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Sie wissen fast alles, gehen mit dem Thema Sex lässig um. Doch so abgeklärt die meisten Teenager darüber reden - wenn es zur Sache geht, ist es mit der Coolness erst einmal vorbei. In Sex, Liebe oder was? erinnern sich 24 Jungen und Mädchen zwischen 15 und 22 an ihren ersten Sex. Sie erzählen außerdem, wie sie aufgeklärt wurden, was sie sich vom ersten Mal erwartet hatten und wie sie es tatsächlich erlebten. Jutta Vey sprach mit Jugendlichen unterschiedlichster Herkunft, aus allen Teilen Deutschlands. Natalie (18) bestellte per Handy einen Bekannten in die Wohnung einer Freundin. Franziska (21) schlief mit ihrem Freund, während seine Ex nebenan schluchzte. Gordon (17) hatte bisher nur ein einziges Mal Sex, mit seiner ersten großen Liebe: 'Es war wie warmer Apfelkuchen.' Für einige ist Sex einfach nur Sex, oft ist Liebe im Spiel, für alle aber ist das erste Mal auf die eine oder andere Art etwas Besonderes. Der Nachfolgeband von MEIN ERSTES MAL: Das Buch über die Entdeckung der Liebe!
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Seitenzahl: 390
Jutta Vey
Als »Generation Porno« werden die Jugendlichen von manchen Soziologen bezeichnet, weil sie einer extremen sexuellen Reizüberflutung ausgesetzt sind. »Immer früher, immer härter« und »Porno statt Lego« titeln entsprechend die Medien. Kein Grund zur Panik, beruhigt hingegen die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Nach ihren Zahlen hat sich weder der Zeitpunkt des ersten Mals in den letzten zwanzig Jahren alarmierend nach vorn verschoben, noch sind die Teenager so hemmungslos, wie sie dargestellt werden. Nur 12 Prozent der Mädchen und 10 Prozent der Jungen haben demnach mit 14 schon sexuelle Erfahrungen, jeder dritte 18-Jährige ist sogar noch Jungfrau. Auch die Dr.-Sommer-Studie 2009 der Bravo bestätigt das Klischee vom frühen Sex nicht: Die Mehrheit der Jugendlichen erlebt das erste Mal zwischen 16 und 17.
Schlagzeilen hin, Statistik her – weder das eine noch das andere sagt viel darüber aus, wie Teenager heute wirklich ticken. Welchen Stellenwert hat Sex für sie? Und welche Rolle spielt beim Sex die Liebe? Ich habe 24 Jugendliche zwischen 15 und 22 aus ganz Deutschland interviewt, um das herauszufinden. Sie kommen aus Großstädten und Dörfern, aus unterschiedlichen Bildungsschichten, aus behüteten Elternhäusern und schwierigen sozialen Verhältnissen.
Die erste Überraschung erlebte ich gleich zu Beginn meiner Recherche: Ich ging davon aus, dass es kein Problem wäre, Jugendliche zu finden, die bereit wären, mit mir über ihr erstes Mal zu sprechen. Was Sexualität angeht, wachsen sie ja so offen und entspannt auf wie keine Generation vor ihnen, dachte ich. Doch es stellte sich heraus, dass es schwieriger war als erwartet, vor allem Jungen für Interviews zu gewinnen. Dass ich neun von ihnen zwischen 15 und 20 interviewen konnte, verdanke ich vor allem den Mädchen: Adriano (20) machte nur mit, weil ihn seine Freundin Kerstin (19) zuvor wochenlang bearbeitet hatte. Andreas (15) wurde von seiner Schwester Natalie (18) überredet. Beide Jungen wollten dann auch nur am Telefon mit mir sprechen.
Was die Jugendlichen mir erzählt haben, hat mich berührt, amüsiert, schockiert und manchmal auch sprachlos gemacht. Ich habe festgestellt: Es gibt heute nichts, was es nicht gibt. Weil Sexualität nicht mehr mit Verboten belegt ist und die Teenies über die Medien schon früh an nahezu alle Informationen zum Thema kommen, haben sie mehr Freiheiten und Möglichkeiten als jede andere Generation vor ihnen. Sie können selbst bestimmen, wie sie leben wollen und tun es auch.
»Am allergeilsten finde ich Bondage-Pornos«, war das Erste, was mich die zierliche Katinka (21) stolz wissen ließ. Wir trafen uns in dem Düsseldorfer Jugendzentrum, in dem sie ehrenamtlich arbeitet. »Nächsten Monat habe ich ein Fetisch-Shooting in Latex«, erzählte sie, »die Bilder kommen hinterher auf eine Bezahlseite.« Sascha (19) aus Neumünster interviewte ich am Telefon. Er wäre mit 16 beinahe Vater geworden, weil er und seine Freundin ein einziges Mal nicht verhütet hatten. »Einfach mal so mit einem Mädchen schlafen, das ist nichts für mich. Ich möchte verliebt sein«, sagte er mir. Ware Liebe und wahre Liebe – zwischen diesen beiden Polen, so das Ergebnis meiner Recherche, spielt sich das Sexleben der heutigen Jugendlichen ab.
Die Geschichten zeigen eindrucksvoll, wie sehr Elternhaus und Erziehung den Umgang mit Sexualität prägen. Oft gehen extreme sexuelle Erfahrungen mit einer extremen Lebensgeschichte einher. Kathrin (22) etwa hat sich ihr »ganzes Leben lang total ungeliebt gefühlt«, wurde von ihrer Mutter geschlagen und konnte mit Liebe und Sex wenig anfangen. Über ihr erstes Mal sagt sie: »Er gab mir, was ich damals dringend brauchte: Aufmerksamkeit.« Und: »Ich habe mich wie eine Hure gefühlt.« Jugendliche mit normaleren Lebensläufen, behütet aufgewachsen, erlernen und erleben Sexualität dagegen öfter als etwas völlig Natürliches und gehen entsprechend entspannt damit um – wie die 22-jährige Stephanie, die sagt: »Meine Mutter hat mir immer das Gefühl gegeben, dass mir nichts peinlich sein muss«, und die ihr erstes Mal als amüsantes und schönes Erlebnis in Erinnerung hat.
