Seine schönsten Geschichten - Ludwig Thoma - E-Book

Seine schönsten Geschichten E-Book

Ludwig Thoma

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Beschreibung

Die Highlights aus dem Schaffen des bärbeißig-ironischen Bayern sind greifbar! Es sind die schönsten der witzigen "Lausbubengeschichten", natürlich der unvergessene "Münchner im Himmel" und andere der glänzenden Satiren aus Thomas Feder. Darüber hinaus möchten aber auch einige weniger bekannte "Schmankerl" entdeckt werden. Ein Schmaus für alle, die diesen Klassiker der bayerischen Literatur kennen und schätzen lernen wollen!

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LESEPROBE ZU

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Rosenheimer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 1998

© 2017 Rosenheimer Verlagshaus GmbH & Co. KG, Rosenheim

www.rosenheimer.com

Titelbild: © Heinz Birg, München

Textauswahl und Bearbeitung: Bernhard M. Edlmann

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

eISBN 978-3-475-54639-6 (epub)

Worum geht es im Buch?

Ludwig Thoma

Seine schönsten Geschichten

Die Highlights aus dem Schaffen des bärbeißig-ironischen Bayern hier zum Lesen vereint. Es sind die schönsten der witzigen "Lausbubengeschichten", natürlich der unvergessene "Münchner im Himmel" und andere der glänzenden Satiren aus Thomas Feder. Darüber hinaus möchten aber auch einige weniger bekannte "Schmankerl" entdeckt werden. Ein Schmaus für alle, die diesen Klassiker der bayerischen Literatur kennen und schätzen lernen wollen!

Inhalt

Lausbubengeschichten

Meine erste Liebe

Der Kindlein

Die Verlobung

Besserung

Aus dem Briefwechsel des bayerischen Landtagsabgeordneten Josef Filser

Der Münchner im Himmel und andere Geschichten

Der Münchner im Himmel

Der Kohlenwagen

Auf Reisen

Die Sau

Der Rauchklub

Der Interviewer

Erster Klasse

Bauernschwank in einem Akt

Heimkehr

Gedichte

Sommer-Idylle

Sommernacht

Der Ausflug

Alte Märe

Patriotismus

Reserve

Neujahr bei Pastors

Des Dichters Klage

An Wilhelm Busch

An die Sittlichkeitsprediger in Köln am Rheine

Aus den »Erinnerungen«

In der Vorderriß

Die Wilderer vom Isarwinkel

Die feindlichen Onkel

Am Chiemsee

Vorm Examen

Unterwegs in Italien

Heilige Nacht

Eine Weihnachtslegende

Kleines Bayerisch-Lexikon

Lausbubengeschichten

Ludwig Thoma, einen der Klassiker der bayerischen Literatur, eigens vorzustellen – das ist fast schon eine überflüssige Übung. Geboren 1867 in Oberammergau, entdeckt er schon während seiner Ausbildung zum »Brotberuf« des Juristen seine schriftstellerischen Neigungen. Seine ersten Veröffentlichungen datieren aus seiner Anfangszeit als Anwalt in Dachau, aus dem Jahr 1894. Richtig geweckt wird sein literarischer Ehrgeiz, als er drei Jahre später in München mit Mitarbeitern der neu gegründeten satirischen Wochenzeitschrift »Simplicissimus« in Kontakt kommt. Immer häufiger erscheinen bei dieser Zeitschrift Beiträge von ihm, bis er schließlich 1899 seine Anwaltskanzlei ganz aufgibt und sich ganz der brotlosen Kunst des Schreibens widmet. Er wird fester Mitarbeiter beim »Simpl« und verfasst seine ersten Dramen und Erzählungen.

Doch bevor wir vor lauter Ludwig-Thoma-Theorie die Praxis versäumen, beginnen wir gleich mit einem ganz bekannten Werk aus der Zeit seiner ersten großen Erfolge: mit einer Auswahl aus den »Lausbubengeschichten«, erschienen 1905.

Meine erste Liebe

An den Sonntagen durfte ich immer zu Herrn von Rupp kommen und bei ihm Mittag essen. Er war ein alter Jagdfreund von meinem Papa und hatte schon viele Hirsche bei uns geschossen. Es war sehr schön bei ihm. Er behandelte mich beinahe wie einen Herrn, und wenn das Essen vorbei war, gab er mir eine Zigarre und sagte: »Du kannst es schon vertragen. Dein Vater hat auch geraucht wie eine Lokomotive.« Da war ich sehr stolz.

Die Frau von Rupp war eine furchtbar noble Dame, und wenn sie redete, machte sie einen spitzen Mund, damit es Hochdeutsch wurde. Sie ermahnte mich immer, dass ich nicht Nägel beißen soll und eine gute Aussprache habe. Dann war noch eine Tochter da. Die war sehr schön und roch so gut. Sie gab nicht Acht auf mich, weil ich erst vierzehn Jahre alt war, und redete immer von Tanzen und Konzert und einem gottvollen Sänger. Dazwischen erzählte sie, was in der Kriegsschule passiert war. Das hatte sie von den Fähnrichen gehört, die immer zu Besuch kamen und mit den Säbeln über die Stiege rasselten.

Ich dachte oft, wenn ich nur auch schon ein Offizier wäre, weil ich ihr dann vielleicht gefallen hätte, aber so behandelte sie mich wie einen dummen Buben und lachte immer dreckig, wenn ich eine Zigarre von ihrem Papa rauchte.

Das ärgerte mich oft und ich unterdrückte meine Liebe zu ihr und dachte, wenn ich größer bin und als Offizier nach einem Kriege heimkomme, würde sie vielleicht froh sein. Aber dann möchte ich nicht mehr.

Sonst war es aber sehr nett bei Herrn von Rupp und ich freute mich furchtbar auf jeden Sonntag und auf das Essen und auf die Zigarre.

Der Herr von Rupp kannte auch unsern Rektor und sprach öfter mit ihm, dass er mich gern in seiner Familie habe und dass ich schon noch ein ordentlicher Jägersmann werde, wie mein Vater. Der Rektor muss mich aber nicht gelobt haben, denn Herr von Rupp sagte öfter zu mir: »Weiß der Teufel, was du treibst. Du musst ein verdammter Holzfuchs sein, dass deine Professoren so auf dich loshacken. Mach es nur nicht zu arg.« Da ist auf einmal etwas passiert.

Das war so. Immer wenn ich um acht Uhr früh in die Klasse ging, kam die Tochter von unserem Hausmeister, weil sie in das Institut musste.

Sie war sehr hübsch und hatte zwei große Zöpfe mit roten Bändern daran und schon einen Busen. Mein Freund Raithel sagte auch immer, dass sie gute Potenzen habe und ein feiner Backfisch sei.

Zuerst traute ich mich nicht sie zu grüßen; aber einmal traute ich mich doch und sie wurde ganz rot. Ich merkte auch, dass sie auf mich wartete, wenn ich später daran war. Sie blieb vor dem Hause stehen und schaute in den Buchbinderladen hinein, bis ich kam. Dann lachte sie freundlich und ich nahm mir vor sie anzureden.

Ich brachte es aber nicht fertig vor lauter Herzklopfen; einmal bin ich ganz nahe an sie hingegangen, aber wie ich dort war, räusperte ich bloß und grüßte. Ich war ganz heiser geworden und konnte nicht reden.

Der Raithel lachte mich aus und sagte, es sei doch gar nichts dabei mit einem Backfisch anzubinden. Er könnte jeden Tag drei ansprechen, wenn er möchte, aber sie seien ihm alle zu dumm.

Ich dachte viel darüber nach, und wenn ich von ihr weg war, meinte ich auch, es sei ganz leicht. Sie war doch bloß die Tochter von einem Hausmeister und ich war schon in der fünften Lateinklasse. Aber wenn ich sie sah, war es ganz merkwürdig und ging nicht.

Da kam ich auf eine gute Idee. Ich schrieb einen Brief an sie, dass ich sie liebte, aber dass ich fürchte, sie wäre beleidigt, wenn ich sie anspreche und es ihr gestehe. Und sie sollte ihr Sacktuch in der Hand tragen und an den Mund führen, wenn es ihr recht wäre.

