3,99 €
Küss den Frosch!
Lilly hat eigentlich alles: einen tollen Ehemann, eine schöne Wohnung, viel Zeit für sich. Dann will Torsten sich plötzlich scheiden lassen - er liebt eine andere. Und Lilly hat nichts mehr, keinen Mann, keinen Job, und die Wohnung muss sie sich mit Frauenheld Jakob teilen. Einziger Lichtblick ist der attraktive neue Nachbar. Dabei hat Lilly gerade beschlossen, die Finger von Prinzen zu lassen und sich bei Männern voll und ganz auf die inneren Werte zu konzentrieren ...
Ein zauberhafter Feel-Good-Roman mit einer Prise Zimt! Denn Zimtsterne kann man auch im Sommer essen!
Die einzelnen Bände der Reihe sind abgeschlossen.
Länge der Taschenbuchausgabe: 320 Seiten
"Sehnsucht nach Zimtsternen" ist der dritte Band rund um das Liebesleben von vier unterschiedlichen Schwestern. Alle Geschichten sind abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.
Leserstimmen:
Ein zauberhaftes Buch, ich liebe es. (Süchtig nach Büchern)
Lesen und für einige Stunden alles um sich herum vergessen und sich dabei richtig wohl fühlen. (Bibliomarie)
Feinste Frauenunterhaltung aus deutscher Feder (...), welcher es glücklicherweise an den sonst üblichen Klischees und billigen Bettszenen mangelt. (Primeballerina)
Veröffentlichungen der Autorin:
Sternschnuppenreihe:
Aussicht auf Sternschnuppen
Zeit für Eisblumen
Sehnsucht nach Zimtsternen
Hoffnung auf Kirschblüten
Glühwürmchen im Bauch (weihnachtlicher Epilog zu Aussicht auf Sternschnuppen)
Mondscheinblues (Spinoff der Reihe)
Zimtzauber
Hochzeitsküsse und Pistolen
Liebe hoch 5 (Anthologie)
und unter dem Pseudonym Katharina Herzog: Immer wieder im Sommer
Besuchen Sie die Autorin auf ihrer Homepage (katrinkoppold.de) und auf Facebook!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Für Lilly
Ohne Titel
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Danksagung
Liebe Leserinnen und Leser!
Über die Autorin
Alles beginnt mit der Sehnsucht
(Nelly Sachs)
Zum Geburtstag hatte mir meine Zwillingsschwester Mia einen Ratgeber geschenkt mit dem Titel: Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin. Warum uns brav sein nicht weiterbringt. Natürlich war das Buch weder in hübsches Papier gewickelt, noch hatte Mia das Preisschild entfernt. Das tat sie nie. Warum auch.
»Ich packe doch nichts ein, nur damit es ein anderer wieder auspackt«, meinte sie immer. »Und die Leute sollen ruhig sehen, was sie mir wert sind.«
In meinem Fall bezifferte sich ihre Wertschätzung auf exakt 6,99 Euro.
Obwohl sich meine Begeisterung über dieses Geschenk anfangs in Grenzen hielt (ein Liebesroman hätte es in meinen Augen auch getan), musste ich doch zugeben, dass es recht passend war. Denn
1. Ich war ein braves Mädchen
und
2. besonders viel herumgekommen war ich in der Welt noch nicht.
Während meiner Kindheit hatte mein Vater darauf bestanden, unsere Familienurlaube jedes Jahr in Übersee zu verbringen. Ein Reiseziel, bei dem nur der Name exotisch ist, denn der Ort liegt am Chiemsee, nur knapp eine Autostunde von unserem Wohnort entfernt. Dahoam is dahoam, wie man in Bayern so schön sagt.
Mein Mann Torsten war bei der Urlaubsgestaltung ebenso wenig experimentierfreudig. »Da weiß man, was man hat«, war seine Meinung, und so buchte er uns sommers wie winters in das Bio-und-Wellness-Hotel Stanglwirt in Kitzbühel ein. Fünf-Sterne-Luxus, fantastisches Essen, Saunagänge mit der kompletten Mannschaft des FC Bayern München - ich konnte mich wirklich nicht beklagen, dass dort zu wenig geboten würde. Aber ich hatte mir schon als Kind nichts sehnlicher gewünscht, als um die Welt zu reisen und fremde Kulturen kennen zu lernen. Und als »jüngstes Paar in der Geschichte des Stanglwirts« (O-Ton des Hotelmanagers) die Goldene Gästenadel für langjährige Treue verliehen zu bekommen, sah ich auch nicht als besondere Ehre an. Aber ich sollte nicht undankbar sein, denn mit Auszeichnungen bin ich bisher nun wirklich nicht überhäuft worden. Genau genommen war das meine erste. Nicht einmal bei den Bundesjugendspielen hat es jemals auch nur für eine Siegerurkunde gereicht.
Gerade jetzt, wo ich aus Zeitgründen auf den Aufzug verzichtet hatte und die Treppe zu Torstens und meiner Wohnung hinauf rannte, verfluchte ich mich wieder einmal dafür, dass ich so ein Sportmuffel war. Denn die Befürchtung, einen Infarkt zu erleiden, war leider nicht vollkommen abwegig. Als ich endlich im obersten Stock angekommen war, fühlte ich mich wie ein zu fest ausgewrungener Waschlappen. Der Schweiß lief mir in Strömen an Stirn und Hals herunter, und mein Mund war so trocken wie Knäckebrot. Ich schloss die Tür auf, taumelte durch den Flur in Richtung der großen Wohnküche - und schnappte nach Luft. Dieses Mal jedoch weniger aus Atemnot als vor Entsetzen. Ach du Scheiße!
Jakob, unser Untermieter, stand vor dem Küchentisch. Eine junge Frau saß mit gespreizten Beinen vor ihm. Ihr kurzer Rock war weit nach oben gerutscht, und Jakob fuhr ihr mit beiden Händen durch die langen blonden Haare. Sie hatte den Kopf leicht nach hinten gebogen, und seine Lippen wanderten ihren Hals hinunter bis zum Ansatz ihrer Brüste. Er schob den Träger ihres Tops über ihre Schulter, sodass ich die Spitzen des BHs sehen konnte. Die Frau stöhnte auf, als Jakobs Finger über den Stoff glitten … und ihn nach unten zogen. Hilfe! Ich musste weg! Schnell weg! Aber meine Beine weigerten sich, ihren Standort zu verlassen, meine Augen saugten sich an der leidenschaftlichen Szene fest, die sich kaum drei Meter von mir entfernt abspielte. Ich verspürte Scham. Unglaubliche Scham! Und … auch ein wenig Erregung. Ach du heiliger Strohsack! Nichts wie raus! Unter Aktivierung all meiner Willenskraft hob ich meinen Fuß an, ließ den anderen folgen und schlich Zentimeter für Zentimeter rückwärts. Ich hätte es schon fast geschafft, um die Ecke zu biegen, da öffnete die blonde Schönheit auf einmal die Augen. »Oh, Jakob!«, rief sie. Unsere Blicke trafen sich. Einen Moment lang starrte sie mich an, dann fing sie an zu kreischen: »Jakob, da ist jemand!« Sie sprang hektisch vom Tisch und zog gleichzeitig den Rock herunter und den Träger ihres Tops hoch.
