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DIAGNOSE: SEHNSUCHT NACH DR. REYNOLDS von SUE MACKAY Ein Ehemann, vielleicht sogar Kinder – für Ally ein Albtraum! Bis die Hebamme ihren Kollegen Dr. Flynn Reynolds kennenlernt. Er weckt eine bittersüße Sehnsucht in ihr: Flynn wäre der eine, mit dem sie glücklich werden könnte. Wenn er keinen Ehering tragen würde … ZÄRTLICHER TROST IN DEINEN ARMEN von ANNIE CLAYDON Dr. Edward North ist der Traum aller Schwestern in der Hunter Clinic! Nur Charlotte verbietet sich jeden Gedanken an den attraktiven Chirurgen. Ihr Leben ist kompliziert genug. Bis sie eines Tages verzweifelt in seinem Büro steht – und Edward sie zärtlich in seine Arme zieht … DER SCHMERZ, DER SEHNSUCHT HEISST von MEREDITH WEBBER Ausgerechnet Angus! Seit Jahren hat die Ärztin Beth keinen Kontakt zu ihrem Exmann. Bis eine unbekannte Infektion in ihrem Kindercamp ausbricht – und er als Spezialist gefragt ist. Kaum arbeitet sie mit ihm zusammen, verzehrt sie sich gegen jede Vernunft wieder nach ihm … DIESE GEFÄHRLICHE SEHNSUCHT … von TINA BECKETT Ausgerechnet Dr. James Rothsberg! Mila wollte ihren Exverlobten nie wiedersehen. Aber zum Wohl eines ihrer kleinen Patienten muss sie jetzt mit ihm zusammenarbeiten. Auch wenn er trotz allem immer noch eine gefährliche, unwiderstehlich sinnliche Sehnsucht in ihr weckt … ICH WILL DICH NOCH IMMER WIE DAMALS von AMALIE BERLIN Ihr Anblick trifft Prinz Quinn wie ein Blitz aus heiterem Himmel! Die sexy Ärztin, die vor ihm steht, ist seine Ex-Frau Anais! Vor sieben Jahren hat sie die Scheidung eingereicht – und ihm damit das Herz gebrochen. Sein Verlangen nach ihr lodert jedoch noch immer heiß wie am ersten Tag …
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Seitenzahl: 1024
Cover
Titel
Inhalt
Diagnose: Sehnsucht nach Dr. Reynolds
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
Zärtlicher Trost in deinen Armen
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
Der Schmerz, der Sehnsucht heißt
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
Diese gefährliche Sehnsucht …
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Titel
Impressum
PROLOG
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
EPILOG
Ich will dich noch immer wie damals
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
13. KAPITEL
EPILOG
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Contents
IMPRESSUM
Diagnose: Sehnsucht nach Dr. Reynolds erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2015 by Harlequin Books S.A. Originaltitel: „Midwife … to Mum“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBEN Band 86 - 2016 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Michaela Rabe
Umschlagsmotive: stefanamer/Ilya Rumyantsev/GettyImages
Veröffentlicht im ePub Format in 02/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck
ISBN 9783751505659
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag: BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Alyssa Parker ließ ihre Taschen auf den Boden fallen und sah sich in ihrer neuen Bleibe um.
Sehr überschaubar, dachte sie. Nicht so wie in ihrer letzten möblierten Unterkunft. Hier ist man mit Staub wischen und saugen schnell durch. Sie würde sich etwas anderes suchen müssen, um sich nach der Arbeit zu beschäftigen. Mit Stricken anfangen? Sich als Hundesitter andienen?
Ihr Handy klingelte. Sie fischte es aus der Tasche, las den Namen auf dem Display und nahm das Gespräch an. „Hey, Boss, ich bin auf Phillip Island gelandet.“ Obwohl sie immer wieder eingedöst war, hatte die Busfahrt von Melbourne hierher kein Ende genommen. Erst als ihr auf der Fähre ein kräftiger Wind um die Nase wehte, wurde ihr Brummschädel einigermaßen erträglich.
„Was macht der Kopf?“, fragte Lucas Elliot, der Entbindungspfleger, der ihr die Wohnung vermittelt hatte.
„Besser. Wer hat gepetzt?“ Zusammen mit ein paar Kolleginnen von der Entbindungsstation war sie einen trinken gegangen, und es war nicht bei einem Drink geblieben, nachdem sie sich zu essen bestellt und bis in die Nacht hinein gefeiert hatten.
„Meine Lippen sind versiegelt“, antwortete Lucas. „Phillip Island, also – der nächste Ort auf der Weltkarte, den du abhaken kannst?“
„Genau.“ Immer wieder die Richtung wechseln, eine neue Umgebung kennenlernen, das gehörte zu ihrem Leben dazu wie die Butter aufs Brot. Sie hielt nichts von dem üblichen Nine-to-five-Job, den die meisten bevorzugten.
„Wie ist die Bude?“
„Nicht größer als ein Kaninchenstall.“ Ihr Blick fiel auf etwas, das wie ein überdimensionaler Schrank aussah. „Und es wäre übertrieben, dies hier als Küche zu bezeichnen. Aber was soll’s? Das gehört zum Abenteuer dazu!“ Außerdem, wozu brauchte sie eine Küche, wenn sie sich sowieso lieber auswärts etwas zu essen holte?
„Ally, ich hatte ganz vergessen, dir zu sagen, wo der Schlüssel liegt. Aber anscheinend hast du die Tür aufgebrochen und dir selbst Zutritt verschafft.“
„Er war unter dem Blumentopf auf der obersten Stufe.“ Wo sie als Erstes nachgesehen hatte.
„Warum machen die Leute das? Es ist das bekannteste Versteck der Welt.“
Sie sah sich flüchtig im Raum um. „Ich glaube nicht, dass es hier viel gibt, das einen Einbrecher reizen könnte.“ Kat, die Hebamme, für die sie einsprang, gab ihr Gehalt sicher nicht für häuslichen Komfort aus.
„Und, bist du zufrieden? Ich weiß, du liebst jeden Tapetenwechsel, aber dieser dürfte ein Sahnehäubchen sein, mit all den Stränden. Du arbeitest praktisch am Meer.“
„Falls es dir entgangen ist … wir haben Winter. Aber die Insel ist schön.“
Lucas lachte. „Okay, dann lasse ich dich jetzt in Ruhe auspacken, damit du die Gegend erkunden kannst. Man erwartet dich morgen früh um halb neun in der Praxis. Dr. Reynolds möchte mit dir einiges besprechen, und danach geht es gleich los mit der Schwangerschaftsvorsorge.“
„Also alles wie immer, wenn ich eine Vertretung übernehme.“ Den ironischen Unterton konnte sie sich nicht verkneifen.
Seit zwei Jahren arbeitete sie nun schon als sogenannte „Feuerwehr“ der Entbindungsstation des Victoria Hospital in Melbourne. Es waren Arbeitsbedingungen ganz nach ihrem Geschmack, sonst hätte sie der Melbourne Maternity Unit, kurz MMU, sicher schon längst den Rücken gekehrt. Sooft man ihr auch eine Festanstellung angeboten hatte, Ally lehnte jedes Mal ab.
Eine unbefristete Stelle brachte es mit sich, dass sie den Menschen, mit denen sie zusammenarbeitete, irgendwann näherkam. Doch die Zeiten, in denen sie es zugelassen hatte, von anderen bitter enttäuscht zu werden, waren lange vorbei. Und zwar von jenem denkwürdigen Tag an, als sie sechzehn geworden war und ihr Leben selbst in die Hand genommen hatte. Da war sie zum letzten Mal beim Sozialamt gewesen. Es spielte keine Rolle, dass sie kaum Geld besaß und auch nicht wusste, wie sie überleben sollte. Wichtig war nur, dass sie selbst entscheiden konnte, wie ihre Zukunft aussah.
Seitdem enttäuschte niemand mehr ihre Erwartungen. Weil sie die Richtung bestimmte. Immer. Und weil sie es sich nicht mehr gestattete, auf eine Familie, geschweige denn auf Liebe zu hoffen.
„Halte mich jetzt bitte nicht für pedantisch“, sagte Lucas. „Ich wollte mich nur vergewissern, dass alles in Ordnung ist.“
Was sollte nicht okay sein? Ally mochte es nicht, wenn sie bemuttert wurde. Das roch nach Betreuung und Fürsorge, und davon hatte sie in ihrem Leben mehr als genug gehabt.
„Sobald ich meine Sachen verstaut habe, werde ich einen Spaziergang machen und mir mal ansehen, wo diese Praxis liegt.“
„Viel Erfolg, Ally. Falls es keine Probleme gibt, sehen wir uns in vier Wochen.“
Sie schob das Handy zurück in die Hosentasche, hob die größere der beiden Taschen auf, ging ins Schlafzimmer und warf sie aufs Bett. Immerhin ein Doppelbett …
Nicht dass sie einen Mann hätte, der es mit ihr teilen könnte. Noch nicht. Vielleicht lernte sie ja am Strand einen heißen Typen kennen, der einer kurzen Affäre nicht abgeneigt war. Athletisch, durchtrainiert, wie Surfer so sind. Dass es Winter war, hielt diese Kerle nicht davon ab, aufs Surfbrett zu steigen. Wozu gab es schließlich Neoprenanzüge? Noch besser, da zeichnete sich jeder Muskel ab. Ihr wurde warm bei dem Gedanken.
