Seh ich aus wie 'ne Frikadelle oder warum gibt jeder seinen Senf dazu? - Martina Schönherr - E-Book

Seh ich aus wie 'ne Frikadelle oder warum gibt jeder seinen Senf dazu? E-Book

Martina Schönherr

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Beschreibung

Das Tolle an Ratschlägen ist: sie kommen ungefragt. Wer denkt, er habe sein Leben einigermaßen im Griff, frage mal die andern. Die hätten sicher noch ein paar Tipps. Wie befreiend und aufregend müsste es sein, schlagfertig zu reagieren, spontan die passende Antwort parat zu haben? Martina will das können und startet ein Schlagfertigkeits-Bootcamp. Auf komödiantische und ultimativ entlastende Art zeigt sie, wie man erkennt, was einem wirklich wichtig ist und wie man für sich einsteht. Vor allem zeigt sie, wie die schlagfertigen Gedanken endlich ihren Weg über die Lippen finden.  Sie krönt sich zur Königin der Schlagfertigkeit und verpasst allen Ratschlägern einen Maulkorb. Was Martina gelingt, gelingt auch dir und macht sogar Spaß!

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Seitenzahl: 219

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Impressum

© eBook: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2024 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

GU ist eine eingetragene Marke der GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, www.gu.de

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

Projektleitung: Ariane Hug

Lektorat: Anne Nordmann

Covergestaltung: ki 36 Editorial Design, Anika Neudert

eBook-Herstellung: Liliana Hahn

ISBN 978-3-8338-9395-7

1. Auflage 2024

Bildnachweis

Cover- und Innenteil-Illustrationen: Anika Neudert/ki36

Fotos: Autorenfoto: N-JOY

Syndication: www.seasons.agency

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GRÄFE UND UNZER VERLAG

Dämlich grinsen, zustimmen oder rechtfertigen. Das sind, rein faktisch betrachtet, meine heutigen Reaktionen auf Menschen, die mir ihren Senf aufdrücken wollen. Hinzu kommt der starke Drang, immer die Erwartungen der anderen zu erfüllen. Egal ob es nun die von meiner Familie oder Freunden sind oder von komplett wildfremden Leuten auf der Straße.

Ich lächele, statt Grenzen zu ziehen, meine Rechte einzufordern oder jemandem einfach mal gehörig die Meinung zu geigen. Und warum? Weil mich alle lieb haben sollen, weil ich bloß keine Missstimmung erzeugen, bloß niemanden vor den Kopf stoßen will. Dafür nehme ich in Kauf, dass man mich vor den Kopf stößt – oder in die Waden, oder in den Rücken …

Zeit, was zu unternehmen. Schluss mit dem ständigen Nicken, klein beigeben und der Angst vor Konflikten!

Holt die Fanfaren raus, lasset den Chor ein lautes ›Halleluja‹ singen, die kleine Martina schlägt zurück.

Wichtiger Hinweis

Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung der Verfasserin dar. Sie wurden von der Autorin nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

DU LEBST DEIN LEBEN FALSCH!

13 Uhr. Feierabend. Eine anstrengende Frühschicht liegt hinter mir und ich freue mich sehr auf zu Hause. Auf Tür zuknallen, Jogginghose an und ab aufs Sofa. Decke drüber und Kopf aus. Es gibt Tage, da frage ich mich, wie ich es eigentlich bis hierher geschafft habe. Also nicht aufs Sofa, sondern in dieses Leben. Ein Job im Radio. Abends unterwegs auf Comedy-Bühnen. Ein toller Ehemann. Freundschaften, die schon seit über zwanzig Jahren halten, und ein unfassbar liebevolles und harmonisches Elternhaus. Diese Frau müsste doch vor Selbstbewusstsein strotzen. Das ist eine, die lässt sich nicht die Butter vom Brot nehmen, oder? Ha! Falsch gedacht. Die würde sich nicht nur die Butter vom Brötchen nehmen lassen, sondern auch noch das weiche Innere von der oberen Hälfte. Bitter! Heute war wieder so ein Tag – Menschen drängeln sich vor. Ich sage nichts. Menschen rempeln mich an. Ich sage nichts. Ein Typ atmet mir an der Kasse in den Nacken. Zwischen ihn und mich passt nicht mal mehr ein Kaugummi. Aber – ich sage nichts und lasse lieber seinen Atem zu meinem werden. Menschenskinder, Martina!

