ... THETIS, schnuckelig in weißem Laken, langes Blondhaar mit kleinem Goldkrönchen, Riesen-Busen, schön grell geschminkt, barfüßig mit angemalten Nägeln; ... der PASTOR, in langem schwarzem Talar mit weißem Kragen und schwarzem Barett mit aufgemaltem Kreuz, unterm Arm eine riesige hölzerne „Bibel“; ... der DOKTOR, ganz in weiß, Hose, Kittel, großes Stethoskop um den Hals, riesiges Okular um die Stirn, mittlerer Gummihammer in der Kitteltasche; ... sein Pfleger, ebenfalls in weiß mit rot-verschmierter („Blut“) Schürze und diversen Instrumenten wie Hämmer, Zangen etc. am Gürtel;... der STERNGUCKER, hoher spitzer Hut, langer Umhang mit weiten Ärmeln, alles in blau mit aufgeklebten goldenen Sternen, Riesen-Teleskop (Pappe) um den Hals; ... der SCHMIED, bärtig, Cowboy-Hut, lange Lederschürze, „bewaffnet“ mit Hammer und Brenn-Eisen; ... der FRISEUR, weißer Umhang, riesiges (Holz-) Rasiermesser und Pinsel; ... und die beiden TÄUFER, große kräftige Kerle, rotbraun angemalt, in Badehose; ... es war schon eine illustre „Schar“!

Der „Alte“ begrüßte Neptun nun ganz herzlich mit einigen markigen Sätzen und versicherte ihm, dass er und seine Besatzung sich von seinem Besuch sehr geehrt fühlten! Für die Zeit der Inspektion übergab der Kapitän dem Meeresgott das Kommando über die BARBARA; als äußeres Zeichen dafür überreichte der Neger dem Neptun symbolisch das Holz-Steuer. Neptun bedankte sich beim Kapitän und machte ihm klar, dass bei der jetzt folgenden Äquator-Taufe das wichtigste für ihn und seine Mitarbeiter der prompte und stetige Getränke-Nachschub sei!

Die ganze „Tauf-Gang“ war inzwischen schon gut „unter Dampf“; Neptun befahl seinen „Mannen“: „Auf Station!“ und nahm auf seinem Thron Platz, seine Thetis setzte sich neben ihn auf ihr „Thrönchen“. Der Pastor sprach nun noch ein paar Worte zu uns „Ungetauften“ und sparte dabei nicht mit Kraftausdrücken; dann mussten wir uns wieder flach auf den Bauch legen.

Die richtige „Folter-Arie“ konnte nun beginnen.

Man muss sich die ganze Zeremonie nun etwa wie einen Hindernis-Lauf mit mehreren Hindernissen unterschiedlicher Schwierigkeit (Stationen) vorstellen.

Da ich in nächster Zukunft wieder auf Wache musste, hatte ich die Startnummer eins. Außerdem muss ich gestehen, dass man mich zwar nicht gerade mit Samthandschuhen anfasste; ich hatte aber den Eindruck, dass ich im Gegensatz zu einigen anderen Täuflingen etwas milder behandelt wurde. Es könnte damit zu tun gehabt haben, dass ich als F.O./Verwalter u. a. verantwortlich für die Heuer-Vorschüsse und Kantine war; einige der Akteure hielten sich da bei mir wohl ein kleines bisschen zurück. Zudem hatte ich (wie vorher erwähnt) selbst schon einen guten „Glimmer“, so dass mich das alles nicht sonderlich „juckte“!

Auf das Kommando des Pastors „Ab zur Taufe!“ wurde ich von zwei Polizisten hochgerissen und zur 1. Station geschleift. Es war ein ca. 4 m langer an beiden Enden offener leinener „Windsack“ von ca. 75 cm Durchmesser, da musste ich nun erstmal durchkrabbeln. Als ich bäuchlings voraus darin verschwunden war bekam ich von achtern mittels eines Deckwasch-Schlauches einen satten Strahl Seewasser, von oben und von den Seiten gab es Hiebe und Tritte und von vorne kam noch ein nicht ganz so harter Wasserstrahl. Ich will nicht gerade behaupten, dass ich „in Panik“ kam, aber das Wasser stieg ziemlich schnell und es stellte sich schon eine gewisse Platzangst bei mir ein. Jetzt zahlte sich die militärische Ausbildung der „Gangarten“ beim Bund aus - ich robbte ziemlich schnell durch den Sack!

