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Examensarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Kunst - Übergreifende Betrachtungen, Note: 1,0, Universität Osnabrück, Sprache: Deutsch, Abstract: Das Kunstwerk als Bühne für den Künstler: Viele Künstler haben innerhalb ihres Gesamtwerkes Arbeiten geschaffen, in denen sie physisch selbst auftreten. Unter den zeitgenössischen Künstlern zählen zu ihnen unter anderem die amerikanische Photokünstlerin Cindy Sherman und der deutsche Graphiker Horst Janssen. Diese Arbeit beschäftigt sich mit diesen beiden sehr unterschiedlichen Künstlern unter besonderer Berücksichtigung der Frage nach der Selbstinszenierung in ihrem Werk. Sind Cindy Shermans und Horst Janssens Arbeiten als Selbstinszenierungen zu verstehen? Sind die Arbeiten von Cindy Sherman und Horst Janssen in Bezug auf die Selbstinszenierung vergleichbar? Diese Fragen werden in der Arbeit durch Definitionen und Analysen geklärt und führen schlussendlich wieder zur Ausgangsfragestellung zurück - Der Frage nach dem Problem der Selbstinszenierung in der zeitgenössischen Kunst.
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She's good enough to be a real actress.1
(Andy Warhol über Cindy Sherman) Dies Papier, dieses Viereck also, ist mir just die Bühne, auf der ich gerne im Engagement stehe.2(Horst Janssen)
Das Kunstwerk als Bühne für den Künstler
Viele Künstler haben innerhalb ihres Gesamtwerkes Arbeiten geschaffen, in denen sie physisch selbst auftreten. Unter den zeitgenössischen Künstlern zählen zu ihnen unter anderem die amerikanische Photokünstlerin Cindy Sherman und der deutsche Graphiker Horst Janssen. Diese Arbeit wird sich im Folgenden mit diesen beiden sehr unterschiedlichen Künstlern unter besonderer Berücksichtigung der Frage nach der Selbstinszenierung in ihrem Werk beschäftigen.
Sind Cindy Shermans und Horst Janssens Arbeiten als Selbstinszenierungen zu verstehen?
Diese Frage steht im Mittelpunkt der Untersuchungen, wobei unter anderem ein Problem darin besteht, dass Sherman behauptet, sie mache keine Selbstbildnisse. Betrachtet werden soll, ob und wie diese Position mit der Selbstinszenierung vereinbar ist. Dazu muss geklärt werden, wie der Begriff der Selbstinszenierung in der Kunst verstanden wird. Zudem sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei Sherman und Janssen herausgestellt werden.
Sind die Arbeiten von Cindy Sherman und Horst Janssen in Bezug auf die Selbstinszenierung vergleichbar?In der folgenden Arbeit werden zunächst die theoretischen
Rahmenbedingungen geschaffen, welche die Grundlage für eine Vergleichbarkeit der beiden Künstler bilden. Dazu erfolgt im ersten Schritt ein grundsätzlicher Überblick über die Medien Zeichnung und Photographie. Horst
1 Wales, Jimmy. (2005).Wikipedia - Die freie Enzyklopädie: Cindy Sherman:[online] http://www.wikipedia.org/wiki/Cindy_Sherman [02.03.2005] 2 Janssen, Horst:Zur eigenen Person.In: Ohne Angabe:Mannheimer Hefte.Heft 2, Mannheim 1975. (Im Folgenden zitiert als: Janssen 1975.) S. 82
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Janssen hat als Graphiker äußerst vielfältig gearbeitet. Diese Arbeit beschränkt sich in den folgenden Untersuchungen auf eines seiner verwendeten Medien. Aus persönlichem Interesse und aus Gründen der Auswahl der zu analysierenden Arbeiten ist die Entscheidung auf das Medium der Zeichnung gefallen. Wie schon zuvor erwähnt, muss der Begriff der Selbstinszenierung in der bildenden Kunst erläutert werden. Dies erfolgt im Rahmen von Begriffsdefinitionen, die das Selbstbildnis, das Selbstporträt und die Selbstdarstellung miteinbeziehen, da die Selbstinszenierung in Bezug auf den Künstler in seinem Werk betrachtet werden soll. Hierzu wird im Anschluss an die Definitionen eine Kategorisierung des Selbstbildnisses vorgenommen, welche die wichtigsten Darstellungsformen des Künstlers selbst im eigenen Werk, die Selbstinszenierung miteingeschlossen, beinhaltet. Nach der Erarbeitung der theoretischen Grundvoraussetzungen sollen Leben und Werk von Cindy Sherman und Horst Janssen getrennt voneinander beleuchtet werden. Ob sich an dieser Stelle bereits Gemeinsamkeiten und Unterschiede erkennen lassen, wird in einem Fazit zu diesem Kapitel herausgestellt. Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse folgt der Kernteil dieser Arbeit, welcher aus vier Bildanalysen besteht, in denen verschiedene Werke Shermans und Janssens zunächst getrennt analysiert und interpretiert werden sollen, um Ausgangsmaterial für eine vergleichende Interpretation hervorzubringen. Es soll anschließend eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchungen erfolgen, in der der Bogen zurück zur Eingangsfragestellung geschlagen wird. Den Schluss bildet ein Ausblick, welcher auf Fragen oder Ansätze verweisen soll, die im Rahmen dieser Arbeit nicht berücksichtigt werden können.