»Wollte nicht stören. Nur kurz was holen«, stammelte ich.
Jakob drehte sich mit geöffneter Hose zu mir um. Oh nein! Ich wollte das nicht sehen … Hastig wandte ich den Kopf ab, konnte aber nicht umhin, noch einen klitzekleinen Blick zu riskieren. Zum Glück! Alles war dort, wo es hingehörte.
»Wolltet ihr nicht erst heute Nacht nach Hause kommen?«, fragte er bemerkenswert ungerührt. Seine Haare waren ganz zerzaust, und er sah noch unrasierter aus als sonst.
»Bin gleich weg.« Ich flüchtete ins Schlafzimmer. Meine Augen schirmte ich mit einer Hand ab.
Nachdem ich die Tür hinter mir zugeschlagen hatte, atmete ich erst einmal tief ein und aus. Ärger stieg in mir auf. Warum entschuldigte ICH mich eigentlich bei Jakob!? Schließlich war es mein Küchentisch und nicht seiner, den er für seinen kleinen Quickie missbraucht hatte. Nicht MIR sollte also die ganze Sache peinlich sein, sondern IHM. Diesem Lustmolch!
Doch ich ärgerte mich nicht nur über ihn, denn von ihm hatte ich genau genommen nichts anderes erwartet, sondern vor allem über mich selbst. Frustriert überlegte ich, wie meine Zwillingsschwester mit einer solchen Situation umgegangen wäre. Bestimmt hätte sie auf zwei Fingern gepfiffen, das Time-out-Zeichen gemacht und lässig gesagt: »Gleich könnt ihr weiterknutschen. Ich muss nur kurz was holen.« Ich dagegen war absolut unsouverän gewesen, hatte nur dummes Zeug gestammelt. Und nun saß ich im Schlafzimmer fest und traute mich nicht raus, obwohl ich es eilig hatte: Schließlich musste ich mit einer Rundstricknadel und einem Stemmeisen bewaffnet das Familienvermögen meines Mannes retten! Was für eine missliche Lage! Dabei hätte ich gewappnet sein müssen, denn an diesem Tag war bisher alles schiefgelaufen.
* * *
Letztlich gab ich Mias Gute-Mädchen-Böse-Mädchen-Ratgeber die Schuld daran, dass ich ein paar Stunden zuvor, auf dem Rückweg vom Stanglwirt, ein klein wenig die Contenance verloren und Torstens Handy in den schmalen Spalt zwischen Handbremse und Beifahrersitz hatte fallen lassen. Ganz ohne Absicht natürlich. Doch dieses Versehen nahm mir mein Mann leider nicht ab.
»Lilly!«, brüllte er und versuchte, das Gerät, das aus vollem Halse Conquest of Paradise quäkte, mit seiner Pranke herauszufischen. »Was hast du dir dabei gedacht? Ich bin Geschäftsmann. Was, wenn ein wichtiger Kunde mich erreichen will?«
Betreten schaute ich zu Boden. Ich war über meine Kurzschlusshandlung mindestens genauso erschrocken wie er. Vor allem, da ich sie nicht ungeschehen machen konnte. Denn auch ich schaffte es nicht, das Handy aus seinem Gefängnis zu befreien. Das blöde Ding hatte sich irgendwie verkeilt, und so sehr ich auch zog und zerrte, es bewegte sich keinen Millimeter von der Stelle. Auf der anderen Seite fand ich es aber auch ein wenig unfair, dass Torsten sich derart aufregte. Schließlich war es das erste Mal in unserer Beziehung, dass ich etwas Unartiges getan hatte. Außerdem konnte es mir keiner verdenken, dass mir der Kragen geplatzt war. Ich hatte mich so darauf gefreut, Torsten ein ganzes Wochenende nicht mit dem kleinen schwarzen Störenfried teilen zu müssen. Doch mein Mann schaffte es derzeit im wahrsten Sinne des Wortes nicht abzuschalten. Und so hatte sich das Handy schon auf der Fahrt in unseren Kurzurlaub, während der Mahlzeiten und sogar im Wellnessbereich des Hotels pausenlos zu Wort gemeldet - und war leider stets erhört worden. Jetzt befanden wir uns auf der Rückfahrt, und auch dieses Mal war Torsten bereits auf einen Parkplatz eingebogen, um das Gespräch anzunehmen, bevor mein hinterhältiger Anschlag seinen Plan vereitelt hatte.
»Möchtest du vielleicht mein Handy benutzen?«, bot ich schüchtern an.
Doch Torsten ließ mit finsterem Gesicht den Motor an. Für den Rest der Fahrt herrschte ungemütliche Stille im Auto – die allerdings alle paar Minuten von den ersten Takten des Henry-Maske-Einmarsch-Klingeltons unterbrochen wurde. Als wir die Stadtgrenze von München passierten, zählte ich gerade das einundzwanzigste Mal. Und obwohl er sich mittlerweile daran gewöhnt haben sollte, krallte Torsten seine Finger jedes Mal so fest um das Lenkrad, dass die Adern auf seinen Handrücken bläulich hervortraten. Dabei war er normalerweise die Ruhe in Person. In jeglicher Hinsicht. Selbst beim Sex.
Mir brach der Schweiß aus. Was, wenn die Familienfirma meinetwegen Pleite ging? Wir würden auf der Straße sitzen und müssten uns von Tütensuppen und Leitungswasser ernähren. Ich könnte seinen Eltern nicht mehr unter die Augen treten. Vor allem seiner Mutter nicht. Sie war es schließlich, die die Firma in den siebziger Jahren aufgebaut hatte. Doch gerade heute war es mir nicht möglich, ihr aus dem Weg zu gehen, denn ihr neunundvierzigster Geburtstag stand auf dem Programm. Zum siebten Mal, seit ich sie kannte. Das Handy musste her, egal wie. Probeweise stieß ich meine Hand noch einmal beherzt in den Spalt, mit dem Ergebnis, dass ich das Gerät nur noch tiefer hineinstopfte.
»Sollen wir den ADAC anrufen?«, fragte ich vorsichtig.
»Warum das?« Torsten runzelte die Stirn.
»Na, damit die dein Handy herausholen.«
»Die kommen nur bei Notfällen.«
»Anscheinend ist das einer.«
Er presste die Lippen zusammen.
»Oder wir fahren zu Hause vorbei und holen den Werkzeugkoffer. Es kann doch nicht so schwer sein, den Sitz auszubauen.«
»Es ist schwer. Und vor allem dauert es.«
»Vielleicht können wir das Handy auch mit einem Stemmeisen heraushebeln. Oder mit einer Rundstricknadel raufholen.« Diese Idee war mir gerade gekommen.
»Mit einer Rundstricknadel.« Torsten löste den Blick von der Windschutzscheibe und wandte mir sein Gesicht zu.
»Ja«, sagte ich eifrig. »Ich könnte sie um das Handy herumfädeln und dann daran ziehen. Am besten kombinieren wir diese beiden Methoden. Du das Stemmeisen, ich die Rundstricknadel. Bitte lass es uns versuchen.«
»Na gut! Einen Versuch ist es wert«, sagte Torsten schließlich. »Außerdem haben wir noch ein wenig Zeit, bis wir bei meinen Eltern sein müssen. Rundstricknadel!« Er schüttelte den Kopf, und seine Mundwinkel zuckten.