Und das sind nur die kleinen Alltagsgeschichten. On top kommen ja noch all die Menschen, die uns jeden Tag sagen wollen, dass wir unser Leben falsch leben. Wir müssten doch mal an so einigen Stellschrauben drehen. Geh doch mal öfter zum Sport! Du hast Zucker in deinem Kaffee? Na, dann schreib am besten schon mal dein Testament. Und sag mal, du weißt schon, dass Aperol echt ungesund ist, oder?

Echt?? Aber da ist doch ’ne Orange drin? Das ist doch Obst!

NACH ELMSHORN? NO WAY!

Ich liege also auf dem Sofa und lasse den Tag Revue passieren. Bisher eine Vier minus, würde ich sagen. War für mich in der Schule damals sensationell. Gab es diese Note in der Mathearbeit, dann sind Mutti und ich erst mal ein Eis essen gegangen. Absoluter Grund zum Feiern. Dieser Körper wurde geformt von schlechten Mathe- und Physikleistungen. Jede einzelne Haselnusskugel mit Himbeersoße war es wert (absoluter Shit, probiert diese Kombi unbedingt mal aus und dankt mir später!). Als persönliche Tagesnote ist die Vier minus allerdings kein Highlight.

Es klingelt. Ich erwarte niemanden, aber weil ich Martina, die neugierige und gewissenhafte Person aus Elmshorn bin, schlurfe ich im Jogger und mit Kapuze auf dem Kopf zur Tür. Es klopft. Herrgott, ja doch. Ich komme doch schon. Ich öffne die Tür und gucke in das angesäuerte Gesicht meiner über 70-jährigen Nachbarin. Der Typ Oma, der dir an Halloween an der Tür eine Mandarine gibt. Und zwar die mehlige mit Kernen drin.

»Ach, Frau Bartmeier. Wie schön, Sie zu sehen.«

Absolute Lüge. Auch so eine Krankheit von mir. Wieso muss ich Menschen immer ein gutes Gefühl geben wollen? Mach einfach die Tür auf und guck sie wütend an. Die weiß schließlich ganz genau, dass du Frühschicht hattest und jetzt eigentlich Mittagsschlaf machst.

»Sie haben sich nicht eingetragen!!«

Guck! Die schafft es nicht mal, dich zu begrüßen. Mach dich gerade, Martina!

»Wo eingetragen?«

»NA, IM WASCHMASCHINENKALENDER!!«,

brüllt sie mich an. Ach ja, der gute alte Waschmaschinenkalender. Ihr Lieblingsthema. Und wahrscheinlich auch ihr einziges. Zur Erklärung: Wir haben einen gemeinschaftlichen Waschkeller, wie das in der Stadt im Mehrfamilienhaus häufig der Fall ist. Wir sind sechs Parteien im Haus, und wenn jemand an einem bestimmten Tag waschen will, trägt er sich dafür ein. Ist keiner eingetragen, kann man einfach waschen. Sehen eigentlich alle so, bis auf Frau Bartmeier. DIE trägt sich immer ein. Dienstags und donnerstags von 15–19 Uhr. Waschmaschine und Trockner. Was ich mich schon seit unserem Einzug vor zehn Jahren frage: WARUM zur Hölle immer zu dieser Zeit? Das wäre der optimale Slot für alle berufstätigen Menschen und nicht für RentnerInnen, die den ganzen Tag frei haben. Wobei, wenn du SeniorInnen fragst, haben die eigentlich nie Zeit. Wenn ich an meinen Opa Bruno denke, der war im Ruhestand noch beschäftigter als in seinem Job als Arbeitsamtschef.