Dass die gängigen Geschlechterrollen oft nicht mehr greifen, war keine Überraschung. Wie selbstbewusst manche Mädchen auf Jungen zugehen, dagegen schon. Natalie (18) und ihre Freundin verabredeten sich mit einem Jungen zum ersten Sex, weil sie fanden, dass sie mit 14 alt genug dafür wären. »Wir riefen also Michi an. ›Du, Michi, wir hätten mit dir gerne unser erstes Mal …‹« Katinka (21) fing ihren Kandidaten an einem Spielplatz ab: »›Ich will mit dir schlafen. Ich habe ein Kondom und Vicky gibt uns ihr Schlafzimmer.‹« Auch hier gilt jedoch: Es gibt nichts, was es nicht gibt. Viele Mädchen erwarten nach wie vor, dass die Jungen den ersten Schritt machen. Yvonne (19) sagt: »Von mir aus bin ich auf keinen zugegangen.« Beim ersten Mal war sie dann alles andere als selbstbewusst: »Ich war total schüchtern und passiv.«
Trotzdem: Von »offensiven Mädchen und hilflosen Jungen« ist in einer Untersuchung der BZgA bereits 2002 die Rede, und das trifft heute mehr zu denn je. Die Jungs stehen unter Druck. Sie wollen cool sein, erfahren wirken, um den Ansprüchen der Mädchen zu genügen. »Hattest du schon mal Sex?«, ist für die meisten eine NoGo-Frage. Mann hält den Mund – oder redet sich raus. Lisa (17) über Marcel (18): »Er fing an rumzudrucksen: ›Äh, ja, weiß ich gar nicht mehr so ganz genau. Auf einer Party war das wohl. Da war ich betrunken …‹ So ne typische Jungs-Geschichte. Da war mir klar: Der ist noch Jungfrau, will es aber nicht sagen.«
Es war entsprechend schwierig, die Jungen bei den Interviews aus der Reserve zu locken: Fragen wie »Wovor hattest du beim ersten Mal Angst?« und »War dir irgendwas peinlich?« waren den meisten unangenehm. Bei einigen musste ich ein paar Mal nachhaken. Andreas (15): »Mir war’s ein bisschen peinlich, dass sie mir das mit dem Kondom erklären musste, aber nur ein ganz kleines bisschen.« Als er das Interview gegenlas, wollte er diesen Satz zunächst wieder gestrichen haben.
Ja, sie sind frühreifer als die Generationen vor ihnen – 1968 bekamen Mädchen im Schnitt mit 13 Jahren ihre Tage, heute sind sie neun Monate früher dran –, und ja, sie tun es auch öfter. Unter dem Strich zeigen die Interviews aber: Die Jugendlichen von heute sind weder pornographisiert noch sexbesessen, die Mehrheit hat ein gesundes Verhältnis zu ihrer Sexualität. Und obwohl sie fast alle Freiheiten haben sich auszuprobieren, machen die meisten wenig daraus. Kamasutra, Rollenspiele, Pornos und Sexspielzeug spielen eine Rolle, aber keine große. Die Mehrheit belässt es bei Stellungs- und Ortswechseln, Hardcore-Spielarten sind die Ausnahme.
Und: Die Jugendlichen sind, allen Porno-Unkenrufen zum Trotz, konservativer als gedacht. Für die Mehrheit gehören Sex und Liebe immer noch untrennbar zusammen. Das bestätigen auch die aktuellsten Umfragen: Danach führt der Weg ins Bett für 94 Prozent der Mädchen und 88 Prozent der Jungen nach wie vor übers Herz. Und: Wer einen Partner hat, für den ist Treue oberstes Gebot. Normal ist heute zwar, was gefällt, aber das ist unter dem Strich weniger aufsehenerregend als man denkt. Adriano (20), der immer noch mit seiner ersten Freundin zusammen ist: »Ich bin nicht der Typ, der eine Strichliste führt, mit wie vielen Mädels er schon geschlafen hat. Mir reicht eine. Eine ist anstrengend genug.«
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Er ist immer noch mein Traummann. In jeder Hinsicht. Ich stehe total auf die Dunkelhaarigen. Er hat schwarze Haare, rehbraune Augen und ein wunderschönes Gesicht. Am Anfang war er ziemlich schüchtern. Vielleicht hat er mich deshalb so fasziniert. Während die meisten eh nur an sich denken und wen sie alles flachlegen können, war er ganz anders. Er hat sich wahrscheinlich gesagt: »Hauptsache, ich kriege irgendwann mal eine.«
Wenn’s um Jungs geht, dann war es schon immer so: Die suchen nicht mich aus, ich such mir die aus. Ihn wollte ich von Anfang an. Ich war immer diejenige, die den ersten Schritt gemacht hat. Immer. Auch bei unserem ersten Mal. Von selbst hat er sich gar nicht rangetraut. Ich hab ihm immer wieder gesagt: »Leg deine Hand mal da hin« oder »Mach doch mal das«.
Ich bin ziemlich behütet aufgewachsen. Sieben Jahre lang, von der dritten bis zur neunten Klasse, war ich auf einem katholischen Mädcheninternat in Passau, das von Nonnen geführt wurde. Auf meiner alten Grundschule in München bin ich ständig gemobbt worden. Außerdem war ich hyperaktiv. Meine Lehrerin meinte deshalb, eine ganztägige Betreuung wäre das Beste für mich und schlug meinen Eltern dieses Internat vor. Weil sie sich für mich einsetzte, war das Jugendamt bereit, die Hälfte der Kosten zu zahlen. Mir hat es dort supergut gefallen. Ich war ja Einzelkind, immer allein. Jetzt hatte ich plötzlich viele Kinder um mich herum. Das war für mich das Paradies.
Die Nonnen haben immer strikt darauf geachtet, dass es keine Beziehungen gab und die Mädchen nicht so rumliefen, dass sie den Jungs gefallen könnten. Kein Ausschnitt, kein Spaghetti-Top, kein bauchfreies Oberteil. Erst recht keine Tattoos und Piercings. Und Yam und Bravo waren auch tabu. Was natürlich bescheuert war, denn wenn etwas verboten ist, wird es ja noch viel spannender, und man macht es erst recht.
Ich und die anderen Mädchen aus München, die jeden Sonntagabend wieder zurück ins Internat fuhren, haben sie immer im Zug gelesen und in Passau sofort weggeschmissen. Und wehe, eine hat sie mal mitgenommen, im Internat versteckt, und eine Nonne hat sie gefunden. Dann gab’s Strafarbeiten! Die wollten nicht, dass wir mit Sexuellem in Kontakt kommen. Das war etwas Schmutziges. Wenn ihr Händchen haltet, werdet ihr schwanger, sagten sie. Wenn ein Mädchen mal einen kurzen Rock anhatte, kam der gleiche Spruch. Und in der vierten Klasse glaubt man das ja noch.
Zwar wurde irgendwann ein Internetcafé im Internat eröffnet, aber da passten die Nonnen immer wie die Luchse auf, was wir machten. Wir durften jeden Tag nur eine Viertelstunde rein. Chatten war absolut verboten. Nur ein paar Mädchen, von denen man wusste, die sind nicht so versaut, die durften das. Ich auch. Allerdings stand dann immer eine Nonne hinter mir und hat geschaut, ob ich vielleicht was Perverses schreibe.
Bis ich mit 13 meine Tage bekam, war ich noch ziemlich unaufgeklärt. Mich hat das aber auch einfach nicht interessiert. Ich hab in der Bravo nur die Star-Geschichten gelesen, nicht wie die anderen den Dr. Sommer-Teil mit den nackten Jungs und Mädchen. Ich weiß noch, dass ich sofort panisch meine Mutter anrief: »Oh mein Gott, Mama, ich blute, was soll ich jetzt machen?« »Jetzt beruhige dich doch mal, hol dir einen Tampon, und dann passt die Sache«, sagte sie. Ich: »Wie bitte?«
Im gleichen Jahr bekam ich meinen ersten Kuss. Das weiß ich noch, weil es an einem Freitag, dem 13. war. Im Italien-Urlaub. Er kam auch aus München, war zwei Jahre älter, blond, mit blauen Augen, ein richtiger Surferboy. Eigentlich nicht mein Typ, aber ein hübscher Kerl. Wir waren im Wasser, als er mich plötzlich an sich ranzog und küsste. Ich habe ihn ganz normal auf die Lippen geküsst, er hat mir aber gleich die Zunge in den Hals gesteckt. Das war erst mal komisch.