Den Brief steckte ich in meinen Caesar, De bello gallico, und ich wollte ihn hergeben, wenn ich sie in der Frühe wieder sah.

Aber das war noch schwerer.

Am ersten Tag probierte ich es gar nicht; dann am nächsten Tag hatte ich den Brief schon in der Hand, aber wie sie kam, steckte ich ihn schnell in die Tasche.

Raithel sagte mir, ich solle ihn einfach hergeben und fragen, ob sie ihn verloren habe. Das nahm ich mir fest vor, aber am nächsten Tag war ihre Freundin dabei und da ging es wieder nicht.

Ich war ganz unglücklich und steckte den Brief wieder in meinen Cäsar.

Zur Strafe, weil ich so furchtsam war, gab ich mir das Ehrenwort, dass ich sie jetzt anreden und ihr alles sagen und noch dazu den Brief geben wolle.

Raithel sagte, ich müsse jetzt, weil ich sonst ein Schuft wäre. Ich sah es ein und war fest entschlossen.

Auf einmal wurde ich aufgerufen und sollte weiterfahren. Weil ich aber an die Marie gedacht hatte, wusste ich nicht einmal das Kapitel, wo wir standen, und da kriegte ich einen brennroten Kopf. Dem Professor fiel das auf, da er immer Verdacht gegen mich hatte, und er ging auf mich zu.

Ich blätterte hastig herum und gab meinem Nachbarn einen Tritt. »Wo stehen wir? Herrgottsakrament!«

Der dumme Kerl flüsterte so leis, dass ich es nicht verstehen konnte, und der Professor war schon an meinem Platz. Da fiel auf einmal der Brief aus meinem Caesar und lag am Boden.

Er war auf rosa Papier geschrieben und mit einem wohlriechenden Pulver bestreut.

Ich wollte schnell mit dem Fuße darauf treten, aber es ging nicht mehr. Der Professor bückte sich und hob ihn auf.

Zuerst sah er mich an und ließ seine Augen so weit heraushängen, dass man sie mit einer Schere hätte abschneiden können. Dann sah er den Brief an und roch daran, und dann nahm er ihn langsam heraus. Dabei schaute er mich immer durchbohrender an und man merkte, wie es ihn freute, dass er etwas erwischt hatte.

Er las zuerst laut vor der ganzen Klasse.

»Innig geliebtes Fräulein! Schon oft wollte ich mich Ihnen nahen, aber ich traute mich nicht, weil ich dachte, es könnte Sie beleidigen.«

Dann kam er an die Stelle vom Sacktuch und da murmelte er bloß mehr, dass es die andern nicht hören konnten.

Und dann nickte er mit dem Kopfe auf und ab und dann sagte er ganz langsam:

»Unglücklicher, gehe nach Hause. Du wirst das Weitere hören.«

Ich war so zornig, dass ich meine Bücher an die Wand schmeißen wollte, weil ich ein solcher Esel war. Aber ich dachte, dass mir doch nichts geschehen könnte. Es stand nichts Schlechtes in dem Brief; bloß dass ich verliebt war. Das geht doch den Professor nichts an.

Aber es kam ganz dick.

Am nächsten Tag musste ich gleich zum Rektor. Der hatte sein großes Buch dabei, wo er alles hineinstenografierte, was ich sagte. Zuerst fragte er mich, an wen der Brief sei. Ich sagte, er sei an gar niemand. Ich hätte es bloß so geschrieben aus Spaß. Da sagte er, das sei eine infame Lüge und ich wäre nicht bloß schlecht, sondern auch feig.

Da wurde ich zornig und sagte, dass in dem Briefe gar nichts Gemeines darin sei und es wäre ein braves Mädchen. Da lachte er, dass man seine zwei gelben Stockzähne sah, weil ich mich verraten hatte. Und er fragte immer nach dem Namen. Jetzt war mir alles gleich und ich sagte, dass kein anständiger Mann den Namen verrät und ich täte es niemals. Da schaute er mich recht falsch an und schlug sein Buch zu. Dann sagte er: »Du bist eine verdorbene Pflanze in unserem Garten. Wir werden dich ausreißen. Dein Lügen hilft dir gar nichts; ich weiß recht wohl, an wen der Brief ist. Hinaus!«

Ich musste in die Klasse zurückgehen und am Nachmittag war Konferenz. Der Rektor und der Religionslehrer wollten mich dimittieren. Das hat mir der Pedell gesagt. Aber die andern halfen mir und ich bekam acht Stunden Karzer. Das hätte mir gar nichts gemacht, wenn nicht das andere gewesen wäre.

Ich kriegte einige Tage darauf einen Brief von meiner Mama. Da lag ein Brief von Herrn von Rupp bei, dass es ihm Leid täte, aber er könne mich nicht mehr einladen, weil ihm der Rektor mitteilte, dass ich einen dummen Liebesbrief an seine Tochter geschrieben habe. Er mache sich nichts daraus, aber ich hätte sie doch kompromittiert. Und meine Mama schrieb, sie wüsste nicht, was noch aus mir wird.

Ich war ganz außer mir über die Schufterei; zuerst weinte ich und dann wollte ich den Rektor zur Rede stellen; aber dann überlegte ich es und ging zu Herrn von Rupp.

Das Mädchen sagte, es sei niemand zu Hause, aber das war nicht wahr, weil ich heraußen die Stimme der Frau von Rupp gehört hatte.

Ich kam noch einmal und da war Herr von Rupp da. Ich erzählte ihm alles ganz genau, aber wie ich fertig war, drückte er das linke Auge zu und sagte: »Du bist schon ein verdammter Holzfuchs. Es liegt mir ja gar nichts daran, aber meiner Frau.« Und dann gab er mir eine Zigarre und sagte, ich solle nun ganz ruhig heimgehen.

Er hat mir kein Wort geglaubt und hat mich nicht mehr eingeladen, weil man es nicht für möglich hält, dass ein Rektor lügt.

Man meint immer, der Schüler lügt.

Ich habe mir das Ehrenwort gegeben, dass ich ihn durchhaue, wenn ich auf die Universität komme, den kommunen Schuften.

Ich bin lange nicht mehr lustig gewesen. Und einmal bin ich dem Fräulein von Rupp begegnet. Sie ist mit ein paar Freundinnen gegangen und da haben sie sich mit den Ellenbogen angestoßen und haben gelacht. Und sie haben sich noch umgedreht und immer wieder gelacht.

Wenn ich auf die Universität komme und Korpsstudent bin und wenn sie mit mir tanzen wollen, lasse ich die Schneegänse einfach sitzen.

Das ist mir ganz wurscht.

Der Kindlein

Unser Religionslehrer heißt Falkenberg.

Er ist klein und dick und hat eine goldene Brille auf.

Wenn er was Heiliges redet, zwickt er die Augen zu und macht seinen Mund spitzig.

Er faltet immer die Hände und ist recht sanft und sagt zu uns: »ihr Kindlein«.

Deswegen haben wir ihn den Kindlein geheißen. Er ist aber gar nicht so sanft. Wenn man ihn ärgert, macht er grüne Augen wie eine Katze und sperrt einen viel länger ein wie unser Klassprofessor.

Der schimpft einen furchtbar und sagt »mistiger Lausbub« und zu mir hat er einmal gesagt, er haut das größte Loch in die Wand mit meinem Kopf.

Meinen Vater hat er gut gekannt, weil er im Gebirg war und einmal mit ihm auf die Jagd gehen durfte. Ich glaube, er kann mich deswegen gut leiden und lässt es sich bloß nicht merken.

Wie mich der Merkel verschuftet hat, dass ich ihm eine hineingehaut habe, hat er mir zwei Stunden Arrest gegeben. Aber wie alle fort waren, ist er auf einmal in das Zimmer gekommen und hat zu mir gesagt: »Mach, dass du heimkommst, du Lauskerl, du grober! Sonst wird die Supp kalt.«

Er heißt Gruber.

Aber der Falkenberg schimpft gar nicht.

Ich habe ihm einmal seinen Rock von hinten mit Kreide angeschmiert. Da haben alle gelacht und er hat gefragt: »Warum lacht ihr, Kindlein?«

Es hat aber keiner etwas gesagt; da ist er zum Merkel hingegangen und hat gesagt: »Du bist ein gottesfürchtiger Knabe und ich glaube, dass du die Lüge verabscheust. Sprich offen, was hat es gegeben?«

Und der Merkel hat ihm gezeigt, dass er voll Kreide hinten ist und dass ich es war.