Lieblingssatz von ihm, wenn wir zu Besuch waren:

»So Kinderchen, ihr wollt ja bestimmt auch los. Ihr habt sicherlich noch was vor.«

Nee, eigentlich nicht, Opa. Vielleicht wusste dieser Mann aber auch nur clever zu verpacken, dass er jetzt seine Ruhe haben möchte. Wieso haben sich diese Gene nicht an mich weitervererbt?

Zurück zu Frau Bartmeier. Die, die immer nachmittags wäscht, wenn alle waschen wollen. Warum sie das macht, traue ich mich nicht zu fragen, dafür fehlt mir der Mut. Und ich bin mir sicher, diese Frau hätte sofort eine passende Antwort parat. Als der Begriff »People Pleaser« erfunden wurde, hat sie schon lange ihr Ding gemacht. Anderen Leuten gefallen wollen und die Harmonie wahren? Das liegt Frau Bartmeier fern. Sie steht für sich, ihre Meinung und ihre Werte ein, egal, wie es ihrem Gegenüber damit geht. Als betroffene Person kann ich sagen, mir geht es damit gar nicht gut. Mir ist das hier alles mehr als unangenehm. Deswegen fange ich in guter People-Pleaser-Manier wieder an, mich zu entschuldigen.

»Es tut mir leid. Im Kalender war niemand eingetragen, deswegen dachte ich …«

»Sie dachten, Sie dachten. Frau Schönherr, es wäre schön, wenn Sie mal WIRKLICH nachdenken würden. Wer waschen will, trägt sich ein. So einfach ist das!«

Und da ist es wieder. Dieses dämliche, überforderte Grinsen in meinem Gesicht. Ab jetzt spult sich der immer gleiche Ablauf ab. Hitze steigt in mir auf, meine Hände werden feucht, mein Herz rast, meine Gedanken kreisen und ich würde gerne so viele Dinge zu ihr sagen, aber ich habe nichts. Also sage ich:

»Kommt nicht wieder vor. Sie haben ja recht!«

Sie haben ja recht? Sag mal, spinnst du? Wieso stimmst du der jetzt auch noch zu? Absolute Genugtuung macht sich auf ihrem Gesicht breit. Ein Grinsen, das vor Selbstgefälligkeit nur so trieft.

»Weiß ich doch«,

antwortet sie. Wow, da wird aus einer Vier minus aber mal ganz schnell ein Ungenügend. MINUS. Falls es das gibt. Ich mache die Tür zu, lege mich aufs Sofa und ziehe mir die Decke über den Kopf. Draußen auf dem Flur höre ich Frau Bartmeier in ihren Lackschühchen davonstapfen. Vor meinem inneren Auge sehe ich jetzt schon das Kopfschütteln von meinem Mann Basti. Wird er beim Abendbrot wieder schön vor sich hin grinsen:

»Warum hast du denn überhaupt die Tür aufgemacht? Wir haben doch einen Türspion! Das hätte ich mir gar nicht angetan!«

Ich weiß, aber das hilft jetzt leider auch nicht.

Mein Handy vibriert. Eine WhatsApp ploppt auf. Von einer Freundin oder besser gesagt ›guten Bekannten‹.

»Du, heute Abend 19 Uhr Italiener steht noch, oder?«

Oh nein! Ich stöhne laut auf. Auch das noch. Mein Sofa umklammert mich fest. Geh nicht! Bleib bei mir, ruft es laut. Dieses wohlige Gefühl von zu Hause kann und will ich nicht loslassen. Aber deswegen absagen? Auch doof. Macht man nicht. Wir sehen uns so selten und sie hat sich ja auch schon darauf eingestellt. Ist doch blöd, wenn ich das jetzt so kurz vorher cancele. Also tippe ich mit 0,0 Prozent Lust im Körper:

»Ja, steht noch. Bin um 19 Uhr da. Freue mich.«

Der nächste Morgen beginnt so, wie der Abend aufgehört hat. Sehr kraftlos. Frag bitte nicht, wie es gestern noch war. Nur so viel: Ich brauche heute Morgen statt einer direkt zwei Schichten vom »honey beige Concealer«. Und zwar von dem, der 24 Stunden hält.