Am anderen Ende wurde ich von den Polizisten sofort wieder beidseitig geschnappt und es folgte die (übrigens bei jeder Station obligatorische) Frage: „Was schreibst du freiwillig?“ Das hieß soviel wie: Wie viele Flaschen Bier gibst du „freiwillig“ aus - wenn du zu geizig bist, wird diese Station wiederholt! ½ Kiste war hier mein Obolus, es wurde dem Pastor zugerufen, er notierte penibel!

Nun ging's mit Eskorte zügig weiter zur zweiten, der Krankenstation mit Doktor und Sanitäter. Ich musste mich auf eine aus Stauholz grob zusammengezimmerte Pritsche setzen, dann begann der Doktor mit der „General-Untersuchung“. Er klopfte mich erstmal mit seinem Gummihammer von den Füßen bis zum Hals nicht sonderlich zärtlich ab, seine Kommentare dazu waren auch nicht gerade als akademisch zu bezeichnen: „Scheiß-Reflexe, zu fett, Saufleber usw.“ Der „Pfleger“ hatte mir inzwischen die Hände auf dem Rücken zusammengebunden, in meiner derzeitigen Lage nahm ich das gar nicht bewusst wahr! Nun nahm sich der liebe Doktor mit Hilfe seines Pflegers meinen Kopf vor; die Ohren wurden schön mit „Staucherfett“ vollgeschmiert, die Nase etwas hin und her gebogen und alle (außer mir) hatten furchtbar viel Spaß!

Der „Arzt“ war wirklich sehr um meine Gesundheit besorgt, deshalb musste ich auch noch meine Medizin schlucken. Die wurde nun in Form einer „Pille“ in der Größe einer kleinen Frikadelle „verabreicht“. Der Pfleger drückte mir links und rechts mit beiden Händen die Kiefer auseinander und der nette „Doc“ schob mir die „Pille“ zwischen die Zähne. Es war fürchterlich, ich konnte mich nicht wehren und musste die „bittere Medizin“ schlucken, besser gesagt „runterwürgen“.

Sie schmeckte grauenhaft; laut späterer Aussage des Kochs bestanden die „Tabletten“ aus durchgedrehten Fischabfällen, Sägemehl, viel Salz, Pfeffer, Tabasco und div. anderen „Indrigenzien“; nur mein gesunder Magen und die vorherigen vielen „Scotch“ ersparten mir sofortiges Erbrechen.

Was nun folgte, war (im Nachhinein überdacht) eigentlich das „perfideste“ an der ganzen Taufe. Ich hatte – Gott sei Dank - diese „Kiste“ während der Vorbereitungen durchschaut und wusste, dass sie harmlos war. Ich versichere aber, dass alle mir nachfolgenden Täuflinge „wie am Spieß“ gebrüllt haben, als sie hier an der Reihe waren.

Neben der Krankenstation stand hinter einem mit Persenning bis zum Boden abgedecktem Bohlentisch der „Schmied“ und hantierte mit einem langen Brenneisen, das am Ende die Form eines kleinen Kreuzes hatte und in einem alten mit glühender Holzkohle gefüllten Ölfass heiß gehalten wurde. Ein Neger assistierte ihm. Ich war inzwischen von unseren „Medizinern“ mit meinen gefesselten Händen bäuchlings auf die Pritsche gedreht worden, Kopf nach unten ohne Sicht zum Schmied. Der lief nun mit dem rot glühenden Brenneisen vor meine Pritsche, fuchtelte mir mit dem Eisen vorm Gesicht herum und erklärte sinngemäß, dass ich unwürdiger, dreckiger, nichtsnutziger Schmierfink nun das „Kreuz des Südens“ auf alle Ewigkeit in den A... (Hintern) gebrannt bekommen würde.

Dann trat er aus meinem Blickfeld hinter mich, die Badehose wurde mir über die Hinterbacken gezogen und dann verspürte ich einen heftigen Schmerz auf meiner rechten Po-Backe; es zischte ordentlich und ich brüllte „pflichtgemäß“.

Trotz meines „Insider-Wissens“ war ich etwas geschockt, die anderen „Deliquenten“ versicherten anschließend glaubhaft, sie hätten in dem Moment geglaubt, sie wären „gebrannt“ worden.