Richtig interessiert habe ich mich damals noch nicht für Jungs, er hatte mich überrumpelt. Ich fand ihn nett, aber das war’s auch. Sex war für mich noch eine ganze Weile lang völlig uninteressant. Wenn ich mal einen Freund hatte, gab’s nur Händchenhalten und Küssen. Alles andere war mir zu viel. Sobald mir einer an die Wäsche wollte, bin ich sofort sauer geworden. Ich hatte immer das Gefühl, dass den meisten eh nur das wichtig war.
Das Thema Sex kam schließlich doch in die Schule. Wir hatten eine Lehrerin, die war ziemlich hartnäckig, wenn’s um so was ging. Obwohl die Nonnen es nicht gerne sahen, hat sie uns Sexualkundeunterricht gegeben und das auch durchgezogen. In erster Linie ging es um die Geschlechtsorgane, Krankheiten und Verhütung. Aber man lernt natürlich nicht, wo was reingehört und wie’s funktioniert.
In der achten Klasse gab es vereinzelt welche, die schon Sex gehabt hatten. Das waren die, die erst später ins Internat gekommen waren. Die waren schon verhunzt von da, wo sie herkamen. Von denen hat man so einiges mitbekommen.
Ein Jahr später redeten wir untereinander schon mehr über das Thema. Einige waren auch schon richtig jungsgeil und sind denen hinterhergelaufen. Das habe ich nie gemacht.
Meine beste Freundin, ein totales Mauerblümchen, erzählte herum: »Ich hatte schon mein erstes Mal, und es war total toll.« Alle meinten: »Ach, die lügt doch, so wie sie drauf ist.« Sie war total schüchtern und voll ängstlich. Ich habe sie in Schutz genommen. Später kam raus, dass es tatsächlich gelogen war.
Bis ich Adriano kennenlernte, war ich ein sehr burschikoser Typ. Ich lief wie ein Junge herum, trug im Sommer Fußballklamotten und manchmal sogar Baggys. Mädchen, die stundenlang vorm Spiegel gestanden und sich geschminkt haben, fand ich schrecklich. Das waren blöde Tussen für mich.
Wir haben uns in der zehnten Klasse kennengelernt, er war in meiner Parallelklasse. Inzwischen ging ich schon wieder in München zur Schule. Auf dem Internat konnte man nur seine Hauptschul-Quali machen, ich wollte aber den Realschulabschluss.
Für mich hatte Adriano das gewisse Etwas. Ich hatte in seinen Augen einfach nur große Möpse. Das hat er später mal zugegeben. Es war das Einzige, was ihn zunächst an mir interessiert hat. Ich war gar nicht sein Typ. Er steht auf schlanke, zierliche Blondinen. Ich war das glatte Gegenteil mit meinen Trikots, nicht geschminkt, die Haare irgendwie nach hinten geklatscht, mit Turnschuhen. Hohe Schuhe waren für mich damals ein absolutes No Go.
Wir saßen uns in Religion gegenüber. Ich fand ihn von Anfang an süß. Zuerst haben wir uns nur gegrüßt und ein bisschen Smalltalk gemacht. Obwohl ich kein schüchterner Mensch bin, habe ich bei ihm plötzlich das Stottern angefangen und bin rot geworden. Das war lange so.
Sport hatten wir auch zusammen. Er war der totale Fußball-Freak. Mit seiner ersten Freundin hat er deswegen sogar Schluss gemacht. Einmal hab ich ihm beim Spielen aus Versehen in die Eier geschossen. Er stürzte auf den Boden und krümmte sich. Da bin ich vor Peinlichkeit fast gestorben. Von da an haben wir uns aber öfter unterhalten, meistens über Fußball.
Ich habe niemandem gesagt, dass ich auf ihn stehe. Trotzdem hat es meine Banknachbarin, mit der ich mich relativ gut verstanden habe, mitgekriegt. Sie hat ihn dann auf der Schulabschlussfahrt nach Prag während einer Schifffahrt darauf angesprochen. Ich war aus familiären Gründen nicht dabei. Auf wen er denn so stünde, hat sie ihn gefragt. Das hat er mir später erzählt. Er meinte zu ihr, er fände mich ganz süß. Kaum waren sie von der Fahrt zurück, schrieb sie mir eine SMS. »Willst du was von Adriano? Ja oder nein? Wenn ja, schreib mir ’ne SMS. Er findet dich total süß!« Sie hat’s ein bisschen aufgebauscht, aber natürlich war ich trotzdem aus dem Häuschen. Sie hat mir dann seine Telefonnummer gegeben, ich wollte aber, dass er mich anruft. Also hat sie ihm dann gesagt, dass er mich anrufen soll. Das muss man sich mal geben. Ich habe mich bei ihm gefühlt wie ein kleines Mädchen. Ich war schüchtern, hatte Angst, wollte nicht den ersten Schritt machen.
Ich hätte nicht gedacht, dass ich eine Chance bei ihm habe. Nie. Dann hat er mich angerufen. Ich fragte: »Was willst du denn machen?« Er nur: »Mir ist es egal. Was willst du denn machen?« Ich wollte schwimmen gehen. Es war am 16. Juli 2006. Das weiß ich noch genau, weil wir an dem Tag zusammengekommen sind. Später hat sich herausgestellt, dass er gerne mit mir zur Fußball-WM gegangen wäre. Er wusste ja, dass ich auch fußballbegeistert war. Er hat sich aber nicht getraut, mich zu fragen. Er dachte, ich gebe ihm einen Korb. Keiner von uns hat gedacht, dass der eine was vom anderen will.
Als wir am See waren, war er ziemlich ruhig und hat kaum geredet. Also habe ich ihn ein bisschen ausgequetscht. Ich habe mich nach einem Buch gerichtet, das mir mal eine Freundin geschenkt hatte: 1000 Dinge, um romantisch zu sein. Da gab’s ein Kapitel, das hieß: 100 Sachen, die man über seinen Partner wissen muss. Ich hab ihn viel daraus gefragt. Er hat auch auf alles geantwortet. Wenn es allerdings um private Dinge ging, wie viele Freundinnen er schon hatte zum Beispiel, da war er ziemlich verschlossen.
Wir haben Wasserball gespielt und Gaudi gemacht. Irgendwann kam er von hinten an und umarmte mich. Tja, und dann habe ich mich umgedreht, ihm einen Kuss gegeben und ihm dabei gleich die Zunge in den Hals gesteckt. Er hat das auch mitgemacht. Es war sein allererster richtiger Kuss, und er war gar nicht so schlecht. Es gibt ja welche, die schlabbern einen ab und fressen einen fast auf. Furchtbar. Er hat es aber gleich sehr vorsichtig und gefühlvoll gemacht.
