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Scarletts Leben wird an nur einem Tag auf den Kopf gestellt, als ihr Vater spurlos verschwindet. Plötzlich steht ein alter Freund vor ihr, der behauptet, sie sei eine Elementarmagierin. Voller Misstrauen folgt sie ihm an die Colonnade Akademie, wo sie lernen soll, ihre magischen Fähigkeiten einzusetzen. Aber dort ist nicht alles so, wie es scheint. Es gibt Schattenseiten. Bedrohungen und Gefahren, die nicht einmal die abgeschiedene Akademie abwehren kann. Und dann ist da noch Lucien, der Scarletts Herz durch einen einzelnen Blick seiner smaragdgrünen Augen schneller schlagen lässt. Doch ist er tatsächlich der, der er vorgibt zu sein? Eine unheilvolle Macht erwacht, deren Ausmaß Scarletts Vorstellungskraft weit übersteigt. Das Schicksal ihrer neugewonnenen Freunde und der anderen Elementarmagier liegt in Scarletts Händen. Wird sie im Kampf gegen die dunklen Mächte bestehen? Und was wird es sie letztendlich kosten? Die vier Elemente und eine verbotene Macht, die in den falschen Händen die Welt gnadenlos ins Chaos stürzen kann ...
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Seitenzahl: 652
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Celine I. Rowley
SHARDS OF ELEMENTS
Verbotene Magie
(Band 1)
Dieser Artikel ist auch als Taschenbuch erschienen.
Shards of Elements – Verbotene Magie
Copyright
© 2023 VAJONA Verlag
Alle Rechte vorbehalten.
Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Lektorat: Mira Manger
Korrektorat: Sandy Brandt
Umschlaggestaltung: Julia Gröchel,
unter Verwendung von Motiven von 123rf
Satz: VAJONA Verlag, Oelsnitz
ISBN: 978-3-987180-14-9
VAJONA Verlag
www.vajona.de
Für M. und F.
Danke. Für alles.
Der Tag, an dem sich alles änderte …
Es passierte so schnell, dass er kaum Zeit hatte zu reagieren.
Erst war da nur dieses leise, monotone Geräusch, das seine Aufmerksamkeit binnen Sekunden auf sich gezogen hatte. Fast wie ein geheimnisvolles Flüstern, nur waren da keine verständlichen Worte.
Eigentlich hatte er immer damit gerechnet, dass sie ihn eines Tages finden würden. Doch nicht so bald und so plötzlich, dass er keinen klaren Gedanken fassen konnte, wie ihm am schnellsten die Flucht gelang. Außerdem hatte er seine Spuren all die Jahre gut verwischt. Dachte er zumindest.
Der kleine Buchladen, der weitestgehend mit antiquarischen Büchern bestückt war, war jahrelang sein anderes Leben gewesen. Sein Unterschlupf vor dem Chaos. Sein Versteck vor dem Feind.
Vor einigen Jahren hatte er ihn mitten in Soho, einem populären Stadtviertel in London, von einem älteren Ehepaar übernommen, das sich nach jahrelanger Arbeit zur Ruhe setzen wollte. Es war die perfekte Arbeit für ihn – er liebte Bücher jeglicher Genres – und zusätzlich eine perfekte Tarnung. Ein Leben für sich und seine Tochter in einem ganz normalen Umfeld.
Da war es wieder! Das Geräusch. Als wenn irgendetwas durch die antiken Bücherregale streifen würde. Hastig ließ er seinen Blick schweifen, aber es gab nichts Auffälliges zu sehen. Der grelle Schrei eines Raben, der sich vor die gläserne Eingangstür gesetzt hatte, ließ ihn herumfahren. Seine spitzen Krallen schabten gefährlich laut am dicken Glas. Als wollte er ein Hindernis beseitigen und anschließend in den Laden eintreten.
Und dann passierte alles gleichzeitig: Erst war es das Blechschild an der Tür, das sich in Bewegung setzte. Open – Closed. Wie von Geisterhand drehte sich die goldene Kette aus Metall, an der das Schild hing und zeigte mal die eine, mal die andere Seite. Fast gleichzeitig sprang mit einem lauten Ring die alte Registerkasse hinter ihm am Tresen auf, und einige silberne Münzen landeten klirrend auf den Holzdielen. Die diffuse Beleuchtung der Neonröhre fing an zu flackern und der leere Schirmständer rechts neben der Tür fiel scheppernd zur Seite.