Hinter seinem Tisch hatte der Schmied noch ein identisches Eisen in einem Eimer mit Eiswasser verborgen, das eiskalte Eisen wurde dem Täufling auf die Hinterbacke gedrückt, gleichzeitig hielt der Neger das heiße Eisen in ein mit einem Öl/Wasser gefülltes Gefäß, so dass es schön zischte und nach verbranntem Fett stank. Ob man nun ein eiskaltes oder glühend heißes Teil auf die nackte Haut gesetzt bekommt, der erste ans Gehirn gegebene Reflex ist der gleiche: Schock-Schmerz! Wenn dann noch Zischen und Gestank hinzukommt, meint jeder, er hätte wirklich ein Brandzeichen erhalten! Es war schon eine wirklich gemeine Geschichte! Nach der „Frage“ schrieb ich freiwillig 1 und ½ Kiste, der Pastor notierte!

Hose übern Hintern und weiter ging's zum Sterngucker! Dort wurde ich auf einen Hocker gesetzt, der Sterngucker stülpte mir einen nach oben offenen Glaskasten über den Kopf, der am Hals mit einer Gummi-Manschette zugezogen wurde. Nun musste ich nach oben zum Himmel gucken und bekam das große „Papp-Teleskop“ abwechselnd mit der Frage vor die Augen gehalten, ob ich denn wohl das „Kreuz des Südens“ sehen würde. Gleichzeitig wurde Wasser in den Glaskasten gekippt, welches nun langsam über Mund und Nase stieg. Da kam schon etwas Panik auf; ich sah jede Menge „Sterne“ und konnte nur „Zwei Kisten!“ prusten, der Pastor notierte!

Inzwischen herrschte an Deck natürlich reges Leben, Geschrei und Gelächter; es ging „Zug um Zug“, alle bereits hinter mir liegenden Stationen hatten weitere Täuflinge „in der Mangel“. Es lief nun wie am Fließband, die „schwer arbeitenden“ Akteure wurden immer lustiger, der Getränke-Nachschub lief wohl gut. Unser 1. Offz. kreiste um die Truppe wie ein Schäferhund um seine Herde und hatte ab und zu seine liebe Not, die Täufer von zu „harten“ Aktionen abzuhalten bzw. zu bremsen.

Ich war inzwischen ziemlich „fix und alle“ und musste jetzt auf die Luke zum Friseur. Der hatte seinen Stuhl am Ende der Luke aufgebaut, direkt hinter ihm zwischen Luke 3 und 4 war das Taufbecken.

Es war ein ca. 2,50 x 2 m und ca. 1,50 m hohes aus Latten zusammengezimmertes und mit Persenning ausgekleidetes mit Seewasser gefülltes Bassin. Die Ladebäume von Luke 4 waren so gestellt worden, dass eine Rolle mit einem „Tampen“ (Tau) direkt darüber hing.

Ich musste mich nun auf den Friseurstuhl setzen, Rücken zum direkt dahinter unten aufgebauten Taufbecken. Der Friseur klatschte mir meine Haare und mein Gesicht nun so richtig schön mit beißendem Seifenschaum voll und begann dann seine recht schmerzhafte „Holzmesser“-Rasur.

Inzwischen war ich durch die vorhergegangenen Strapazen ziemlich „willenlos“ geworden und sah die Umgebung nur noch wie durch einen Schleier. Dass mir während der Barbiererei ein Strick um den rechten Fuß gebunden wurde, bekam ich gar nicht richtig mit. Nachdem ich die obligatorische Frage mit „1 Kiste“ beantwortet hatte, stieß mich der Friseur rücklings von meinem Stuhl ins Taufbecken.

Die beiden „baumlangen“ Täufer nahmen mich „freundlich“ in Empfang und tauchten mich erstmal kopfüber unter Wasser. Obwohl ich auch recht kräftig proportioniert bin, war wehren zwecklos. Als ich es kurz versuchte, fing mein rechtes Bein auf einmal an, nach oben zu schweben. Der an ihm befestigte Tampen lief über die oben hängende Rolle, ein seitlich postierter Neger brauchte nur kräftig zu ziehen; ich war völlig hilflos, würgte und spuckte und hing mit den Beinen nach oben wehrlos im Wasser. Es war die Hölle, ich konnte nur eine Hand mit ausgestreckten zwei Fingern (zwei Kisten!) nach oben halten; gnädigerweise ließ man es dann dabei bewenden!