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In diesem Abschnitt werden zunächst grundlegende Kennzeichen der Zeichnung und der Photographie unabhängig voneinander beleuchtet. Die theoretische Behandlung dieser Medien wird auf diejenigen Faktoren beschränkt, die als Basis für den Verlauf dieser Arbeit von Nutzen sind. So wird jeweils eine Definition gegeben, ein Überblick über die Technik und die Entwicklung bis hin zur Einordnung des Mediums in die bildende Kunst. Ein Vergleich der Zeichnung mit der Photographie wird nicht vorgenommen, da alle Überlegungen in diese Richtung darauf hinauslaufen, dass qualitativ gemessen werden würde, was nicht sinnvoll und im Grunde genommen nicht möglich ist, da jedes Medium für sich als Sprachrohr des einzelnen Künstlers seine ganz eigenen Qualitäten aufweist, die nicht gegeneinander aufgewogen werden können.
Koschatzky definiert das Zeichnen als Tätigkeit „[...] zum Herstellen linearer Gebilde auf einer Fläche“3, welche eine Bedeutung innehaben und von mitteilendem Charakter sind.4Dabei stellt er sich die Frage nach der Kunstbedeutung der Zeichnung, das heißt, dass er ermitteln möchte, welche Eigenschaften eine Zeichnung besitzen muss, um ein Kunstwerk zu werden, wobei er direkt im Anschluss daran erwähnt, dass das inhaltliche Thema einer Zeichnung keinen Einfluss auf diese Überlegungen hat.5Was nun diese künstlerische Qualität ausmacht, hält Koschatzky mit den folgenden vier Richtpunkten fest.
Was die Erfahrung lehrt, ist, daß Qualität auf dem Gebiet der Zeichnung in erster Linie: 1. aus der Entschiedenheit des Künstlers kommt;
2. aus der funktionalen Zweckmäßigkeit jeden Striches - nichts ist im Meisterwerk nur dekorativ;
3. aus der Sicherheit, Proportion, Fläche, Raum zu bewältigen; sowie
4. aus der Fähigkeit, Spannung zu gestalten und - bei größtmöglicher Vielheit (Heinrich
3 Koschatzky, Walter:Die Kunst der Zeichnung - Technik, Geschichte, Meisterwerke.9. Auflage, München 1999. (Im Folgenden zitiert als: Koschatzky 1999.) S. 13
4 Vgl. Ebd. S. 13
5 Vgl. Ebd. S. 13
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Wölfflin) - die stärkste Einheit zu erreichen.6
Die wichtigste Qualität des Zeichnens im Vergleich beispielsweise zur Malerei ist die Eigenschaft der Unmittelbarkeit.7Mit dieser Erkenntnis macht Koschatzky deutlich, dass die Zeichnung eigenständige Qualitäten hat, und somit als unabhängiges und gleichwertiges Medium besteht. Damit widerspricht er Autoren wie zum Beispiel Meder, die in der Handzeichnung „[...] nur die Vorstufe zu einer höheren künstlerischen Ausdrucksweise“8sehen.
