Selbstmitgefühl entwickeln - Christine Brähler - E-Book

Selbstmitgefühl entwickeln E-Book

Christine Brähler

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Beschreibung

Entspannt und wach im Hier und Jetzt »Das größte aller Wunder ist es, lebendig zu sein. Achtsamkeit ermöglicht uns, dieses Wunder zu berühren.« Thich Nhat Hanh Widerfährt uns Leid, reagieren wir meist mit Widerstand: sind enttäuscht, schämen uns oder machen uns Vorwürfe. Wie wäre es, wenn wir uns stattdessen trösten und ermutigen würden? So wie wir es vielleicht für einen geliebten Menschen täten? Selbstmitgefühl ist eine mutige innere Haltung, die uns hilft, unseren Gefühlen und Bedürfnissen mit mehr Wohlwollen und Weisheit zu begegnen.

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CHRISTINE BRÄHLER

Selbstmitgefühl entwickeln

Liebevoller werden mit sich selbst

Dr. Christine Brähler ist Psychologische Psychotherapeutin in eigener Praxis und Ausbilderin für mitgefühlsbasierte Ansätze.

www.christinebraehler.com

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eBook-Ausgabe 2018

© 2015 Scorpio Verlag GmbH & Co. KG, München

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Layout und Satz: Veronika Preisler, München

Konvertierung: Bookwire

ePub: 978-3-95803-209-5

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Alle Rechte vorbehalten.

www.scorpio-verlag.de

Inhalt

Herzlich willkommen!

1 Selbstmitgefühl: die natürliche Antwort auf Leid

Wie gehen wir mit uns um, wenn es uns schlecht geht?

Fest verdrahtet zum Überleben, nicht zum Glücklichsein

Die Schuld ablegen, um Verantwortung zu übernehmen

Von Widerstand und Schutzpanzern

Weise mit Leid umgehen

Ja, aber …

2 Die Türen zum Selbstmitgefühl finden

Der Boden: Vertrauen und Verbundenheit

Unseren Mitgefühlsmuskel trainieren

Finden, was schon da ist

Unser mitfühlendes Selbst entdecken

Von Ängsten und schmelzendem Schnee

3 Die vier Herzensqualitäten

Liebe: die Wärme und Kraft des Sonnenlichtes

Mitgefühl: getröstet vom Sonnenlicht

Mitfreude: aufblühen durch das Sonnenlicht

Gleichmut: der geräumige Himmel

4 Ganz Mensch sein

Nie gut genug

Scham und Verletzlichkeit verstehen

Mut zur Unvollkommenheit

Schmerzhafte Emotionen verwandeln

5 Wut und Vergebung

Rotsehen

Wie gehe ich normalerweise mit Wut um?

Der mittlere Weg

Schutz und Selbstachtung

Wenn sich Wut in Verbitterung wandelt

Tiefes Verstehen und Vergeben

Zum Abschluss: den ersten Schritt machen

Danksagung

Anmerkungen

Buch- und CD-Empfehlungen

Herzlich willkommen!

Falls einer der folgenden Punkte auf Sie zutrifft, ist dieses Buch für Sie. Kennen Sie die Erfahrung,

häufig mit sich und dem Leben unzufrieden zu sein?

das Gefühl zu haben, nicht zu genügen?

zu viel über eigene Fehler oder Schwächen nachzudenken, ohne wirklich etwas zu verändern?

Versagensängste zu haben?

übermäßig streng mit sich umzugehen, wenn es Ihnen schlecht geht, wie Sie es nie mit einem geliebten Menschen tun würden?

zu versuchen, sich mit gnadenloser Kritik zu motivieren, aber doch nicht an Ihr Ziel kommen?

Ihre Bedürfnisse und Grenzen zu missachten und darunter zu leiden?

sich durch übermäßiges Arbeiten, Sorgenmachen, Essen oder andere Ablenkungen zu schaden und sich freudvolle Dinge zu verwehren?

Und möchten Sie einen fürsorglicheren, nachhaltigeren und liebevolleren Umgang mit sich selbst lernen?