Ausnahmslos alle Täuflinge waren spätestens hier im Taufbecken mit ihrem evtl. noch vorhandenen Widerstand am Ende! Hier wurde uns bewiesen, dass wir „zerbrochen“ waren und das taten (bzw. „schrieben“) was die Täufer wollten, der eigene Wille war weg!

Am schlimmsten traf es unseren 2. Ing., einen Kerl wie ein Bär. Er hatte vorher am meisten „rumgetönt“, dass von ihm nicht eine Flasche Bier zu erwarten sei; im Becken „schrieb“ er alles, was man von ihm wollte. Die vielen zusammengekommenen Kisten Bier brauchten anschließend natürlich nicht alle bezahlt werden und wurden auf ein vertretbares Maß zusammengestrichen, aber uns Täuflingen wurde damit nur klargemacht, dass wir voll in „Neptuns Hand“ waren!

Nachdem man mich nun endlich aus dem Taufbecken entlassen hatte, musste ich noch (fast kriechend) zum Herrscherpaar, dem ich nach „bestandener“ Taufe die Reverenz erweisen musste. Thetis knallte mir „huldvoll“ welche um die Ohren und ich muss ihr die dick mit Staucherfett eingeschmierten Füßchen küssen. Neptun freute sich und nuckelte „hoheitsvoll“ an seiner Bierflasche.

Zu guter letzt wankte ich noch zu dem hinter seinem Podest stehenden Pastor. Der beschied mir nun: „Hiermit taufe ich Dich auf den Namen „Qualle“!“ (Jeder Täufling bekam einen Fischnamen, mit meinem musste ich nun leben!)

Des Pastors letzte Amtshandlung bestand dann darin, mich das während der Zeremonie aufgelaufene „Bier-Ticket“ unterschreiben zu lassen und mir dann noch die „Holz-Bibel“ leicht auf den Schädel zu donnern.

Das war's dann, ich war entlassen!

Selten hat mir eine kalte Flasche Bier so gut geschmeckt wie die erste nach dieser „Tauf-Tour“!!!

Bis alle „Brüder im Leid“ getauft waren, verging noch einige Zeit. Beim Zuschauen waren die Strapazen bald vergessen, der Mensch ist ja von Haus aus schadenfroh.

Abends fand dann an Deck eine Riesen-Äquator-Party statt; Grill und Getränke vom feinsten; Ausgabe der Taufscheine, Shanty-Gesänge, deftige „Storys“ wurden „vertellt“ und die ganze Crew war „ HAPPY“!

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Geschichten aus der Seefahrt, by: Udo Tjardes „Paletti“

Geburtstag in Tokio – 28. August 1972

Seit etlichen Tagen lagen wir mit dem Kühlschiff „POLAR URUGUAY“ im Hafen von Tokio und löschten gefrorenen Fisch, den wir teils in Las Palmas auf Gran Canaria bzw. Spanisch-Sahara von etlichen großen japanischen Fischfabrik-Schiffen“ und von kleinen japanischen Fischtrawlern übernommen hatten. Außerdem hatten wir in den unteren Kühldecks noch ca. 2.000 tons Gefrierhähnchen aus Bulgarien zu löschen.

Da hier an der Kühlpier nur am Tage von 07:30 bis 16:30 Uhr gearbeitet wurde, ergaben sich natürlich entsprechend lange Liegezeiten, von denen in der heutigen hektischen Seefahrt Seeleute höchstens mal träumen können!

Ich selber fuhr hier schon über ein halbes Jahr als Funk-Offz./Verwalter (d.h. außer Funker noch Zahlmeister und „Speckschneider“); und alle, mit denen ich gut klarkam (also fast die gesamte 30-köpfige Besatzung, wirklich!), waren natürlich in höchstem Maße daran interessiert, mich an meinem heutigen Geburtstag mal so richtig zur Ader bzw. zum Gelde zu lassen.

Vorher hatte ich schon ordentlich Reklame damit gemacht, dass ich meinen Geburtstag an Land feiern würde; mit japanischen Spezialitäten wie Sushi (roher Fisch mit diversen Sößchen) und plenty heißem Sake (japanischer Reiswein).

Von einem mir bekannten japanischen Zollbeamten hatte ich mir einen diesbezüglichen Zettel in japanischer Schrift über die o. g. Wünsche schreiben lassen. Mit diesem Zettel in der Tasche ging ich nun morgens erstmal alleine an Land, um eine entsprechende Kneipe für die Geburtstagsfeier auszugucken. Der Zöllner hatte mir erklärt, ich solle zuerst per Taxi zum zentralen Busbahnhof von Tokio fahren; da solle ich dann mit Hilfe seines Zettels rumfragen, es gäbe dort in der Gegend jede Menge gute „Sushi-Lokale“.