Manchmal reden wir noch darüber, wie romantisch das damals alles war. Vor einem halben Jahr habe ich ihn mal gefragt, ob er noch weiß, was ich anhatte. »Du hattest deine schwarze Hose, ein weißes Top und Turnschuhe an«, kam prompt. Das hat mich amüsiert. Man sieht ja im Film immer, dass sich Männer so was nie merken können. Bei uns war ich diejenige, die es nicht mehr wusste.
Von da an waren wir jeden Tag schwimmen, von früh bis spät. Es waren ja Sommerferien. Allerdings bin ich in den ersten Wochen fast verzweifelt. Es kam nicht viel von ihm. Er ist überhaupt nicht aus sich herausgekommen. Irgendwann dachte ich gefrustet: »Ich pack’s nicht mehr, der Typ ist so langweilig. Da ist ja jeder Totengräber freundlicher.« Ich hatte echt schon überlegt, es zu lassen. Andererseits war ich aber total verknallt. Deshalb bin ich doch drangeblieben. Hat sich ja auch gelohnt.
Wenn’s um Petting und richtig Rummachen ging, war ich immer diejenige, die angefangen hat. Wenn er mich umarmt hat, habe ich seine Hand auf meinen Hintern gelegt. Von selbst hätte er sich nicht getraut, mich anzufassen. Erst recht nicht, wenn es darum ging, mal die Hand in meine Hose zu schieben. Es ging alles ganz, ganz langsam bei uns. Erst am letzten Sonntag des Oktoberfestes lief mehr …
Einen Tag vorher hatte mich meine Freundin noch gefragt: »Und, habt ihr schon?« Es war das Mauerblümchen. Sie hatte ihr erstes Mal inzwischen schon hinter sich. Aus ihr ist heute ein richtiger Vamp geworden. Sie hat auch schon ein Kind. Ich erzählte ihr, dass er mich schon gefingert und ich ihm mal einen runtergeholt hätte. Abends meinte ich: »Ich glaube, morgen werden wir miteinander schlafen.« Sie: »Red du nur.«
Ich war wieder mal bei ihm. Wir haben uns immer bei ihm getroffen, weil seine Mutter oft nicht da war. Ich hatte nichts Besonderes an, keine sexy Unterwäsche jedenfalls. Wir lagen auf seinem Bett, auch wie immer, und fingen an rumzumachen. Irgendwann war es für uns beide klar, worauf es hinauslaufen würde. Ich war zwar mit einigen Jungs vorher länger als mit Adriano zusammen, aber er war der Einzige, mit dem ich es wirklich wollte. Bei ihm wusste ich von Anfang an: Der wird es.
Dass Adriano auch noch keinen Sex hatte, hatte er mir gesagt. Das heißt, ich hab gefragt, ein paar Tage nach dem 16. Juli. »Und, bist du noch Jungfrau?« Er druckste erst ein bisschen herum, das war ihm natürlich unangenehm, dann sagte er aber: »Ja« und fragte: »Und du?« Ich war auch ehrlich. Ich fand’s toll, dass er noch nicht hatte. Deshalb fühlte ich mich noch wohler bei ihm. Bei einem anderen Typen wäre ich vielleicht nur eine von vielen gewesen. Bei ihm war ich mir sicher: Er würde mich nie mehr vergessen.
Die Pille hatte ich mir schon mit 15 geholt. Da hatte ich zwar noch nicht vor, so bald Sex zu haben, aber ich bin immer gerne vorbereitet. Der Körper muss sich ja auch erst mal darauf einstellen. Als ich bei meinen Eltern mit der Pille ankam, meinte mein Vater: »Wenn du bis zu deinem 16. Geburtstag wartest, schenke ich dir ein Nasenpiercing.« Mit 16 ging ich zu ihm, verlangte das Piercing und bekam es auch. Er weiß bis heute nicht, dass ich mein erstes Mal längst hinter mir habe.
Adriano fragte mich erst mal: »Willst du mit oder ohne Gummi?« »Na, probieren wir es halt mal mit«, meinte ich. Nachher erzählte er mir, dass er geübt hätte, damit er es hinbekommt. Allerdings war er jetzt total aufgeregt, seine Hände zitterten richtig. Deswegen ging’s auch erst mal schief und er hat schlappgemacht, der arme Junge. Er war zwar schon ziemlich geil, aber halt auch tierisch nervös. Irgendwann dachte ich, bevor es jetzt komplett in die Hose geht, machen wir’s lieber ohne, und ich sagte: »Lass das Kondom weg und mach einfach.« Ich wollte es endlich hinter mich bringen. Er fragte dann ständig: »Und, tut’s weh, ist alles in Ordnung, geht’s dir gut?« »Ja, passt schon, alles okay, mach weiter«, beruhigte ich ihn. Er ist schon nach zwei Minuten gekommen. Aber er hatte ja auch keine Erfahrung. »Das üben wir noch«, meinte ich am Ende. Ihn hat das ganz schön gestresst. Ich glaube, deshalb hatten wir auch erst mal keinen Sex mehr.
Als ich aus seinem Zimmer ging, war ich total erleichtert, fühlte mich irgendwie befreit. Jetzt hast du’s hinter dir!, dachte ich. Ich glaube, so ging’s ihm auch. Seinem besten Freund, dem einzigen, mit dem er über private Dinge redet, sagte er am gleichen Tag ganz lässig: »Du, ich hab gerade mit der Kerstin geschlafen.« »Und, wie war’s?«, fragte der. Adriano nur: »Na ja.« Das erzählte er mir später. Er hat auch mal zugegeben, dass er Schiss hatte: dass er zu früh kommt, irgendeine Scheiße baut, sich lächerlich macht.
Am Montag auf dem Weg zur Berufsschule, es war mein erster Tag dort überhaupt, dachte ich bei mir: Du gehst nicht als Jungfrau in die Berufsschule. Yes! Als Adriano und ich in der Mittagspause telefonierten, klang er ganz komisch. Ich fragte ihn, was los sei. Darauf sagte er: »Ich hab Angst, dass du schwanger bist.« Da fing ich an zu lachen. »Du weißt schon, dass ich die Pille nehme, oder? Das ist zu 99 Prozent sicher.« Das hat ihn aber nicht beruhigt. Er war völlig aus dem Häuschen. Deshalb bin ich ihm zuliebe am Nachmittag gleich zum Frauenarzt gegangen. Es war natürlich alles in Ordnung. Ich hätte ihm vorher sagen sollen, dass ich die Pille nehme. Dann hätte er nicht so eine Panik geschoben.
Das zweite Mal hatten wir vier Wochen später, danach wollte er erst mal nicht mehr. In den sieben Monaten, in denen wir zusammen waren, haben wir nur ein paar Mal miteinander geschlafen. Ich musste den Sex aber auch nicht unbedingt haben. Ich hatte nicht so das super Feeling dabei. Es war jedenfalls nicht so, dass ich dachte: Boah, das ist ja geil. Immer Missionarsstellung – als Anfänger hat man ja gewisse Techniken noch nicht drauf – und dann kam er immer auf seine Kosten, meist ziemlich schnell, und ich hatte das Nachsehen. Heute kann er sich eher zurückhalten.