Wie jeden Morgen um kurz nach 6 gibt’s von Basti die liebevolle Guten-Morgen-WhatsApp und im Gegensatz zu dir fragt er mich natürlich:

»Naaaaaaaa, wie war es gestern Abend?«

Ich höre sein Grinsen aus jedem Buchstaben heraustropfen.

Als ich spät nach Hause kam, lag er schon selig schlafend im Bett.

Wie es war? Anstrengend. Unfassbar anstrengend. Es war wie beim letzten Mal: Sie spricht, ich nicht.

Geschlagene drei Stunden lang hat Sina erzählt. Von Krankheiten (krasser Schnupfen und riesiger Pickel auf der Stirn), von echten Problemen bei der Arbeit (Neulich musste sie eine halbe Stunde länger arbeiten. Man stelle sich das mal vor.) und von ihren anstrengenden Kindern (Enno kann immer noch keinen richtigen Vogel malen!! Untalentiertes Gör!).

Kurz bevor wir zahlen wollten, fiel ihr wohl ein, dass ich ja vielleicht auch noch ein Leben habe:

»Aber nun zu dir, wie geht’s DIR denn eigentlich? Nicht so gut, oder? Du siehst ganz schön fertig aus!«

Na, schönen Dank auch. Dafür habe ich mir jetzt drei Stunden lang ihre Storys angehört? Um am Ende auch noch beleidigt zu werden?

Während ich Basti antworte, frage ich mich, warum ich mir das eigentlich antue. Sind Freunde und Bekannte nicht dafür da, dass sie einem Energie GEBEN und nicht RAUBEN? Solche Treffen sollen unsere Akkus doch wieder auffüllen, oder? Das ist doch das, was das Leben ausmacht: liebe Menschen, die einem immer zur Seite stehen und mit denen man schöne Momente verbringen kann. Der schönste Moment gestern Abend war aber der, als ich wieder zu Hause ankam.

Wenn ich ehrlich bin, muss ich diese Freundschaft wohl mal dringend überdenken.

Es ist Freitagmorgen und draußen regnet es ausnahmsweise mal nicht. Man muss sich immer über die kleinen Dinge im Leben freuen.

Ich schließe die Haustür zu und gehe zum Auto. Schon von Weitem sehe ich ein weißes, quadratisches Etwas auf der Frontscheibe. Na, herzlichen Glückwunsch, das hat mir noch gefehlt: ein Strafzettel!

Wieso das denn? Hier parken doch alle AnwohnerInnen, denke ich wütend bei mir. Okay, richtig LEGAL ist das vielleicht nicht, aber die Polizei schreibt hier wirklich nie Leute auf. Als ich näher ans Auto herankomme, merke ich: Das war auch nicht die Polizei. Zumindest nicht die offizielle. Nein, das hier war die Nachbarschaftspolizei. Der Sheriff von nebenan. Der Sherlock Holmes der Mehrfamilienhaussiedlung. Ich nehme den Zettel von der Scheibe und halte ihn ins Licht der Straßenlaterne. Spot on the nicht vorhandenen Humor von meinem Nachbarn. Auf dem Zettel ist ein Bild von einem Alien, der im Auto sitzt und dämlich grinsend aus dem Fenster guckt. Darüber steht in großen Buchstaben:

»Herzlich willkommen auf der Erde. So wie Sie parken, können Sie ja nicht von hier sein.«

Altobelli. Ich weiß nicht, ob ich jetzt lachen, schreien oder das Auto von meinem Nachbarn anzünden soll. Ich habe so viele Fragen: WO gibt es solche Zettel? Kauft man die als Block? Im Abo? Und was kosten die? Oder, meine schlimmste Befürchtung: Macht sich da etwa jemand die Mühe und bastelt die Scheiße selbst am PC?