So ca. 10:00 Uhr morgens stand ich also am zentralen Busbahnhof von Tokio; um mich herum brauste das pulsierende Großstadtleben, und ich kam mir - ehrlich gesagt - etwas dumm und verloren vor.

Irgendwo gegenüber in dem Gewimmel und unter den vielen japanischen Schriftzeichen entdeckte ich ein Schild „Coffee-Shop“ und dachte mir: „Egal, irgendwo musst du ja mal anfangen!“

Ich also rüber und rein in den Laden. Es handelte sich um eine hochmoderne Imbissbude a' la „McDonalds“ mit etlichen Tischen und langem Tresen, um diese Zeit noch recht mäßig besucht; ich bestellte „One coffee please!“ Die hübsche kleine Japanerin schob mir eine Tasse Kaffee rüber. Ich bezahlte gleich und zeigte ihr den erwähnten Zettel mit den japanischen „Micky-Maus-Zeichen“. Sie strahlte mich lächelnd an, freute sich offensichtlich riesig, und erzählte mir auf perfekt japanisch irgendwelche Geschichten. Tja, englisch, spanisch und evtl. portugiesisch hätte ich ja vielleicht begriffen, aber das hatte ich nun leider nicht drauf.

Zirka zwei Meter weiter rechts von mir stand ein sehr seriös aussehender älterer japanischer Herr vor seinem Kaffee am Tresen und beobachtete offensichtlich amüsiert meine Verständigungs-Klimmzüge. In Englisch mischte er sich nun ein und fragte mich, ob er behilflich sein könne. Hocherfreut gab ich ihm den Zettel und erklärte ihm meine Wünsche. Als er hörte, dass ich Deutscher sei und außerdem heute noch Geburtstag habe, verklärten sich seine Gesichtszüge. „Oh, oh, Duitsi Duitsi, ok ok, come with me, i show you the right place for your birthday-party!“ „Nun gut, es ist `nen Versuch wert!“, dachte ich. Wir also raus aus dem Laden, rin in das City-Gewimmel, durch enge Gassen voller geschäftiger Japaner/innen - ich immer im Schlepptau meines neuen seriösen Freundes, welcher dem Habitus nach (dunkler Anzug, Krawatte) offensichtlich ein Manager bzw. Banker war. Schließlich landeten wir vor einem unscheinbar aussehenden Laden, dessen Tür total mit langen Stoff-Fahnen mit diversen japanisch-chinesischen Schriftzeichen verhängt war. Nie und nimmer wäre ich darauf gekommen, dass das ein Sushi-Lokal sein könne. Ich hätte den Laden ohne Hilfe nie gefunden.

Wir also rein in die „Bude“. Ich staunte mächtig. Es war ein kleines blitzsauberes Lokal; links eine chromfunkelnde etwa sechs Meter über die ganze Länge reichende Theke voller Glasauslagen mit Fischen, Gemüsen, bunten Soßen usw., eine richtige Augenweide!

Mein neuer Bekannter schien hier heimisch zu sein, die Chefin, „Mama-san“, eine nette ältere Dame in weiß, verbeugte sich „Ich-weiss-nicht-wievielmal“ vor ihm und begrüßte ihn richtig respektvoll, aber offenbar auch sehr herzlich.

Rechts von der mächtigen Theke standen noch fünf Tischchen, der ganze Laden hatte vielleicht so 50 qm. Es war jetzt etwa 11:00 Uhr morgens. Mein neuer Freund hatte mir übrigens in aller Form (mit gegenseitigen Verbeugungen, alles sehr höflich) zum Geburtstag gratuliert; und nun ging's also zur Sache!