In der Zeichnung stehen dem Künstler neben Blei- und Farbstift noch viele andere Materialien zur Verfügung, um sich auf dem Papier und anderen Zeichenuntergründen auszudrücken. Sowohl Vorgänger des Bleistifts, wie Graphitstift, Bleigriffel und Silberstift gehören zur Gruppe der Zeichengeräte, als auch Kohle, Kreiden, Rötel oder das Pastell.9Darüber hinaus eignen sich die Zeichenfedern (Kiel-, Rohr- und Metallfeder), mit deren Hilfe Tinte auf den Untergrund aufgetragen wird und der Pinsel in Kombination mit Tusche zum Zeichnen.10In der Wahl der Mittel, die zur graphischen Darstellung in der Zeichnung Verwendung finden, ist sich die Literatur verhältnismäßig einig. Wie schon Koschatzky, zählen auch Meder sowie Leymarie / Monnier / Rose die vorher genannten Zeichengeräte auf.11Letztgenannte erweitern das Repertoire um das Aquarell12, und Koschatzky bemerkt, dass Künstler auch neuere technische Errungenschaften, wie zum Beispiel den Kugelschreiber oder den Filzstift einsetzen, um Zeichnungen anzufertigen.13Mit der Wahl des Materials entscheidet sich der Künstler zudem immer für eine bestimmte Farbe bzw. für einen Grad der Schwärze, sowie für eine Breite, in der die zeichnerischen Elemente umgesetzt werden.6 Koschatzky 1999. S. 24
7 Vgl. Ebd. S. 10
8 Meder, Joseph:Die Handzeichnung - Ihre Technik und Entwicklung.Zweite, verbesserte Auflage, Wien 1923. (Im Folgenden zitiert als: Meder 1923.) S. 8
9 Vgl. Koschatzky 1999. S. 46ff
10 Vgl. Ebd. S. 107ff
11 Vgl. Meder 1923. S. 33ff; Leymarie, Jean / Monnier, Geneviève / Rose, Bernice:Die Zeichnung - Entwicklungen, Stilformen, Funktion.Stuttgart 1980. (Im Folgenden zitiert als: Leymarie / Monnier / Rose 1980.) S. 40ff
12 Leymarie / Monnier / Rose 1980. S. 68ff
13 Vgl. Koschatzky 1999. S. 107f.
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Zu den zeichnerischen Elementen zählt Koschatzky den Punkt als „[...] erstes Grundelement allen Zeichnens“14, den Fleck, der im Gegensatz zum Punkt „[...] flächenhaft gespannt [ist] durch Umriß, Dichte, Farbe und die Form“15, Bewegungsdynamik seiner die Linie als eigentliches
Gestaltungselement der Zeichnung, welche er in drei Arten, die gerade, die eckige und die gekrümmte Linie, unterteilt16sowie als letztes die gestalterischen Elemente Fläche und Raum.17
Die Linie als solche hat unzählige Fähigkeiten, von denen an dieser Stelle nur einige genannt werden sollen. Mit der Linie kann die Kontur eines Objektes erfasst werden, sowie seine Binnenstruktur und die räumliche Modellierung durch Schraffuren. Die Linie gibt zudem Aufschluss über die Gewichtung von verschiedenen Objekten in einer Zeichnung, indem beispielsweise die Konturen eines Objektes besonders stark hervorgehoben werden, oder nur eines der Objekte mit einer Binnendifferenzierung durchgearbeitet ist. Alles in allem wird durch die Anordnung von Linien, als dem wichtigsten Element der Zeichnung, der Inhalt transportiert und sichtbar gemacht.