Erleichtert sank ich in den Sitz. Er schien mir nicht mehr böse zu sein. Jedenfalls nicht zu sehr.
* * *
Genervt legte ich mich aufs Bett und starrte an die Decke. Niemals, wirklich niemals hätte ich mich von meiner ältesten Schwester Helga dazu überreden lassen dürfen, Jakob bei uns aufzunehmen.
»Es ist ja nur für ein paar Wochen. Normalerweise könnte er auch bei uns bleiben, aber seit Mathilda auf der Welt ist, haben Nils und ich kein Gästezimmer mehr. Du bist die Einzige, die ich kenne, die genug Platz für einen Untermieter hat. Und du weißt doch, wie angespannt die Wohnungssituation in München ist«, hatte sie mich beschworen. Ich verdrehte die Augen. Irgendwie war ich immer die Einzige in unserer Familie. Die Einzige, die Zeit hatte, Opa Willy zur Fußpflege zu fahren, unserem Vater in seinem Liebeskummer zur Seite zu stehen, an Geburtstagen Kuchen zu backen. Und nun war ich die Einzige, die Nils‘ Freund Jakob für die Dauer seines aktuellen Projekts Asyl gewähren konnte, bis er im August nach Barcelona zog. Ich hätte darauf bestehen sollen, dass er in ein Hotel oder in eine Pension ging. Schließlich verdiente er garantiert nicht schlecht in seinem Job.
Jakob machte etwas mit Computern. Er war tätowiert, gepierct, trug außer Haus immer eine dieser albernen Mützen, mit denen ihre Träger wohl besondere Coolness demonstrieren wollten, und war abgesehen davon, dass die längste Beziehung in seinem Leben nur knappe zehn Wochen gedauert hatte, ein ganz lieber Kerl. Das behauptete jedenfalls meine Schwester Helga. Ja, das hatte ich gesehen: Ganz herzallerliebst war er gewesen. Zumindest zu dieser Blondine. Mich ignorierte er die meiste Zeit. Vermutlich passten kleine, rothaarige und pummlige Frauen nicht in sein Beuteschema. Oder er hatte Respekt vor meinem Status als verheiratete Frau. Ich vermutete allerdings …
»Lilly!«, rief Torsten. »Wo bist du?«
»Im Schlafzimmer.« Sollte er nicht im Auto auf mich warten? Schließlich stand es im Halteverbot.
Er öffnete die Tür. »Warum liegst du auf dem Bett?«, fragte er. »Du wolltest doch …«
»Jakob«, stieß ich hervor.
»Der ist mir gerade auf dem Flur entgegengekommen.«
»Hast du auch die Blondine gesehen, die er dabei hatte? Ihr nackter Hintern hat bis vor drei Minuten auf unserem Esstisch gesessen. Und ich habe die beiden dabei erwischt.«
»Echt?« Torsten wirkte eher amüsiert als schockiert.
»Ich kann daran nichts komisch finden. Er wohnt erst seit zwei Wochen hier und hat schon jetzt keine Hemmungen, eine Frau in unserer Küche zu vernaschen. Wo soll das hinführen?«
Heiliger Strohsack, ich hörte mich total spießig an. Dabei war ich nicht spießig. Gut, vielleicht ein bisschen. Zumindest in dieser Hinsicht. Zwar bestand ich nicht darauf, im Bett das Licht auszumachen und die Decke über den Kopf zu ziehen, aber es war auch nicht so, dass ich Torsten nach einem langen Arbeitstag mit roter Spitzenunterwäsche empfing, ihn ans Bett fesselte und Kerzenwachs auf seinen Oberkörper träufelte. Wobei man sagen musste, dass sich Torsten beim Thema Sex ebenso wenig flexibel zeigte wie bei der Wahl seines Urlaubsortes. Das, was er machte, machte er wirklich gut. Aber es war eben immer das Gleiche.
»Bald sind wir ihn wieder los«, sagte er tröstend.
Sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen wegen meiner fiesen Gedanken.
»Ich weiß.« Ich lehnte mich gegen seine breite Brust. Das Schöne an einem großen Mann ist definitiv, dass man sich in seiner Anwesenheit so wunderbar schutzbedürftig und behütet fühlt. Nur widerstrebend löste ich mich von ihm. »Was machst du eigentlich hier oben?«, fragte ich.
Er hielt mir seine verkratzte Hand vor die Nase. »Ich habe das Handy herausbekommen. Das Stemmeisen und deine Stricknadel brauchen wir nicht mehr.«
Ich sah ihn erstaunt an. Das hätte ich nicht gedacht. Der Spalt war winzig gewesen. Aber wo ein Wille war, befand sich bekanntlich immer auch ein Weg.
* * *
»Bekomme ich noch ein wenig Rotkraut?«, fragte Inga.
»Selbstverständlich, mein Kleines.« Meine Schwiegermutter Angelika reichte eine schwere Schüssel aus Meißner Porzellan herüber.
Ich senkte den Blick und verbarg mein breites Grinsen hinter einer Stoffserviette. An das Wort Kleines in Verbindung mit meiner fast eins neunzig großen, burschikosen Schwägerin konnte ich mich einfach nicht gewöhnen.
»Es schmeckt zu köstlich.« Inga leckte sich die Lippen.
»Das ist ganz lieb von dir, Schätzchen.« Wohlwollend betrachtete Angelika ihre Tochter. Dann wurde ihr Ton um eine Nuance distanzierter. »Möchtest du auch noch etwas, Liliane?«
»Danke, aber ich bin satt.« Ich verdrehte die Augen. Es war zwecklos, meine Schwiegermutter an meinen richtigen Namen zu erinnern. Wenigstens nannte sie mich nicht mehr Elisabeth, so wie in den ersten fünf Jahren.
»Das Essen ist dir ganz ausgezeichnet gelungen, meine Liebe.« Manfred, mein Schwiegervater, rieb sich den Bauch.
»Findet ihr nicht, dass der Braten ein wenig zu trocken ist?« Angelika senkte bescheiden die Augen.
»Dein Braten ist wie immer genau richtig, Mutter.« Torsten saß kerzengerade am Tisch, die Ellbogen eng am Körper.
Angestrengt betrachtete ich das verschnörkelte Muster am Griff meiner schweren Silbergabel, um nicht laut loszuprusten. Zugleich merkte ich, wie meine Lustkurve in ungeahnte Höhen stieg. Wie immer, wenn wir bei Torstens Eltern zu Besuch waren. Natürlich fand ich das alles albern. Diese übertriebene Höflichkeit. Das ganze Bitte und Danke. Kleines hier, Schätzchen da. Mutter!!! Aber die Vorstellung, Torsten den Anzug vom Leib zu reißen, seinen Seitenscheitel zu verwuscheln und schmutzige Worte aus seinem wohlerzogenen Mund zu hören, übte jedes Mal aufs Neue einen ganz eigenen Reiz auf mich aus.