Dann seien Sie herzlich willkommen in diesem Einstieg in die Praxis des Selbstmitgefühls. Trotz der Neuartigkeit des Wortes ist die Idee dahinter nicht neu. Selbstmitgefühl ist die Fähigkeit, uns selbst liebevoll zu umsorgen, wenn wir leiden – so wie wir es für einen geliebten Menschen oder andere Menschen in Not tun würden. Sie sehen, es ist etwas ganz Natürliches. Warum also darüber ein Buch schreiben? Obgleich Mitgefühl eine natürliche Antwort auf Leid bei einem anderen Menschen ist, so kann es uns aufgrund unseres verzwackten Gehirnbauplans schwerfallen, es uns selbst zu geben, wenn wir es am meisten brauchen.

Selbstmitgefühl ist nicht Selbstmitleid!

Wenn wir uns selbst bemitleiden, fühlen wir uns alleine und unverstanden mit unserer Not, kreisen wir immer mehr um unsere Leidensgeschichte und verstricken uns letztendlich darin.

Durch Selbstmitgefühl entwickeln wir die Kraft, unser Leid anzuerkennen und uns zu erinnern, dass alle Menschen Fehler machen oder schwierige Zeiten durchleben. Uns selbst Verständnis zu schenken schafft Raum für Trost und eine hilfreiche Umgangsweise mit der Herausforderung.

Mit Selbstmitgefühl auf Belastungen zu antworten bedeutet auch nicht, Schwierigkeiten mit Zuckerguss übertünchen zu wollen. Ganz im Gegenteil: Selbstmitgefühl bedarf des Mutes, sich schmerzhaften Erfahrungen zuzuwenden, um diese zu umsorgen und Heilung zu ermöglichen, anstatt diese Wunden zu vernachlässigen.

Mitgefühl ist überlebensnotwendig und die einzige Reaktion auf Leid, die Sinn macht.

Als Klinische Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin hat mich die Frage »Was hilft, emotionales Leid nachhaltig zu lindern?« schon seit meiner Ausbildung in Schottland beschäftigt. Ich habe für mich erkannt, dass neben Fachkenntnissen und bestimmten Techniken Liebe und Mitgefühl zentrale tragende Kräfte in jeder heilsamen Begegnung sind – egal ob zwischen zwei Personen oder mit mir selbst. Die aktuelle Forschung hilft uns, diese Begriffe wissenschaftlich zu erfassen, und sie bestätigt meine Vermutung immer klarer. (Hinweise zu wissenschaftlichen Studien finden Sie mithilfe der hochgestellten Ziffern in den Anmerkungen am Ende des Buches.) Mehr über Selbstmitgefühl konnte ich von Paul Gilbert, Rob Nairn und Chris Germer lernen. Noch in Schottland habe ich selbst die Wirkung von mitgefühlsbasierter Psychotherapie mit Menschen mit komplexen psychischen Störungen wie Psychosen in einer Studie erforscht.

»Mitgefühl und Liebe sind keine bloßen Luxusgüter. Als die Quelle von innerem und äußerem Frieden sind sie grundlegend für das Überleben unserer Spezies.«

S. H. der 14. Dalai Lama

Neben meiner psychotherapeutischen Tätigkeit gebe ich Kurse, in denen jeder die Ressource des Selbstmitgefühls lernen kann, und bilde Psychotherapeuten und in Gesundheitsberufen Tätige aus. Mit Kollegen am Mindfulness Based Professional Training Institute der Universität Kalifornien bilde ich international Lehrer im Programm Mindful Self-Compassion (MSC – Achtsames Selbstmitgefühl) aus. Das Einüben eines mitfühlenderen Umgangs kann nicht nur unsere individuelle Lebensqualität und unsere Beziehungen verbessern, sondern auch helfen, auf der gesellschaftlichen Ebene Aggression und Grausamkeit das Menschlichste in uns entgegenzustellen: unsere Fähigkeit zum Mitgefühl. Die Reise beginnt in unserem Herzen, in unserem Leben mit unseren Mitmenschen und kann so weitere Kreise ziehen.