Zu meiner Verteidigung muss an dieser Stelle noch mal schnell gesagt werden: Ich parke hervorragend. Ich bin ’ne Eins im seitwärts einparken. Und rückwärts. Und vorwärts sowieso. Entgegen allen überholten und peinlichen Klischees bin ich der lebende Beweis dafür, dass es wirklich mal Zeit wird für eine Weltmeisterschaft im Einparken. Ohne Geschlechtertrennung! Ich persönlich sehe mich da schon oben auf dem Treppchen. Wie ich stolz vor meinem alten schwarzen Audi stehe und voller Inbrunst, im Trikot, die Deutschlandhymne singe. Und der Pokal besteht aus drei kleinen Autos, von denen das in der Mitte aus Gold ist. Weil es perfekt eingeparkt hat, versteht sich.

Also eine absolute Frechheit, mir so einen Zettel unter den Scheibenwischer zu klemmen. Ich zerknülle den Zettel, schreibe mir gleichzeitig eine Notiz ins Handy. Für meine Radioshow. So ’ne Geschichte muss schließlich On Air.

Während der Fahrt zur Arbeit gehe ich im Kopf alle möglichen Sprüche durch, die ich meinem Nachbarn nachher um die Ohren hauen werde. Als ob, Martina. Als ob du die jemals aussprechen würdest.

An solchen Tagen denke ich besonders stark an die Sätze meiner Eltern und daran, ob sie vielleicht nicht doch recht haben.

»Muschi, wollt ihr nicht doch wieder zurück in die Kleinstadt? Hier ist es ruhig, man hat alles um die Ecke und nie Stress wegen Parkplätzen.«

Bevor du fragst – ja, meine Eltern nennen mich Muschi. Bis heute. Auch in der Öffentlichkeit. Beim Einkaufen im Supermarkt zum Beispiel. Oder beim ersten Kennenlernen mit meinem Mann.

»So, Muschi, nun stell uns doch mal deinen Freund vor.«

Den Blick von Basti werde ich nie vergessen. Das war ein Mix aus unterdrücktem Lachanfall und Angst. Angst, dass es solche Eltern sind, die dir morgens nackt im Haus entgegenkommen und fragen, wie du dein Ei am liebsten hast: weich oder hart? Diese Art von Eltern, die sich am 15. Geburtstag deiner Freundin neben dich setzen und dir mit ihrem Bier zuprosten.

»Was früher meine Leber war, ist heute eine Minibar.«

Lautes Lachen, während Vatter sich auf die Schenkel klopft.

So was war mir schon immer suspekt. Als wären sie einer von uns. Gute Freunde. Keine Eltern. Genauso schlimm wie Kids, die ihre Eltern nur beim Vornamen nennen.

»Ich frag mal den Jürgen, ob ich länger bleiben darf.«

Meinetwegen musst du den gar nicht mehr fragen, du kannst auch direkt gehen. Ganz schwierige Konstellation. Aber gut, ich schweife ab.

Oh, eine Anekdote habe ich noch!

Ein Freund von mir wurde beim ersten Schwiegereltern-Kennenlernen von seiner Schwiegermutter in spe auf den Mund geküsst. Ihre Erklärung:

»Das machen wir hier so bei uns in der Familie. Wir haben alle ein sehr inniges Verhältnis.«

Danach sind er und seine Freundin, ihre Tochter, weggezogen. 600 Kilometer weit entfernt von den Eltern. Weil da die beruflichen Aussichten angeblich besser waren. Und die Mieten günstiger.

Ein Schelm, wer da Böses denkt.

Also was machen Basti und Muschi? Auch wegziehen, um der blöden Parksituation und den komischen Nachbarn aus dem Weg zu gehen?