Der Falkenberg ist ganz weiß geworden im Gesicht und ist schnell auf mich hergegangen. Ich habe gemeint, jetzt krieg ich eine hinein, aber er hat sich vor mich hingestellt und hat die Augen zugezwickt.

Dann hat er gesagt: »Armer Verlorener! Ich habe immer Nachsicht gegen dich geübt, aber ein räudiges Schaf darf nicht die ganze Herde anstecken.«

Er ist zum Rektor gegangen und ich habe sechs Stunden Karzer gekriegt. Der Pedell hat gesagt, ich wäre dimittiert geworden, wenn mir nicht der Gruber so geholfen hätte. Der Falkenberg hat darauf bestanden, dass ich dimittiert werde, weil ich das Priesterkleid beschmutzt habe. Aber der Gruber hat gesagt, es ist bloß Übermut und er will meiner Mutter schreiben, ob er mir nicht ein paar herunterhauen darf. Dann haben ihm die andern Recht gegeben und der Falkenberg war voll Zorn.

Er hat es sich nicht ankennen lassen, sondern er hat das nächste Mal in der Klasse zu mir gesagt: »Du hast gesündigt, aber es ist dir verziehen. Vielleicht wird dich Gott in seiner unbeschreiblichen Güte auf den rechten Weg führen.«

Den Fritz hat er auch nicht leiden können, weil er mein bester Freund ist und immer lacht, wenn er »Kindlein« sagt. Er hat ihn schon zweimal deswegen eingesperrt und da haben wir gesagt, wir müssen dem Kindlein etwas antun. Der Fritz hat gemeint, wir müssen ihm einen Pulverfrosch in den Katheder legen; aber das geht nicht, weil man es sieht.

Dann haben wir ihm Schusterpech auf den Sessel geschmiert. Er hat sich aber die ganze Stunde nicht darauf gesetzt und dann ist der Schreiblehrer Bogner gekommen und ist hängen geblieben.

Das war auch recht, aber für den Kindlein hätte es mich besser gefreut.

Der Fritz wohnt bei dem Malermeister Burkhard und hat ihm eine grüne Ölfarbe genommen, wie der Katheder ist. Die haben wir vor der Religionsstunde geschwind hingestrichen, wo er den Arm auflegt.

Da hat es auf einmal geheißen, der Falkenberg ist krank und wir haben Geographie dafür. Da ist der Professor Ulrich eingegangen, weil er voll Farbe geworden ist und er hat den Pedell furchtbar geschimpft, dass er nichts hinschreibt, wenn frisch gestrichen ist.

Der Kindlein ist uns immer ausgekommen, aber wir haben nicht ausgelassen.

Einmal ist er in die Klasse gekommen mit dem Rektor und hat sich auf den Katheder gestellt. Dann hat er gesagt: »Kindlein, freuet euch! Ich habe eine herrliche Botschaft für euch. Ich habe lange gespart und jetzt habe ich für unsere geliebte Studienkirche die Statue des heiligen Aloysius gekauft, weil der das Vorbild der studierenden Jugend ist. Er wird von dem Postament zu euch hinunterschauen und ihr werdet zu ihm hinaufschauen. Das wird euch stärken.«

Dann hat der Rektor gesagt, dass es unbeschreiblich schön ist von dem Falkenberg, dass er die Statue gekauft hat, und dass unser Gymnasium sich freuen muss. Am Samstag kommt der Heilige und wir müssen ihn abholen, wo die Stadt anfängt, und am Sonntag ist die Enthüllungsfeier.

Da sind sie hinausgegangen und haben es in den anderen Klasszimmern gesagt. Und ich und der Fritz sind miteinander heimgegangen.

Da hat der Fritz gesagt, dass der Kindlein es mit Fleiß getan hat, dass wir den Aloysius am Samstagnachmittag holen müssen, weil er uns nicht gönnt, dass wir frei haben. Ich habe auch geschimpft und habe gesagt, ich möchte, dass der Wagen umschmeißt.

Dem Fritz sein Hausherr hat es schon gewusst, weil es in der Zeitung gestanden ist.

Er kann uns gut leiden und redet oft mit uns und schenkt uns eine Zigarre.

Auf den Falkenberg hat er einen Zorn, weil er glaubt, dass sein Pepi wegen dem Falkenberg die Prüfung in die Lateinschule nicht bestanden hat. Ich glaube aber, dass der Pepi zu dumm ist.

Der Hausherr hat gelacht, dass so viel in der Zeitung gestanden ist von dem Heiligen. Er hat gesagt, dass er von Gips ist und dass er ihn nicht geschenkt haben möchte. Er ist von Mühldorf. Da ist er schon lang gestanden und niemand hat ihn mögen. Vielleicht hat ihn der Steinmetz hergeschenkt, aber der Falkenberg macht sich schön damit und tut, als wenn er viel gekostet hat. Das ist ein scheinheiliger Tropf, hat der Hausherr gesagt, und wir haben auch geschimpft über den Kindlein.

Dann ist der Samstag gekommen. Das ganze Gymnasium ist aufgestellt worden und dann haben wir durch die Stadt gehen müssen. Vorne ist der Rektor mit dem Falkenberg gegangen und dann sind die Professoren gekommen. Der Gruber war nicht dabei, weil er Protestant ist.

Oben auf dem Berg ist ein Wirtshaus, wo die Straße von Mühldorf herkommt. Da haben wir gehalten und haben gewartet. Eine halbe Stunde haben wir stehen müssen, bis der Pedell dahergelaufen ist und hat geschrien: »Jetzt bringen sie ihn.«

Da ist ein Leiterwagen gekommen, da war eine große Kiste darauf.

Der Falkenberg ist hingegangen und hat den Fuhrmann gefragt, ob er von Mühldorf ist und den heiligen Aloysius dabei hat. Der Fuhrmann hat gesagt ja, und er hat einen in der Kiste. Da hat sich der Kindlein geärgert, dass der Wagen so schlecht aussieht und keine Tannenbäume darauf sind.

Aber der Fuhrmann hat gesagt, das geht ihn nichts an, er tut bloß, was ihm sein Herr anschafft.

Da haben wir hinter dem Wagen hergehen müssen und die Glocken von der Studienkirche haben geläutet, bis wir dort waren.

Vor der Kirche hat der Fuhrmann gehalten und er hat die Kiste heruntertun wollen.

Aber der Falkenberg hat ihn nicht lassen. Die vier Größten von der Oberklasse mussten sie heruntertun und in die Sakristei tragen. Das war der Pointner und der Reichenberger, die andern zwei habe ich nicht gekannt.

Wir haben gehen dürfen und das Läuten hat aufgehört. Bloß die vier Oberklassler mussten dabei sein, wie der Heilige aufgestellt wurde; die anderen nicht, weil erst morgen die Einweihung war. Wir haben aber gewusst, wo er hingestellt wird. Bei dem dritten Fenster, weil dort das Postament war und Blumen herum.

Der Fritz und ich sind heimgegangen; zuerst war der Friedmann Karl dabei. Da hat der Fritz gesagt, er muss noch viel büffeln auf den Montag, weil er die dritte Konjugation noch nicht gelernt hat.

»Die haben wir ja gar nicht auf«, hat der Friedmann gesagt.

»Freilich haben wir sie aufgekriegt. Der Gruber hat es ganz deutlich gesagt«, hat der Fritz gesagt. Da ist dem Friedmann angst geworden, weil er immer furchtsam ist und er ist der Erste.

Er ist gleich von uns weggelaufen und der Fritz hat zu mir gesagt: »Jetzt haben wir unsere Ruhe vor ihm.«

Ich fragte, warum er ihn fortgeschickt hat, aber der Fritz wartete, bis niemand in der Nähe war. Dann sagte er, dass er jetzt weiß, wie wir den Kindlein daran kriegen, und dass wir auf den Aloysius einen Stein hineinschmeißen.

Ich glaubte zuerst, er macht Spaß, aber es war ihm ernst und er sagte, dass er es allein tut, wenn ich nicht mithelfe.