Bis zum 15. Jahrhundert war die Zeichnung vorwiegend „[..] eine gebundene Kunst, das heißt, ihr Zweck war eingeordnet in eine größere Aufgabe“18, als Vorstufe für die Architektur, Malerei oder Bildhauerei.19Koschatzky unterscheidet in der Kategorie der gebundenen Zeichnung sieben unterschiedliche Typen. Er beginnt mit derSkizze,welche „als erste der Vorzeichnungen [...] gelten [kann]“20, in der der erste Einfall oder eine inspirierende Naturbegebenheit auf das Papier geworfen wird.21Die nächste Näherung zum ausführenden Werk ist derEntwurf,wobei dieser zur Komposition, das heißt zur „[...] Verteilung der Massen, des Raumes oder
14 Koschatzky 1999. S. 186
15 Ebd. S. 191
16 Ebd. S. 197ff
17 Vgl. Ebd. S. 231ff
18 Ebd. S. 304
19 Vgl. Ebd. S. 304
20 Ebd. S. 306
21 Vgl. Ebd. S. 306
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Hintergrundes, der Szenerie, der Schatten und Lichter“22dient. Dazu ist zu bemerken, dass es mehrere Entwürfe und Skizzen für ein Bild geben kann, von denen der Künstler eine beliebige Anzahl nutzt. Dieunmittelbare Vorzeichnungdagegen ist „[...] ein so gut wie fertiges Werk [...], das nur noch der Übersetzung in ein anderes Medium bedarf“23. Um diese Übersetzung zu vollbringen fertigen einige Künstler eineWerkzeichnungan, die in ein Raster zum Übertragen auf das größere Format eingeteilt ist.24Hat die Vorlage jedoch bereits die gleiche Größe wie das zu erstellende Werk, so spricht man von einemKarton.25Einen möglichen Zwischenschritt bildet dieStudie,welche im detaillierten Zeichnen von Einzelheiten, die in dem Werk erscheinen, den eher eiligen Entwurf unterstützt.26DieNachzeichnungbildet den letzten Unterpunkt der gebundenen Zeichnung, mit der es galt „[...] Muster oder Belege von ausgeführten Arbeiten zu bewahren“27. Des Weiteren galt das Nachzeichnen von Gemälden oder Graphiken anderer Künstler lange als Grundlage für ein künstlerisches Studium, welches sich im Laufe der Zeit um das Nachzeichnen von Skulpturen und die Nachzeichnung der Natur erweiterte.28Im Zusammenhang mit der Nachzeichnung kommt bei Koschatzky zudem der Begriff der Kopie ins Spiel, den er folgendermaßen definiert: „Aus einer Nachzeichnung wird eine Kopie, wenn sie völlige Identität mit der Vorlage erstrebt, also in Format, Technik und Material ein möglichst getreues Bild ergibt.“29
Zum Abschluss soll die autonome Zeichnung, die erstmals losgelöst von der zuvor beschriebenen gebundenen Zeichnung steht und deren erstes Aufkommen Koschatzky mit dem Beginn des 15. Jahrhunderts datiert, Erwähnung finden. Der Schritt zur autonomen Zeichnung markiert deutlich den
22 Koschatzky 1999. S. 306
23 Ebd. S. 308
24 Vgl. Ebd. S. 308
25 Vgl. Ebd. S. 308
26 Vgl. Ebd. S. 309
27 Ebd. S. 311
28 Vgl. Ebd. S. 311
29 Ebd. S. 313
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Übergang des Künstlers fort vom Berufsstand des Handwerkers .30Der Begriff „Autonomie“ selbst taucht erst um 1800 in Bezug auf die Kunst auf und „[...] reflektiert ein neues Verhältnis von Kunst und Gesellschaft“31. Die Künstler im 15. Jahrhundert wendeten sich von den Zünften ab, um häufig im Anschluss daran am Hofe tätig zu werden. Nun waren sie um 1800 bemüht auch diese Fesseln, die das Arbeiten am Hofe mit sich brachte abzulegen, um als freier Bürger zu leben und zu arbeiten.32Die neugewonnene Freiheit jedoch machte den Künstler, den nun weder höfische Arbeitgeber noch die Handwerkszunft zur Gewährleistung der Auftragslage unterstützten, zum Außenseiter in der Gesellschaft.33Durch die im Laufe der Zeit folgende Theoretisierung der Kunst gewinnt der Künstler „[...] schrittweise ein Bewußtsein für die nur ihr eigenen medialen Möglichkeiten“34. Das heißt explizit für die Zeichnung, dass sie einen Entwicklungsprozess durchschritten hat, der mit kontinuierlicher
Autonomisierung auch die Aufwertung des Mediums als freier Ausdruck des Künstlers inne hat. Dieser trägt somit im positiven Sinne die alleinige Verantwortung für die Zeichnung.35Zeitgleich mit dem Schritt zur autonomen Zeichnung gewinnt auch die Stellung des Selbstporträts, welches im Folgenden Kapitel ausführlich behandelt wird, einen neuen Stellenwert in der Kunst.
Mit dem Begriff Photographie wird
[...] die Gesamtheit der Verfahren zum dauerhaften Festhalten und Sichtbarmachen der von opt[ischen] Systemen der [...] Photoapparate entworfenen Bilder auf Materialien, deren physikal[ische] und / oder chem[ische] Eigenschaften durch Einwirkung von Strahlung (insbes[ondere] sichtbarem Licht, auch Infrarot-, Ultraviolett-, Röntgen-, Elektronenstrahlen) verändert werden36beschrieben.