Mr. Akhashi (so hieß der gute Mann meiner Erinnerung nach) war sehr stolz auf „sein“ Restaurant und wollte mir nun alles richtig erklären und demonstrieren, wogegen ich nun wirklich gar nichts einzuwenden hatte. Wir waren um diese Zeit noch die einzigen Gäste. Eine jüngere Bedienung und ein „Fischkoch“ in weiß standen noch hinterm Buffet, und nun brachte „Mama-san“ uns den ersten Krug mit heißem Sake (Reiswein). Man trinkt ihn aus kleinen Tongefäßen, schätze mal ca. 100-ml / 5-Schnäpse. Zuerst schmeckt das Zeug ja etwas „muffig“, aber wenn man sich „eingetrunken“ hat, etwa nach dem 3. bis 4. Krug, schmeckt Sake hervorragend; man kann richtig süchtig danach werden. Draußen war es übrigens ein richtiger heißer Sommertag mit sicher 25 bis 28 Grad, aber hier in dem Laden war es schön kühl mit air-condition.

Nun legte Mr. A aber richtig los, nach dem ersten Töpfchen Sake wurde Sushi aufgefahren. Er erklärte mir auch immer bei jedem Häppchen die Fischsorte bzw. Körperpartie des betreffenden Fisches, die Zusammensetzung der Soßen und Gemüsezutaten etc. pp., wir hatten hauchdünne Scheibchen vom Thunfisch, Hai, Wal und was noch immer, garniert mit Algen, Seetang-Blättern, Soja in jeder Form und jede Menge Sößchen von mild bis höllenscharf - es war eine „Probier-Orgie“, sie dauerte so bis etwa 14:00 Uhr.

Der Sake-Topf wurde nicht leer und mein Gönner aus Tokio schien einen Heidenspaß mit mir zu haben. Inzwischen waren natürlich auch noch andere Gäste in dem Lokal; jeder hatte noch Rezepte bzw. Ratschläge beizusteuern und alle waren fröhlich und freuten sich mit Mr. A über den deutschen Geburtstags-Seefahrer.

Na ja, alles hat einmal ein Ende; ich hatte Mr. A ja gesagt, dass ich mit der Crew abends feiern wollte und wieder an Bord müsse; er schrieb mir die Adresse von diesem Laden auf und begleitete mich noch zu einem Taxi. Wir verabschiedeten uns rührend (der Reiswein wirkte inzwischen auch schon) und Mr. A legte mir noch mal ausdrücklich ans Herz, nun auch wirklich heute Abend in „seinem“ Sushi-Laden mit meinen Bordkameraden zu erscheinen und original japanisch zu essen und trinken, was ich ihm dann auch ehrenwörtlich versprach.

So gegen 15:00 Uhr - richtig zur „coffee-time“ - war ich dann wieder an Bord und gab allen interessierten Leuten Bescheid, dass meine „japanische“ Geburtstagsfeier heute Abend an Land stattfinden würde, Start mit diversen Taxen um 18:30 Uhr.

Es kamen mit mir zwölf Mann zusammen: 2. u. 3. Offz., 2. u. 3. Ing., „Blitz“ (Elektriker), 2 Ing.-Assis, SBM (Schiffsbetriebsmeister), Bootsmann und zwei Schmierer (Motoren-Wärter); alle natürlich ganz heiß darauf, den Funker nun mal so richtig zu schädigen bzw. abzukochen!

Mit drei Taxen fuhren wir nun ohne Probleme zu meinem ausgewählten Sushi-Laden und kamen dort so kurz nach 19:00 Uhr an. „Mama-san“ begrüßte uns herzlich auf japanisch und brachte jedem sofort ein Töpfchen Sake. Die ganze Theke war nun fest in deutscher Hand! Was soll ich sagen, nun legten die Burschen so richtig los. Es wurde ein Fress- und Saufgelage, dass sich mir allmählich die Nackenhaare sträubten. Teilweise hatte ich den Eindruck, es würde für meine Gäste nie wieder im Leben etwas Fisch zu essen oder Reiswein zu trinken geben. „Mama-san“ hatte richtig Mühe, mit dem „Sake-kochen“ nachzukommen; sämtliche Sushi-Gerichte wurden verputzt usw. usw., es war unbeschreiblich. Die Stimmung stieg im Laufe der Zeit natürlich auch entsprechend, kernige Lieder erklangen und auch die anderen japanischen Gäste schienen viel Spaß an unserer Art des Feierns und an den Shanty-Gesängen der vom Sake beschwipsten Germanen zu haben. Es war also eine richtige „Runde Fete“; und ich sah manchmal vor meinem geistigen Auge die 10.000-Yen-Scheine (damals so ca. DM 100,-) aus meiner Brieftasche flitzen. Tokio war wirklich nicht billig, besonders solche Spezialitäten hatten ihren guten Preis.