Da habe ich versprochen, dass ich mittue, aber ich habe mich gefürchtet, denn wenn es aufkommt, ist alles hin.

Aber der Fritz hat gesagt, dann muss man es so machen, dass kein Mensch nichts merkt, und so eine Gelegenheit kriegen wir nicht mehr, dass wir dem Kindlein etwas antun, was er sich merkt.

Wir haben ausgemacht, dass wir uns um acht Uhr bei den zwei Kastanien an der Salzach treffen. Ich habe daheim gesagt, dass ich mit dem Fritz die dritte Konjugation lernen muss, und bin gleich nach dem Abendessen fort.

Es war schon dunkel, wie ich an die Kastanien hinkam, und ich war froh, dass mir niemand begegnet ist.

Der Fritz war schon da, und wir haben noch gewartet, bis es ganz dunkel war. Dann sind wir neben der Salzach gegangen; einmal haben wir Schritte gehört. Da sind wir hinter einen Busch gestanden und haben uns versteckt.

Es war der Notar; der geht immer spazieren und macht ein Gedicht in das Wochenblatt.

Er hat nichts gemerkt und wir sind erst wieder vorgegangen, wie er schon weit weg war.

Das Gymnasium und die Studienkirche sind am Ende von der Stadt; es ist kein Mensch hinten, wenn es dunkel ist. Bloß der Pedell, aber er ist auch nicht hinten, sondern beim Sternbräu.

Wir sind hingekommen und jeder hat einen Stein genommen.

Wir haben die Fenster noch gesehen. Das dritte war es.

Der Fritz sagte zu mir: »Du musst gut rechts schmeißen; wenn es an die Wand hingeht, prallt es schon hinein. Und du musst halb so hoch schmeissen, wie das Fenster ist; ich probiere es höher, dann erwischt ihn schon einer.«

»Es ist schon recht«, sagte ich und dann haben wir geschmissen.

Es hat stark gescheppert und wir haben gewusst, dass wir das Fenster getroffen haben.

Gleich hinter dem Gymnasium sind Haselnussstauden; da haben wir uns versteckt und haben gehorcht. Es ist ganz still gewesen und der Fritz sagte: »Das ist fein gegangen. Jetzt müssen wir Acht geben, dass uns niemand gehen sieht.«

Wir sind schnell gelaufen, aber wenn wir etwas gehört haben, sind wir stehen geblieben. Es ist uns niemand begegnet, und beim Fritz seinem Hausherrn sind wir hinten über den Gartenzaun gestiegen und ganz still die Stiege hinaufgegangen.

Der Fritz hat sein Licht brennen lassen, dass sie glaubten, er ist daheim. Wir setzten uns an den Tisch und haben uns abgewischt, weil wir so schwitzten.

Auf einmal ist wer über die Treppe gegangen und hat geklopft.

Ich bin zum Fenster hingelaufen, weil ich noch ganz nass war, aber der Fritz hat seinen Kopf in die Hand gelegt und hat getan, als wenn er lernt.

Es war die Magd vom Experditor Friedmann und sie hat gesagt, einen schönen Gruß vom Friedmann Karl und er glaubt nicht, dass wir die dritte Konjugation aufhaben, weil er den Raithel gefragt hat und den Kranzler und keiner hat etwas gewusst.

Der Fritz hat seinen Kopf nicht aufheben mögen, weil er auch so geschwitzt hat. Er hat gesagt, dass er es deutlich gehört hat und er lernt die dritte Konjugation.

Da ist die Magd gegangen und wir haben gehört, wie sie drunten zu der Frau Burkhard gesagt hat, dass der Fritz so fleißig lernt und dass es grausam ist, wie viel man in der Schule lernen muss.

Am andern Tag ist Sonntag gewesen und um acht Uhr war die Kirche und die Feier für den Aloysius.

Aber sie ist nicht gewesen.

Wie ich hingekommen bin, war alles schwarz vor der Tür, so viele Leute sind herumgestanden.

Um den Pedell ist ein großer Kreis gewesen, der Rektor ist daneben gestanden und der Falkenberg auch.

Sie haben geredet und dann haben sie zu dem Fenster hinaufgezeigt. Da waren zwei Löcher darin.

Ich habe den Raithel gefragt, was es gibt.

»Dem Aloysius is die Nasen weggehaut«, hat er gesagt.

»Haben s’ ihn beim Aufstellen runterfallen lassen?«, habe ich gefragt.

»Nein, es sind Steine hineingeflogen«, hat er gesagt.

Der Föckerer und der Friedmann und der Kranzler sind hergekommen. Der Föckerer macht sich immer gescheit und er hat gesagt, dass er es zuerst gehört hat.

Er ist dabeigewesen, wie der Falkenberg gekommen ist, und der Pedell hat es ihm gezeigt. Da ist ein furchtbarer Spektakel gewesen, denn wie sie die Löcher in dem Fenster gesehen haben, sind sie hineingegangen und da haben sie gesehen, dass von dem Aloysius seinem Kopf die Nase und der Mund weg waren und unten ist alles voll Gips gewesen und dann hat man zwei Steine gefunden. Der Föckerer hat gesagt, wenn es aufkommt, wer es getan hat, glaubt er, dass man ihn köpft. Der Pedell hat es gesagt.

Ich habe mich nicht gerührt und der Fritz auch nicht. Er hat nur zum Friedmann gesagt, dass er jetzt die dritte Konjugation kann.

Ich bin zu den Großen hingegangen, wo die Professoren gestanden sind. Der Pedell hat immer geredet.

Er erzählte alles immer wieder von vorne.

Er hat gesagt, dass er daheim war und nachgedacht hat, ob er vielleicht eine Halbe Bier trinken soll. Auf einmal hat seine Frau gesagt, es hat gescheppert, als wenn eine Fensterscheibe hin ist. »Wo soll eine Fensterscheibe hin sein?«, hat er gefragt. Dann haben sie gehorcht und er hat die Haustür aufgemacht. Da ist ihm gewesen, als wenn er einen Schritt hört, und er ist in sein Zimmer und hat sein Gewehr geholt. Dann ist er heraus und hat dreimal »Wer da?« gerufen. Denn beim Militär hat er es so gelernt, wo er doch ein Feldwebel war. Und im Krieg haben sie es so gemacht, da ist immer einer Posten gestanden, und wenn er etwas Verdächtiges gehört hat, hat er »Wer da?« rufen müssen. Es hat sich aber nichts mehr gerührt und er ist im Hofe dreimal herumgegangen und hat nichts gesehen. Und dann ist er zum Sternbräu gegangen, weil er gedacht hat, dass er eine Halbe Bier trinken muss. Er hat gesagt, wenn er einen gesehen hätte, dann hätte er geschossen, denn wenn einer keine Antwort nicht gibt auf »Wer da?«, muss er erschossen werden.

Der Rektor hat ihn gefragt, ob er keinen Verdacht hat.

Da hat der Pedell gesagt, dass er schon einen hat, aber er hat mit den Augen geblinzelt und hat gesagt, dass er es noch nicht sagen darf, weil er ihn sonst nicht erwischt. Wenn nicht gleich so viele Leute herumgestanden wären, hat der Pedell gesagt, dann hätte er ihn vielleicht schon, weil er die Fußspuren gemessen hätte, aber jetzt ist alles verwischt.

Da hat ihn der Rektor gefragt, ob er glaubt, dass er ihn noch kriegt. Da hat der Pedell wieder mit den Augen geblinzelt und hat gesagt, dass er ihn noch erwischt, weil alle Verbrecher zweimal kommen und den Ort anschauen. Und er passt jetzt die ganze Nacht mit dem Gewehr und schreit bloß einmal »Wer da?« und er schießt gleich.

Der Falkenberg hat gesagt, er will beten, dass der Verbrecher aufkommt, aber heute ist keine Kirche nicht, weil man den Aloysius wegräumen muss, und wir müssen heimgehen und auch beten, dass es offenbar wird. Da sind alle gegangen, aber ich bin noch stehen geblieben mit dem Friedmann und dem Raithel, weil der Pedell zu uns hergegangen ist und alles wieder erzählt hat, dass es schepperte und dass seine Frau es zuerst gehört hat.