Stopp! Böse, unanständige Lilly! Energisch rief ich mich zur Räson. Du sitzt gerade bei deinen Schwiegereltern am Tisch und isst dein Essen von einem Teller mit Goldrand. Mit dem Ausleben deiner erotischen Fantasien musst du dich noch gedulden.
Unauffällig blickte ich auf meine Armbanduhr. Erst 21:34 Uhr. Vor elf würde Torsten mit Sicherheit nicht nach Hause gehen wollen. Nicht am Geburtstag seiner Mutter. Hatte mich jemand etwas gefragt? Anscheinend.
»Ja!?« Verwirrt blickte ich mich um.
»Inga wollte wissen, wann du wieder anfängst zu arbeiten.« Angelika presste konsterniert die Lippen zusammen.
»Im Moment ist der Stellenmarkt völlig überlaufen.« Ich betrachtete eingehend meine Fingernägel. Das helle Apricot, in dem ich sie lackiert hatte, war wirklich hübsch.
»Ich könnte mit meinem Chef sprechen.« Inga wischte sich mit der Serviette sorgfältig den Mund ab. »Seine Frau ist in der Marketing-Abteilung der Münchner Bank beschäftigt. Vielleicht kann sie etwas für dich arrangieren.«
»Das wäre lieb von dir.« Hilfesuchend schwenkte mein Blick zu Torsten.
»Gern geschehen.« Inga lächelte mich an. »Es kann dich unmöglich ausfüllen, den ganzen Tag über zu Hause herumzusitzen und Däumchen zu drehen.«
Ja, es war entsetzlich! Morgens ausschlafen, auf nervige Kollegen und unfreundliche Kunden verzichten - wer wollte das schon?
»Die Zeit will und will nicht vergehen.« Ich nickte.
»Du Arme.« Inga tätschelte meine Hand. »Gleich morgen früh werde ich Martina anrufen. Und ich bin mir sicher, in null Komma nichts hast du wieder eine Stelle.«
»Du bist ein Engel.« Ich schämte mich dafür, dass sie sich die Arbeit vollkommen umsonst machen würde. Obwohl ich ein bisschen Angst vor ihr hatte, mochte ich Inga. Schließlich gab es nicht allzu viele Frauen, neben denen ich wie ein zierliches Ballerina-Püppchen aussah.
Zum Glück richtete Inga ihre Aufmerksamkeit jedoch nie lange auf ihre Mitmenschen, sondern kam nach kurzer Zeit stets zuverlässig auf ihr Lieblingsthema zu sprechen: sich selbst. Fasziniert beobachtete ich, wie die drei Borsten, die aus Ingas Muttermal am Kinn sprossen, beim Reden vibrierten. Was mochte meine Schwägerin wohl dazu bewegen, diese Gemeinheit der Natur einfach kampflos zu akzeptieren? Oder hatte der Ärmsten vielleicht nie jemand erklärt, wozu es Pinzetten gab? Torstens Mutter legte weitaus mehr Wert auf ihr Äußeres als ihre Tochter. Sie fuhr mehrmals im Jahr zu einer Kur an den Bodensee, und mittlerweile spannte sich ihre Haut von all diesen Behandlungen schon so stark über den Wangenknochen, dass ich es vermied, sie zur Begrüßung oder zum Abschied zu küssen. Ich hatte Angst, dass eine Naht aufplatzte.
Bevor meine Gedanken noch gemeiner wurden (Mias Geschenk schien nicht ganz umsonst gewesen zu sein!), richtete ich meine Aufmerksamkeit auf die Männer an unserem Tisch.
»Hast du die Eigentümer aus der Kartei angeschrieben?«, drang die ölige Stimme von Torstens Vater an mein Ohr.
»Von denen will niemand verkaufen.« Torsten zupfte sich am Ohr. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass er nervös war.
»Und unsere Kontakte bei den Banken … Kennen die kein altes Mütterchen, das froh ist, wenn es sein Haus los ist und ins Pflegeheim ziehen kann?« Sein Vater lachte dröhnend.
»Ich habe alle angerufen. Fehlanzeige.«
»Aber es muss doch irgendwo in dieser Stadt ein passendes Objekt geben.«
»Ich kann auch nichts herzaubern. Und schon gar nicht im Innenstadtbereich.« Torstens Handy vibrierte, und er griff danach.
Ich verdrehte die Augen.
»Nicht beim Essen.« Der strafende Blick seiner Mutter ließ meinen Mann die Hand zurückziehen.
»Für den Münchner Norden habe ich diese Woche ein Angebot bekommen«, fuhr er fort. »Ein Tausend-Quadratmeter-Grundstück in Moosach, auf dem ein abbruchreifes Haus steht. Dort hätte man auch keine Probleme, die Mieter herauszubekommen. Aber Goldmann will ja unbedingt was im Zentrum.«
»Kann man es ihm verdenken?« Manfred schlug mit der Hand auf den Tisch. »Interessenten für solche Immobilien wollen in Haidhausen wohnen, in der Altstadt oder in Schwabing. Ein Haus oder eine Eigentumswohnung in dieser Lage sind Gold wert!«
»Apropos Haidhausen. Wie gefällt es Ingrid eigentlich in ihrer neuen Wohnung?« Über Angelikas Gesicht huschte ein verzücktes Lächeln.
»Ingrid?« Torsten fuhr zusammen und das Rotkraut, das er gerade auf seine Gabel gehäuft hatte, fiel auf das weiße Damasttischtuch.
»Du hattest ihr doch vor ein paar Wochen eine Wohnung vermittelt. Hat sie sich schon eingelebt?« Sie wandte sich an mich. »Ingrid ist die Tochter einer guten Freundin von mir. Ein nettes Mädchen.« Sie senkte bedeutungsvoll die Stimme. »Und Cheflektorin bei einem großen Verlag.«
Die sitzt nicht den ganzen Tag zu Hause herum wie du, Liliane! Ich lächelte so angestrengt, dass meine Mundpartie zitterte. »Interessant. Ich lese auch sehr gerne.«
Torsten stand auf. »Entschuldigt mich bitte.« Er ließ das Handy in die Tasche seiner Anzugshose gleiten und verschwand in Richtung Toilette.
Erneut warf ich einen sehnsüchtigen Blick auf meine Armbanduhr. Erst 21:39 Uhr. Heiliger Strohsack! Meißner Porzellan und Schwiegereltern hin oder her. Nur die Flucht in meine verdorbenen Fantasien würde diesen Abend erträglich machen. Wo war ich vorhin stehen geblieben? Torsten kommt auf mich zu, ich verwuschele seinen Seitenscheitel, reiße ihm den Anzug vom Leib …
* * *
Es war noch warm, als Torsten und ich das Haus seiner Eltern verließen, und in der Luft lag dieser unvergleichliche Duft, den ich in München um diese Jahreszeit so liebte, lebendig, süß und vermischt mit einem Hauch von Abgasen. Wir schlenderten über die belebte Leopoldstraße den kurzen Weg nach Hause zurück.
Torsten war ungewohnt still.