Nachdem sie die andere, mit Büchern und DVDs randvoll gefüllte Tasche in eine Ecke des Wohnzimmers geschoben hatte, stemmte sie die Hände in die Hüften und sah sich um.
Es war vier Uhr nachmittags, und sie hatte nichts zu tun.
Sobald sie mit der Arbeit anfing, war alles easy. Nur die ersten Stunden an einem neuen Ort machten sie unruhig. Ally zog den Reißverschluss der Tasche auf, holte zwei kleine silberne Figuren heraus und stellte sie auf das einzige Regal. „Hallo, Jungs, willkommen in Cowes auf Phillip Island.“ Sanft strich sie mit dem Finger über die Hunde. Falls sie sich jemals ein Tier anschaffen sollte, dann einen English Springer Spaniel wie diesen. Oder besser zwei davon. Einer allein wäre einsam.
Ally hatte den Bartletts nie vergeben, dass sie ihr das Herz gebrochen hatten – als sie ihr versprachen, sie immer zu lieben, um ihr dann zum Abschied die beiden Hundefiguren zu schenken. Daraufhin packte sie die Spaniels in eine leere Pralinenschachtel, verschnürte sie mit einem gelben Band und vergrub sie im Garten der Bartletts. Die hatten sie im Stich gelassen, sie wollte ihren Trostpreis nicht. Doch an einem rabenschwarzen Tag erinnerte sie sich an die Hunde, die sie ihrerseits im Stich gelassen hatte. Ally schlich sich in den Garten und grub die Schachtel wieder aus.
Seitdem hatte sie die Figuren immer bei sich, als Talisman und Beweis dafür, wie stark und unabhängig sie war.
Allerdings machten die kleinen Hunde aus der fremden Wohnung immer noch kein Zuhause. Ally überlegte, die Schränke zu inspizieren, damit sie wusste, wo was lag. Was jedoch keine fünf Minuten in Anspruch nehmen würde, und sie hätte danach immer noch keine Ahnung, was sie mit sich anfangen sollte.
Dies waren die einzigen Momente, in denen sie sich eingestand, dass ihr Leben nicht normal war. Aber was bedeutete schon „normal“?
Leben wie andere Menschen auch.
Wenn sie wie jetzt in einer Wohnung stand, die sie nie zuvor gesehen hatte und deren Besitzer sie nicht kannte, fragte sie sich jedes Mal, wie es wäre, sich für immer an einem Ort niederzulassen, an dem sie sich zu Hause fühlte.
Und jedes Mal konnte sie sich das beim besten Willen nicht vorstellen.
Auch nicht mit einem Mann, der dich bedingungslos liebt?
Die Antwort blieb immer die gleiche: Den gibt es nicht .
Nur nicht ins Grübeln verfallen, ermahnte sie sich. Ally zog ihre nagelneuen langen schwarzen Stiefel aus und schlüpfte in bequeme Laufschuhe. Sonnenbrille aufgesetzt, Schlüssel und Portemonnaie in die Hosentasche, und auf ging’s zur ersten Erkundungstour. Irgendwo musste es hier einen anständigen Coffeeshop geben. Und da konnte sie auch gleich sondieren, wo man Essen zum Mitnehmen bekam. Danach ans Meer, ein bisschen am Strand herumstromern.
Der Kaffee war einer der besten, den sie je getrunken hatte. Ally leerte den Pappbecher bis auf den letzten Tropfen und warf ihn in den nächsten Abfalleimer.
Der Strand schien endlos. Weicher Sand unter ihren Schuhen und vor ihr sanft plätschernde Wellen. Sie sah Ball spielende Kinder und Paare, die Hand in Hand am Ufer entlangschlenderten. Und ein Idiot, der es unbedingt wissen wollte, rannte ins eiskalte Wasser und kam schreiend sofort wieder heraus.
Ally zog ihr Handy aus der Tasche und rief auf der Entbindungsstation in Melbourne an. Sie konnte einen glücklichen Seufzer nicht unterdrücken, als Darcie sich meldete. „Hey, was macht dein Kopf?“, fragte Ally ihre Freundin.
„Dem geht’s gut, aber ich habe ja auch den ganzen Abend Orangensaft getrunken“, antwortete die Ärztin.
„Geschieht dir recht, wenn du dich freiwillig zur Rufbereitschaft meldest.“
„Sagt die Frau, die mehr Stunden arbeitet als wir alle zusammen“, murmelte Darcie. Was sie dann sagte, hob Allys Stimmung beträchtlich. „Übrigens kannst du bei mir einziehen, wenn du wieder in der Stadt bist. Heute Morgen ist meine Mitbewohnerin ausgezogen.“
„Großartig, das ist super.“ Darcie wurde mehr und mehr zu einer guten Freundin. Was Ally nicht geheuer war, wenn sie länger darüber nachdachte. Doch im Augenblick tat es gut, eine Freundin zu haben, zumal sie unruhiger war als sonst vor einem neuen Job.
Andererseits … hatte sie nicht schon vor langer Zeit gelernt, mit Einsamkeit umzugehen? Jedes Mal, wenn sie zur nächsten Pflegefamilie weitergereicht wurde, zu Menschen, die es gut mit ihr meinten und die sie doch eines Tages wieder wegschickten?
„Bist du noch dran?“, fragte Darcie.
Ally riss sich zusammen. „Gab es Notfälle?“
„Ich habe gerade einen Notkaiserschnitt hinter mir und wollte mir etwas zu essen holen.“
„Dann will ich dich nicht länger aufhalten. Danke für das Angebot, ich komme darauf zurück, wenn ich ein Bett brauche.“ Ally steckte das Handy weg und schob die Hände tief in die Jackentaschen, während sie sich auf den Weg zum äußersten Ende des Strands machte.
Ein Ball rollte auf sie zu, sie nahm ihn an und kickte ihn zurück zu den Jungen, denen er entwischt war. Einer von ihnen streckte den Fuß aus, verfehlte ihn und musste sich spöttische Bemerkungen seiner Kumpel anhören, weil ein Mädchen besser war als er.
Mädchen können alles besser, wenn sie wollen, dachte sie und setzte lächelnd ihren Spaziergang fort. Ihre Stimmung hob sich mit jedem Schritt. Wie konnte man hier unglücklich sein? Der Strand war herrlich, die frische, salzige Luft tat gut, und morgen fing sie einen neuen Job an. Was wollte sie mehr?
Die Sonne sank hinter den Horizont und tauchte den Himmel in einen wahren Farbenrausch von Rot, Orange und Gold. Wie gebannt betrachtete Ally das prächtige Naturschauspiel.
Bis ihr irgendetwas oder irgendjemand einen Schlag versetzte. Sie schwankte, versuchte, sich auf den Beinen zu halten, doch der zweite Zusammenprall schickte sie zu Boden. Ally landete im Sand und etwas Schweres auf ihr – hechelnd, mit nasser Zunge, ein Kalb von einem Hund.
„Hey, runter von mir …“ Sie wand sich zwischen haarigen Pfoten und versuchte, sich aufzusetzen.
Eine große Pfote drückte sie wieder nieder, und der dunkle Hundekopf versperrte ihr die Sicht auf den Sonnenuntergang. Schwanzwedelnd wackelte das Tier mit dem Hinterteil.
„Sheba, hierher!“ Von irgendwoher über ihnen kam eine Männerstimme. „Sofort!“
Sheba leckte Ally übers Kinn und sprang zur Seite weg, wich geschickt der Hand aus, die sie am Halsband packen wollte.
„Puh.“
Doch Allys Erleichterung war nur von kurzer Dauer. Die Hündin legte sich so dicht neben sie wie möglich, immer außer Reichweite des Mannes, der sie zu fassen versuchte. Und wieder landete eine schwere Pfote auf Allys Magen und drückte ihr die Luft aus den Lungen.
Hinter Ally ertönte helles Kinderlachen. „Sheba, du bist witzig.“
Da schien sich jemand vor Vergnügen den Bauch zu halten. Ally schob die Pfote behutsam beiseite, setzte sich auf und blickte sich um. Ein süßer kleiner Junge hüpfte begeistert auf und ab und lachte dabei so fröhlich, dass es ihr das Herz wärmte.
„Platz, Sheba!“ Herrchen wirkte alles andere als erfreut.
Ally blickte zu dem Mann auf, der sich jetzt über sie beugte. „Alles okay, mir geht’s gut.“ Sie lächelte, um ihn zu beruhigen.
„Es tut mir leid, dass Sheba Sie über den Haufen gerannt hat. Sie kennt ihre Kraft nicht.“ Als er zu dem Kind hinüberblickte, wich sein Unmut einem weicheren Ausdruck. „Adam, ermutige sie nicht noch.“
„Aber das war lustig, Dad.“ Der Kleine bog sich vor Lachen.
Ally erhob sich, klopfte sich den Sand von der Jeans und lächelte. „Wenn Kinder erst anfangen zu kichern, können sie nicht wieder aufhören.“ Dem Jungen nur zuzusehen, machte sie glücklich. Jetzt sprang der Hund auf ihn zu und stieß mit seinem großen, zotteligen Kopf gegen seinen Po, woraufhin Adam noch lauter lachte. Kullernd und jauchzend quoll das Lachen aus ihm hervor, tanzte in der Abendluft, so ansteckend, dass Ally von einem Ohr zum anderen grinste.
Der Mann, dem die Situation unangenehm zu sein schien, schüttelte den Kopf. „Ich kann mich nur noch einmal entschuldigen. Haben Sie sich wirklich nicht wehgetan?“
Also war ihm nicht entgangen, wie sie kurz zusammengezuckt war, als sie sich den Sand abklopfte. Wahrscheinlich würde sie morgen an der Hüfte einen blauen Fleck haben. Was sie natürlich nicht zugeben würde.