30 Vgl. Koschatzky 1999. S. 304
31 Busch, Werner / Schmoock, Peter (Hrsg.):Kunst - Die Geschichte ihrer Funktionen.Weinheim / Berlin 1987. (Im Folgenden zitiert als: Busch / Schmoock 1987.) S. 199
32 Vgl. Ebd. S. 199
33 Vgl. Ebd. 203
34 Ebd. S. 203
35 Vgl. Koschatzky 1999. S. 323
36 Meyers Lexikonredaktion (Hrsg.):Meyers Taschenlexikon in 10 Bänden.Band 7: Neus-Raf, Augsburg 1999. S. 2634
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Die technische Entwicklung von der Camera obscura37bis zur digitalen Photographie verlief vergleichsweise rasant. Als Pioniere dieser Entwicklung sind die Franzosen Joseph Nicéphore Niepce und Louis Jacques Mandé Daguerre, sowie der Engländer Wiliam Fox Talbot zu nennen, denen es unabhängig voneinander gelang, die Photographie haltbar gegen weiteren Lichteinfall zu machen. Niepce gelang es als erstem um das Jahr 1815 herum ein photographisch erzeugtes Bild zu fixieren.38Daguerre, der etwa zur gleichen Zeit arbeitete wie Niepce, erlangte durch die Erfindung und schnelle Verbreitung der Daguerreotypie39große Bekanntheit.40Als Daguerre seine Forschungen weltweit veröffentlichte, wurde William Fox Talbot darauf aufmerksam, da dieser sich ebenfalls mit der Entwicklung der Photographie befasste, und daraufhin auch seine Ergebnisse an die Öffentlichkeit brachte.41Im Anschluss an diese Veröffentlichungen begann das Experimentieren allerorts, wodurch die Techniken verbessert wurden. Verschiedene Methoden, wie die Daguerreotypie, die Kalotypie42und das Kollodium-Nassverfahren43existierten nebeneinander, wobei das Kollodium-Nassverfahren ab 1880 die Daguerreotypie und die Kalotypie verdrängen sollte. Mit diesen Entwicklungen ging einher, dass die Photographie immer größere Beliebtheit in der
37 Die Camera obscura (lat. „dunkle Kammer“), oder auch Zeichenkamera, war vor der Erfindung der Photographie eine optische Zeichenhilfe. Sie besteht aus einem lichtdichten Kasten mit einer kleinen Öffnung, einer Lochblende, durch die das Licht gebündelt einfällt und auf der gegenüberliegenden Innenwand ein kleineres, auf dem Kopf stehendes und seitenverkehrtes Abbild projiziert. Um die Qualität der Projektion zu verbessern wurde mit Linsen, Umkehrprisma-Spiegeln und anderem experimentiert. Vgl. Ohne Angabe:Lexikon der Kunst.Band 7 Stae-Z, München 1996. S. 888
38 Vgl. Newhall, Beaumont:Geschichte der Photographie.München 1998. (Im Folgenden zitiert als: Newhall 1989.) S. 13
39 Daguerre entdeckte die Lichtempfindlichkeit von Jodsilber und entwickelte das erste praktisch verwertbare photographische Verfahren - nach ihm Daguerreotypie genannt. Bei der Daguerreotypie wird eine versilberte Kupferplatte Joddämpfen ausgesetzt, wobei diese sich zum lichtempfindlichen Überzug verbinden. Nachdem die Platte belichtet wurde, wird das latente Bild mit Quecksilberdampf hervorgerufen und mit Fixiernatron haltbar gegen weiteren Lichteinfall gemacht. Vgl. Ohne Angabe:Lexikon der Kunst.Band 2 Cin-Gree, München 1996. S. 64
40 Vgl. Newhall 1989. S. 17ff
41 Vgl. Ebd. S. 20ff
42 Photographie auf Salzpapier Vgl. Baatz, Wilfried:DuMont Schnellkurs - Geschichte der Fotografie.2. Auflage, Köln 2000. (Im Folgenden zitiert als: Baatz 2000.) S. 25
43 Das Kollodium-Nassverfahren, eine Form der Plattenphotographie mit nass beschichteten Glasplatten, war deshalb so revolutionär, weil es die Belichtungszeit auf weniger als eine Sekunde herabsetzte und damit auch Momentaufnahmen ermöglichte. Vgl. Baatz 2000. S. 29