»Über was denkst du nach?«, fragte ich ihn. »Sorgen in der Firma?«
Er legte die Stirn in Falten. »Wir hätten die Gelegenheit, einen riesigen Auftrag an Land zu ziehen. Einer unserer Kunden, Goldmann, ist auf der Suche nach einem Haus, das er zu Luxusappartements umbauen möchte. Aber der Markt für solche Immobilien ist wie leergefegt.«
»Und wenn ihr den Auftrag nicht bekommt? Müssen wir uns dann von trockenen Nudeln ernähren?«
Torsten lachte gequält. »Der Kunde ist bereit, fünf Millionen zu bezahlen. Die Höhe unserer Provision kannst du dir also ausrechnen.«
Ich nahm seine Hand. »Sei froh, dass du nicht Fee geheiratet hast. Im Gegensatz zu meiner Schwester bin ich nämlich ein sehr genügsamer Mensch. Ich würde dich auch lieben, wenn du arm wie eine Küchenmaus wärst.«
»Kirchenmaus.«
Ich zog die Augenbrauen hoch.
»Es heißt arm wie eine Kirchenmaus. In einer Küche gibt es schließlich genug zu essen. Du und deine Redewendungen.«
»Du weißt, was ich meine. Gefühle zählen.« Ich drückte ihn stürmisch an mich. »Worte sind lediglich …«, ich hob den Kopf und blickte fragend zu Torsten auf, »… Schall und Rauch!?«
Anscheinend hatte ich die korrekte Formulierung gefunden, denn der oft so oberlehrerhafte Gesichtsausdruck meines Mannes blieb aus.
»Ich weiß.« Er hörte sich traurig an.
Ein paar Minuten standen wir eng umschlungen da und schauten ein paar alten Männern zu, die im gedämpften Licht der Straßenlaternen Schach spielten. Dann löste Torsten sich von mir und zog mich vorbei an der futuristisch anmutenden U-Bahn-Station Münchner Freiheit in das belebte Viertel, das die Leopoldstraße vom Englischen Garten trennt.
Hier schmiegten sich urige Kneipen an vornehme Restaurants, alternative Strickgeschäfte behaupteten sich selbstbewusst gegenüber noblen Boutiquen, und Studenten in Armeejacken und Dr. Martens feierten Schulter an Schulter mit Unternehmensberatern in Feinzwirn. Obwohl es schon nach elf Uhr war, fand das Leben immer noch auf den Straßen statt, und es herrschte eine ausgelassene Stimmung unter den Nachtschwärmern. Doch sobald Torsten und ich die Haimhauser Straße verließen, wurden der Autolärm, die Stimmen und die Musik vom Rauschen des Schwabinger Baches übertönt. Die überwiegend grauen Häuserfassaden mussten eleganten, mit Säulen verzierten Villen in Pastelltönen weichen.
Das Mehrparteienhaus, in dem Torsten und ich wohnten, lag in einer Seitenstraße. Kein Mensch hielt sich draußen auf, kein Geräusch war zu hören, außer unseren Atemzügen – und den pathetischen Klängen von Conquest of Paradise.
»Das muss dieser Goldmann sein. Er wollte mich noch mal anrufen.« Torsten kickte einen Kieselstein gegen die gläserne Eingangsfront unseres Hauseingangs.
»So spät?« Ich runzelte die Stirn.
»Er will das Projekt mit den Luxusappartements noch diesen Sommer starten.«
Ich beschloss, großzügig zu sein. »Und worauf wartest du dann noch?« Ich zeigte auf Torstens vibrierende Gesäßtasche.
Aber der schüttelte den Kopf. »Ich rufe ihn morgen zurück. Irgendwann möchte auch ich Feierabend haben.« Entschlossen zog er das Handy heraus und drückte den Anruf weg. Dabei zitterte seine Hand leicht. Ihm schien wirklich viel an diesem Auftrag zu liegen!
* * *
Obwohl Torsten und ich nicht lange weg gewesen waren, stieg sofort ein Gefühl von Stolz in mir auf, als ich unsere Wohnung betrat. Gut, der Sichtbeton im Eingangsbereich hätte meiner Meinung nach nicht unbedingt sein müssen. Ich empfand ihn als kalt und ungemütlich. So, als ob Torsten und ich immer noch nicht dazu gekommen wären, den Flur verputzen zu lassen. »Der letzte Schrei!«, hatte dagegen Angelika bei unserer ersten Besichtigung vor zwei Jahren ausgerufen, und Torsten hatte ihre Begeisterung für das puristische Design geteilt. Inmitten von Stahl und Glas und Bang-&-Olufsen-Geräten befand er sich in seinem Element. Und auch ich sollte mich nicht beschweren, denn die Wohnung war wundervoll. Großzügig geschnitten, hohe Fenster und mit einer Dachterrasse, die sich die gesamte Front entlang zog. Das besondere Sahnehäubchen aber war der Ausblick! Wie ein pulsierender Teppich aus Millionen Lichtern lag die Stadt am späten Abend zu meinen Füßen. Am Tag konnte ich bei gutem Wetter auf dem Sofa sitzen und über die Baumwipfel des Englischen Gartens hinweg bis zu den Alpen hinüberschauen.
»Wir sind zu Hause!«, rief ich, nachdem ich mir bereits übertrieben laut am Türschloss zu schaffen gemacht hatte. Doch es schien niemand da zu sein. Zumindest brannte kein Licht.
»Was soll das?« Mein Mann sah mich verständnislos an.
»Jakob«, flüsterte ich. »Ich habe keine Lust, ihn noch einmal in flagranti zu ertappen.«
Leise ging ich durch den dunklen Wohn- und Essbereich zum Zimmer unseres Untermieters und legte das Ohr an die Tür. Stille. Ich schlich zur Dachterrasse. Ebenfalls alles leer.
»Meinst du nicht, dass du übertreibst?« Torsten trat hinter mich.
»Nein!« Mein Blick fiel auf den Küchentisch. Nie wieder würde ich dort essen können, ohne Jakobs kleinen Freund über meinem Teller herumbaumeln zu sehen. »Warum habe ich diesem Kerl nur Asyl gewährt? Ich sollte nicht immer so lieb und nett sein. Wobei …« Meine anregenden Fantasien während des Essens kamen mir in den Sinn. Vielleicht konnte ich das negative Erlebnis von vorhin einfach durch ein positives überlagern und dadurch wieder ein gesundes Verhältnis zu meinem Küchentisch aufbauen. Ich versuchte mich an einem koketten Augenaufschlag. »… Gerade jetzt fühle ich mich alles andere als lieb und nett.«
»Nein!?« Solche Töne war Torsten nicht von mir gewöhnt.
»Nein.« Ich lächelte. »Denn mir gehen gerade ein paar sehr, sehr unzüchtige Gedanken durch den Kopf.« Die vier Gläser Wein, die ich getrunken hatte, um den Abend erträglich zu gestalten, machten mich mutig.
»Welche denn?« Erwartungsvoll schaute er mich an.
Wunderbar! Torsten schien interessiert. Wenigstens ein bisschen. Zu müde, den Kopf nicht frei von der Arbeit, Jakob im Zimmer nebenan: Die Liste seiner Ausflüchte war in letzter Zeit endlos gewesen. Selbst im Urlaub hatten wir nur einmal in der Missionarsstellung miteinander geschlafen.