Zugegeben, die Vorstellung, irgendwo zu leben, wo es ruhiger ist, wo man einen eigenen Garten hat und alle Freunde zum Grillen einladen kann, das wäre schon schön. Aber dafür ernsthaft wieder dorthin, wo ich aufgewachsen bin? Nach Elmshorn? In Schleswig-Holstein? Nee, mache ich nicht. No way.

Hier in Hamburg habe ich doch alles. Ich kann rund um die Uhr so viel erleben, in Bars gehen, beim Vietnamesen ’ne Pho schlürfen und bis in die Puppen irgendwo feiern. Gut, wissen wir alle – Letzteres wird immer weniger ab Mitte dreißig, aber wir sprechen hier ja von der Theorie. Es wäre möglich.

Ein Kollege hat an meinem 35. Geburtstag zu mir gesagt:

»Du bist jetzt 35? Ach, dann bist du ja auch ein Hasi.«

»Was bin ich?«

»Na, ein Hasi. Halbsiebzig.«

Was haben wir alle gelacht. Köstlich. Aber ein bisschen hat er ja auch recht. Spätestens ab Mitte dreißig verändert sich dein Freundeskreis. Menschen trennen sich, Menschen werden schwanger – viele Menschen –, Menschen heiraten, kaufen sich ein Haus. Das ist alles schon verdammt erwachsen und das macht mir ehrlich gesagt immer wieder etwas Angst. Dieses »Endgültige«. Dann gibt es nur noch diese eine Richtung. Zumindest fühlt es sich so an. Das ist das, was uns die Gesellschaft vermittelt. Hauptsache, du entscheidest dich – und wehe, du drehst dich noch mal um und revidierst deine Entscheidung. Ist nicht drinkowski! Aber ist das nicht gerade das Schöne am Leben? Dass theoretisch alles möglich ist? Du und ich, wir müssen nur dran glauben.

»It’s showtime, baby. Time to become everything you’ve ever dreamed of being.«

Diesen Spruch habe ich mir heute bei Pinterest abfotografiert. Jeden zweiten Tag landet so ein Spruch bei mir im Ordner. Ich lese ihn und denke:

»YASSS! Genauso ist es, Schwester! Da bin ich dabei!«

So lange, bis Frau Bartmeier wieder an meiner Tür klingelt.

In meinem Kopf ist irgendwie weniger möglich auf dem Land. In der Stadt wiederum stehen mir alle Türen offen. Da gibt es jeden Abend etliche Events, auf die du gehen könntest. Auf dem Land passen die Events auf einen einzigen grünen DIN-A6-Flyer: Grünkohlessen, Schützenfest und Dorfputz.

Wird das nicht irgendwann zu öde? Geht man da nicht ein? Wenn du meine Freunde fragst: definitiv. Die Mehrheit ist noch für die Stadt. Da fühlen sie sich frei, jung und kreativ. In die Kleinstadt fahren wir eigentlich nur, um unsere Eltern zu besuchen und anschließend in der Stadt wieder leicht arrogant die Nase zu rümpfen: Mein Gott, sind die alle festgefahren in ihren Kleinstadt-Klischees. Zum Glück sind wir ja alle so offen und tolerant.

Das stimmt definitiv und das mag einerseits daran liegen, dass mein Freundeskreis tatsächlich sehr aufgeschlossen und interessiert ist. Andererseits spielt, meiner Meinung nach, der Wohnort auch eine starke Rolle in Sachen Toleranz. Klar, du kannst nicht alle in eine Schublade stecken, aber auf dem Land und in der Kleinstadt werden verstaubte Klischees doch noch viel mehr gelebt. Da ist häufig der Mann der »Ernährer« und die Frau macht die komplette Care-Arbeit. Und wir sprechen hier nicht von älteren Generationen. Hier geht’s um Menschen in meinem Alter oder jünger. In der Kleinstadt ist man mit Anfang dreißig oft schon verheiratet und wohnt in einem eigenen Haus mit Garten. Themen wie Diversität werden hier nicht wirklich großgeschrieben. Und das sage ich jetzt nicht als arrogante Großstädterin, sondern als Mensch, der in der Kleinstadt aufgewachsen ist und dorthin regelmäßig zurückkehrt. Meiner Meinung nach ist es für die eigene Entwicklung wichtig, dass man aus dieser engstirnigen Idylle mal ausbricht. Etwas anderes sieht. Seinen Horizont erweitert. Heißt: andere Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen. Mit all den vielfältigen und wichtigen Themen, die dazugehören.