Es ging dann ganz allmählich den Bach runter mit uns. Er wurde immer abweisender und kälter. Ich konnte mir nicht erklären, warum. Ich habe mich aber auch nicht getraut zu fragen, denn ich hatte Angst davor, dass er sagen könnte: »Ich lieb dich nicht mehr.« In dem letzten Monat, in dem wir zusammen waren, habe ich fast jeden Abend geweint. Ich habe ihn abgöttisch geliebt und hätte alles für ihn getan. Schließlich ging es einfach nicht mehr, und ich sagte eines Tages zu ihm: »Komm bitte morgen vorbei, ich will mit dir reden.« Ich setzte ihm die Pistole auf die Brust: »Sag jetzt: Liebst du mich noch, ja oder nein?« Das war mein Eigentor. »Dann eher nein«, sagte er. Das war am 12. Februar 2007.
Kaum war er an der Bushaltestelle, rief er seinen besten Freund an: »Ich hab Angst, dass sie sich was antut.« Er wusste genau, wie sehr ich ihn liebe. Kurz darauf rief sein Freund mich an, wir hatten guten Kontakt: »Bitte tu dir nichts an, du wirst es schaffen. Der ist ein Arsch und hat dich nicht verdient.« Kaum aufgelegt, klingelte es an der Tür. Adriano. »Bitte mach nichts Unüberlegtes, nicht wegen mir, bitte!« Darauf ich: »Glaubst du ernsthaft, dass ich mir deinetwegen was antun würde? So blöd bin ich auch wieder nicht.« Da ist er gegangen. Die zweieinhalb Monate, die wir getrennt waren, waren schlimm für mich. Wenn ein Typ was von mir wollte, hab ich immer irgendwann angefangen, von Adriano zu labern.
Ein paar Wochen später habe ich ihn wiedergesehen. Meine Freundin, die mit einem seiner Freunde zusammen war, fragte, ob ich nicht mit ihnen weggehen wollte. Adriano käme auch. Natürlich habe ich mich an dem Abend total aufgebrezelt. Es war der Horror für mich, beim Essen neben ihm zu sitzen. Deshalb bin ich irgendwann gegangen. Hinterher erzählte er mir, er hätte mich nach Hause bringen wollen, hätte sich aber nicht getraut zu fragen. Er hatte Angst, ich könnte sauer werden und ihn schlagen oder so. Ich kann zwar, wenn ich will, ziemlich aggressiv werden, aber ich würde ihm nie absichtlich was tun.
Nach ein paar Wochen träumte ich nachts, dass ich mit ihm Sex habe. Das war ganz komisch, eine Art Zeichen. Am anderen Tag rief ich ihn dann spontan an: »Hast du vielleicht Lust, dich mit mir zu treffen und im Park spazieren zu gehen?« »Ja, können wir schon machen«, meinte er. Ich hatte mich in der Zeit, in der wir getrennt waren, ein bisschen verändert. Ich habe aufgehört, an den Fingernägeln zu kauen. Das hatte er gehasst. Vor allem aber hatte ich angefangen, mich modisch weiterzuentwickeln, hatte auf einmal einen Schuh- und Ohrring-Tick gekriegt und wirkte insgesamt viel weiblicher.
Als wir spazieren gingen, war es wieder supernett mit ihm. Wir haben uns unterhalten, gescherzt, und er war total lieb. Dann ging mein Handy. Es war ein Typ, der mich schon lange toll fand und sich mit mir treffen wollte. Das hat Adriano mitbekommen. Deshalb sagte ich ganz cool in den Hörer: »Ja, komm, lass uns nachher treffen.«
Am nächsten Tag, einem Montag, kam die Freundin seines besten Freundes in der Berufsschule auf mich zu. Adriano hatte sie angerufen. Er wollte mich zurück! Er hätte in der Zeit unserer Trennung gemerkt, dass er mich doch sehr gern hat. Er hätte voll Scheiße gebaut. Als Ende April die Grillparty seines besten Freundes anstand, simste er mir: »Kommst du auch? Ich würde mich freuen.«
Natürlich kam ich, und wir sind irgendwann ein bisschen spazieren gegangen. Tja, und da hat er was ganz Süßes gemacht: Er gab mir einen vier Seiten langen Brief … »Ich bin ein riesengroßes Arschloch, ich hab einen Fehler gemacht. Ich will dich zurück, ich bin ohne dich nur ein halber Mensch«, stand da. Er ist hundert Meter vorausgegangen, während ich las. Als ich fertig war, rief ich total gerührt: »Komm doch bitte her zu mir.« Er lächelte ein bisschen schief und meinte: »Es tut mir so leid, Kerstin. Nimm mich zurück. Ich liebe dich!«
So leicht wollte ich es ihm aber nicht machen. Also sagte ich: »Erstens: Wenn du mich noch mal so verarschst, trete ich dir so in die Eier, dass du keine Kinder mehr kriegen kannst. Und das Zweite: Wir machen eine Beziehung auf Probe. Das heißt, wenn du den kleinsten Scheiß baust, bin ich weg.« Er nickte nur und sagte: »Du kannst dich auf mich verlassen!«, dann nahm er mich in den Arm.
Am nächsten Tag rief wieder der Typ an, mit dem ich mich getroffen hatte: »Gibst du mir denn eine Chance?« Ich: »Nein, ich will nicht.« Adriano merkte sofort, was los war, nahm sich mein Handy und rief in den Hörer: »Hey du Arschloch, lass meine Freundin in Ruhe!«, und legte auf. Er hat voll übertrieben, aber ich fand es total süß. »Du gehörst zu mir«, sagte er. Nachdem wir wieder zusammen waren, gab er Gas. Er sagte ganz oft, dass er mich liebt, machte mir Komplimente, nahm mich in den Arm und kuschelte mit mir. Das hatte er früher nicht gemacht.
Wir beschlossen, dass es keine Tabus mehr zwischen uns geben sollte. Dass wir auch offen über Sex reden würden. Das hatten wir vorher nicht gemacht.
Als wir das erste Mal wieder miteinander schliefen, war es wieder nicht so doll. »Wie war’s für dich?«, fragte er. »Na ja, mei«, sagte ich nur und fragte ihn dann einfach: »Was hättest du denn gern? Möchtest du mal was ausprobieren? Soll ich dir einen blasen?« Da meinte er: »Ja, scho’.« Es hat sich ganz langsam entwickelt, dass wir immer mehr darüber geredet und immer mehr ausprobiert haben. Inzwischen haben wir überhaupt kein Problem mehr damit, uns zu sagen, was wir wollen.
Wir hatten schon Sex im Olympia-Park, auf einem Spielplatz, in der Umkleidekabine im Schwimmbad und im Wasser und haben inzwischen auch schon einiges an Stellungen ausprobiert. Am Valentinstag 2008 habe ich ihm ein Kamasutra-Buch geschenkt, und das haben wir mal durchprobiert. Dabei haben wir uns den Arsch kaputt gelacht. Manche Stellungen kann man nicht machen, unmöglich.