„Es ist alles in Ordnung, wirklich. Sheba wollte spielen, und wenn ich nicht auf den Sonnenuntergang gestarrt hätte, wäre ich aufmerksamer gewesen.“ Sie streckte die Hand aus. „Ich bin Ally. Das ist Sheba, Ihr Junge heißt Adam. Und Sie?“
„Flynn. Wir haben den ganzen Tag bei Freunden verbracht und brauchten ein bisschen frische Luft, bevor es nach Hause geht.“ Zum ersten Mal blickte er sie direkt an, so als müsste er einen Moment nicht auf Hund und Kind aufpassen. „Und Sie?“
„So ähnlich. Der Strand zieht einen förmlich an, wenn die Luft so mild ist.“ Er brauchte nicht zu wissen, dass sie gerade erst in dieser Stadt angekommen war. Ally strich die letzten Sandkörnchen von ihren Jackenärmeln und versuchte, ihn nicht anzustarren. Aber es fiel ihr schwer, den Blick von ihm zu lösen.
Vielleicht war es der melancholische Ausdruck in seinen Augen, der ihre Aufmerksamkeit mehr erregte als sonst bei Zufallsbekanntschaften am Strand. Ein dunkler Bartschatten bedeckte sein markantes Kinn. Ziemlich sexy, genau wie die vom Wind zerzausten Haare über dem attraktiven Gesicht. Unwillkürlich wurden ihre Wangen warm, als sie sich vorstellte, diesen Mann näher kennenzulernen. Falls sie es geschickt anstellte, könnte sie ihn vielleicht zu einer kurzen Affäre verlocken.
Sie ließ den Blick über seine breitschultrige, athletische Gestalt gleiten, zu der eng anliegenden Jeans, unter der sich muskulöse Beine abzeichneten. An seiner Hand blitzte etwas auf, reflektierte die letzten Sonnenstrahlen, und da hatte sie ihre Antwort. Ein Ehering. Das sagte alles.
„Kann ich Ally zu dir sagen?“ Adam hopste vor ihr auf und ab.
Ally blinzelte und konzentrierte sich auf die jüngere Version, nachdem die ältere schlagartig außer Reichweite gerückt war. „Klar kannst du das.“ Als ob sie sich jemals wiedersehen würden … Obwohl, so unrealistisch war das nicht, wenn Flynn oft mit seinem Sohn an den Strand ging. Solange sie nicht gerade Babys auf die Welt holte und mit Schwangeren redete, wollte Ally so viel Freizeit wie möglich hier am Meer verbringen.
Hoffentlich brachte Flynn beim nächsten Mal seine Frau mit. Das dürfte das erotische Kribbeln, das sie in seiner Gegenwart verspürte, gehörig dämpfen! Ally ließ sich grundsätzlich nicht mit Männern ein, die vergeben waren. Wie könnte sie ihr Vergnügen mit dem Kummer anderer bezahlen?
Da musste sie sich wohl nach jemand anderem umsehen. Wow, Ally, du bist gerade mal eine gute Stunde hier. Wozu die Eile?
Ganz einfach: Ein Lover würde sie vor langen einsamen Nächten bewahren, in denen sie von etwas träumte, das für sie unerreichbar blieb. Sie konnte das Gefühl, nichts wert zu sein, vergessen. Zumindest für die Stunden, in denen sie einen Mann glücklich machte und er sie.
Flynn Reynolds riss den Blick von der schönsten Frau los, die er seit Langem gesehen hatte, und richtete ihn auf seinen Sohn. Allerdings stand Adam genau vor ihr, redete ununterbrochen, sodass Flynn die Gelegenheit nutzte, ihre Beine zu betrachten. Endlos lange, schlanke Beine in enger Jeans. Hinreißend!
Sie lachte wegen etwas, das Adam gesagt hatte. Ein herzhaftes, sinnliches Lachen, aus purem Vergnügen heraus.
Was er sehr erfrischend fand, nachdem er nicht nur einmal erlebt hatte, dass Frauen sich mit vorgetäuschtem Interesse an seinem Sohn an ihn heranmachen wollten. Keine von ihnen kapierte, dass Adam sie schnell durchschaute. Geschweige denn, dass Flynn nicht interessiert war. Nicht im Geringsten.
Warum ertappte er sich jetzt dabei, dass er das Lächeln dieser umwerfenden Frau erwiderte, obwohl es gar nicht ihm galt, sondern seinem Sohn? Zumal ihm in letzter Zeit selten zum Lächeln zumute war.
Flynn konzentrierte sich auf seinen Jungen. „Wir müssen nach Hause, Adam. Die Sonne ist gleich weg, dann wird es kühl.“ Eine lasche Ausrede, aber immer noch besser, als seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Sonst kam er womöglich noch auf die dumme Idee, Ally besser kennenlernen zu wollen. Er war noch nicht bereit für eine neue Frau in seinem Leben. Auf Jahre hinaus wahrscheinlich nicht.
„Müssen wir wirklich?“
„Ja, Adam.“
Je länger er jedoch hier stand und mit ihr redete, umso mehr könnte er versucht sein, sie zum Abendessen einzuladen. Allerdings konnte er sich nicht vorstellen, dass eine attraktive Frau wie sie Single war. Sie trug zwar keine Ringe, doch das hatte nichts zu bedeuten.
Flynn sah sich um und fluchte unterdrückt. „Sheba!“, brüllte er. „Komm hierher!“
Zu spät. Die Hündin landete bis zum Bauch im Wasser, sprang und tollte herum, als würde ihr die Kälte nichts anhaben.
Adam rannte hinterher, blieb am Ufer stehen, die kleinen Hände in die schmalen Hüften gestemmt. „Sheba, Dad sagt, wir gehen nach Hause“, rief er. „Willst du nicht dein Fressen haben?“
Ally, die neben Flynn stand, lachte leise auf. „Viel Glück.“
Er warf ihr einen Seitenblick zu. Ihre Wangen waren leicht gerötet, und die Röte vertiefte sich, wenn sie lachte. Was sie oft tat.
Adam und Sheba trotteten auf sie zu. Und dann tat der Hund das, was alle nassen Hunde taten – sie schüttelte sich kräftig, dass die Salzwassertröpfchen nur so flogen. Flynn erwartete, dass Ally nun endgültig genug hätte, sich beschweren und davongehen würde. Aber nein. Ihr Lachen erfüllte die milde Abendluft und wärmte sein Herz. Wie leicht wäre es, sich von einer Frau wie ihr verzaubern zu lassen. Nein, von ihr …
Flynn unterdrückte einen Seufzer der Enttäuschung. In seinem Leben war kein Platz für eine Frau, so schön sie auch sein mochte. Nicht einmal für kurze Zeit. Adam und seine Arbeit beanspruchten seine gesamte Aufmerksamkeit. Abgesehen davon hatte er keine Ahnung mehr, wie man eine Frau ansprach, sich verabredete. Er war zu lange raus aus dem Markt.
Ob es einen Ratgeber „Dating für Dummies“ gab? Ich brauche keinen. Ich will es nicht. Flynn versetzte sich eine mentale Ohrfeige. All diese Fragen und Zweifel nur wegen einer Frau, der er vor ein paar Minuten zum ersten Mal begegnet war! Er brauchte eine Auszeit, das war das eigentliche Problem. Alleinerziehender Vater und stark engagiert im Beruf – kein Wunder, dass sein Akku leer war.
„Auf geht’s.“ Er packte Sheba beim Halsband und wandte sich Richtung Straße. „War nett, Sie kennenzulernen.“ Flynn nickte der ersten Frau, die zwei Jahre nach Annas Tod sein Interesse erregt hatte, knapp zu. Sobald er zu Hause war und damit beschäftigt, das Abendessen zu machen, die Wäsche zusammenzulegen und sich auf die Arbeit morgen vorzubereiten, sollte sich dieses Interesse verflüchtigt haben. Verdammt. Es wäre schön gewesen, sie näher kennenzulernen.
„Bye, Ally“, sagte Adam, als sie losgingen.
Sie blieb zurück, beide Hände in den Jackentaschen. „Wir sehen uns.“
Täuschte er sich, oder hatte das hoffnungsvoll geklungen?
„Okay“, antwortete sein Sohn, der sich anscheinend nicht von ihr trennen mochte. „Morgen?“
„Adam“, mahnte Flynn. „Komm jetzt.“ Aber er musste sich zusammennehmen, um sie nicht doch zum Abendessen einzuladen. Ich brauche nicht die Probleme anderer, dachte er. Ich brauche niemanden.
Wahrscheinlich wäre sie auch nicht begeistert, wenn er ihr gebackene Bohnen auf Toast servierte.
Gebackene Bohnen. Im Geiste hörte er Anna sagen, wie ungesund sie wären. „Dosenfutter“ hatte sie immer abfällig gesagt. Aber heute Mittag hatten Adam und er viel Gemüse gegessen, da konnte er die Regeln am Abend ein bisschen lockern. Ab und zu gebackene Bohnen, das schadete seinem Sohn nicht und verschaffte ihm selbst etwas mehr Zeit. Vielleicht konnte er sogar die Spätnachrichten sehen. Es ging aufwärts mit seinem Leben!
Ally setzte ein freundliches Lächeln auf und betrat die Gemeinschaftspraxis. Während sie den Reißverschluss ihrer Jacke aufzog, marschierte sie zum Empfangstresen.