1

Selbstmitgefühl: die natürliche Antwort auf Leid

Drei Menschen – Sabine, Ralf und Natalie – begleiten uns durch das Buch. Anhand ihrer Beispiele werden einige der Schwierigkeiten deutlich, mit denen Menschen zu mir in die Kurse und in die psychotherapeutische Praxis kommen. Zugleich verdeutlichen die Fallbeispiele, wie Selbstmitgefühl uns ganz praktisch im Alltag helfen kann.

Wie gehen wir mit uns um, wenn es uns schlecht geht?

Sabine kämpft schon länger mit Übergewicht. Aus Sorge um ihre Gesundheit entschließt sie sich, eine Diät zu beginnen. Die ersten Tage der Ernährungsumstellung verlaufen problemlos, und sie ist stolz, diesen ersten und wichtigsten Schritt getan zu haben. Als sie nach einer anstrengenden Arbeitswoche Lust auf Süßigkeiten verspürt, gibt sie diesem Impuls nach, obwohl Süßes nach ihrem Ernährungsplan nicht erlaubt ist. Kurz danach überkommt sie ein Gefühl von Scham und Enttäuschung. Sie verurteilt sich: »Typisch! Du bist so gierig, schwach und undiszipliniert! War ja klar, dass du das nicht schaffst! Du wirst immer fett bleiben.« Aus Scham zieht sie sich zu Hause zurück: »Jeder andere hätte ohne Probleme widerstehen können. Wer will schon mit einer gierigen, fetten Kuh wie mir befreundet sein? Ekelhaft. Davon darf niemand erfahren.« Der Ausrutscher lässt sie nicht los, und ihre Gedanken kreisen: »Warum habe ich das nur gemacht? Was würden die anderen nur von mir denken, wenn sie das wüssten?« Der innere Konflikt mit sich selbst erschöpft Sabine schließlich so sehr, dass sie kapituliert, die Diät aufgibt und sich mit noch mehr Süßigkeiten »tröstet«.

Sabines Reaktionen sind nicht ungewöhnlich, vielleicht kennen Sie ähnliche Gedankengänge auch von sich. Unnachgiebig richtet sie über sich selbst. Würden wir so mit einem geliebten Menschen reden, der sich in derselben Situation befindet? Warum schließen wir uns systematisch aus dem Kreis des Wohlwollens aus, wenn wir es am ehesten brauchen?

Mitgefühl wird im Buddhismus meist als der natürliche Wunsch definiert, dass alle Lebewesen frei von Leid sein mögen. Mitgefühl umfasst zwei Aspekte: eine Sensibilität für Leid und die Motivation, dieses Leid lindern zu wollen. Ein zwischenmenschliches Beispiel für Mitgefühl wäre eine Mutter, die sich ihrem verängstigten Kind liebevoll zuwendet. Zuerst will sie die Angst verstehen, indem sie dem Kind zuhört. Die Mutter gibt dann dem Kind, was es braucht, um besser mit der Angst umgehen zu können. Sie beruhigt es mit liebevollen, sanften Worten und durch körperliche Wärme und Zuwendung. Sie handelt aus einer Haltung des Wohlwollens ihrem Kind gegenüber. Mitgefühl ist also eine innere Ausrichtung des Herzens, die unabhängig von Ergebnissen ist. Auch wenn das Kind weiterhin Angst verspürt, wird die Mutter sich nicht abwenden, sondern weiterhin Halt und Liebe geben, ohne das Kind oder das Geschehen zu verurteilen.

Behandeln wir so auch uns selbst, wenn wir Angst haben oder wenn uns etwas belastet?

Testen Sie Ihr Selbstmitgefühl

Wie gehen Sie normalerweise mit einem geliebten Menschen um, der sich schlecht fühlt und glaubt, nicht gut genug zu sein? Was sagen Sie und in welchem Ton? Was tun Sie?

Wie gehen Sie normalerweise mit sich selbst um, wenn Sie sich schlecht fühlen und glauben, nicht gut genug zu sein? Was sagen Sie zu sich selbst, und in welchem Ton sprechen Sie mit sich? Was tun Sie?

Haben Sie einen Unterschied festgestellt? Wenn ja, welchen?