Bitte fühl dich nicht angegriffen, wenn du seit Kindertagen in derselben Gegend lebst. Das hat sicherlich auch seine Vorteile und ich will auf keinen Fall behaupten, dass jede*r mal in einer Großstadt gelebt haben muss. Es würde aber aus meiner Sicht viele Gespräche offener gestalten.

Also, wohin nun mit uns? Will ich wirklich samstags auf dem Wochenmarkt wieder meinen alten Schulfreunden über den Weg laufen?

»Na, wie geht’s?«

»Och, danke, muss.«

Diese Entscheidung ist ein klassischer Fall von: Darum kümmert sich bitte mein Zukunfts-Ich. Eine Methode, die ich gerne anwende, wenn mein Gehirn keine Kapazitäten mehr hat, ich einfach nur prokrastinieren will und merke, diese Entscheidung ist heute nicht überlebenswichtig. Damit kann sich gerne die Martina in ein paar Wochen oder Monaten beschäftigen. Viel Freude und Erfolg dabei! Liebe Grüße, dein Vergangenheits-Ich.

Für die Gegenwarts-Martina geht es heute erst mal zu den Schwiegereltern aufs Dorf. Vielleicht ist das ja so mindblowing, dass ich direkt meine Koffer packe und zurück will in die Kleinstadtidylle. Bei dem Gedanken muss ich allerdings selbst ein bisschen lachen.

Der Abend geht harmonisch und lustig los, es gibt Sekt und Buletten. Und zum Nachtisch eine Diskussion über zu alte Mütter. Na bitte, alles wie immer. Tschüss Kleinstadtidylle. Hello Hamburg, du wirst mich so schnell wohl doch nicht los.

Die Familie spricht über Frauen, die es ernsthaft wagen, mit Ende dreißig oder sogar noch mit Anfang vierzig (Ist das nicht illegal, sag mal!) schwanger zu werden. Da fallen Sätze wie:

»Das könnte ich ja nicht. Da biste im Kindergarten und der Schule ja immer die Älteste.«

»Nein, das würde ich mir wirklich nicht mehr antun. Du hast ja auch gar keine Energie mehr dafür.«

Und falls du dich das fragst – ja ich sitze im selben Raum. Sogar am selben Tisch. Und ja, die wissen, dass ich 37 und noch nicht schwanger bin.

Frau Bartmeier hat übrigens damals beim ersten Kennenlernen auch direkt nach Kindern gefragt.

»Haben Sie zwei eigentlich Kinder?«

»Nein.«

»Nicht mal eins?«

Was liebe ich diese Frage. Nicht mal eins? Als hätte ich es vergessen und es würde mir bei der Nachfrage spontan wieder einfallen. Mal ehrlich, was sollst du darauf denn antworten?

»Ach ja. Sorry, eins haben wir. Aber eins ist ja wie keins.«

Schallendes Gelächter.

Während also einige am Tisch über das richtige, von der Gesellschaft akzeptierte Alter zum Kinderkriegen reden, fülle ich mir mein Sektglas erneut auf. Mit Haube.

Im Kopf plane ich den nächsten Urlaub. Ohne Kind. Ich kann jederzeit spontan abhauen. New York, Rio, Tokio. Was kostet die Welt, Bitches?

Als der Abend sich dem Ende neigt, nehme ich mir noch eine Frikadelle to go und fahre mit Basti zurück nach Hause.

»War doch ein schöner Abend, oder?«

»Mhhh«,

antworte ich mit vollem Mund.