»Unser Mitbewohner ist nicht da, der Küchentisch frei. Mir würde einiges einfallen.« Vielsagend schaute ich zu besagtem Möbelstück hinüber und bemühte mich dabei um einen verruchten Gesichtsausdruck.
»Ich bin gespannt.« Torsten trat nah an mich heran.
Oh ja! Er war definitiv interessiert.
Ich zog sein Gesicht mit beiden Händen zu mir herunter und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. »Das kannst du sein«, flüsterte ich. »Aber ich erwarte eine Gegenleistung von dir.«
»Und welche?«
»Wenn wir gleich übereinander herfallen, möchte ich, dass du wahnsinnig höflich bist und immer Bitte und Danke sagst. So wie bei deinen Eltern vorhin.«
»Das hat dir gefallen?« Er lächelte.
»Es hat auf jeden Fall meine Fantasie angeregt.« Im nächsten Moment schnappte ich nach Luft, denn Torsten umfasste mit beiden Händen meinen Po und hob mich mit einem Ruck hoch.
»Ich werde sehr höflich sein«, sagte er mit rauer Stimme und sah mir tief in die Augen. »Zumindest am Anfang.«
* * *
Küchentische werden völlig überbewertet. Genauso wie Hotelpools, Strände und Badewannen. Hatte ich vorher noch gedacht, vor Lust gleich zu explodieren, war der ganze Akt in der Realität leider eine recht unbequeme Angelegenheit, die mir mehrere blaue Flecken im Lendenwirbelsäulenbereich und eine Überdehnung meiner Oberschenkelmuskulatur einbrachte. Ach, schade! Und die Vorstellung, von Jakob beim Sex überrascht zu werden, hatte sich auch nur in meiner Fantasie reizvoll gestaltet. Es wäre sowieso nur eine äußerst primitive, wenig kreative Retourkutsche gewesen.
Ich blickte auf Torsten, der mit leicht geöffnetem Mund neben mir im Bett lag und bereits in einen komatösen Schlaf gefallen war. Der Glückliche! In neunundneunzig Prozent der Fälle schlief er ein, sobald sein Kopf das Kissen berührt hatte. Ich selbst war in dieser Hinsicht weniger begünstigt.
Aus meiner Kommode zog ich eine Schachtel Vivinox hervor. Nur noch wenige Tabletten waren in der Packung. Ich wog sie in meiner Hand. Nehmen oder nicht? Das war hier die Frage, die letztendlich mein Wunsch nach Ruhe beantwortete. Ich hatte heute zum siebten Mal infolge den neunundvierzigsten Geburtstag meiner Schwiegermutter ertragen, für eine weitere schlaflose Nacht fehlte mir schlichtweg die Kraft. Es würde eine Ausnahme bleiben. Zufrieden kuschelte ich mich an Torstens Rücken. Vom Schlaf war er ganz warm, wie eine überdimensional große Wärmflasche. Ich rückte noch ein Stück näher und vergrub meine Nase in der Kuhle seines Halses. Zwanzig Minuten später war ich eingeschlafen.
* * *
Die Sonne schien auf die leere Bettseite neben mir, als ich am nächsten Morgen erwachte. Schon nach zehn, sagte mir ein Blick auf die Uhr. Herrlich! Hatte ich lange geschlafen! Schlaftrunken stand ich auf und tappte durch die Wohnung, um Torsten zu suchen. Ich fand ihn auf der Dachterrasse, wo er auf der gemütlichen Lounge-Couch saß und gedankenverloren in einer Tasse Kaffee rührte.
»Guten Morgen, Bärchen«, begrüßte ich ihn.
Torsten zuckte zusammen. Fast wäre der Kaffee übergeschwappt. Ich ließ mich neben ihn sinken und schmiegte mich eng an ihn. Doch er reagierte nicht auf meine Berührung, sondern blieb regungslos sitzen.
»Ist etwas?« Irritiert löste ich mich von ihm.
»Nein. Ja. Ach, Scheiße!« Er blickte mich an »Lilly! Ich kann das alles nicht mehr.«
»Du kannst was nicht mehr?«
»Na, das alles hier.« Torsten machte eine ausladende Armbewegung.
»Ich verstehe nicht, was du meinst«, sagte ich, doch mein Herz hatte bei Torstens Satz einen ängstlichen Hüpfer gemacht.
»Ich liebe dich.«
»Das weiß ich«, sagte ich langsam, obwohl ich mir dessen auf einmal keineswegs mehr sicher war. »Und weiter?«
»Aber ich kann nicht mehr mit dir zusammen sein«, sagte Torsten so hastig, als hätte er Angst, die Worte zu verschlucken, wenn er sie nicht schnell genug aussprach.
Bitte?! Ich musste mich verhört haben.
»Ich kann nicht mehr mit dir verheiratet sein«, wiederholte Torsten.
Ich atmete scharf aus. Ich hatte mich nicht verhört! Torsten verbarg das Gesicht in seinen Händen. Oh nein! Er würde mir jetzt nicht ausweichen. Ich rüttelte ihn an den Schultern, damit er mich ansehen musste.
»Wenn das ein Scherz ist, dann finde ich ihn nicht besonders lustig.«
»Es ist kein Scherz.«
»Aber du hast mir doch gerade gesagt, dass du mich liebst.« Bestimmt schlief ich und steckte in einem besonders fiesen Albtraum fest. Die Schlaftabletten! Es mussten die Schlaftabletten sein, die dafür sorgten, dass die Grenze zwischen Fiktion und Realität verschwamm. Mein Hausarzt hatte recht gehabt, diese Dinger waren ein Teufelszeug.
»Ich liebe dich ja auch noch«, sagte Torsten gequält. »Aber ich bin … ich bin nicht mehr in dich verliebt. Ich liebe dich eher wie … meine Schwester.«
Wie seine Schwester? Fantastisch! Inga war fast zwei Meter groß, hatte Hände in der Größe von Bratpfannen und rasierte sich nicht unter den Achseln.
»Aber wir haben gestern noch den Geburtstag deiner Mutter gefeiert. Wir hatten Sex auf dem Küchentisch. – Und wir waren beim Stanglwirt und haben dort die Goldene Gästenadel verliehen bekommen«, fügte ich absurderweise hinzu, als wäre diese Nadel ein Band, das uns für immer zusammenschweißte. »Wann genau in den vergangenen vierundzwanzig Stunden ist dir aufgefallen, dass du nicht mehr in mich verliebt bist?« Bei den letzten Worten war meine Stimme schrill geworden.
»Du musst doch gemerkt haben, dass es nicht mehr so gut zwischen uns läuft.«
»Tut mir leid. Im Gegensatz zu dir habe ich nichts bemerkt«, entgegnete ich zynisch.
»Ich habe die ganze Zeit gehofft, dass alles wieder so wird wie früher.«
Das war nicht sein Ernst?!
»Denkst du denn, mir ist es egal, dass sich meine Gefühle für dich geändert haben?«
Wollte er etwa bemitleidet werden?
»Gut, du bist nicht mehr in mich verliebt, und du möchtest auch nicht mehr mit mir verheiratet sein«, fasste ich zusammen. »Und jetzt?« Ich schüttelte benommen den Kopf. An meinem rechten Daumennagel blätterte die Farbe ab. Ich würde ihn neu lackieren müssen.