Er erschrak bei diesem Geräusch. Er wusste, dass das alles nicht normal war und ihm war durchaus bewusst, dass das nur eine Sache bedeuten konnte.
Sie haben dich gefunden, schoss es ihm durch den Kopf.
Einige Bücher in der Auslage der Fensterscheibe flogen plötzlich durch die Luft und knallten auf den abgetretenen Holzboden.
Er musste hier raus! Sofort!
Doch nicht ohne seine Aufzeichnungen.
Mist – der Safe! Wenn sie ihn gefunden hatten und Bescheid wussten, dann würde auch seine Tochter nicht mehr sicher sein. Niemals wieder. Sie würden sie jagen.
Das monotone Geräusch wandelte sich in ein Zischen, wurde immer lauter und schien ihn von allen Seiten zu erdrücken. Er musste in den hinteren Raum, um an den Safe und die Unterlagen darin zu kommen. Erst dann konnte er das Geschäft verlassen.
Es polterte erneut und einige Bücher aus den schweren Eichenregalen schwebten erst unkontrolliert durch die Luft, bevor sie schließlich zu Boden knallten. Kurz darauf erhoben sie sich wieder und schossen wie Gewehrkugeln blitzschnell auf ihn zu. Eines nach dem anderen. Er duckte sich umgehend, hielt die Arme schützend vor sein Gesicht, aber die Übermacht der schweren Bücher war einfach zu viel. Einige dicke Wälzer trafen seinen Hinterkopf und schlugen mit den spitzen Buchecken, von denen einige mit Metall verstärkt waren, hart gegen seine Kopfhaut. Er schrie schmerzerfüllt auf und merkte, wie ihm frisches Blut zwischen den Haaren herunterlief. Doch es blieb keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Oder warum in diesem Augenblick überhaupt keine Passanten auf den Bürgersteigen unterwegs waren. Niemand würde sehen oder bemerken, was sich hier gerade abspielte.
Wieder und wieder schnellten Bücher auf ihn zu und hinderten ihn daran, an die verfluchten Papiere zu kommen. Ihm blieb keine Alternative, als den Laden zu verlassen. Draußen konnte er wenigstens zum Gegenangriff übergehen. Hier drin war es zu gefährlich, seine Möglichkeiten einzusetzen. Doch kaum war der Gedanke zu Ende gedacht, traf ihn eins der schweren Bücher an der Schläfe. Die äußersten Ränder seines Blickfeldes färbten sich schwarz. Es war zu spät, um sich auf seine eigenen Fähigkeiten zu besinnen. Zu spät, um seine Magie zum Einsatz zu bringen. Seine Knie knickten ein. Er ging widerwillig zu Boden. Es gab so viele andere Wege und er wurde von einem simplen Buch ausgeknockt.
Vor ihm tauchte das Bild seiner Tochter auf. Dunkles, welliges Haar wie seines. Grünbraune Augen wie sie einst seine Frau gehabt hatte.
Und mit der Schwärze, die ihn gänzlich einhüllte, sackte er erschöpft hinunter auf die knarrenden Dielen. Sein regloser Körper landete auf ein paar Büchern, die er jahrelang mit Hingabe angeboten hatte.
Er bekam nicht mehr vollkommen mit, wie der Rabe vor der Eingangstür laut krächzend verschwand. Auch nicht, woher plötzlich die Gestalt kam, die sich neben ihn hockte und ihm anschließend kräftig in den Magen trat, damit er noch einmal erwachte, bevor …
5. Oktober
Wann würde dieser Tag endlich enden?
Die letzte Schulstunde bei Mr Cooper zog sich, wie immer, extrem in die Länge. Ein Glück, dass mein Platz in seinem Mathekurs in der hintersten Reihe lag. So konnte er mich nicht erwischen, wie ich mein aktuelles Buch las, anstatt die schwierigen Matheaufgaben zu lösen. Aber mal ganz im Ernst, wofür würde ich jemals im Leben Gebrochenrationale Funktionen brauchen?