Und er sagte, dass er den Verbrecher erwischt, und vor eine Woche ganz vorüber ist, erschießt er ihn, oder er schießt ihm vielleicht auf dieFüße.

Ich bin zum Fritz gegangen und habe es erzählt. Da haben wir furchtbar lachen müssen.

Hernach ist eine große Untersuchung gewesen und in jeder Klasse ist gefragt worden, ob keiner nichts weiß.

Und der Kindlein hat gesagt, dass er seinen Schülern keinen Aloysius nicht mehr schenkt, bevor es nicht aufgekommen ist, wer es getan hat.

Wir haben jetzt vor der Religionsstunde immer ein Gebet sagen müssen zur Entdeckung eines grässlichen Frevels.

Es hat aber nichts geholfen und niemand weiß etwas, bloß ich und der Fritz wissen es.

Die Verlobung

Unser Klassenprofessor Bindinger hatte es auf meine Schwester Marie abgesehen.

Ich merkte es bald, aber daheim taten alle so geheimnisvoll, dass ich nichts erfahre.

Sonst hat Marie immer mit mir geschimpft, und wenn meine Mutter sagte: »Ach Gott, ja!«, musste sie immer noch was dazutun und sagte, ich bin ein nichtsnutziger Lausbube.

Auf einmal wurde sie ganz sanft.

Wenn ich in die Klasse ging, lief sie mir oft bis an die Treppe nach und sagte: »Magst du keinen Apfel mitnehmen, Ludwig?« Und dann gab sie Obacht, dass ich einen weißen Kragen anhatte und band mir die Krawatte, wenn ich es nicht recht gemacht hatte.

Das kam mir gleich verdächtig vor, aber ich wusste nicht, warum sie es tat.

Wenn ich heimkam, fragte sie mich oft: »Hat dich der Herr Professor aufgerufen? Ist der Herr Professor freundlich zu dir?«

»Was geht denn dich das an?«, sagte ich, »tu nicht gar so gescheit! Auf dich pfeife ich.«

Der Bindinger konnte mich nie leiden und ich ihn auch nicht. Er war so dreckig.

Zum Frühstück hat er immer weiche Eier gegessen; das sah man, weil sein Bart voll Dotter war. Er spuckte einen an, wenn er redete, und seine Augen waren so grün wie von einer Katze.

Alle Professoren sind dumm, aber er war noch dümmer.

Wenn er von den alten Deutschen redete, strich er seinen Bart und machte sich eine Bassstimme.

Ich glaube aber nicht, dass sie einen solchen Bauch hatten und so abgelatschte Stiefel wie er.

Die andern schimpfte er, aber mich sperrte er ein und er sagte immer: »Du wirst nie ein nützliches Glied der Gesellschaft, elender Bursche!«

Dann war ein Ball in der Liedertafel, wo meine Mutter auch hinging wegen der Marie.

Sie kriegte ein rosa Kleid dazu und heulte furchtbar, weil die Näherin so spät fertig wurde.

Ich war froh, wie sie draußen waren mit dem Getue. Am andern Tage beim Essen redeten sie vom Ball und Marie sagte zu mir: »Du, Ludwig, Herr Professor Bindinger war auch da. Nein, das ist ein reizender Mensch!«

Das ärgerte mich und ich fragte sie, ob er recht gespuckt hat und ob er ihr rosa Kleid nicht voll Eierflecken gemacht hat. Sie wurde ganz rot und auf einmal sprang sie in die Höhe und lief hinaus und man hörte durch die Türe, wie sie weinte.

Ich musste glauben, dass sie verrückt ist, aber meine Mutter sagte sehr böse: »Du sollst nicht so unanständig reden von deinen Lehrern; das kann Mariechen nicht ertragen.«

»Ich möchte schon wissen, was es sie angeht; das ist doch dumm, dass sie deswegen weint.«

»Mariechen ist ein gutes Kind«, sagte meine Mutter, »und sie sieht, was ich leiden muss, wenn du nichts lernst und unanständig bist gegen deinen Professor.«

»Er hat aber doch den ganzen Bart voll lauter Eierdotter«, sagte ich.

»Er ist ein sehr braver und gescheiter Mann, der noch eine große Laufbahn hat. Und er war sehr nett zu Mariechen. Und er hat ihr auch gesagt, wie viel Sorgen du ihm machst. Und jetzt bist du ruhig!«

Ich sagte nichts mehr, aber ich dachte, was der Bindinger für ein Kerl ist, dass er mich bei meiner Schwester verschuftet.

Am Nachmittag hat er mich aufgerufen; ich habe aber den Nepos nicht präpariert gehabt und konnte nicht übersetzen.

»Warum bist du schon wieder unvorbereitet, Bursche?«, fragte er.

Ich wusste zuerst keine Ausrede und sagte: »Entschuldigen, Herr Professor, ich habe nicht gekonnt.«

»Was hast du nicht gekonnt?«

»Ich habe keinen Nepos nicht präparieren gekonnt, weil meine Schwester auf dem Ball war.«

»Das ist doch der Gipfel der Unverfrorenheit, mit einer so törichten Entschuldigung zu kommen«, sagte er, aber ich hatte mich schon auf etwas besonnen und sagte, dass ich so Kopfweh gehabt habe, weil die Näherin so lange nicht gekommen war und weil ich sie holen musste und auf der Stiege ausrutschte und mit dem Kopf aufschlug und furchtbare Schmerzen hatte.

Ich dachte mir, wenn er es nicht glaubt, ist es mir auch wurscht, weil er es nicht beweisen kann.

Er schimpfte mich aber nicht und ließ mich gehen.

Einen Tag danach, wie ich aus der Klasse kam, saß die Marie auf dem Kanapee im Wohnzimmer und heulte furchtbar. Und meine Mutter hielt ihr den Kopf und sagte: »Das wird schon, Mariechen. Sei ruhig, Kindchen!«

»Nein, es wird niemals, ganz gewiss nicht, der Lausbub tut es mit Fleiß, dass ich unglücklich werde.«

»Was hat sie denn schon wieder für eine Heulerei?«, fragte ich.

Da wurde meine Mutter so zornig, wie ich sie gar nie gesehen habe.

»Du sollst noch fragen!«, sagte sie. »Du kannst es nicht vor Gott verantworten, was du deiner Schwester tust, und nicht genug, dass du faul bist, redest du dich auf das arme Mädchen aus und sagst, du wärst über die Stiege gefallen, weil du für sie zur Näherin musstest. Was soll der gute Professor Bindinger von uns denken?«

»Er wird meinen, dass wir ihn bloß ausnützen! Er wird meinen, dass wir alle lügen, er wird glauben, ich bin auch so!«, schrie Marie und drückte wieder ihr nasses Tuch auf die Augen.

Ich ging gleich hinaus, weil ich schon wusste, dass sie noch ärger tut, wenn ich dabei blieb, und ich kriegte das Essen auf mein Zimmer.

Das war an einem Freitag; und am Sonntag kam auf einmal meine Mutter zu mir herein und lachte so freundlich und sagte, ich soll in das Wohnzimmer kommen.

Da stand der Herr Professor Bindinger und Marie hatte den Kopf bei ihm angelehnt und er schielte furchtbar. Meine Mutter führte mich bei der Hand und sagte: »Ludwig, unsere Marie wird jetzt deine Frau Professor«, und dann nahm sie ihr Taschentuch heraus und weinte. Und Marie weinte. Der Bindinger ging zu mir und legte seine Hand auf meinen Kopf und sagte: »Wir wollen ein nützliches Glied der Gesellschaft aus ihm machen.«

Besserung

Wie ich in die Ostervakanz gefahren bin, hat die Tante Fanny gesagt: »Vielleicht kommen wir zum Besuch zu deiner Mutter. Sie hat uns so dringend eingeladen, dass wir sie nicht beleidigen dürfen.«

Und Onkel Pepi sagte, er weiß es nicht, ob es geht, weil er so viel Arbeit hat, aber er sieht es ein, dass er den Besuch nicht mehr hinausschieben darf.

Ich fragte ihn, ob er nicht lieber im Sommer kommen will, jetzt ist es noch so kalt und man weiß nicht, ob es nicht auf einmal schneit.