„Hi, ich bin Alyssa Parker. Ich springe für Kat ein.“
Der Mann, der in der Patientenakte gelesen hatte, richtete sich auf, und Ally schnappte nach Luft, als sie in die blauen Augen blickte, die sie heute Nacht bis in ihre Träume verfolgt hatten. Dann lächelte sie. „Flynn!“ Das sinnliche Prickeln, das sie gestern in seiner Nähe gespürt hatte, war auf einmal wieder da, rieselte durch ihren Körper und erzeugte Hitze an Stellen, die tabu waren – jedenfalls für einen verheirateten Mann. Er war immer noch atemberaubend, auch wenn der Bartschatten verschwunden, Kinn und Wangen glatt rasiert waren. Hör auf, ermahnte Ally sich.
Doch sie hätte schon sechs Fuß unter der Erde liegen müssen, um nicht auf ihn zu reagieren.
„Hallo, Ally. Oder bevorzugen Sie Alyssa?“
„Lieber Ally. Niemals Alyssa. Dann sind Sie Dr. Reynolds?“ Gestern Abend hatten sie ihre Nachnamen nicht genannt. Und als es um den Job ging, hatte sie den Vornamen des Arztes nicht erfahren.
Ally merkte, wie die Angestellte hinter dem Tresen sie fragend musterte.
Flynn sah es auch. „Megan ist unsere Bürokraft und ein wahres Organisationstalent“, stellte er vor. „Sie wird Ihnen helfen, Akten und Bestandslisten zu finden und was Sie sonst noch brauchen.“
„Kennen Sie sich?“ Megan verlor den inneren Kampf mit ihrer Neugier.
Ally überließ Flynn die Antwort und sah sich um, während er sagte: „Wir sind uns gestern kurz begegnet. Sagen Sie den anderen bitte, dass wir im Teeraum sind, wo sie Ally begrüßen können?“
Er kam um den Tresen herum. „Ich führe Sie herum“, bot er Ally an. „Sie haben gleich heute Morgen volles Programm: Drei Mütter, die nur auf die Wehen warten, und vier im zweiten Schwangerschaftsdrittel.“
„Drei Hochschwangere? Gab es hier auf der Insel vor acht Monaten eine Party?“ Sie lächelte.
„Sie werden überrascht sein, wie viele Schwangere zu uns kommen. Die Bevölkerung von Phillip Island ist größer, als manche annehmen. Eine der Frauen, Marie Canton, ist Adams Tagesmutter, wenn er nicht im Kindergarten ist.“
Also war Adams Mum berufstätig. Ally fragte sich, was sie machte. War sie Ärztin?
„Wann ist mein erster Termin?“ Ally besann sich auf professionelle Fragen.
Aber da lächelte Flynn, und es fiel ihr schwer, bei der Sache zu bleiben, weil ihr plötzlich wieder warm wurde.
„Um neun“, antwortete er. „Hat man Ihnen gesagt, dass Kat auch an die Highschool geht, um mit Teenagern über Verhütung zu sprechen?“ Flynn trat einen Schritt zurück und bedeutete ihr, ihm in die Küche mit dem angeschlossenen Besprechungszimmer zu folgen. „Der nächste Termin ist am Donnerstagnachmittag.“
„Nein, davon wusste ich nichts. Ist aber kein Problem.“ Was war das für ein Aftershave? Unauffällig schnupperte sie dem würzigen Duft nach, der sie an herbstliche Wälder, Sonne … und warme Männerhaut erinnerte.
Prompt stolperte sie über ihre eigenen Füße und musste sich an einem Stuhl festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
„Ich bin noch dabei, diese Stiefel einzulaufen“, meinte sie entschuldigend und hoffte, dass Flynn ihre geröteten Wangen nicht auffielen. Natürlich sollte er sie nicht für tollpatschig halten, aber noch schlimmer wäre es, wenn er merkte, dass sie seinetwegen fast auf der Nase gelandet wäre.
Doch als sie ihm einen Blick zuwarf, entspannte sie sich. Er sah nur auf ihre neuen schwarzen Langschaftstiefel. Schicke Teile, die sie fast einen Wochenlohn gekostet hatten. Seine Augen weiteten sich, sein Blick glitt höher, ganz langsam, über ihre Schenkel, ihre Hüften, höher und höher, bis ihre Blicke sich schließlich trafen.
Von wegen entspannt! Ally fühlte sich, als hätte jemand sie im Skianzug in eine Sauna gesperrt und von außen den Riegel vorgeschoben. Ally brachte kein Wort hervor, konnte Flynn nur mit großen Augen anstarren.
Der Mann war wahnsinnig sexy. Die Luft zwischen ihnen knisterte, als regnete es Funken. Sein Haar war leicht zerzaust, genau wie gestern, und ebenso verlockend. Ally presste die Fingernägel in die Handflächen, um nicht die Hand auszustrecken und durch die dichten, kräftigen Strähnen zu streichen.
„Sie müssen die neue Hebamme sein.“ Eine Frau Mitte vierzig tauchte neben ihr auf. „Ich bin Faye Bellamy, Allgemeinmedizinerin, arbeite aber nur Teilzeit, muss ich zu meiner Schande gestehen.“
Ally trat zurück, um mehr Abstand zwischen sich und Flynn zu bringen, und schüttelte der Ärztin die Hand. „Ja, ich bin Ally Parker. Schön, Sie kennenzulernen.“
„Wir freuen uns alle, dass Sie da sind. Ist schon blöd, dass Kat Urlaub genommen hat, aber ich habe Ihre Referenzen gelesen. Sie scheinen genau die Richtige für den Job zu sein.“ Faye holte Becher aus dem Küchenschrank und stellte sie auf den Tisch.
„Danke. Wo ist Kat jetzt?“
„In den Niederlanden“, antwortete Flynn. „Ihre Urgroßmutter wird neunzig. Kat hat sich den Urlaub für diese Reise aufgespart.“ Er warf einen Blick auf Fayes Rücken, sah dann Ally an. „Sie hätte auch zwei Monate freinehmen können, und wir würden ihr immer noch die Überstunden schulden, die sie für uns gearbeitet hat.“
„Europa ist weit weg, da braucht man schon mindestens einen Monat.“ Sie nahm die Tasse, die Faye ihr reichte. „Danke.“
„Morgen allerseits!“ Ein Mann kam hereingeschlendert. „Hmm, Kaffee. Den brauche ich auch.“ Er entdeckte Ally. „Hi, ich bin Jerome, Allgemeinmediziner erster Güte, und arbeite mit diesem bunten Haufen zusammen.“
Es herrschte eine fröhliche Atmosphäre voller Lachen und gutmütiger Neckereien. Ally setzte sich auf einen Stuhl und hörte zu, als zwei Krankenschwestern hereinkamen und über Patienten sowie zwei Notfälle am Wochenende berichteten. Sie fühlte sich auf Anhieb wohl hier. Es war das gleiche Montagmorgen-Szenario, das sie aus den meisten Besprechungen kannte, seit sie als Hebamme arbeitete. Die gleichen Fälle, nur andere Namen. Die gleichen Kollegentypen, nur andere Namen. Ihr Blick wanderte zu dem Mann, der ihr gegenübersaß, und unwillkürlich hielt sie wieder kurz den Atem an.
Flynn beobachtete sie unter schweren Lidern hervor, das Kinn gesenkt, die Arme vor der breiten Brust verschränkt, während er seinen Stuhl lässig auf den hinteren zwei Beinen balancierte. Gerade so weit, dass er damit nicht umkippte.
Ally atmete flache, wie nach einem Hundert-Meter-Sprint. Der Mann hatte kein Recht, sie so zu verwirren. Je eher die Besprechung zu Ende war, umso besser. Dann konnte sie sich um ihre Patienten kümmern und sich vor ihm verstecken, bis ihr Körper wieder in seinen Normalzustand zurückgekehrt war. Bei dem jetzigen Tempo dürfte das irgendwann gegen Mitternacht sein …
Stühle scharrten über den Boden und lenkten ihre Aufmerksamkeit wieder auf die anderen Menschen im Zimmer. Endlich durfte sie diesen Raum verlassen, eine Pause, die sie dringend brauchte.
Leider betrat Flynn schon eine Viertelstunde später ihr Zimmer. Bei ihm war ein verängstigt wirkendes junges Mädchen. „Ally, ich möchte Ihnen Chrissie Gordon vorstellen.“ Mit einem freundlichen Lächeln bedeutete er Chrissie, sich zu setzen.
„Hi, Chrissie. Dein Nagellack ist toll. Was für eine irre Mischung aus Knallpink und Feuerrot.“ Die Farbe hätte eine dunkle Abstellkammer erleuchten können.
„Es heißt Monsterrot“, meinte Chrissie ohne große Begeisterung und anscheinend mit ihren Gedanken ganz woanders.