Nur bis zur siebten Klasse hatte ich dem Unterricht folgen können. Dann waren irgendwelche Formeln dazugekommen, die sich nicht zur Berechnung der Flächeninhalte von Formen eigneten. Ab diesem Zeitpunkt waren meine Noten immer weiter abgesackt. Zwar hing ich Jahre im Stoff zurück, bemühte mich jedoch nicht wirklich, alles nachzuholen. Ich begeisterte mich nicht für die Schule, die nebenbei einfach grausam war.
Die East London High war nicht nur alt und dreckig, die meisten Schülerinnen und Schüler hier waren so was von komisch drauf. Der Großteil von ihnen nahm ständig irgendwelche Drogen und war dementsprechend niemals anwesend. Die Lehrkräfte interessierten sich nicht für uns. Mehrere von ihnen hatten einzelne Schülerinnen und Schüler beleidigt oder offen zugegeben, dass sie bloß das Geld benötigten. Wieder andere sahen ihren Job als notwendige Beschäftigung an. Nicht als ernstzunehmende Tätigkeit.
Gerade blätterte ich eine Buchseite um, da rief Mr Cooper meinen Namen und zeigte auf die Tafel. Instinktiv schüttelte ich den Kopf. Es war das Schlimmste, vor mindestens zwanzig Augenpaaren eine Aufgabe an der Tafel lösen zu müssen. Absolut grausam und peinlich, denn ich würde die Zahlen und Buchstaben sowieso nur überfordert anstarren, bis alles verschwamm. Nervös nestelte ich an meiner Kette, einer goldenen Mandala-Blume mit einem schimmernden Mondstein in der Mitte.
»Scarlett! Komm nach vorne«, forderte mich Mr Cooper erneut auf. Nicht einladend und einfühlsam, sondern spitz und forsch.
Seufzend erhob ich mich von meinem knarrenden Holzstuhl und schlenderte zur Tafel. Ich warf meinem Lehrer einen verstohlenen Blick zu und griff nach der Kreide. Nun müsste ich lediglich warten, bis er jemand anderen aufrief, der die Aufgabe lösen konnte.
Mehrere Minuten vergingen, in denen ich nichts anschrieb. Als Mr Cooper das Wort an mich richten wollte, klopfte es überraschend an der Tür. Sekunden später sprang diese auf, bevor unsere Direktorin Mrs Foster in den Raum hineintrat. Wie gewöhnlich trug sie ein kariertes Kostüm und hatte die dunklen Haare zu einer hohen Welle toupiert. Fürchterlich.
»Kommen Sie ruhig rein«, forderte mein Mathelehrer sie auf.
Als sie in den Raum trat, war sie nicht allein. Ihr folgte ein Mann mit hellbraunem Tweedsakko samt weißem Hemd und bordeauxroter Fliege. Seine braunen Haare waren kurz, ebenso wie sein Dreitagebart. Zusätzlich trug er eine schwarze Wayfare-Brille. Ich schätzte sein Alter auf Mitte vierzig.
Auf den ersten Blick sah er aus wie Dad. Nur dass Dad keine Brille trug, keinen Bart hatte und seine Haare viel dunkler waren.
Der Mann ließ seinen Blick durch die Klasse schweifen und sah mich anschließend ziemlich lange an.
»Mr Cooper«, richtete Mrs Foster das Wort an ihn, »ich müsste kurz mit Scarlett Anderson sprechen. Draußen.«
»Natürlich.« Er schaute von ihr zu der unangetasteten Matheaufgabe, dann zu mir.
Mrs Foster wandte sich mir zu. »Wenn Sie mir bitte folgen würden.«
Auch wenn ich mich fragte, warum gerade ich aus dem Unterricht geholt wurde, folgte ich ihr still vor die Tür. Hauptsache, ich war von dem Matheunterricht befreit.
Dieser fremde Mann, den ich noch nie zuvor in meinem Leben gesehen hatte, stand neben Mrs Foster. Er warf mir einen seltsamen Blick zu. Wer war er?
»Was gibt’s?«, fragte ich mit hochgezogenen Brauen und verschränkte die Arme vor dem Oberkörper.