Aber die Tante sagte: »Nein, deine Mutter muss böse werden, wir haben es schon so oft versprochen.«

Ich weiß aber schon, warum sie kommen wollen; weil wir auf Ostern das Geräucherte haben und Eier und Kaffeekuchen, und Onkel Pepi isst so furchtbar viel. Daheim darf er nicht so, weil Tante Fanny gleich sagt, ob er nicht an sein Kind denkt.

Sie haben mich an den Postomnibus begleitet und Onkel Pepi hat freundlich getan und hat gesagt, es ist auch gut für mich, wenn er kommt, dass er den Aufruhr beschwichtigen kann über mein Zeugnis.

Es ist wahr, dass es furchtbar schlecht gewesen ist, aber ich finde schon etwas zum Ausreden. Dazu brauche ich ihn nicht.

Ich habe mich geärgert, dass sie mich begleitet haben, weil ich mir Zigarren kaufen wollte für die Heimreise, und jetzt konnte ich nicht. Der Fritz war aber im Omnibus und hat zu mir gesagt, dass er genug hat, und wenn es nicht reicht, können wir im Bahnhof in Mühldorf noch Zigarren kaufen.

Im Omnibus haben wir nicht rauchen dürfen, weil der Oberamtsrichter Zirngiebl mit seinem Heinrich darin war, und wir haben gewusst, dass er ein Freund vom Rektor ist und ihm alles verschuftet. Der Heinrich hat ihm gleich gesagt, wer wir sind. Er hat es ihm in das Ohr gewispert und ich habe gehört, wie er bei meinem Namen gesagt hat: »Er ist der Letzte in unserer Klasse und hat in der Religion auch einen Vierer.«

Da hat mich der Oberamtsrichter angeschaut, als wenn ich aus einer Menagerie bin, und auf einmal hat er zu mir und zum Fritz gesagt:

»Nun, ihr Jungens, gebt mir einmal eure Zeugnisse, dass ich sie mit dem Heinrich dem seinigen vergleichen kann.«

Ich sagte, dass ich es im Koffer habe und er liegt auf dem Dache vom Omnibus. Da hat er gelacht und hat gesagt, er kennt das schon. Ein gutes Zeugnis hat man immer in der Tasche. Alle Leute im Omnibus haben gelacht und ich und der Fritz haben uns furchtbar geärgert, bis wir in Mühldorf ausgestiegen sind.

Der Fritz sagte, es reut ihn, dass er nicht gesagt hat, bloß die Handwerksburschen müssen beim Gendarm ihr Zeugnis hergeben. Aber es war schon zu spät. Wir haben im Bahnhof Bier getrunken, da sind wir wieder lustig geworden und sind in die Eisenbahn eingestiegen.

Wir haben vom Kondukteur ein Rauchcoupé verlangt und sind in eines gekommen, wo schon Leute darin waren. Ein dicker Mann ist am Fenster gesessen und an seiner Uhrkette war ein großes, silbernes Pferd.

Wenn er gehustet hat, ist das Pferd auf seinem Bauch getanzt und hat gescheppert. Auf der anderen Bank ist ein kleiner Mann gesessen mit einer Brille und er hat immer zu dem Dicken gesagt »Herr Landrat« und der Dicke hat zu ihm gesagt »Herr Lehrer«. Wir haben es aber auch so gemerkt, dass er ein Lehrer ist, weil er seine Haare nicht geschnitten gehabt hat.

Wie der Zug gegangen ist, hat der Fritz eine Zigarre angezündet und den Rauch auf die Decke geblasen und ich habe es auch so gemacht.

Eine Frau ist neben mir gewesen, die ist weggerückt und hat mich angeschaut, und in der anderen Abteilung sind die Leute aufgestanden und haben herübergeschaut. Wir haben uns furchtbar gefreut, dass sie alle so erstaunt sind, und der Fritz hat recht laut gesagt, er muss sich von dieser Zigarre fünf Kisten bestellen, weil sie so gut ist.

Da sagte der dicke Mann: »Bravo, so wachst die Jugend her«, und der Lehrer sagte: »Es ist kein Wunder, was man lesen muss, wenn man die verrohte Jugend sieht.«

Wir haben getan, als wenn es uns nichts angeht, und die Frau ist immer weitergerückt, weil ich so viel ausgespuckt habe. Der Lehrer hat so giftig geschaut, dass wir uns haben ärgern müssen, und der Fritz sagte, ob ich weiß, woher es kommt, dass die Schüler in der ersten Lateinklasse so schlechte Fortschritte machen, und er glaubt, dass die Volksschulen immer schlechter werden. Da hat der Lehrer furchtbar gehustet und der Dicke hat gesagt, ob es heute kein Mittel nicht mehr gibt für freche Lausbuben.

Der Lehrer sagte, man darf es nicht mehr anwenden wegen der falschen Humanität und weil man gestraft wird, wenn man einen bloß ein bisschen auf den Kopf haut.

Alle Leute im Wagen haben gebrummt: »Das ist wahr«, und die Frau neben mir hat gesagt, dass sie Eltern dankbar sein müssen, wenn man solchen Burschen ihr Sitzleder verhaut. Und da haben wieder alle gebrummt und ein großer Mann in der anderen Abteilung ist aufgestanden und hat mit einem tiefen Bass gesagt: »Leider, leider gibt es keine vernünftigen Öltern nicht mehr.«

Der Fritz hat sich gar nichts daraus gemacht und hat mich mit dem Fuß gestoßen, dass ich auch lustig sein soll. Er hat einen blauen Zwicker aus der Tasche genommen und hat ihn aufgesetzt und hat alle Leute angeschaut und hat den Rauch durch die Nase gehen lassen.

Bei der nächsten Station haben wir uns Bier gekauft und wir haben es schnell ausgetrunken. Dann haben wir die Gläser zum Fenster hinausgeschmissen, ob wir vielleicht einen Bahnwärter treffen.

Da schrie der große Mann: »Diese Burschen muss man züchtigen«, und der Lehrer schrie: »Ruhe, sonst bekommt ihr ein paar Ohrfeigen!«

Der Fritz sagte: »Sie können’s schon probieren, wenn Sie eine Schneid haben.«

Da hat sich der Lehrer nicht getraut und er hat gesagt: »Man darf keinen mehr auf den Kopf hauen, sonst wird man selbst gestraft.« Und der große Mann sagte: »Die Burschen haben Biergläser zum Fenster hinausgeworfen. Sie müssen arretiert werden.«

Aber der Kondukteur war zornig, weil er gemeint hat, es ist ein Unglück geschehen, und es war gar nichts. Er sagte zu dem Mann: »Deswegen brauchen Sie doch keinen solchen Spektakel nicht zu machen.« Und zu uns hat er gesagt: »Sie dürfen es nicht tun, meine Herren.«

Das hat mich gefreut und ich sagte: »Entschuldigen Sie, Herr Oberkondukteur, wir haben nicht gewusst, wo wir die Gläser hinstellen müssen, aber wir schmeißen jetzt kein Glas nicht mehr hinaus.«

Der Fritz fragte ihn, ob er keine Zigarre nicht will, aber er sagte, nein, weil er keine so starken nicht raucht.

Dann ist er wieder gegangen und der große Mann hat sich hingesetzt und hat gesagt, er glaubt, der Kondukteur ist ein Preuße. Alle Leute haben wieder gebrummt und der Lehrer sagte immer: »Herr Landrat, ich muss mich furchtbar zurückhalten, aber man darf keinen mehr auf den Kopf hauen.«

Wir sind weitergefahren und bei der nächsten Station haben wir uns wieder ein Bier gekauft. Wie ich es ausgetrunken habe, ist mir ganz schwindlig geworden und es hat sich alles zu drehen angefangen. Ich habe den Kopf zum Fenster hinausgehalten, ob es mir nicht besser wird. Aber es ist mir nicht besser geworden und ich habe mich stark zusammengenommen, weil ich glaubte, die Leute meinen sonst, ich kann das Rauchen nicht vertragen.

Es hat nichts mehr geholfen und da habe ich geschwind meinen Hut genommen.

Die Frau ist aufgesprungen und hat geschrien und alle Leute sind aufgestanden und der Lehrer sagte: »Da haben wir es.« Und der große Mann sagte in der anderen Abteilung: »Das sind die Burschen, aus denen man die Anarchisten macht.«

Mir ist alles gleich gewesen, weil mir so schlecht war.