Mit ’ner halben Frikadelle in der Hand schlafe ich auf dem Beifahrersitz ein und träume von einem Haus mit Garten in der Großstadt.

Am nächsten Morgen werden wir von lautem Geklingel geweckt. Zusätzlich klopft es an der Tür und eine tiefe Stimme ruft:

»Hier ist die Polizei, machen Sie bitte auf.«

Aber gerne doch. Morgens um halb neun am Wochenende kann ich mir nichts Schöneres vorstellen. Der Grund für den Besuch: Mein Mann Basti hat genauso illegal geparkt wie ich. Im Gegensatz zu mir bekommt er aber keinen Alienzettel, sondern direkt das SEK auf den Hals gehetzt. Der Nachbar hat nicht nur selbst gedruckte Zettel, sondern wohl auch einen guten Draht zur Polizei. Beim Blick aus unserem Fenster erkenne ich seinen Schatten gegenüber hinter der Gardine. Du alte Petze. Während Basti also in Boxershorts, T-Shirt und mit Wu-Tang-Clan-Flip-Flops sein Auto umparkt, öffne ich den Papierkorb meiner E-Mails. Hier war doch irgendwo ein Exposé für ein Haus in Elmshorn. Mit Garten. Mutti hatte es mir netterweise ungefragt geschickt. Und ich hatte es direkt gelöscht. Ah ja, da ist es. Löschen rückgängig. Angucken kostet nix. Nur mal so als Übung. Einziehen müssen wir da ja noch lange nicht.

Vier Wochen später verfluche ich mich. Warum genau habe ich das jetzt gemacht? Seitdem ich die E-Mail aus meinem Mail-Papierkorb gefischt habe, ist unsere Familie on fire. Meine Mutter schickt mir fast täglich Exposés aus Elmshorn und Umgebung. Meine Schwiegereltern rufen an und fragen:

»Na, wie läuft die Häusersuche? Bei uns um die Ecke soll was frei werden. Die Dame von gegenüber ist verstorben.«

Gefühlt verstirbt fast jeden zweiten Tag eine Dame von gegenüber.

Irgendwie ist es ja auch süß, dass sich alle so freuen würden, wenn wir in ihre Nähe ziehen. Aber es erdrückt mich auch ein wenig. Etliche Fragen schießen mir durch den Kopf. Stehen die dann jede Woche spontan aufm Hof? So nach dem Motto:

»Ach, wir waren gerade in der Gegend«?

Nie wieder Privatsphäre. Alle können innerhalb von zehn Minuten bei uns sein. Ohne Ankündigung. Mich stresst das irgendwie, Basti ist die Ruhe selbst. Wie immer. Im Gegensatz zu mir ist er auch schon voll drin im Kleinstadtgame. Der sieht sich schon auf der Gartenliege chillen. Mit Aperol in der Hand.

Vier Wochen später denke ich, von wegen Besichtigungen kosten nix. Die kosten sehr viel Energie und wertvolle Lebenszeit. Im Prinzip ist eine Besichtigung wie eine Familienfeier, nur mit fremden Menschen.

»Haben Sie denn schon Kinder? Nein? Oh, das ist aber schade bei dem großen Garten! Was wollen Sie dann mit all den Zimmern machen? Das ist doch viel zu viel Platz für zwei Personen!«

Sollte die Frage nicht lieber sein:

»Haben Sie die Kohle dafür? Und wann überweisen Sie?«

Nein, immer drückt dir einer einen dicken Klecks Senf aus seiner Tube auf deinen Teller. Ob du willst oder nicht. Basti scheint das alles nicht zu stören.

»Nun hab dich nicht so, die zeigen doch nur Interesse.«

Er nennt das interessiert, ich nenne das übergriffig. Während also Basti und der Rest der Familie die Online-Immobiliensuche auf Elmshorn und Umgebung begrenzen, gebe ich die Hoffnung nicht auf und suche weiterhin nach geeigneten Häusern in Hamburg.