Beide schwiegen zunächst, bis der unbekannte Mann das Wort ergriff: »Hallo, Scarlett.« Er hielt mir die Hand hin, die ich nur skeptisch beäugte, anstatt sie zu schütteln. Es war sein freundlicher Ton, der mich stutzig machte. Mit einem Räuspern zog er sie zurück. »Wie dem auch sei, mein Name ist Harrison Brown und ich bin Professor an der Colonnade Akademie.«
Mit seiner Kleidung sah er tatsächlich aus wie ein Professor. Obwohl ich mir diesen typischerweise mit weißen Haaren und runder Brille vorstellte.
»Ah«, sagte ich kurzangebunden, weil ich nicht wusste, was ich sonst erwidern sollte. Mir sagte diese Akademie rein gar nichts. Was dieser Typ hier zu suchen hatte, war mir eigentlich auch egal.
»Ich war mit Ihrem Vater befreundet«, erklärte er und wartete auf eine Reaktion.
Ich hatte ihn trotzdem noch nie gesehen. Deshalb zuckte ich nur mit den Schultern.
Mrs Foster schluckte merklich und strich sich nicht vorhandene Haarsträhnen aus dem Gesicht. Sie wirkte ungewöhnlich nervös, was auch mich nervös machte.
»Warum sind Sie hier?«, fragte ich. Wenn dieser Professor meinen Dad sehen wollte, warum war er nicht direkt zu seinem Buchladen in Soho gefahren?
Er ließ sich lange Zeit mit der Antwort. Irgendwie beunruhigte mich sein starrer Blick.
»Es wäre besser, wenn wir das woanders besprechen würden, Scarlett«, wich er mir aus.
Ich kniff die Augenbrauen zusammen. »Wieso?«
Mrs Foster legte ihre Hand für eine Sekunde auf meinen Oberarm. Eine freundliche Geste, die so selten war, wie die Reinigung der Schultoiletten. »Pack deine Sachen, Scarlett. Du bist für den Rest des Tages vom Unterricht freigestellt.«
»Was? Ich verstehe nicht …«
Sie unterbrach mich. »Professor Brown wird dir alles weitere zu Hause erklären. Es ist nicht der richtige Ort, um hier darüber zu sprechen«, sagte sie einfühlsam.
»Sie machen mir Angst.« Ich hatte sie noch nie so feinfühlig erlebt. Als würde vor mir eine andere Person stehen, die von ihrem Körper Besitz ergriffen hatte.
»Besprecht das lieber in Ruhe.«
Minuten später stieg ich in Professor Browns schwarzen Geländewagen ein. Er fuhr mich tatsächlich nach Hause. Ohne Navi oder Straßenkarte – als wüsste er genau, dass ich in einer abgelegenen, ländlichen Gegend außerhalb von London wohnte. Dabei war er niemals zu Besuch gekommen und Dad hatte ihn nicht einmal erwähnt. Sein Auftauchen war mir suspekt.
Abschätzend warf ich ihm immer mal wieder einen Blick zu und schwieg die Fahrt über. Auch er verlor kein einziges Wort. Ich philosophierte über die Sache, die er mit mir besprechen wollte, und die mich sogar vom Unterricht befreit hatte. Mrs Foster stellte nie Beurlaubungen aus und schon gar nicht ohne einen triftigen Grund. Was dieser also in meinem Fall sein sollte, konnte ich mir absolut nicht vorstellen.
Als der Professor auf unser Grundstück fuhr, wartete Louise, unsere Hausdame, die für mich über die Jahre eine Art Ersatzgranny geworden war, schon an der Haustür. Sie wirkte ziemlich bestürzt. Ihr sonst so ansteckendes Lächeln war erstarrt.
Etwas stimmte hier nicht. Das wurde mir spätestens jetzt klar. Erst dieser Professor, Mrs Fosters merkwürdiges Verhalten und dann Louises noch nie dagewesener Stimmungswechsel.
»Was ist los?«, fragte ich sie, als ich aus dem Wagen stieg. Ihre grauen Haare waren zerzaust zu einem lockeren Dutt zusammengebunden, was nicht zu ihr passte. Und die sonst so herzlich glänzenden hellblauen Augen wirkten verbittert, ebenso wie ihre gekrümmte Körperhaltung. »Louise?«
Ich bemerkte, wie Professor Brown hinter mich trat. Er wollte eine Hand auf meine Schulter legen, zog diese aber noch in der Luft zurück, als ich ihm einen scharfen Blick zuwarf.