Wenn ich diese Fragen bei Seminaren in die Runde stelle, berichtet die Mehrheit der Teilnehmer, dass sie verständnisvoll anderen gegenüber sind, mit sich selbst hingegen strenger und kritischer. Die nächstgrößere Gruppe stellt fest, dass sich ihre gnadenlose Haltung sich selbst gegenüber auch auf den Umgang mit anderen übertragen hat.

Fest verdrahtet zum Überleben, nicht zum Glücklichsein

Meist fällt es uns leichter, anderen gegenüber mitfühlend zu sein als mit uns selbst. Warum ist das so?

Wenn in unserem Leben etwas schiefgeht, dann laufen häufig unsere Erwartungen an uns und unseren Lebensentwurf Gefahr, enttäuscht zu werden. Je höher unsere Erwartungen an uns selbst sind und je mehr wir mit einer bestimmten Erwartung identifiziert sind, wie wir sein sollen, umso bedrohlicher fühlt es sich an, wenn wir sie nicht erfüllen. Viele von uns haben unerreichbar hohe Erwartungen an uns selbst, sodass wir nur selten mit uns zufrieden sind und immer einen Bereich finden, in dem wir von uns enttäuscht sind.

Wenn wir hingegen jemandem, der leidet, offenherzig und ohne Erwartungen begegnen (wie die Mutter dem Kind), dann fällt es uns leichter, Mitgefühl für diesen Menschen zu empfinden. Sobald wir Schmerz empfinden – weil wir z. B. einen Verlust, eine Niederlage, eine Enttäuschung, eine Verletzung oder körperliches Leid erleben –, dann zieht der Schmerz üblicherweise automatische Reaktionen nach sich, die das erlebte Leid noch vergrößern und die Schmerzempfindung aufrechterhalten.

Hier ist ein Mechanismus am Werk, der uns meist nicht bewusst ist. Wenn wir jedoch anfangen, ihn zu durchschauen, wird es einfacher, aus diesem Automatismus auszusteigen.

Unser Organismus ist evolutionär so eingerichtet, uns vor Gefahren zu schützen und unser Überleben zu sichern. Das Gehirn ist sozusagen »fest verdrahtet«, Gefahr von uns abzuwenden, das ist das oberste Gebot. Schmerzen – egal ob körperlich oder emotional – sind also ein starkes Warnsignal. Es ist somit verständlich, dass Körper und Geist auf Schmerz mit Abneigung reagieren, mit einem Gefühl des Nicht-haben-Wollens.

Dazugehören ist überlebenswichtig

Angenommen, uns ist in der Arbeit ein Fehler unterlaufen. Oft geraten dann verschiedene Reflexe in uns in einen Konflikt. Ein Teil in uns schämt sich und will sich verstecken, ein anderer Teil ist wütend und will sich wehren oder rechtfertigen, und noch ein anderer Teil ist verängstigt, weil er sich darüber sorgt, was passieren wird. Ein solcher innerer Konflikt kann dazu führen, dass wir uns verzweifelt und innerlich zerrissen fühlen.

Es kann helfen zu erkennen, dass unser Gehirn primär zum Überleben »verdrahtet« ist und nicht zum Glücklichsein. Um zu überleben, brauchen wir die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, in der wir enge Bindungen pflegen und in der wir für unseren Beitrag wertgeschätzt werden. Wir sind hochempfindlich für jegliches Verhalten, das uns in den Augen der anderen als unattraktiv oder minderwertig erscheinen lassen könnte. Da solche Verhaltensweisen zur sozialen Ausgrenzung führen könnten, bekämpfen wir sie oft in uns selbst, indem wir uns selbst abwerten und angreifen in der Hoffnung, dass wir uns dadurch verbessern (»Reiß dich gefälligst zusammen! Was sollen denn die anderen über dich denken?!«). Da in unserer Gesellschaft Selbstdisziplin, Stärke, Erfolg und Schlanksein als attraktiv gelten, ist es nachvollziehbar, warum sich Sabine von ihrer scheinbar mangelnden Selbstdisziplin und ihrem Übergewicht bedroht fühlt. Ralf geht es ähnlich.