„Chrissie hat mehrere Schwangerschaftstests gemacht, und sie waren alle positiv.“ Flynn war das Mitgefühl mit seiner Patientin anzusehen. „Ich möchte Sie bitten, das mit einem Bluttest zu bestätigen. Dann wissen wir auch, in welcher Woche Chrissie ist.“
„Okay, das machen wir gleich.“ Sie nahm das Laborformular entgegen. Das Geburtsdatum verriet, dass Chrissie fünfzehn war. Zu jung, um allein mit einer solchen Situation fertig zu werden. Ally verspürte das Bedürfnis, das Mädchen zu beschützen. Als sie selbst in dem Alter war, war sie kaum mit ihrem eigenen Leben zurechtgekommen. Niemals hätte sie sich auch noch um ein Baby kümmern können. Allerdings bezweifelte sie, dass sie es heute besser könnte … Sie sah Flynn an. „Überlassen Sie das mir.“
Er nickte knapp. „Gut, Chrissie, ich rufe dich unter deiner Handynummer an, sobald die Laborergebnisse da sind.“
„Danke, Dr. Reynolds“, flüsterte sie, während sie nervös an ihrem Schulblazer zupfte. „Aber Sie sagen es doch nicht meiner Mum?“
„Natürlich nicht. Selbst wenn ich es wollte – was nicht der Fall ist –, dürfte ich solche vertraulichen Informationen nicht ohne deine Erlaubnis weitergeben. Du entscheidest, wann du mit deiner Mutter darüber sprichst. Wir warten jetzt den Test ab, und dann reden wir beide erst einmal darüber.“ Flynn machte eine kurze Pause. „Aber du wirst die Schwangerschaft irgendwann nicht mehr geheim halten können.“
„Ich weiß, aber ich will es noch nicht sagen.“ Sie senkte den Kopf. „Ich habe Angst. Es tut doch weh, ein Baby zu bekommen, oder?“
Ally griff nach ihrer Hand und drückte sie beruhigend. „Darüber mach dir keine Gedanken. Lass uns die Tests machen und herausfinden, in welchem Monat du bist. Wenn du möchtest, erkläre ich dir auch gern, was du über das erste Schwangerschaftsdrittel wissen musst.“
„Ja, bitte.“ Auf einmal kullerten dicke Tränen über ihre Wangen, tropften auf die Schuluniform. „Mum bringt mich um.“
„Ganz bestimmt nicht.“ Flynn war schon auf dem Weg zur Tür gewesen, kehrte jedoch wieder um. „Angela wird dich unterstützen, weil du ihre Tochter bist. Das tun alle Mütter.“
Du hast ja keine Ahnung! Ally presste die Lippen zusammen, um nicht damit herauszuplatzen. Manche Mütter interessiert es einen Dreck, was aus ihren Töchtern wird. Manche Mütter legen ihr Baby vor irgendeiner Haustür ab und verschwinden auf Nimmerwiedersehen!
Als sie Flynn jedoch ansah, schüttelte er kaum merklich den Kopf und formte stumm mit den Lippen: „Angela ist großartig.“
Konnte er Gedanken lesen? Aus ihren Schultern wich die Anspannung. Wenn er recht hatte, so wäre es für das Mädchen ein Lichtblick an einem sehr düsteren Tag. „Gut“, meinte sie und hoffte, dass er seine telepathischen Fähigkeiten nicht schon vorhin im Besprechungsraum genutzt hatte. Nicht auszudenken, wenn er da ihre Gedanken gelesen hätte!
„Hast du schon einmal einen Bluttest gemacht, Chrissie?“ Ally beschloss, dass sie genug Zeit damit verschwendet hatte, über Dr. Reynolds nachzudenken.
Flynn verschwand und zog die Tür leise hinter sich ins Schloss.
„Ja, drei Mal. Ich hasse das. Mir sind jedes Mal die Beine weggeknickt.“
„Dann ist es vielleicht besser, wenn du dich auf die Liege legst. Ich möchte dich wirklich nicht vom Boden auflesen müssen.“
Zum ersten Mal huschte ein schwaches Lächeln über Chrissies schmales Gesicht. „Ich wiege nicht viel. Das schaffen Sie.“
Noch nie hatte jemand sie für kräftig und stark gehalten. „Vielleicht, aber Gewichte stemmen ist nichts für mich. Wie viel wiegst du überhaupt?“
„Achtundvierzig Kilo. Ich hab’s gut, ich kann essen, was ich will, und bleibe trotzdem dünn. Meine Mum ist ganz neidisch.“ Hatte sie ihr Dilemma für einen Moment vergessen, so fiel es ihr jetzt wieder ein. Chrissies Lippen bebten. „Ich kann es ihr nicht sagen. Sie wird echt sauer sein. Sie hat mich mit siebzehn gekriegt. Mein Leben lang hat sie mir eingetrichtert, dass ich mich nicht mit Jungs einlassen soll. Sie will, dass ich studiere, etwas Richtiges lerne. Sie konnte das nicht, weil sie mich hatte.“
Ally stellte ihr ein Glas Wasser hin und reichte ihr eine Schachtel Papiertücher, bevor sie sich zu ihr setzte. Ihre erste offizielle Patientin würde ein bisschen warten müssen.
„Chrissie, natürlich wird deine Mutter enttäuscht, ja, vielleicht sogar wütend sein. Aber sie wird sich wieder beruhigen, weil sie dich liebt.“ Wehe, wenn Flynn übertrieben hat, dachte sie. Ally hielt nichts davon, jemandem falsche Hoffnungen zu machen.
„Meinen Sie? Sie kennen sie doch gar nicht.“
„Stimmt. Aber ich sehe eine junge Frau vor mir, für die jemand so gut gesorgt hat, dass es ihr an nichts von dem, was im Leben wichtig ist, fehlt. Du bist gesund, und das heißt, dass deine Mum dich ernährt, dich kleidet, dir ein warmes Dach über dem Kopf gibt. Deine Schuluniform ist von guter Qualität, keine Billigware. Und Bildung spielt bei euch eine große Rolle.“ Sie wagte es nicht, Chrissie nach ihrem Vater zu fragen. „Ich bin neu in der Gegend. Wo wohnst du?“
„Bei San Remo. Mein Großvater war Fischer und hatte ein eigenes Haus, und so sind Mum und ich bei ihm eingezogen. Er lebt nicht mehr, wir sind jetzt nur noch zu zweit. Ich vermisse ihn. Er hatte immer eine Umarmung und ein Lächeln für mich übrig.“
„Dafür kannst du dich glücklich schätzen. Nicht alle Kinder wachsen so auf.“ Sie selbst auch nicht. „Komm, ich muss dir noch Blut abnehmen.“
Chrissie wurde blass, setzte sich aber auf die Untersuchungsliege und machte einen Arm frei. Als sie sich hinlegte, zwang sie sich zu einem zaghaften Lächeln. „Seien Sie nett zu mir“, bat sie.
Ally lächelte. „Wenn’s sein muss.“ Sie mochte das Mädchen. Obwohl sie große Angst vor der Zukunft hatte, verhielt Chrissie sich freundlich und nicht so mürrisch und abwesend wie viele andere in ihrem Alter. Da hatte Ally schon einiges erlebt.
Spritze und Röhrchen fand sie in der ersten Schublade des Schränkchens neben der Liege. „Treibst du Sport?“, fragte sie, während sie die Haut desinfizierte.
„In der Schule bin ich im Basketballteam, und ich spiele Fußball im Verein. Beim Basketball drängen sie mich öfter ab, weil ich so leicht bin, aber ich habe spitze Ellbogen.“ Die Nadel glitt in die Vene, das Röhrchen füllte sich rasch. „Und ich bin schnell.“
Ally ersetzte das volle Röhrchen durch ein leeres – für die hämatologischen Tests. Flynn wollte den Hämoglobin-Wert wissen, um zu sehen, ob Chrissie anämisch war. „An einem der Strände hier kann man super surfen. Hast du das schon mal versucht?“ Fertig. Ally hatte alles, was sie brauchte.
„Klar, hier kann jeder surfen, mal besser, mal schlechter.“
„Du kannst dich aufsetzen.“ Ally versah die Blutproben mit Aufklebern.
„Was, schon fertig? Ich habe gar nichts gemerkt.“
„Natürlich nicht.“ Sie lächelte das Mädchen an, stutzte, als sie sah, wie Chrissies Augen verräterisch schimmerten. Die Ablenkung war nur von kurzer Dauer gewesen. „Du schaffst das schon“, versicherte Ally ihr.
„Sport kann ich erst mal vergessen, oder?“
„Ich würde an deiner Stelle nicht unbedingt an Wettkämpfen teilnehmen, aber wenn du dich fit hältst, ist das nur gut für dich und dein Baby.“
Chrissie putzte sich geräuschvoll die Nase. „Sie haben nicht gesagt, wie dumm ich bin, weil ich mich habe schwängern lassen. Oder gefragt, wer der Vater ist und solche Sachen.“
„Weil es unwichtig ist. Mir liegt viel daran, dass du gesund bleibst und eine unbeschwerte Schwangerschaft hast. Möchtest du mich etwas fragen?“
Das Mädchen schwang die Beine von der Liege und starrte auf den Fußboden. „Eine ganze Menge, aber nicht jetzt. Können wir später noch mal reden? Nach der Schule? Bis dahin sind die Testergebnisse bestimmt da, oder?“
„Das wichtigste auf jeden Fall. Willst du darüber nicht mit Dr. Reynolds sprechen?“
„Er wird mich anrufen, aber vielleicht brauche ich jemanden, mit dem ich persönlich reden kann. Bei einem Mann wäre mir das peinlich. Ich hätte lieber Sie.“
„Okay, kein Problem.“ Ally kritzelte ihre Handynummer auf ein Stück Papier. „Ruf mich jederzeit an. Wenn ich nicht rangehe, sprich auf die Mailbox. Ich melde mich, sobald ich kann. Einverstanden?“
„Danke.“ Chrissie schniefte. „Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen und immer gehofft, dass Dr. Reynolds mir sagen würde, dass alles ein Irrtum ist. Dass ich kein Baby bekomme. Ich habe mein ganzes Taschengeld für Schwangerschaftstests ausgegeben, und es kam immer dasselbe Ergebnis. Wie blöd von mir.“
„Chrissie, hör mir bitte zu. Das ist nicht blöd. Ich hatte schon Frauen in meiner Sprechstunde, die genau das Gleiche gemacht haben. Manche, weil sie ihr Glück nicht fassen konnten, und andere – wie du –, die hofften, dass der Test fehlerhaft war.“ Ally holte tief Luft. „Chrissie, ich muss dich etwas fragen. Hast du über eine Abtreibung nachgedacht? Oder darüber, dein Kind zur Adoption freizugeben?“
„Nein, niemals!“ Schützend legte sie beide Hände auf ihren noch flachen Bauch. „Das ist mein Baby. Auch wenn ich jung bin und von Mum abhängig, ich werde es behalten.“
Dafür liebte Ally sie. „Chrissie, du bist wundervoll.“ Sie beugte sich vor und umarmte sie.