»Hallo, Harrison«, sagte Louise mit gezwungener Freundlichkeit. »Komm rein.«
»Danke, Louise.« Wie selbstverständlich trat er ein und ging direkt zum Wohnzimmer. In der Hand hielt er meinen Rucksack, den ich im Auto liegen gelassen hatte.
Mein Mund öffnete sich wie von selbst. »Du kennst ihn?«, flüsterte ich. Sie nickte kurz. »Er ist … war ein Freund von Phil.«
»Dad hat nie …«
»Ich weiß«, grätschte sie dazwischen. »Komm erst mal rein.« Louise legte eine Hand auf meinen Rücken und schob mich durch den Flur zum Wohnzimmer. Als wir die Treppe nach oben passierten, bemerkte ich, dass mein gepackter Koffer und eine Tasche vor der untersten Stufe standen. Ich warf Louise einen irritierten Blick zu.
Gleich, formte sie mit ihren Lippen. Mein Puls beschleunigte sich unmittelbar, denn ich befürchtete das Schlimmste. Schickte Dad mich auf die komische Akademie seines angeblichen Freundes? Dabei wusste er, dass ich Internate verabscheute.
Im Wohnzimmer hatte Brown schon Platz genommen und wartete auf uns. Ich setzte mich auf das helle Sofa gegenüber von ihm, Louise sich in einen einzelnen Sessel rechts neben mir.
»Wo ist Dad?«, fragte ich sie. Wenn ich anscheinend die Schule wechseln würde, sollte Dad mir wenigstens erklären, warum.
Die Stimmung war angespannt. Irgendetwas lag in der Luft und lastete verdammt schwer auf uns allen. Louise knetete ihre faltigen Hände nervös und schwieg weiterhin.
Dann richtete ich meinen eindringlichen Blick auf den Professor. Er verstand direkt, dass ich nun eine Antwort von ihm erwartete. »Scarlett, es gibt etwas, das du wissen solltest.«
»Ich habe die Koffer gesehen. Ich werde die Schule nicht wechseln und auf Ihr Internat gehen. Niemals.« Eher würde ich die Schule abbrechen.
»Scarlett.«
»Warum hat Dad plötzlich beschlossen …«
»Scarlett«, unterbrach mich Louise nun forscher. »Er hat es nicht beschlossen.«
»Was?« Nun war ich verwirrt. »Warum ist er dann hier?«, fragte ich sie und ignorierte Professor Brown.
Sie lehnte sich in ihrem Sessel vor und berührte mein Knie für einen Moment. »Bitte hör dir an, was Harrison zu sagen hat. Es ist wichtig.«
»Wo ist Dad?«
Sie zog ihre Hand zurück und senkte den Blick.
»Schön. Also, was wollten Sie mir sagen?«, fragte ich zähneknirschend.
Er holte tief Luft. »Zuerst einmal, ich bin Professor an der Colonnade Akademie für Elementarmagie und unterrichte dort das Fach Magie«, sagte er bitterernst.
Ich hingegen fing an zu lachen. Laut, inbrünstig und köstlich amüsiert. Elementarmagie. Wie alt war ich, dass ich daran glauben sollte? Fünf?
Seine Kiefermuskeln spannten sich an, als er sah, wie ich über seine Worte lachte. Louise schaute genauso ernst wie er. Hatte ich etwas verpasst?
»Entschuldigung«, sagte ich, als ich mich halbwegs wieder eingekriegt hatte. »Sie denken doch nicht ernsthaft, dass ich Ihnen das abkaufe?«
»Scarlett, ich weiß, dass das für dich verrückt klingen muss, aber jedes Wort, was ich sage, entspricht der Wahrheit. Deshalb werde ich dir erst einmal etwas über die Akademie erzählen. Es wäre nett, wenn du mir einfach nur zuhören würdest.«
Ich nickte, zu perplex, um etwas zu erwidern.
Er zog ein zerknicktes Foto aus seiner Jackentasche und reichte es mir. Es zeigte Dad und ihn am berühmten Trafalgar Square. Sie beide trugen dunkle Anzüge und grinsten breit in die Kamera. Auf den ersten Blick sahen sie aus wie Brüder, doch je länger ich das Foto betrachtete, desto mehr Unterschiede fielen mir auf. Dieses Bild konnte nicht älter als fünf Jahre sein. Dort trug Dad eine Anzugjacke, die wir zusammen für eine Hochzeit ausgesucht hatten. Ich drehte es um. Dads schnörkelige Handschrift zierte die Rückseite: Für meinen Freund Harrison. Auf die Ewigkeit.