Ich dachte, wenn ich wieder gesund werde, will ich nie mehr Zigarren rauchen und immer folgen und meiner lieben Mutter keinen Verdruss nicht mehr machen. Ich dachte, wie viel schöner möchte es sein, wenn es mir jetzt nicht schlecht wäre und ich hätte ein gutes Zeugnis in der Tasche, als dass ich jetzt den Hut in der Hand habe, wo ich mich hineingebrochen habe.

Fritz sagte, er glaubt, dass es mir von einer Wurst schlecht geworden ist. Er wollte mir helfen, dass die Leute glauben, ich bin ein Gewohnheitsraucher.

Aber es war mir nicht recht, dass er gelogen hat.

Ich war auf einmal ein braver Sohn und hatte eine Abscheu gegen die Lüge.

Ich versprach dem lieben Gott, dass ich keine Sünde nicht mehr tun wollte, wenn er mich wieder gesund werden lässt. Die Frau neben mir hat nicht gewusst, dass ich mich bessern will, und sie hat immer geschrien, wie lange sie den Gestank noch aushalten muss.

Da hat der Fritz den Hut aus meiner Hand genommen und hat ihn zum Fenster hinausgehalten und hat ihn ausgeleert. Es ist aber viel auf das Trittbrett gefallen, dass es geplatscht hat, und wie der Zug in der Station gehalten hat, ist der Expeditor hergelaufen und hat geschrien: »Wer ist die Sau gewesen? Herrgottsakrament, Kondukteur, was ist das für ein Saustall?«

Alle Leute sind an die Fenster gestürzt und haben hinausgeschaut, wo das schmutzige Trittbrett gewesen ist. Und der Kondukteur ist gekommen und hat es angeschaut und hat gebrüllt: »Wer war die Sau?«

Der große Herr sagte zu ihm: »Es ist der Nämliche, der mit den Bierflaschen schmeißt, und Sie haben es ihm erlaubt.«

»Was ist das mit den Bierflaschen?«, fragte er Expeditor.

»Sie sind ein gemeiner Mensch«, sagte der Kondukteur, »wenn Sie sagen, dass ich es erlaubt habe, dass er mit den Bierflaschen schmeißt.«

»Was bin ich?«, fragte der große Herr.

»Sie sind ein gemeiner Lügner«, sagte der Kondukteur, »ich habe es nicht erlaubt.«

»Tun Sie nicht so schimpfen«, sagte der Expeditor, »wir müssen es mit Ruhe abmachen.«

Alle Leute im Wagen haben durcheinander geschrien, dass wir solche Lausbuben sind und dass man uns arretieren muss. Am lautesten hat der Lehrer gebrüllt und er hat immer gesagt, er ist selbst ein Schulmann. Ich habe nichts sagen können, weil mir so schlecht war, aber der Fritz hat für mich geredet und er hat den Expeditor gefragt, ob man arretiert werden muss, wenn man auf einem Bahnhof eine giftige Wurst kriegt. Zuletzt hat der Expeditor gesagt, dass ich nicht arretiert werde, aber dass das Trittbrett gereinigt wird und ich muss es bezahlen. Es kostet eine Mark. Dann ist der Zug wieder gefahren und ich habe immer den Kopf zum Fenster hinausgehalten, dass es mir besser wird.

In Endorf ist der Fritz ausgestiegen und dann ist meine Station gekommen.

Meine Mutter und Ännchen waren auf dem Bahnhof und haben mich erwartet.

Es ist mir noch immer ein bisschen schlecht gewesen und ich habe so Kopfweh gehabt.

Da war ich froh, dass es schon Nacht war, weil man nicht gesehen hat, wie ich blass bin. Meine Mutter hat mir einen Kuss gegeben und hat gleich gefragt: »Nach was riechst du, Ludwig?« Und Ännchen fragte: »Wo hast du deinen Hut, Ludwig?« Da habe ich gedacht, wie traurig sie sein möchten, wenn ich ihnen die Wahrheit sage, und ich habe gesagt, dass ich in Mühldorf eine giftige Wurst gegessen habe und dass ich froh bin, wenn ich einen Kamillentee kriege.

Wir sind heimgegangen und die Lampe hat im Wohnzimmer gebrannt und der Tisch war aufgedeckt.

Unsere alte Köchin Theres ist hergelaufen und wie sie mich gesehen hat, da hat sie gerufen: »Jesus Maria, wie schaut unser Bub aus? Das kommt davon, weil Sie ihn so viel studieren lassen, Frau Oberförster.«

Meine Mutter sagte, dass ich etwas Unrechtes gegessen habe, und sie soll mir schnell einen Tee machen. Da ist die Theres geschwind in die Küche und ich habe mich auf das Kanapee gesetzt.

Unser Bürschel ist immer an mich hinaufgesprungen und hat mich abschlecken gewollt. Und alle haben sich gefreut, dass ich da bin. Es ist mir ganz weich geworden, und wie mich meine liebe Mutter gefragt hat, ob ich brav gewesen bin, habe ich ja gesagt, ja, aber ich will noch viel braver werden.

Ich sagte, wie ich die giftige Wurst drunten hatte, ist mir eingefallen, dass ich vielleicht sterben muss und dass die Leute meinen, es ist nicht schade darum. Da habe ich mir vorgenommen, dass ich jetzt anders werde und alles tue, was meiner Mutter Freude macht, und viel lerne und nie keine Strafe mehr heimbringen, dass sie alle auf mich stolz sind.

Ännchen schaute mich an und sagte: »Du hast gewiss ein furchtbar schlechtes Zeugnis heimgebracht, Ludwig?«

Aber meine Mutter hat es ihr verboten, dass sie mich ausspottet, und sie sagte: »Du sollst nicht so reden, Ännchen, wenn er doch krank war und sich vorgenommen hat, ein neues Leben zu beginnen. Er wird es schon halten und mir viele Freude machen.«

Da habe ich weinen müssen und die alte Theres hat es auch gehört, dass ich vor meinem Tod solche Vorsätze genommen habe. Sie hat furchtbar laut geweint und hat geschrien: »Es kommt von dem vielen Studieren und sie machen unsern Buben noch kaputt.« Meine Mutter hat sie tröstet, weil sie gar nicht mehr aufgehört hat.

Da bin ich ins Bett gegangen und es war so schön, wie ich darin gelegen bin. Meine Mutter hat noch bei der Türe hereingeleuchtet und hat gesagt: »Erhole dich recht gut, Kind.« Ich bin noch lange aufgewesen und habe gedacht, wie ich jetzt brav sein werde.

Aus dem Briefwechsel des bayerischen Landtagsabgeordneten Josef Filser

Mit einem frühen Vorreiter einer radikal reformierten Rechtschreibung haben wir es in diesem fingierten Briefwechsel zu tun: mit dem bayerischen Landtagsabgeordneten Josef Filser, seines Zeichens Bauer in Mingharting. Ludwig Thoma schrieb eine Reihe dieser glänzenden Satiren auf die politischen Verhältnisse seiner (und nicht nur seiner) Zeit zunächst als Artikel für den »Simplicissimus«. 1909 erschienen sie auch in Buchform unter dem Titel »Briefwechsel eines bayerischen Landtagsabgeordneten«. Sie waren so erfolgreich, dass der Autor 1912 noch einen zweiten Band (»Jozef Filsers Briefwexel«) hinzufügte.

Wir werden auf den folgenden Seiten mit einem höchst delikaten Problem konfrontiert werden: einer mutmaßlichen Vaterschaft des braven Abgeordneten der katholischen Zentrumspartei ...

An Herrn Bechler Gorbinian

Bosdhalder in Mingharting

Bosd daselbst

Liber Schbezi.

Jetz bin ich wüder in Minken, Gozeidank, den ich mus dirs sagen, das meine Alde schbinnt un si is iberhaupts narrisch, indem si klaubt, das ich mein Geld ferbuz und fieleicht gar mit die Weibsbülder. liber Freind, du kenzt mich und weist schon, das ich gern fidöll bin und auch waar es nücht zwider, was man siecht im Garnawal, wo die Madeln ihr Fleusch in di Auslag hengen, das es einen ganz anderst wird bal man hinschaugt, aber lieber Schbezi, Hand fon der butten, es san Weinperlen drin, und inser heuliger kadolischer Glaubn un der Saggerament der Ehe schteht mir vor Augen.