„Haben Sie schon ein Baby bekommen?“ Das Mädchen wurde rot. „Entschuldigung, ich wollte nicht neugierig sein.“
„Du darfst gern fragen. Und die Antwort ist Nein, ich habe keine Kinder.“
Vor ihrem geistigen Auge tauchte ein fröhlicher, blauäugiger kleiner Junge auf, der sich den Bauch hielt vor Lachen. Geh weg, Adam. Du hast eine Mutter, und ich wäre sowieso ein schlechter Ersatz.
„Alles, was ich dir in den nächsten Wochen erzählen werde, weiß ich also nicht aus eigener Erfahrung, sondern durch meine Arbeit mit werdenden Müttern.“ Und so würde es auch bleiben. Weder würde sie ein Kind allein großziehen noch einem Mann vertrauen, dass er lange genug bei ihr blieb, um gemeinsam mit ihr ein Kind heranwachsen zu sehen.
Kaum war Chrissie gegangen, tauchte Flynn an der Tür auf.
„Sie ist erst fünfzehn und hat Angst“, sagte Ally zu ihm. „Aber obwohl es ein Schock für sie war, verhält sie sich bemerkenswert tapfer.“
„Anscheinend haben Sie sie ein bisschen aufgemuntert. Als sie gerade aus dem Zimmer kam, lächelte sie.“ Er lehnte sich gegen den Türrahmen. „Ihre Mutter wird zwar die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, doch ihre Tochter unterstützen, wo sie nur kann. Nach allem, was ich weiß, war Angela schon immer eine starke Frau. Sie hat sich geweigert, Chrissies Vater zu heiraten, weil es nur wegen der Leute gewesen wäre. Ihr Vater hat die ganze Zeit zu ihr gehalten.“
„Chrissie hat den Vater ihres Kinds mit keinem Wort erwähnt, aber vielleicht will sie ihn schützen. Kann sein, dass sie zusammenbleiben.“
„Kann sein.“ Flynn nickte, blickte ihr jedoch unverwandt in die Augen.
Wenn er das tat, zog sich in ihr etwas zusammen, und ihr wurde am ganzen Körper heiß. Verdammt, warum musst du verheiratet sein?
„Ich habe Chrissie angeboten, später noch einmal mit ihr zu sprechen … falls Ihnen das recht ist.“
„Sicher. Solange sie überhaupt mit jemandem redet, bin ich zufrieden. Sie waren gut mit ihr.“ In seiner tiefen Stimme schwang Bewunderung mit.
Ally wusste nicht, ob sie sich darüber freuen oder sich ärgern sollte, dass er vielleicht nicht damit gerechnet hatte. „Tue nur meine Arbeit.“
„Klar.“
„Als Vertretungskraft habe ich nicht den Luxus, meine Patienten über einen längeren Zeitraum begleiten zu können. Das heißt, meine Zeit mit ihnen ist begrenzt, also versuche ich alles, damit sie schnell Vertrauen zu mir fassen.“
„Warum arbeiten Sie nicht festangestellt? Würden Sie die werdenden Mütter nicht lieber besser kennenlernen statt immer wieder weiterzuziehen?“
Hätte er nicht so aufrichtig interessiert geklungen, hätte sie den üblichen Scherz gemacht, dass sie im früheren Leben verhext worden und dazu verdammt sei, ewig auf Wanderschaft zu bleiben. „Angebote hätte ich genug, aber mir liegt es nicht, an einem Ort zu bleiben. Hält mich beweglich.“
„Landen, den Job machen und wieder abfliegen …“
Täuschte sie sich, oder war ihm gerade eine Idee gekommen? Dass die neue Hebamme ungebunden und frei war und sich auf eine kurze Affäre mit ihm einlassen würde, bevor sie wieder verschwand? Sein Blick spiegelte das sinnliche Prickeln wider, das in ihrem Körper aufstieg.
Die Wirklichkeit holte sie schlagartig wieder ein. Ernüchternd wie ein Eimer Eiswasser. Tut mir leid, Kumpel, aber du bist verheiratet!
Abrupt wandte sie sich ab und starrte auf den PC-Bildschirm. Wie hieß ihre nächste Patientin?
„Ich bin Ihnen hoffentlich nicht zu nahe getreten.“
Mehr, als du ahnst. Flynn brauchte sie nur anzusehen, und ihre Hormone spielten verrückt. Sie warf ihm ein flüchtiges Lächeln zu und blickte zurück zum Monitor. „Holly Sargent, fünfunddreißigste Woche. Muss ich etwas über sie wissen, das hier nicht steht?“
Als er nicht antwortete, hob sie den Kopf. Flynn blickte sie intensiv an, und sie las Fragen über Fragen in seinen faszinierenden blauen Augen. Und wenn schon, sie redete nie über Persönliches. „Holly Sargent?“, hakte sie nach.
„Dritte Schwangerschaft, die letzten beiden ohne Komplikationen. Die üblichen Erkältungen, eine Grippe, ein gebrochenes Handgelenk und eine Verletzung an der Augenbraue, die genäht werden musste, nachdem Holly gegen eine Glasschiebetür gerannt war. Vollzeitmutter.“
Ally sah auf ihre Patientenliste. „Brenda Lewis?“
„Erste Schwangerschaft, Bluthochdruck liegt in der Familie, doch bisher zeigt Brenda dafür keine Anzeichen. Sie ist fünfundzwanzig und leitet eine Kita für Kinder unter fünf Jahren.“
Ihr Ärger löste sich in Wohlgefallen auf, und sie musste lachen. „Respekt. Wissen Sie über jeden Ihrer Patienten so viel?“
„Wie viel Zeit haben Sie?“ Er grinste jungenhaft. „Es reicht für glänzende Unterhaltung.“
Ally verdrehte die Augen. „Der Himmel bewahre mich davor, freitagabends mit Ihnen beim Kollegen-Umtrunk festzuhängen!“
„Mist, und ich wollte Sie gerade fragen, ob Sie mit mir ausgehen.“ Sein Tonfall verriet allerdings, dass er nur scherzte.
Also war er genauso verunsichert wie sie. Dennoch rieselte ihr ein erregender Schauer über den Rücken. Wie gern würde sie sich mit diesem Mann verabreden! Hallo? Wenn das kein Ehering an seinem Finger ist, was dann? Der Kerl ist ein ausgemachter Schürzenjäger . „Bedaure, Freitag muss ich mir die Haare machen.“
„Ich auch“, murmelte er und verließ das Zimmer, sodass sie ihn nur noch von hinten sah.
Allerdings ein verlockender Anblick. Knackige Pomuskeln, die sich unter der Hose bewegten, breite Schultern, die das Hemd perfekt ausfüllten. Ihre Unterlippe bebte. Flynn wäre genau der Richtige für ihre nächste Affäre.
Und ein Mann, von dem sie sich nicht so leicht wieder trennen könnte …
„Flynn?“, rief Megan, als er sich die Jacke überzog. „Das Labor auf Leitung eins!“
„Stellen Sie durch.“ Verdammt, Ally war gerade durch den Haupteingang nach draußen verschwunden. Er hatte vorgehabt, mit ihr zu reden, bevor sie Feierabend machte, sie vielleicht zu Kats Wohnung zu begleiten, bevor er nach Hause ging.
Was – angesichts der Tatsache, dass er auf der anderen Seite der Stadt wohnte – nur bewies, dass mit seinem Kopf etwas nicht stimmte! Seit er Ally begegnet war und ihre wunderschönen braunen Augen ihm nicht mehr aus dem Sinn gingen …
„Flynn!“ Das klang dringend. „Gehen Sie ran?“
Er stieß die Tür zu und schnappte sich das unaufhörlich klingelnde Telefon. „Dr. Reynolds am Apparat.“ Kannst du dich kurz fassen? Ich habe noch etwas vor!
„Hier ist Andrew vom Labor, Doktor. Ich rufe wegen der Ergebnisse für William Foster an.“
William Foster, sechsundfünfzig, hatte seit dem Tod seiner Frau vor einem Jahr zu viel getrunken, zu viel fettiges Fastfood zu sich genommen und daraufhin ein ungesundes Übergewicht entwickelt. Da er über Schmerzen in der Schulter und allgemeine Abgeschlagenheit klagte, hatte Flynn sofort ein paar Tests angeordnet.