Heute ist der Sex wunderbar bei uns. Er weiß genau, worauf ich anspringe. Er merkt das sofort, da brauche ich gar nichts zu sagen. Ihm ist immer wichtig, dass ich auf meine Kosten komme. Als ich mit ihm meinen ersten Orgasmus hatte, war das natürlich toll. Es hat gekribbelt, ich bekam Gänsehaut, wow! Er hat es danach oft richtig provoziert, und dann habe ich auch drei-, viermal hintereinander einen bekommen.
Wir wollen zusammenbleiben, da sind wir uns ganz sicher. Zu unserem Eineinhalbjährigen sind wir in den Olympia-Park gegangen, wo er mir unter einem traumhaften Sternenhimmel einen Ring mit einem Swarovski-Stein geschenkt hat. Vor ein paar Wochen hat er mich gefragt, ob ich ihn heiraten möchte. Da bekam ich einen Ring mit einem Brillanten.
Als ich noch keinen Freund hatte, habe ich immer gesagt: Ich will nicht heiraten. Ich konnte mir nicht vorstellen, den Rest meines Lebens neben demselben Typen aufzuwachen. Kinder wollte ich auch nicht. Wenn, dann adoptieren, und zwar Kinder, die sonst in Armut leben müssten. Als ich dann allerdings zum ersten Mal neben Adriano aufgewacht bin, habe ich gemerkt, wie schön das ist, neben jemandem zu liegen, den man liebt.
Er will nur ein Kind, ich will zwei. Ich bin Einzelkind und weiß, wie scheiße das ist. Wenn’s ein Junge wird, suche ich den Namen aus. Wenn’s ein Mädchen wird, sucht er ihn aus. Wann wir heiraten, haben wir auch schon geplant. Auf jeden Fall an einem 16. Juli. Wenn ich 23 oder 24 bin. Wir planen beide gerne weit im Voraus.
Vor einem dreiviertel Jahr habe ich mal gedacht, dass ich schwanger bin. Er ist mit mir zum Frauenarzt gegangen und beruhigte mich. Ich war ein Häufchen Elend. Wir sind beide noch in der Ausbildung und haben kein Geld. Wie hätte das gehen sollen? Ich sagte ihm, dass ich abtreiben würde, dass ich mir nichts anderes vorstellen könnte. Er meinte: »Ich stehe zu allem, was du willst.« Als sich herausstellte, dass ich es nicht war, fiel mir ein Stein vom Herzen. Er nahm mich in den Arm und sagte: »Ganz ehrlich: Ich hätte dir verboten, dass du abtreibst.« Ich: »Wieso?« Er: »Es hätte doch passieren können, dass du danach kein Kind mehr hättest bekommen können, und das hätte ich nicht gewollt. Und außerdem: Ich bleib eh immer bei dir, also ist es wurscht, ob wir jetzt früher oder später ein Kind kriegen.«
Ich glaube nicht, dass ich irgendwann das Gefühl habe, sexuell was verpasst zu haben. Es gibt bestimmt Männer, die besser sind. Aber ich will nur Adriano. Ich habe ihn mal gefragt: »Glaubst du nicht, dass du es später mal bereuen wirst, nur ein Mädchen gehabt zu haben?« Darauf sagte er: »Ich werde für keine solche Gefühle haben wie für dich.«
Mein Ziel war es, mein erstes Mal unter 18 zu erleben. Mein bester Kumpel und ich hatten während eines Italien-Urlaubs mal darüber geredet. Mit 18 beginnt ja ein neuer Lebensabschnitt. Dann ist man offiziell erwachsen. Wir wollten es noch vorher schaffen, im jugendlichen Alter. Bei mir hat’s geklappt, bei ihm nicht. Vielleicht wäre es bei mir aber auch nicht passiert, wenn ich Kerstin nicht kennengelernt hätte. Für mich war immer klar: Es sollte nicht irgendeine sein, sondern schon jemand ganz Besonderes. Ich wollte verliebt in sie sein. Bei Kerstin war es so.
Gegensätze ziehen sich an, das trifft bei uns hundert Prozent zu. Ich bin ein sehr ruhiger Typ, trinke nicht, rauche nicht und gehe abends auch selten weg. Kerstin ist ganz anders. Sie macht gern Party, ist ziemlich lebhaft, redet gern und viel. Das war zwischendurch auch mal ein Problem, aber inzwischen haben wir uns aufeinander eingestellt und verstehen uns gut.
In der fünften Klasse, mit zwölf, habe ich angefangen, mich für Mädels zu interessieren. Ich war immer einer der Beliebtesten in der Klasse. Warum, weiß ich auch nicht. Ein paarmal wurde ich sogar zum Klassensprecher gewählt, aber wollte die Wahl nie annehmen. Die Mädels meinten, ich hätte einen netten Charme und wäre nicht so wie die anderen, die ständig angeben und sich schlagen. Ich war der Ruhige und bin in den Pausen immer bei den Mädels gewesen.
Meine erste Freundin war die Schul-Queen. Sie schrieb mir einen Zettel, ob ich mit ihr gehen wollte. Da ich sie süß fand, meinte ich: »Ja, warum nicht«, und dann waren wir zusammen. Sie war schlank und hatte braune Haare. Eigentlich stehe ich ja auf Blonde, hatte aber bisher noch nie eine blonde Freundin. In der Schule haben wir uns jeden Tag gesehen, nach der Schule einmal die Woche. Wir haben Händchen gehalten, mehr nicht. Nach acht Monaten war es wieder vorbei. Ich hatte keine Zeit mehr für sie. Ich hatte dann viermal die Woche Fußballtraining und bin immer gleich nach der Schule zum Sportplatz gefahren. Richtig verliebt war ich damals aber auch noch nicht. Kann man vielleicht auch noch gar nicht in dem Alter.
Das meiste zum Thema Sex habe ich von Freunden mitbekommen oder aus dem Internet. Die Bravo habe ich nie gelesen, Sexualkunde hatten wir in der Schule auch nicht. In dem Jahr, als es eigentlich anstand, haben wir es vom Stoff her nicht mehr geschafft, und so fiel’s hinten runter. Mit meinen Eltern habe ich über das Thema nie geredet. Es kam auch selten eine Bemerkung und wenn, dann habe ich abgeblockt. Ich habe eher mal mit meinem sechs Jahre älteren Bruder geredet. Einmal hat er mir alles preisgegeben von seinem ersten Mal. Er hatte es mit 17, wie ich. Er erzählte es aber nur oberflächlich und nicht prollartig, sondern ganz sachlich. Er sagte, wann, mit wem und dass er es gut fand.
So mit 15 fing es an, dass die ersten Jungs sich Porno-Clips im Internet angeschaut haben, und dann redete man untereinander darüber: Hast du den schon gesehen und den und den … Dann surfte man halt auch mal und guckte sich die an, damit man auf dem Niveau mitreden konnte. Das war spannend fürs Auge, aber mehr auch nicht.