»Ich kannte Phil schon eine ganze Zeit«, begann Professor Brown. »Wir sind vor vielen Jahren zur Colonnade Akademie gegangen und …«
Ich sah hoch, als er seinen Satz unterbrach. In seinen haselnussbraunen Augen blitzten alte Erinnerungsfetzen auf, die seine Mundwinkel leicht hoben.
»Und Sie arbeiten jetzt da?«, fragte ich aus Höflichkeit. Auch wenn er das schon zweimal bestätigt hatte, wollte ich, dass er weitersprach und mich nicht so intensiv musterte.
»Ja.«
»Wieso zeigen Sie mir das?«, fragte ich mit zusammengeschobenen Brauen. Dad hätte mir mit Sicherheit seine alten Schulfreunde vorgestellt. Warum also hatte ich diesen Mann nie kennengelernt?
»Ich weiß, dass Phil dir nie etwas von der Akademie erzählt hat.« Ich schüttelte den Kopf. »Und von mir ebenfalls nichts. Dafür gab es einen guten Grund.«
»Der hat bestimmt mit Magie zu tun«, bemerkte ich spöttisch.
Louise warf mir einen warnenden Blick zu. Diesen Kommentar konnte ich mir nicht verkneifen. Es war zu komisch, dass er daran glaubte.
Brown musste kurz schmunzeln. »Tatsächlich, ja.«
War der Professor völlig übergeschnappt?
»Ich weiß nicht, ob ich Ihnen glauben kann. Ich meine, ein Foto beweist gar nichts.«
»Scarlett. Er kannte deinen Dad wirklich«, bestätigte Louise eindringlich.
So überzeugt war ich allerdings nicht. »Wo ist Dad dann, wenn sie angeblich so gute Freunde sind?«, fragte ich sie. Mein Blick durchbohrte ihr Inneres. Sie spielte hektisch an dem Saum ihrer dunklen Strickjacke und öffnete den Mund. Es kam jedoch kein Wort hinaus.
»Warum sagen Sie mir nicht einfach die Wahrheit? Wer sind Sie wirklich und was genau machen Sie hier?«
»Ich sage die Wahrheit«, protestierte er leicht irritiert. »Alles, was ich gesagt habe, das war wahr.«
»Elementarmagie? Im Ernst?« Für wie dumm hielt er mich, dass ich so etwas glauben würde?
Professor Brown verzog keine Miene. »Ich dachte, dass Phil wenigstens ein Wort darüber verloren hat«, wandte er sich an Louise, die den Kopf schüttelte.
»Worüber?«
Er schaute mir tief in die Augen. »Die Akademie ist, wie bereits erwähnt, eine exklusive Schule für Elementarmagie. Sie ist die einzige dieser Art im Vereinigten Königreich und gleichzeitig mit die größte weltweit. Die Schülerinnen und Schüler besuchen diese ab dem sechzehnten Lebensjahr, denn erst dann lassen sich ihre magischen Fähigkeiten langsam kontrollieren und trainieren. Es gibt insgesamt vier Schuljahre, in denen man die unterschiedlichen Elemente zu beherrschen lernt und auch mit ihnen kämpft.«
»Moment«, unterbrach ich ihn. Ich blendete jetzt einfach kurz aus, dass er wahrhaftig darauf beharrte, dass Magie existierte. »Inwiefern, kämpft?«
»Verteidigung mit Magie. Dazu werde ich später noch kommen.« Oh, das würde ein langes Gespräch werden. »Sicherlich ist es möglich und bei jedem Magier unterschiedlich, dass sich die Elemente schon früher zeigen, doch der Besuch dieser Schule dient lediglich dazu, diese unter Kontrolle zu bringen. Der Unterricht soll die Kräfte ausweiten.«
Es war echt faszinierend, wie überzeugt er von all dem war. Seine braunen Augen leuchteten fast so stark wie die eines kleinen Kindes.