»Du kannst natürlich erst einmal hier wohnen bleiben, und natürlich werde ich dich finanziell unterstützen. Zumindest, bis du wieder eine eigene Wohnung und eine Arbeit gefunden hast.«
Erst einmal in der Wohnung bleiben. Mich weiter finanziell unterstützen. Vorerst. Ich schreckte hoch. Das hörte sich an, als hätte er diesen Vortrag schon hundert Mal geprobt. Mir wurde schlecht. Und ich wollte nicht mit solchen Dingen konfrontiert werden. Nicht jetzt, wo mein ganzes Leben wie eine kaputte Luftmatratze vor mir lag. Dabei war doch vor zehn Minuten noch alles in Ordnung gewesen!
»Warum?«, fragte ich leise. »Warum tust du das? Ich möchte es so gern verstehen.«
»Glaub mir, ich wollte das alles nicht«, antwortete Torsten hilflos.
»Ist es wegen …?«
Er schüttelte den Kopf. »Es war mir nie so wichtig wie dir.«
»Gibt es eine andere?«
Er wand sich unter meinem Blick. Doch ich sah ihn fest an, stocksteif und mit angehaltenem Atem.
»Gibt es eine andere?«, wiederholte ich, obwohl ich die Antwort nicht hören wollte.
»Ja.« Torsten sackte in sich zusammen.
Mein Herz raste mittlerweile in meiner Brust, als wolle es einen Hundert-Meter-Lauf gewinnen. In meinen Ohren rauschte es. »Kenne ich sie?« Meine Stimme kippte. Heiliger Strohsack! Dieses Gespräch drohte vollends zu einem Klischee zu verkommen.
Torsten schüttelte langsam den Kopf.
»Wie lange läuft das schon zwischen euch?« Warum tat ich mir das an? Drei Bände Shades of Grey hintereinander waren zu viel gewesen. Ich entwickelte masochistische Züge. Eigentlich sollte ich überhaupt nichts mehr sagen, sondern Torsten den Aschenbecher, der auf dem Tisch stand, über den Kopf ziehen und ihn mit seiner blutenden Platzwunde fortjagen.
»Ich habe Ingrid eine Wohnung verkauft.«
Ingrid! In meinem Kopf ging ein Alarmsignal los.
»Ingrid! Ist das zufällig die Ingrid, von der deine Mutter gestern erzählt hat? Die Tochter von Freunden? Das nette Mädchen, das als Cheflektorin bei einem großen Verlag arbeitet?«
»Ja … Aber da war nichts. Zumindest nicht am Anfang. Erst vor ein paar Wochen …«
Stopp! Mehr wollte ich nicht hören. Ich machte eine abwehrende Bewegung und drehte den Kopf weg, damit er nicht sehen konnte, dass mir Tränen in die Augen geschossen waren.
»Es tut mir leid.«
»Und mir erst«, murmelte ich tonlos.
»Wir müssen noch ein paar Dinge klären.«
»Nicht jetzt.« Ich wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum. »Ich will, dass du gehst.«
* * *
Es tat nicht weh, als ich mir heiße Kaffeebrühe über den Handrücken kippte. Auch von dem kalten Wasser, das ich anschließend darüberlaufen ließ, spürte ich nichts. Ich spürte gar nichts. Nur Leere. Mein Herz, das kurz zuvor noch wie ein verängstigter Vogel herumgeflattert war, lag wie ein starrer, eisiger Klumpen in meinem Brustkorb. Wahrscheinlich war das eine Art Schutzreaktion des Körpers, überlegte ich und wunderte mich darüber, dass ich in dieser Situation überhaupt noch zu solch analytischen Gedanken fähig war. Sie flogen nicht wie eine Schar aufgescheuchter Krähen durcheinander, wie man hätte meinen können, sondern standen relativ ordentlich nebeneinander. Die Szenerie, die sich vorhin auf der Dachterrasse abgespielt hatte, konnte unmöglich real gewesen sein. So etwas passierte in Filmen, so etwas passierte Frauen mit dem IQ eines Toastbrotes, die die Augen vor dem Offensichtlichen verschlossen. Aber so etwas … passierte doch nicht mir! Torsten und ich hatten doch erst vor einem knappen Dreivierteljahr geheiratet! Ein Schluchzen drang aus meiner Kehle, und ich wartete darauf, dass ich anfangen würde zu weinen. Doch der erlösende Tränenstrom blieb aus.
Ich sank auf einen Stuhl und blickte mich in der Wohnung um. An der Garderobe hing seine Jacke, seine Schuhe standen in der Ecke, auf dem Küchentisch lag neben meiner Abo-Ausgabe von Home and Garden Torstens Das Immobilienmagazin. Überall Spuren von ihm. Doch er war nicht mehr da! Hatte eine Tasche gepackt und war verschwunden. Wohin auch immer. Zu seinen Eltern? Ins Hotel? Zu Ingrid?
Ingrid! Ich lachte auf. Das war typisch. Andere Frauen wurden wegen einer Michelle verlassen, wegen einer Amelie, manchmal sogar wegen einer Estefania. Aber bei mir musste es natürlich eine Ingrid sein.
Ein Geräusch an der Wohnungstür ließ mich aufhorchen. Kam Torsten zurück? Tat ihm unser Gespräch von vorhin etwa schon leid? Doch es war nur Jakob, der mit einem Motorradhelm unter dem Arm in die Küche trat.
»Was ist mit dir?«, fragte er.
»Nichts.« Ich drehte enttäuscht den Kopf weg.
»Wegen gestern Abend: Es tut mir leid. Wenn ich gewusst hätte, dass ihr …«
»Schon vergessen.«
»Wenn du möchtest, dass ich ausziehe …« Er kratzte sich am Kopf, und wie er so verlegen vor mir stand, konnte ich fast ein wenig verstehen, warum die Frauen so verrückt nach ihm waren. Er sah schon gut aus. Irgendwie. Auf eine nachlässige Art und Weise. Ach, Quatsch! Was fiel mir da ein? Er war ein ausgemachter Mistkerl.
Trotzdem antwortete ich: »Nein. Bleib ruhig hier wohnen. Es sind ja nur ein paar Wochen.« Die Vorstellung, von morgens bis abends allein in der Wohnung herumzuhängen, deprimierte mich letztendlich noch mehr als seine Gegenwart.
»Torsten hat auch nichts dagegen?«
»Torsten wohnt nicht mehr hier.«
Jakobs Augen weiteten sich. »Seit wann?«
»Seit etwa einer Stunde.«
Er betrachtete angestrengt die Spitzen seiner gelben Chucks. »Das tut mir leid.«
Ich zuckte die Schultern.
»Hast du ihn rausgeschmissen oder ist … er gegangen?«
»Letzteres«, erwiderte ich resigniert. »Wegen einer Ingrid.« Da es mir absolut egal war, was er über mich dachte, konnte ich ruhig bei der Wahrheit bleiben. Im nächsten Augenblick jedoch biss ich mir auf die Unterlippe. Wie tief war ich gesunken, dass ich gerade diesem Weiberhelden mein Leid klagte. Die Reihe der gebrochenen Herzen, die seinen Weg säumten, reichte wahrscheinlich von München bis zu den Alpen. Scheiße! Ich musste hier raus.