Es gibt bestimmt welche, die haben sich vorgestellt, das erste Mal so zu haben, wie sie es im Fernsehen oder im Internet gesehen haben. Ich habe mich davon aber nicht beeinflussen lassen. Wer das macht, hat falsche Vorstellungen vom echten Leben und lebt in irgendsoeiner Scheinwelt. So macht man sich sein Leben kaputt, weil man das nicht kriegt, was man sich vorstellt. Ich hab das alles auf mich zukommen lassen.
Irgendwann prahlten die Ersten, dass sie die und die und die schon flachgelegt hätten. Gerede. Die am lautesten geprahlt haben, haben wahrscheinlich am wenigsten abbekommen. Die wollten einen auf supercool machen. Einige erzählten, dass sie ihr erstes Mal auf einer Party hatten, im Suff. Nur bei zwei Kumpels weiß ich es sicher. Wir sind eng befreundet, deshalb glaube ich ihnen.
Kerstin und ich waren auf der gleichen Schule, aber in verschiedenen Klassen. Sie ist mir – von ihrer großen Oberweite mal abgesehen – erst nicht weiter aufgefallen. Sie war kein Mädel, nach dem ich mich zweimal umgedreht hätte. Sie war überhaupt nicht mein Typ: immer wie ein Junge gekleidet, sehr sportiv, rotgefärbte Haare. Ich stand auf blonde, sehr weibliche Mädchen. Bewusster wahrgenommen habe ich sie erst, als sie mir beim Fußball mal in meine Weichteile geschossen hat.
Danach haben wir uns hin und wieder unterhalten. Ganz locker und eher oberflächlich, wie man halt mit Schulkameraden redet. Wenn ich mal wieder einen Bänderriss hatte und auf Krücken in die Schule hinkte – und das kam wegen des Fußballs oft vor –, hat sie mich gefragt, ob sie mir was abnehmen kann. Als die WM im Juni anfing, wollte ich sie eigentlich fragen, ob sie mich und ein paar Kumpels zum Public Viewing begleiteten würde – weil sie ja auch auf Fußball stand –, hab’s dann aber doch gelassen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich aber nur Freundschaft im Sinn. Ich hatte überhaupt noch nicht weitergedacht.
Auf der Abschlussfahrt in Prag Anfang Juli – da war sie nicht dabei – haben ihre Freundinnen mich dann gefragt, wen ich gut fände. Eine meinte, Kerstin stünde auf mich und wie das bei mir wäre. »Ja, ja, ich auch auf sie«, hab ich gesagt. Warum, weiß ich auch nicht. Ich wollte einfach meine Ruhe haben, sonst hätten sie weiter genervt. Ich hasse es, über so was in der Schule und vor allen Leuten zu reden.
Kaum waren wir wieder zurück in München, das war ein Freitag, gab mir die Freundin Kerstins Nummer. Von selbst hätte ich nicht gefragt, so toll fand ich Kerstin ja noch nicht. Aber wo ich die Nummer schon mal hatte, rief ich am anderen Tag an. Ich wollte halt auch mal wieder eine Freundin haben. Ich hatte ja die letzte mit 14 gehabt. Es war wieder an der Zeit, fand ich.
Ich weiß noch, dass ich sie beim Abspülen störte, als ich anrief. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag am See zum Schwimmen, wollten uns an einer U-Bahn-Station treffen und zusammen hinlaufen. Sie ließ mich zwanzig Minuten warten, dann kam sie, in schwarzen Shorts und mit Rucksack. Sie war immer ziemlich unpünktlich. Inzwischen hat sich das gebessert. Kaum waren wir da, sind wir auch schon ins Wasser gegangen. Es war zwar noch nicht Mittag, aber schon sehr warm. 2006 war ja der sehr heiße Sommer.
Sie hat mich erst mal ziemlich ausgefragt, Hobbys, Lieblingsmusik und solche Sachen. Ich hab auch auf alles geantwortet. Ich bin’s ja gewöhnt von den Mädels, dass sie immer alles rausquetschen wollen. Bei ihr habe ich aber größtenteils die Wahrheit gesagt. Sonst hab ich auch schon mal irgendwas gesagt, weil ich die Mädels so schnell wie möglich abwimmeln wollte. Die ganze Fragerei hat mich bei denen gelangweilt. Die waren mir aber auch wurscht. Ein paar Tage später fragte sie mich, ob ich schon mal Sex gehabt hätte. Bei einer anderen wäre mir das unangenehm gewesen. Bei ihr aber komischerweise nicht. Deshalb hab ich ihr gesagt, dass ich noch nie mit einem Mädchen geschlafen habe. Dass sie auch noch Jungfrau war, fand ich cool. Ein Mädchen mit Erfahrung wäre auch kein Problem gewesen. Aber so war’s schöner.
Am See haben wir erst mit ein paar anderen Wasserball gespielt. Als die Jungs weg waren, umarmte ich sie dann von hinten. Einfach so, ganz spontan. Plötzlich fand ich sie toll. Ich weiß auch nicht, warum. Und dann küssten wir uns. Sie weihte mich ein, denn ich hatte vorher noch nie richtig geküsst. Dafür meisterte ich es aber ganz gut, darüber habe ich mich im Nachhinein gewundert. Vielleicht geht das ja auch ganz automatisch und liegt schon irgendwie in den Genen.
Nach dem Schwimmen sind wir noch zu einem Fußballturnier gegangen, ihr Vater ist Trainer. Wir sind bestimmt eine Stunde hingelaufen, die ganze Strecke händchenhaltend. Von mir aus war es da schon klar, dass wir zusammen sind. Das hat mir mein Herz gesagt.
Nach drei Tagen hat sie mich gefragt, ob wir jetzt zusammen wären. Ich sagte: »Ich hoffe es.« Von ihrer Seite wusste ich es ja noch nicht. Dann war es aber klar und besiegelt.
Wir haben uns von da an jeden Tag gesehen, sind meist schwimmen gewesen, und es hat sich zwischen uns intensiviert. In der ersten Zeit war ich noch sehr zurückhaltend. Weil ich halt schüchtern war. Wenn sie mich gefragt hat, habe ich nicht ausschweifend erzählt, sondern meine Antworten waren eher kurz und knackig. In der Hinsicht habe ich mich inzwischen gebessert.
Zunächst lief zwischen uns nicht viel. Das war sekundär. Es ging erst mal darum, die anderen Sachen zu erkunden. Küssen, Händchenhalten, ein bisschen Fummeln. An alles andere haben wir anfangs noch nicht gedacht, keiner von uns. Erst zwei Monate später fing es an. Sie hat den ersten Schritt gemacht. Wir waren bei mir im Bett. Erst haben wir eine Weile geknutscht, dann hat sie mir langsam mein Shirt und die Hose ausgezogen. Dann hab ich’s langsam bei ihr gemacht, das heißt, sie hat sich mehr selbst ausgezogen. Ich wollte es zwar, aber in dem Moment war ich irgendwie noch nicht vorbereitet. Es hat dann auch eine halbe Stunde gedauert, bis ich meinen letzten Socken ausgezogen hatte. Die Socken durfte ich mir dann selbst ausziehen.