»Die Gilde sorgt dafür, dass kein Mensch über das tatsächliche Existieren von Elementarmagie Bescheid weiß.«
»Was ist eine Gilde?« Ich hatte das Wort noch nie zuvor gehört.
»Ein Zusammenschluss von Magiern, der sich repräsentativ um alle magischen Angelegenheiten kümmert. Sie gewährleistet den Schutz der Elementarmagier und verwaltet und beschließt wichtige Gesetze. Eine Art Regierung und gleichzeitig ein Gericht für alle Magier, wenn du es dir so besser verbildlichen kannst.«
Augenblicklich stellte ich mir Männer mit dunkelroten Kutten einer geheimen Bruderschaft vor. Alle Teil einer Verschwörung.
»Das ist jetzt nicht weiter wichtig. An der Akademie gibt es Unterrichtsgebäude und zudem verschiedene Wohnheime. Den Eispalast, den Feuerkessel, die Felsgrotte und das Luftschloss.« So wie er aussah, war er auf diese Namen besonders stolz. »Außerdem eine riesige Bibliothek, eine Cafeteria, eine Turnhalle …« Und eine Menge anderer Dinge.
Irgendwann unterbrach ich ihn: »Das mag alles toll klingen, aber ich will da nicht hin.«
Professor Brown widersprach mir sofort. »Ich bin sicher, dass du dich dort sehr wohlfühlen wirst, wenn du erst einmal unter deinesgleichen bist. Ich werde dir alles, was du wissen musst, später erzählen.«
Ich lachte auf. »Ich bin hier unter meinesgleichen.«
Ich war der festen Überzeugung, dass es keine Magie gab. Wie sollte das möglich sein? Es gab schließlich auch keine Aliens, oder? Das waren alles bloß Geschichten, denen Menschen mit Inbrunst Glauben schenkten.
»Es ist nur zu deinem Besten«, unterbrach Louise meine endlosen Gedanken.
Was war auf einmal los mit ihr? »Du glaubst diesen Unsinn?«
Sie nickte erhaben. Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf. Louise liebte Geschichten und Fantasybücher ebenso wie ich, nur war das hier etwas ganz anderes.
»Die Zeiten haben sich geändert. Es ist nichts mehr so wie vor ein paar Jahren.«
Ich schaute Professor Brown verwirrt an. Was wollte er damit andeuten?
»Du musst mit ihm gehen«, bat Louise mich flehend. »Bitte.«
»Wieso? Ich bin keine Magierin, also was sollte ich da? Auf einer Akademie für Magie.« Ich betonte das letzte Wort so deutlich, dass man es mir anmerkte, für wie unsinnig ich das alles hielt.
Brown verzog keine Miene. »Schön. Aber uns bleibt keine andere Wahl.«
Ich kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. »Es gibt immer eine Wahl.«
»Nicht in diesem Fall. Es tut mir leid, das sagen zu müssen, Scarlett. Es ist die einzige Möglichkeit.«
»Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich gehe nirgendwo hin, bevor ich nicht mit Dad gesprochen habe. Vielleicht verkauft er mir diesen ganzen Schwachsinn ja besser.«
Louise räusperte sich. »Das ist nicht möglich.«
»Wie, das ist nicht möglich?« Ich wollte fest entschlossen aufstehen, hielt plötzlich inne, als ich sah, wie sich in Louises Augenwinkel Tränen bildeten. Mit weit aufgerissenen Augen blickte ich sie an. »Louise? Wo ist Dad?«
Keine Antwort. Mein Herzschlag beschleunigte sich.
»Wo ist er?«, fragte ich Professor Brown mit Nachdruck. Ich starrte ihn an. Er schwieg.
»Wo ist er?«
»Er wird nicht kommen«, sagte der Professor schließlich.
»Was wollen Sie damit sagen?«, fragte ich vorsichtig. Hitze stieg mir ins Gesicht. Unbewusst spielte ich mit meiner Kette, die ich von Dad geschenkt bekommen hatte.
»Harrison«, ergriff Louise das Wort. »Sie muss es erfahren.«
»Was?«
»Phil ist … Er ist vor ein paar Stunden … Er wurde heute Morgen in seinem Laden überfallen.« Mein Herz pochte wild in meiner Brust. »Man hat ihn dort nicht gefunden, aber wir gehen davon aus, dass er …« Brown sprach das Wort nicht aus. Er brauchte es nicht benennen. Tot. Dad war tot!