„Ich höre.“
„Glucose und Cholesterin sind erhöht, aber der Troponin-Wert macht mir richtig Sorgen.“
Flynn notierte sich die bedenklichen Werte, obwohl Andrew sie ihm innerhalb der nächsten Minuten per Mail schicken würde. Danach wollte er schon Williams Nummer wählen, überlegte es sich jedoch anders, rief stattdessen Marie an und sagte ihr, dass er etwas später kommen würde.
„Gut, dann isst Adam bei uns mit.“
Flynn seufzte. „Ich schulde dir was. Wieder einmal.“
„Mach dir nicht ins Hemd.“ Marie lachte leise. „Du weißt, wie gern ich ihn bei mir habe.“
William lebte zehn Minuten von der Praxis entfernt, und auf dem Weg dorthin überlegte Flynn, ob er nicht doch besser angerufen hätte. Damit der Mann zu Hause blieb und nicht in den Klub ging, um sein Bier zu trinken. William ahnte es noch nicht, aber Bier war für eine ganze Weile strikt tabu.
Er öffnete nach dem dritten Klopfen und war sichtlich überrascht, Flynn um diese Zeit vor seiner Tür zu sehen. „Was ist los, Doc?“
„Kann ich kurz reinkommen?“
William wich seinem Blick aus. „Worum geht es?“
Er war verdächtig blass. So hatte Flynn ihn noch nicht erlebt. „Lassen Sie mich rein, dann reden wir darüber.“ Und noch etwas fiel ihm auf: Die schleppende Sprache und der Alkoholatem verrieten, dass William Gesellschaft hatte. Von einer Flasche Whisky. „Es ist wichtig“, fügte Flynn hinzu.
Mit einem resignierten Seufzer trat William zurück und riss dabei die Tür sperrangelweit auf. „Hausputz ist diese Woche ausgefallen, Doc. Passen Sie besser auf, wo Sie hintreten.“
Nur diese Woche? Flynn versuchte, nicht zu tief einzuatmen und nicht in die Zimmer zu blicken, an denen sie vorbeikamen. Trotzdem nahm er den verwahrlosten Zustand der Wohnung wahr. William kam nicht damit zurecht, dass seine Edna nicht mehr da war, und da konnten seine Tochter und Flynn reden, so viel sie wollten, es änderte sich nichts.
In der Küche griff er mit zitternden Händen nach dem leeren Glas, das auf dem Tisch stand. Immer noch konnte er Flynn nicht direkt in die Augen sehen, doch seine Blicke glitten unruhig hin und her. Auf der Arbeitsplatte stand eine fast volle Whiskyflasche neben drei leeren. Wie lange hatte er gebraucht, um die Flaschen zu leeren?
Am einfachsten wäre es gewesen, ihm die nüchternen Fakten zu seiner Lebensweise und dem Alkoholkonsum zu nennen, aber Flynn brachte es nicht über sich. Wie kein anderer verstand er, wie es war, wenn man die Frau verlor, die man mehr liebte als das eigene Leben. Flynn konnte nicht sagen, ob er sich nach Annas Tod nicht genauso aufgegeben hätte wie William, wäre Adam nicht gewesen.
Er zog einen Stuhl unter dem Tisch hervor und bedeutete William, sich zu setzen. Dann nahm er rittlings auf einem zweiten Platz, ohne sich anmerken zu lassen, wie der einst wunderschöne Brokatbezug jetzt aussah. „William, Ihre Laborwerte sind da. Keine guten Neuigkeiten, fürchte ich.“
„Dachte mir schon, dass Sie deshalb hier aufkreuzen.“
„Sie hatten einen leichten Herzinfarkt, William.“
William hob den Kopf, sah ihn aus wässrigen Augen an, zuckte jedoch nur mit den Schultern.
„Sie müssen heute Abend noch ins Krankenhaus. Man wird Sie untersuchen und weitere Tests machen, um die Ursache für den Anfall herauszufinden.“
„Was noch?“ Es klang müde.
„Bewegung und eine andere Ernährung sind ganz wichtig. Sie werden sich ein paar gute Ratschläge anhören müssen.“ Ratschläge, die er wahrscheinlich nicht befolgen würde, so wie alle, die man ihm gegeben hatte.
„Ich meinte, welche Werte waren noch schlecht?“
Flynn hätte ihm die düstere Prognose gern erspart, wusste aber nicht, wie. Er konnte nur hoffen, seinen Patienten damit wachzurütteln, damit er etwas unternahm, ehe es zu spät war. „Ihr Cholesterin ist zu hoch, was den Infarkt erklären würde. Sie haben Diabetes, und Ihre Leber ist angegriffen.“
„Da habe ich ja den Jackpot erwischt.“ Der traurige Unterton verriet, dass es William herzlich egal war. „Sie haben sich wohl nicht besoffen, als Sie Ihre Frau verloren haben, oder, Doc?“
Doch, ein einziges Mal und so heftig, dass er in seiner Verzweiflung kurz davor gewesen war, seinem Leben ein Ende zu machen. Was ihn wiederum so sehr erschreckt hatte, dass er Alkohol kaum noch anrührte. „Das konnte ich mir nicht leisten, William.“
„Klar. Ihr Junge braucht Sie.“
„Sie haben auch eine Familie, die Sie braucht.“ Seine Tochter und die Enkelkinder. Bisher hatten auch sie den Mann nicht aus seiner Lethargie reißen können. „Regen Sie sich nicht auf, aber ich habe einen Krankentransport für Sie bestellt. Der Wagen müsste jeden Moment hier sein.“
„Nicht nötig. Ich kann selbst fahren.“
„Was ist, wenn Sie wieder eine Herzattacke haben und einen Unfall verursachen, bei dem jemand zu Schaden kommt?“
In der Küche herrschte Stille. Wie hätte William auch widersprechen können? Er war kein rücksichtsloser Kerl, der sich nicht um andere Menschen scherte, sondern ein anständiger Mann, der mit einer persönlichen Tragödie nicht klarkam.
„Ich warte hier, bis Sie unterwegs sind. Soll ich Ihre Tochter anrufen?“
„Wenn ich weg bin. Hab keine Lust, mir ihre Moralpredigt anzuhören.“ William blickte sich in der Küche um, sah Flynn wieder an. „Ein Schluck Whisky für den Weg ist wohl nicht drin, was?“
Als Flynn endlich nach Hause kam, war Adam bereits im Schlafanzug und saß vor dem Fernseher.
„Hi, Dad!“
„Hallo, mein Großer.“ Heute Abend brachte er es nicht über sich, sofort den Kasten auszuschalten. Auch wenn es zu Annas eisernen Regeln gehört hatte, dass Adam nicht fernsehen durfte. Flynn wandte sich zu Marie um. „Danke, dass du ihn nach Hause gebracht hast.“
„Kein Ding.“ Sie knöpfte sich den Mantel zu, der sich über ihrem Babybauch wölbte, sodass zwischen zwei Knöpfen der Stoff klaffte. „Hast du schon entschieden, wer auf Adam aufpasst, wenn mein Kleines kommt?“ Marie war entschlossen, sich buchstäblich bis zur letzten Minute um ihn zu kümmern, hatte jedoch auch schon zwei junge Frauen gefunden, die sich in ihren Augen als Übergangstagesmutter eigneten.
„Erwischt.“ Flynn fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. „Ich befasse mich noch heute Abend damit, okay?“
„Ein bisschen Zeit hast du noch.“ Sie lachte. „Außerdem ist es ja nicht so, dass du völlig auf dem Trockenen sitzen würdest. Die halbe Insel ist ganz wild darauf, Dr. Reynolds’ Jungen zu betreuen. Nicht nur, weil er ein süßer Bengel ist. Sein Daddy ist die Sahne auf dem Kuchen.“
„Musst du nicht nach Hause zu deinem Mann?“ Flynn war nicht besonders erpicht darauf, mit einer Einheimischen etwas anzufangen. Zu nahe an zu Hause und seiner Arbeit. Abgesehen davon hatte ihn seit zwei Jahren keine Frau interessiert.
Bis seine Hündin Ally über den Haufen gerannt hatte.
Ally ging nicht ans Telefon, als er anrief, nachdem er Adam ins Bett gebracht hatte. Auch beim zweiten Versuch gegen neun erreichte er sie nicht. Um halb elf, bevor er müde ins Bett stieg, hätte er vielleicht mehr Glück gehabt, aber das war ihm zu spät. Nachher hielt sie ihn noch für einen Stalker …
Dafür verfolgte sie ihn bis in seine Träume. Flynn streckte sich unter der Decke aus wie jeden Abend, doch heute vermisste er Ally – obwohl sie sein Bett noch nie gesehen, geschweige denn jemals darin gelegen hatte. Heute war aus dem gewohnten Alleinsein kalte Einsamkeit geworden. In seiner Fantasie lockte ihn Ally, heiß und sexy, mit ihrem Lachen, ihren lächelnden braunen Augen, verführte ihn, spielte mit ihm.
Ahnte Ally, was sie mit ihm machte? Schon möglich. Die Luft sprühte förmlich Funken, wenn sie einander so nahe kamen, dass er nur die Hand auszustrecken brauchte, um Ally zu berühren. Das war nicht einseitig.
Und er war auch nur ein Mensch …
Dann mach was draus. Hab ein bisschen Spaß, eine Affäre mit ihr. In vier Wochen ist sie wieder weg. Die kurze Zeit wird Adams gewohnten Alltag schon nicht durcheinanderbringen …
„Morgen, Ally!“, rief Megan ihr am Dienstagmorgen fröhlich zu. „Wie ich sehe, haben Sie den besten Kaffee der Insel schon entdeckt.“
„Meine erste Amtshandlung bei jedem neuen Job.“ Sie schnupperte genüsslich.