Ich hatte überhaupt keine Erwartungen, wie es sein könnte. Ich hatte mir zwar wie meine Kumpels auch mal ein Pornofilmchen im Internet angeguckt. Man denkt dann schon, dass man’s so auch mal machen will. Ich habe mir aber nie vorgestellt, dass es gleich beim ersten Mal so sein würde. Wie’s bei mir wäre, war mir eigentlich eh wurscht. Meine größte Sorge war, dass ich sie enttäuschen könnte. Kerstin hatte die ganze Zeit den aktiveren Part. Ich hab sie machen lassen, ich war sozusagen ihre Puppe. Sie ist halt eher der Draufgänger. Ich war aber auch aufgeregt. Volle Kanne. Ich wusste ja nicht, wie’s geht und hatte Angst, irgendwas falsch zu machen. Ich hätte ihr wehtun oder zu schnell kommen können. Es hätte auch gar nicht funktionieren können.
Erst hab ich kein Kondom gefunden, dann ging’s nicht drüber, dann hat sie’s runtergerissen, und wir haben es ohne gemacht. Ich hab darüber nicht nachgedacht. In dem Moment hatte ich das Blut nicht im Kopf, sondern woanders. Es dauerte vielleicht fünf Minuten, dann war’s vorbei.
Ich war befreit und stolz, dass ich’s hinter mir hatte. Ich hätte nach London fliegen können mit meinen Flügeln. Und ich hatte es auch noch unter 18 geschafft! Der zweite Gedanke war gleich: Scheiße, was hab ich gemacht? Dass sie die Pille nimmt, wusste ich nicht. Über Verhütung hatten wir beide vorher nie geredet. Über Sex auch nicht. Das war uns beiden damals noch peinlich.
Kerstin ging gleich wieder, weil sie zum Essen musste. Ich traf mich mit meinem besten Kumpel – der aus dem Italien-Urlaub – und prahlte natürlich, dass ich’s hinter mir hätte. »Glaub ich dir nicht«, sagte er erst, dann gratulierte er mir. Ich war der Erste von meinen Freunden damals.
Das gute Gefühl hielt nicht lange. Ich musste dran denken, dass vielleicht was passiert sein könnte, weil wir’s ohne Kondom gemacht hatten. Die Angst saß so in meinem Kopf, dass ich zwei Tage lang nichts essen konnte. Kerstin sagte zwar, sie nehme die Pille, die sei sicher, da könne nichts passieren. Ich hatte mich aber schon so reingesteigert, dass ich ihr nicht glaubte und sie schließlich bat, doch zum Frauenarzt zu gehen und nachschauen zu lassen, ob alles in Ordnung wäre. Das hat sie auch am darauffolgenden Tag gemacht. Als sie mich auf der Arbeit anrief und mir die frohe Botschaft mitteilte, fiel mir ein Stein vom Herzen. Inzwischen war mir auch klar, dass die Pille als Schutz ausreichte. Ich hatte mich via Internet und über Freunde schlaugemacht. Kumpels, die schon Sex gehabt hatten, meinten, dass ein Kondom zusätzlich 200-prozentige Sicherheit sei.
Wir waren zuerst sieben Monate zusammen. In dieser Zeit haben wir nur noch ein paar Mal miteinander geschlafen. Die Geschichte nach dem ersten Mal war ein Schock für mich. Da ist mir die Lust vergangen. Wenn sie wollte, haben wir es halt gemacht. Sie hat natürlich immer die ersten Schritte gemacht. Aber wenn sie nicht zu mir gekommen ist, war’s auch wurscht. Dann habe ich mich genauso gut gefühlt.
Weil meine Freunde ständig meinten, sie sei nicht die Richtige, das würde nicht passen, kam ich irgendwann ins Grübeln. Sie sagten, wir seien vom Temperament her zu unterschiedlich und hätten auch ganz andere Hobbys. Kerstin hat früher nur Fußball gespielt, ich hab noch ganz viele andere Sportarten gemacht. Die Jungs waren wahrscheinlich einfach neidisch, weil sie selbst noch keine Freundin hatten. Ein Grund war wohl auch, dass ich ziemlich viel Zeit mit Kerstin verbrachte und die Jungs ein bisschen vernachlässigte.
Ich fühlte mich in den nächsten Monaten immer verunsicherter und wusste am Ende nicht mehr, was ich eigentlich wollte. Schließlich bin ich zu ihr gegangen und habe ihr drei Möglichkeiten genannt. Dass wir Schluss machen. Dass sie sich mehr an mich anpasst und einen Gang zurückschaltet. Sie wollte immer Party, Party, Party. Ich hab stattdessen lieber noch eine Extraschicht gemacht. Ich arbeite als Verkäufer in der Herrenabteilung eines Bekleidungshauses, möchte aber noch den Handelsfachwirt machen, um Abteilungsleiter zu werden. Weggehen gibt mir nichts. Allein die Vögel, die abends so unterwegs sind. Die brauche ich nicht in meinem Leben. Ich gehe lieber in die Berge, pack mich irgendwohin und schau in die Ferne.
Die dritte Möglichkeit war, dass wir beide an uns arbeiten, dass jeder Kompromisse eingeht. Ich habe ja mein ganzes Geld damals für Kleidung ausgegeben, habe sehr auf mich geachtet. Ich war ihr wahrscheinlich zu feminin, zu eitel. Sie hat jedenfalls immer mal Anspielungen in die Richtung gemacht. Dass ich schlimmer sei als sie. Wenn ein Dreckbatzer auf dem Schuh sei, würde ich den gleich wegwischen. Das hat sich inzwischen aber auch gebessert. Da sie den zweiten und dritten Vorschlag nicht annehmen wollte, sind wir zu dem Schluss gekommen, dass wir uns trennen.
Die erste Woche war’s mir egal, aber mit der Zeit habe ich gemerkt, dass sie mir eigentlich doch wichtig ist. In einer Bar in Schwabing haben wir uns dann wiedergesehen. Wir waren mit einem Pärchen, das wir beide kannten, unterwegs. Ich wollte sie eigentlich nach Hause bringen, hab’s aber doch nicht gemacht. Ich war mir nicht sicher, ob sie das gewollt hätte.
Ein paar Wochen später rief sie an. Ob wir mal im Olympia-Park spazieren gehen. Das fand ich super, ich wollte sie inzwischen ja auch wiedersehen, und habe gleich bejaht.
Als ich sie sah, war ich positiv überrascht. Sie hatte ihr Outfit geändert. Vom Jungenhaften zum Girliehaften. Sie war geschminkt, der Kleidungsstil war anders. Früher hatte sie ausgeleierte Jeans an. Jetzt hatte sie Leggings an mit Ballerinas und einem Longsleeve-Shirt. Das sah richtig geil aus. Zwei, drei Stunden sind wir spazieren gegangen und uns immer näher gekommen. Ich wollte sie eigentlich küssen, habe mich aber nicht getraut.