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Gesellschaft erlangte.44Die Expansion in der Gesellschaft wurde durch die Mode der Carte-de-visite, die in ganz Europa im Umlauf war45verstärkt, und „[...] bald herrschte geradezu der gesellschaftliche Zwang, solche kleinen Selbstporträts in reicher Zahl bei sich zu tragen, sie auszutauschen und rasch wieder nachmachen zu lassen“46. Seit 1888, durch die Erfindung der Kodak Nr.147, die die Ablösung der Plattenphotographie einläutete, wurde die Photographie für jedermann bedienbar. Diese Errungenschaft wurde bis zum heutigen Kleinbildfilm weiterentwickelt und auch die Papiere wurden lichtbeständiger. Ein Durchbruch, an dem lange gearbeitet wurde, war die Farbphotographie, an der bereits seit dem Aufkommen photographischer Verfahren geforscht wurde.48Nach vielen Versuchen und Fehlschlägen unternahm Dr. Rudolf Fischer 1912 mit dem Umkehrverfahren mit chromogener Entwicklung49den ersten Schritt in die wegweisende Richtung zur farbigen Photographie.50Agfa und auch Kodak brachten schließlich 1936 einen Farbnegativfilm auf den Markt, der auf den Grunderkenntnissen Fischers beruhte.51Weitere Verbesserungen der photographischen Technik, sowie die Verbreitung des Computers als allgemein zugängliches Medium führten schließlich zur Digitalisierung des Mediums, welches heute in der Lage ist, gänzlich ohne Negativfilmmaterial auszukommen. Spätestens seit der Digitalisierung ist die Photographie nicht mehr objektiv, sondern mit Hilfe des Einsatzes von Computern nun auch für jedermann manipulierbar geworden.52Auch die Schnelligkeit und Einfachheit der Bedienung und Weiterverarbeitung,
44 Vgl. Newhall 1989. S. 61
45 Vgl. Ebd. S. 66f.
46 Koschatzky, Walter:Die Kunst der Photographie - Technik, Geschichte, Meisterwerke.München 1987. (Im Folgenden zitiert als: Koschatzky 1987.) S. 85
47 Der Slogan der Kodak Nr.1 lautete: „Sie drücken auf den Knopf, alles andere besorgen wir.“ Damit war gemeint, dass der Photograph nicht mehr selbst entwickeln musste. Wenn die 100 Negative der Filmrolle belichtet waren, wurde der Apparat eingeschickt und der Kunde bekam die entwickelten Bilder sowie die Kamera mit einem neu eingelegten Film zurück. Vgl. Daval, Jean-Luc:Photographie - Geschichte einer Kunst.Stuttgart 1983. (Im Folgenden zitiert als: Daval 1983.) S. 103ff
48 Vgl. Koschatzky 1987. S. 186ff
49 Die chromogene Entwicklung beruht auf dem Prinzip, dass gewisse farblose organische Substanzen, sogenannte Farbkuppler, in ihrer Reaktion mit den Oxydationsprodukten eines Entwicklers Farbstoffe bilden. Vgl. Koschatzky 1987. S. 189
50 Vgl. Koschatzky 1987. S. 188f.
51 Vgl. Ebd. S. 189
52 Vgl. Schneider, Christa:Cindy Sherman . History Portraits - Die Wiedergeburt des Gemäldes am Ende der Malerei.München / Paris / London 1995. (Im Folgenden zitiert als: Schneider 1995.) S. 34
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sowie die Möglichkeit des direkten Versendens der digitalen Daten setzen die digitale Photographie in eine Position, in der sie so konkurrenzfähig zum analogen Material geworden ist, dass sie auf dem besten Wege dazu ist, die analoge Photographie vom Markt zu verdrängen.
Der schnelle Aufschwung der Porträtphotographie in den Anfängen ihrer Entwicklung beunruhigte viele Maler, deren Auftragslage schlechter wurde. „So ist die Porträtkunst, wie sie die mittlere Bürgerschicht als Ölmalerei und Miniatur in Anspruch nahm, durch die neue Erfindung verdrängt worden.“53Bereits um 1860 verwendete neben anderen der Schwede Oscar Gustave Rejlander die Photographie „[...] im Sinne einer eigenständigen künstlerischen Leistung“54. Er photographierte arrangierte Genreszenen ganz wie ein Gemälde, nur mit dem Mittel der Photographie und er fügte aus vielen Negativen große Gruppendarstellungen zusammen.55Gleichzeitig versuchte sich die Kunstphotographie in den Stilmitteln der Malerei mit Weichzeichnungsmethoden, Edeldruckverfahren oder Kolorierungen, um der nachzugehen.56Frage nach ihrer Kunstwürdigkeit Über die