Megan ließ sich nicht neidisch machen, sondern hob triumphierend den Kaffeebecher, der auf ihrem Schreibtisch stand. Er trug das gleiche Logo. „Wie fanden Sie den Film?“
„Klasse. Es geht nichts über ein paar Vampire am Abend.“ Ally war Megan und ihrem Freund vor dem Kino begegnet. „Und ich habe mich gleich heimischer gefühlt, nachdem ich Sie getroffen hatte.“
Megan lachte. „So läuft das in Kleinstädten. Glauben Sie mir, die Leute hier wissen längst, was Sie gestern zu Abend gegessen haben.“
„Grillhähnchen und Pommes vom Mrs Chook’s. Ich sehe schon die erhobenen Zeigefinger der Fitnessjünger.“ Es hatte köstlich geschmeckt, auch wenn sie sich besser nach einer Salatbar hätte umsehen sollen. Im Winter? Man konnte es auch übertreiben mit gesunder Ernährung. Außerdem hatte sie ein Trostessen gebraucht, als sie unruhig und ungewohnt bedrückt nach der Arbeit in die winzige leere Wohnung zurückgekehrt war.
Am Ankunftstag war das ja normal, aber am zweiten hatte sie sich noch nie so rastlos gefühlt.
Ally liebte ihr Nomadenleben. Es war eins ihrer Ziele gewesen, seit sie die Schule abgeschlossen und vom staatlichen Wohlfahrtssystem unabhängig geworden war. Ein einfacher Plan: genug Geld verdienen, um die Hebammenausbildung zu machen, und sich danach einen Job suchen, wo sie alles geben konnte, ohne an einen Ort gebunden zu sein. Nie wieder wollte sie von etwas oder jemandem abhängig sein, und das schloss Freundschaften und Liebe mit ein.
Bisher klappte das wunderbar. Natürlich gab es Tage, an denen sie sich fragte, ob sie es nicht doch wagen könnte, sich auf jemanden einzulassen. Aber dann kamen die schmerzlichen Erinnerungen zurück, Bilder aus der Zeit, als sie von einer Familie zur nächsten weitergereicht wurde, weil niemand sie so lieben konnte, dass er sie bei sich behalten wollte. Vielleicht war sie es nicht wert. Vielleicht war ihr Herz einzig und allein zu dem Zweck da, Blut durch ihre Adern zu pumpen.
Im Hebammenzimmer verstaute sie Tasche und Jacke im Schrank und machte sich auf den Weg in den Personalraum, in der heimlichen Hoffnung, auf Flynn zu treffen.
Er musste schon da sein, ihre Haut fing an zu kribbeln, Wärme durchströmte sie. Ally sah sich um, und da war er, zurückgelehnt auf einem Stuhl, den er auf den hinteren Beinen balancierte. Ihre Blicke trafen sich. Du hast ihn gespürt, bevor du ihn gesehen hast. Was war hier los? Hatte sie sich nicht gerade erst gesagt, dass sie niemandem, absolut niemandem näherkommen wollte?
Ally trank einen Schluck von ihrem Kaffee und verbrannte sich prompt die Zunge. „Aua, ist der heiß!“
Der glutvolle Blick machte Besorgnis Platz, und die Vorderbeine des Stuhls landeten geräuschvoll auf dem Fliesenboden, als Flynn sich erhob. „Alles okay?“ Er riss ein Papiertuch von der Rolle in der Wandhalterung. „Hier, spucken Sie’s aus.“
Sie nahm das Tuch und wischte sich den Mund ab. „Zu spät, hab’s sofort runtergeschluckt.“ Ihre Kehle brannte wie Feuer. „Jedes Mal vergesse ich, den Deckel abzunehmen.“ Aber sonst war sie nicht so abgelenkt und nippte immer erst vorsichtig. „Schwarzer Kaffee kühlt ewig nicht ab in diesen Pappbechern.“
„Schwer von Begriff, hm?“
Dieses Lächeln gehörte verboten. Oder in Flaschen abgefüllt. Oder geküsst …
Hitze pulsierte in Wellen durch ihren Körper und weckte ein Verlangen, so stark, dass es ihr Angst machte. Was wäre, wenn sie ihm nachgäbe? Könnte sie hinterher gehen, als wäre nichts gewesen? So wie sonst auch? Was da zwischen Flynn und ihr schwelte, fühlte sich anders an. Da war etwas, das sie sich nicht erklären konnte. Lass die Finger davon, ermahnte sie sich. Bleib auf Abstand, dann passiert auch nichts .
„Ich hatte gestern Abend versucht, Sie anzurufen. Wollte wissen, wie der erste Tag hier für Sie war.“
Anscheinend sah Flynn die Sache mit dem Abstand anders. Ich will nicht, dass er nett zu mir ist! „Das erklärt einen von zwei verpassten Anrufen. Ich war im Kino und hatte das Handy ausgeschaltet.“
„Von mir war auch der zweite.“
„Habe ich etwas versäumt?“ Hatten bei einer ihrer Patientinnen die Wehen eingesetzt? Hatte es Komplikationen gegeben? Wollte Chrissie noch mal mit ihr reden? Was auch immer, es machte keinen guten Eindruck, wenn sie dann unerreichbar war.
„Entspannen Sie sich. Es waren rein private Anrufe.“
Von Entspannung konnte keine Rede sein, als sie sich in seiner tiefen, samtweichen Stimme verlor. Allys Mund wurde trocken, und nur mit Mühe brachte sie heraus: „Okay, das ist gut.“ Was für eine intelligente Antwort, dachte sie und grinste schief. Doch zu mehr war ihr armes Hirn gerade nicht fähig.
„Ally, ich wollte Sie noch fragen, ob …“
„Morgen, allerseits!“ Jerome tauchte im Raum auf. „Dann hatten Sie noch nicht genug von uns, Ally?“
„Stimmt.“ Sie riss sich zusammen. „Hatte schon das Weite gesucht, aber dann hab ich die Fähre verpasst und gedacht, ich vertreibe mir die Zeit damit, weiterhin Ihre schwangeren Patientinnen zu betreuen“, witzelte sie.
„Wie ging es Chrissie, als Sie nach der Schule mit ihr gesprochen haben?“, wollte Flynn wissen.
Sie spürte, dass er etwas anderes im Sinn gehabt hatte, als Jerome hereinkam. Zu gern hätte sie gewusst, was.
„Ich hoffe, dass es ihr besser geht, nachdem sie eine Nacht darüber geschlafen hat.“
„Wie ich sagte, Angela wird sie in jeder Hinsicht unterstützen.“ Flynn ging wieder zu seinem Platz. „Übrigens war Marie sehr von ihrer neuen Hebamme angetan.“
Marie war von Allys Chef und seinem Jungen angetan, von der bevorstehenden Geburt ihres Babys, ihrem Ehemann, ja von der ganzen Welt. Durch und durch glücklich. „Ich habe Adam kurz gesehen, als sie hereinkam. Wenigstens hat er aufgehört, sich schlappzulachen.“
„Sagen Sie das nicht. Er hat sich halb totgelacht, als er in Shebas Wasserschüssel getreten ist und bald danach wieder, als von seinem Löffel ein dicker Klecks Erdnussbutter rutschte, der direkt vor Shebas Schnauze landete.“
Ally konnte sich den Jungen lebhaft vorstellen, wie er sich den Bauch hielt und gar nicht mehr zu lachen aufhörte. „Er ist wirklich ein glücklicher kleiner Junge, oder?“
Flynns Lächeln erlosch. Was hatte sie gesagt oder getan? Für einen flüchtigen Moment wirkte er so bedrückt, dass sie ihn am liebsten umarmt und ihm versichert hätte, dass alles wieder gut werden würde.
Was sie natürlich nicht tat. Einen Mann zu umarmen, den sie erst zwei Tage kannte und der darüber hinaus einer ihrer Vorgesetzten war, wäre keine gute Idee. Also nippte sie an ihrem Kaffee, der inzwischen lauwarm war, und wartete darauf, dass die Besprechung anfing.
„Wie ich sehe, habt ihr William gestern Abend einweisen lassen“, sagte Faye, die sich nun auch an den Tisch setzte.
„Er hatte eine Herzattacke“, erklärte Flynn. „Was nicht weiter überrascht – wenn man seine Lebensweise kennt.“
„Im Krankenhaus schicken sie einen Psychologen zu ihm. Vielleicht kann der ihn zur Vernunft bringen“, meinte Faye. „Wir haben es ja alle schon versucht.“
Der traurige Ausdruck in Flynns Augen war noch nicht völlig verschwunden. „Ich hoffe, sein Herzinfarkt ist ein Weckruf für ihn, damit er sich endlich wieder fängt.“ Er wandte sich Ally zu. „Williams Frau ist letztes Jahr an Krebs gestorben.“
„Wie schrecklich.“ Na bitte. Selbst wenn du jemanden findest, der dich liebt und der dich nie enttäuscht, heißt das nicht, dass er dich eines Tages nicht doch allein zurücklässt.
„Ally, ich glaube, Sie sind heute dran mit den Hausbesuchen“, meldete sich Jerome zu Wort. „Eine Ihrer Patientinnen ist Matilda Livingstone. Schwanger mit dem ersten Kind. Machen Sie sich schon jetzt darauf gefasst, dass sie panische Angst davor hat, es könnte etwas schiefgehen.“
„Gibt es einen besonderen Grund?“