Mit dem Regirn hamm mir jetz wider ein Kreuz un es get eine bluatige Arbet an im barlamend. Gleich den erschten Dag hams mir drei dicke Heften geben und ham gsagt, es sünd Regirungsforlagn und Rehfirade zum Schtudieren, aber ich hab mir was denkt, ob ich fieleicht die drei Heften schtudier, wo ein jedes Dicker is wie der Sultspacher Galender und ich fieleicht Gobfweh krieg von lauter Schtudieren und ich bin zum Schweinmezger gangen oder Scharkudier, wie mans heußt und hab die drei Heften fier zwei Gnackwürschte ferkauft un da hab ich doch was Dafon und brauch kein Gobfweh nücht zum kriegen.

Liber Freind, in unserer bardei gracht es, weil der Dokder Heim jetz anderst aufdraht gegn den Hochwierden Hern Pichler, der wo der Alergescheidest sein mecht.

Eugenlich san mir vereidigt worn auf den Hern Pichler, aber ich mus es dir schreim, das mir heumlich den Dogder fiel lieber habn, und das es ins gfreut, wen er dem Pichler solchene Fotzen hinhaut, das er gans Damisch werd und seine bletschen so draurig hengen last, das man gleich mit die Schlabbschuh drauftretten kan.

Den er ist sär hochmietig und er und der Orderer wiesen gar nicht for lauder Schtolz, was sie thun missen.

Zum beischpiel liber Freind, bin ich gestern auf den Abdrid gangen, weil ich missen hab un es sind zwei Abdrid im barlamend, einer mit einen feinen babier für die Geischtlingen und Herrn un der ander mit einem groben Babier fier ins Bauern. Leider es hat bräsiert un aus den Bauernabdrid hat einer geschrieen besäzt, das ich grad noch in den geischtlingen Abdrid komen bin und ich war froh.

Aber wie ich herausbin und beim Zugknöpfeln war, schteht der Orderer da und schaugt mich ganz fuchsdeifelswild an und fragt mich, ob ich nicht weis, das es sein Abdrid ist.

Ich hab gsagd, das kan ich nüchd schmeggen und er hat gsagt, das kann ich schon schmeggen. Und dan is er hinein, leider is fieleicht nücht alles schön gwesen, was er gesehen hat, indem es mir so bräsirt hat, und ich den Deckel nücht gleich aufbracht und er war ganz kasweis, wie er in den Sall zurieck gekomen ist. Jetz haast er mich und er hat sich beim Ausschus beschwert bedreft Verunreunlichung geischtlinger Abdride.

Ja, liber Schbezi, fon disen bolidischen Kämbfen macht sich keiner eine Forstelung, der wo drausen is und fieleicht klaubt, das Regirn is so leichd, oder es is lauder Frieden un Eunigkeit in der bardei. Man kent sich oft gar nüch aus, wie mans recht machd und wie man seine Schtimm abgeben mus.

Der barlamendarische beruf is aufreubend und man bringt ein groses Obfer fier den Wallgreis. Aber in Goznamen, ich bring es und denk, fieleicht is es doch schöner als daheim, wo einem die Alde aufbasst. Sag es aber Niemand, lieber Schbezi und kome bald, das wir fieleichd auf eine Rehdutt gehen und fidöll eine flaschen Schambaninger drinken. Im deitschen Theeader hamms obn weniger an und aber im Kindlkeller is fon unt auf mehr zum sehgn. Was dir liber is, da gehen wir hin.

Und auf Widersehen macht freide

von deinen

liben

Jozef Filser

An Wollgeborn

hern Josäph Filser,

kenigl. Abgeorneder

in Minken

im Barlamend

Mingharding am 17 Juli 1908

Liber Josäph

Fileichd glaubs du das ich glaub das man eich noch nichd auslasd in der Schtad und ier noch regürn miest, wo du schreibsd, das ier mitn regürn noch nichd ferdig seiz. Du habscheilinger Lugenbeidel du auskschamder. Du glaubs, das ich es glaub? Ich weus es schon das man plos in Winter regürt und aber in Somer nichd, weil ier dan eine gescheide Arbeit zu Duhn habds und nichd regürn.

Das Hei isd schon herin und jäz fangen mier schon mit den Kohrn an, haber wo isd der Hauswierd? In der Schtad bei die Mentscher und die liderlingen Freinde.

Wan ich in der fruh aufsteh und in den stahl kombe, fahlt es mier ein, das ich alein bin. Die Edelweis had ein Kalm krigt und mier ham si forher Adär lahsen und die Bläss had nachschtiert. Aber du bisd nichd bei deine Fiecher, sondern bei Die, wo regürn.

Zau isd beerig worn, haber du bisd in der Schtad und laufsd fileicht solchene nach, die wo auch beerig sind.

Wan ich fileicht mit die Minisder zum reden kome, hernach frag ich schon ob das eine Manir isd, das sie nicht allein regürn sondern einen solchenen Deppen dazu braugen?

Ich mus auch alein den Hof regürn und bin haber plos ein Weibsbild und fileichd isd die Arbet mehrer in einen Hof als wi bei die Gschwohlschedel in der Schtad.

Das isd keine Kunsd, wer es kan, das er die Schteuern ferschreibt, wo man zahlen mus, haber das isd eine Kunsd, das man das Gäld ferdint zun Schteier zalen und wen es plos ein Weibsbild alein leisden mus nacher kennen die Gschwohlschedel fileichd fier inen alein auch saudum regürn und braugen keinen Hanswurschden nichd dazu, wo plos daneben schtet und eine dume Fozzen schneit.

Liber Josäph, ich mus es Dier schreim in ahler Libe, den es isd nichd mer zun aushalden, den in der Mentscherkamer is ale Dag Kirchwei und ieber mir häre ich die halberte Nachd wies mit die knagelden Schtiefel herumschbaziern und wen drobn schon ein Laggel isd, feift herund schon der andere und schteigt auf der Leider. Du weist es nichd, haber ich weis es.

Neiling hab ich den Bfahrer gefragd hobs regürn nichd bald aufhärt, hab ich gsagd und er sagd nein und ich habe gesagd, ob das fileicht auch noch eine Ard und Manir isd, und er hat seine Bledschen hengen lasen und had gesagt liebe Filserin sagd er, es isd fier inserne heulinge Rähligon und eier Man mus dafier schtreiden und disse Zeid wird iem der Himmel belonnen und ich habe gesagd, so und fileichd isd das auch fier die heulinge Rähligon das sie mier in der Mentscherkamer den Brederboden durchdretten und inser Haus mit der Unkeischheid befleggen, und er hat gesagd, dafier kan man nicht, indem der Teiffel herumget und suchd wen er ferschlingd, und er had seine Bledschen noch weider hengen lahsen und isd gegangen.

Aber ich ken mich schon aus mit diesse Schprüche und mir wiesen es ahle in Mingharding, das du iem gesagd hasd, er mus seiner Kechin einen Kazendräg auf den Nabl lägen und da weis man schon.

Die Kechin hat es der Kramerkathl ferzelt ins Ferdrauen und die Kramerkathl had es der Schusdernanni ferzelt und die Schusdernanni had es mir ferzelt.

Liber Josäph, ich mus es dier schreim mit ahler Libe, das ich nichd weis, was dich der Pfahrerkechin ierer Nabl anget und zuwegen was du wielst das er mit Kazendräg angeschmirrt wird und fileichd wilst Du dich noch ieberzeignen, obs richdig hingeschmirrd ist. Liber Josäph, ich mus es dir schreim, das du ein Saubärr bisd und ich kan es mir schon dengen, wie du in der Schtad regürst und fileichd must du noch mehreren gschlampeden Kechinen was ferschreim fier iere Näbl. Haber Du braugsd nichd komen, du kanzd fon mir aus regürn, bass nur auf, ich regür auch! Du Haderlumb du miserablinger!

Liber Josäph, disses mus ich dir schreim mit filen Grießen

von deiner lieben

Mari Filserin

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