Ich griff nach dem Haustürschlüssel. Nach dem Schlüssel, der bald schon nicht mehr meiner sein würde. Genauso wenig wie der Tisch, an dem ich saß, das Sofa, die Dachterrasse. Panik überkam mich. Gehörte außer meinen Kleidern und dem Handy überhaupt etwas mir? Was sollte ich nur tun? Ohne ein Wort der Erklärung stand ich auf, schlüpfte in meine Sandalen und verließ die Wohnung. Im Hausflur kam mir meine Nachbarin mit einer kleinen Kiste im Arm entgegen.
»Wie siehst du denn aus?«, fragte Sandra statt einer Begrüßung.
»Was meinst du?« Sah man mir mein Unglück so deutlich an?
»So offenherzig kenne ich dich gar nicht.«
Ich schaute an mir herunter und merkte, dass ich rot wurde, denn ich trug nur ein etwas längeres Top mit Hello-Kitty-Aufdruck. Hatte ich mich so mit Jakob unterhalten?!
»Ich wollte … nur kurz nach der Post schauen«, stotterte ich.
Doch zum Glück ging Sandra nicht weiter auf meinen freizügigen Aufzug ein.
»Letzte Fuhre, und dann haben wir es geschafft«, sagte sie stolz.
Ich sah sie traurig an.
»Ach, jetzt guck doch nicht so.« Sandra zog mich mit dem freien Arm an sich und drückte mich gegen ihren runden Bauch. »Maik und ich sind doch nicht aus der Welt. Und das Baby musst du natürlich auch bewundern, wenn es da ist.«
»Aber mit wem werde ich in Zukunft zusammen frühstücken?«
»Ach!«, erwiderte Sandra wegwerfend. »Unser Nachmieter ist ein würdiger Ersatz für uns.«
»Ist die Vermittlung der Wohnung nicht über ein Immobilienbüro abgewickelt worden?«
»Unser Vermieter hat mir den Namen genannt, und ich habe ihn bei Facebook gestalkt. Günther Janssen heißt er. Und wenn seine Fotos nicht unglaublich stark bearbeitet sind, sieht er sehr, sehr gut aus. Ein bisschen schüchtern, aber trotzdem eine echte Sahneschnitte.« Sie lächelte verschmitzt.
»Wir bleiben in Kontakt, ja? Und du musst mir unbedingt Bescheid sagen, wenn der Kleine da ist.« Ich tätschelte ihren Bauch und spürte dabei eine kleine Erhebung unter meinen Fingern. Mir lief ein Schauder über den Rücken. Ich drückte Sandra noch einmal kurz an mich und ging zurück in die Wohnung.
Jakob saß immer noch in der Küche. Unwillkürlich zog ich das Nachthemd mit beiden Händen herunter.
»Ist alles in Ordnung mit dir?« Ich bildete mir tatsächlich ein, einen Hauch von Besorgnis in seiner Stimme zu hören. »Also, wenn du jemanden brauchst, mit dem du darüber reden willst …«
»Keine Sorge. Mir geht es gut.« Ich drehte mich um und ging so würdevoll, wie es mein halb entblößter Hintern zuließ, ins Schlafzimmer. Für einen Moment überlegte ich, die letzten drei Schlaftabletten, die sich noch in der Packung befanden, auf einmal zu nehmen. Natürlich nicht, um mich umzubringen, sondern eher, um wie Dornröschen in einen tiefen Schlaf zu fallen und erst hundert Jahre später wieder aufzuwachen. Ein schöner Prinz wäre in diesem Zusammenhang auch nicht zu verachten gewesen. Obwohl … ich sollte künftig die Finger von diesen Kerlen lassen, dachte ich. Der letzte hatte schließlich auch nichts getaugt.
Als ich klein war, hatte meine Mutter meinen Schwestern und mir abends immer Märchen vorgelesen. Eng aneinander gekuschelt lagen wir auf unserer abgewetzten Couch, ein Knäuel aus zehn Armen und zehn Beinen unterschiedlicher Länge, reisten in ferne Länder, kämpften gegen finstere Kreaturen und verliebten uns in gut aussehende Prinzen.
Zumindest, wenn es uns gelang, uns auf eine Geschichte zu einigen.
Helga, meine älteste Schwester, mochte sozialkritische Märchen wie die von Hans Christian Andersen am liebsten. Bereits als Kind hatte sie sich geweigert, sich mit Dingen zu beschäftigen, die der reinen Unterhaltung dienten. Fee, die Hübscheste von uns Vieren, liebte Schneewittchen, und meine Zwillingsschwester Mia war ein großer Fan der Hexe in Hänsel und Gretel. Ich selbst konnte mich mit dem armen Aschenputtel am stärksten identifizieren. Wahrscheinlich weil ich mich, inmitten außergewöhnlicher Menschen, schon immer als das Mauerblümchen der Familie gefühlt hatte.
Und so hatte ich schon als kleines Mädchen auf einen Prinzen gewartet, der erkannte, dass auch ich etwas ganz Besonderes war. Der auf einem weißen Pferd daher ritt, mich aus meinem Gefängnis befreite und mit auf sein Schloss nahm.
Meine Geduld war belohnt worden.
Torsten besaß zwar kein weißes Pferd, sondern nur einen Audi TT, und das Gefängnis, das er stürmte, war kein fensterloser Turm oder etwas ähnlich Dramatisches, sondern die Freisinger Sparkasse, und er lebte auch nicht in einem Schloss, sondern lediglich in einer Wohnung. Aber da Prinzen heutzutage rar sind, hatte ich über solche Kleinigkeiten hinweggesehen. Torsten war erfolgreich, attraktiv, gut im Bett. Letztendlich war er aber trotzdem nichts weiter als ein Frosch!
* * *
Die ersten drei Tage nach Torstens Auszug verbrachte ich damit, im Bett zu liegen und auf das Fenster zu starren. Es regnete dauerhaft, und die herabrinnenden Regentropfen malten interessante Muster an die Scheibe. Als mir diese Beschäftigung zu langweilig wurde, sah ich fern. Scarlett, die Fortsetzung von Vom Winde verweht. Wenn ich sie zu Ende geschaut hatte, fing ich von vorne an. Immer wieder. Die Botschaft des Films machte mir Hoffnung: Obwohl zwischen Scarlett und Rhett so vieles falsch gelaufen war, siegte ihre Liebe am Ende doch. Vielleicht würde es mir und Torsten genauso gehen? Er würde zurückkommen, und ich würde ihm verzeihen.
Zu meiner Überraschung schien mein Zustand mütterliche Gefühle in Jakob zu wecken, denn er klopfte hin und wieder an meine Zimmertür und fragte mich, ob ich etwas essen wollte. Nichts Besonderes. Doseneintopf, Tütensuppe, manchmal eine Fertigpizza oder ein belegtes Brot. Aber ich stopfte alles bereitwillig in mich hinein. Leider hatte mir mein Kummer nicht den Appetit verdorben.