Ich ließ die Kette fallen. Mein Verstand schaltete sich blitzartig aus und ein riesiger Kloß bildete sich in meinem Hals. Dieser schnürte mir die Luft ab, während sich ein heftiges Stechen in meinem Magen ausbreitete.
»Das kann nicht sein«, krächzte ich leise und starrte auf das Foto in meinen Händen. »Nein!« Eine einzelne Träne tropfte mitten auf Dads grinsendes Gesicht. Louise wimmerte neben mir ebenfalls.
»Scarlett, es tut mir so leid«, sagte Professor Brown. Seine Stimme war gedämpft, wie wenn er in weiter Entfernung stehen würde.
Ich starrte weiterhin auf das Bild. Als würde ich mir jeden seiner Gesichtszüge einprägen wollen.
Das konnte nicht sein! Es durfte nicht sein. Dad konnte nicht tot sein!
Ich sackte in mich zusammen, als die ersten Tränen meine Wangen herunterliefen. In mir entflammte eine Hitze, die mein Herz buchstäblich verbrannte. Durch meine wässrigen Augen verschwamm meine Umgebung binnen Sekunden zu Flecken, die ineinander übergangen.
»Wie ist es passiert?«, murmelte ich mit tränenerstickter Stimme. Ich musste alles wissen. Egal, wie grauenvoll diese Dinge waren und was sie für einen Schmerz in mir auslösen würden. Ich musste seinen plötzlichen Tod verstehen, sonst würde ich vollkommen verrückt werden. Daran zugrunde gehen. So viele ungeklärte Fragen schwirrten in meinem Kopf umher und lösten dröhnende Kopfschmerzen aus, die ich zu ignorieren versuchte.
»Phil wurde mit Magie angegriffen.«
Würde ich lachen können, hätte ich in diesem Moment nicht mehr damit aufgehört. Stattdessen sah ich Brown weiter still an, damit er mir eine normale Erklärung lieferte. Ich brauchte in dieser Situation, der schrecklichsten in meinem ganzen Leben, keine Witze, mit denen man mich aufheitern wollte. Das würde nicht funktionieren. Nicht jetzt. Besonders nicht, als mir zum ersten Mal schmerzhaft bewusstwurde, dass mir nur noch Louise geblieben war. Mum hatte ich nie kennengelernt, aber Dad war mein ganzes Leben lang neben Louise der einzige Mensch gewesen, der für mich da war. Ich würde es nicht verkraften, wenn ich ihn schon mit siebzehn Jahren verlieren würde. Die Vorstellung, dass ich ihn niemals wiedersehen würde, erschütterte mich ein weiteres Mal.
Er konnte nicht tot sein!
»Scarlett.« Louise griff nach meiner Hand. Den Druck ihrer Berührung nahm ich nur unterschwellig wahr.
»Warum wurde er angegriffen?« Die Tatsache, dass Magie dafür angeblich verantwortlich sein sollte, ließ ich mal außen vor. Sicherlich würde es eine plausible Erklärung geben, doch auch mit dieser würde ich seinen Tod nicht besser nachvollziehen können. Warum gerade er?
»Ich weiß es nicht.«
Diese Aussage entflammte plötzliche Wut in mir. »Sie wissen es ganz genau!«, rief ich voller Überzeugung. »Sie wissen, was mit ihm passiert ist.«
»Nein, Scarlett«, sagte er leise und versuchte mich mit seiner gefassten Stimme zu beruhigen. Das funktionierte nicht. Es würde niemals funktionieren, denn das brachte Dad auch nicht wieder zurück. »Alles, was ich weiß, ist, dass er mit Magie angegriffen wurde.«
»Es gibt keine Magie!«, konterte ich aufgewühlt und schaute dabei zu Louise, um wenigstens Beistand von ihr zu erhalten. Es schien, als ob sie etwas sagen wollte, schwieg dann aber lieber. »Es gibt keine Magie«, murmelte ich erneut vor mich hin. »Sie lügen!«
»Phil war ein Elementarmagier.«
Ich konnte nicht anders, als erstickt zu lachen. Obwohl es der Kuriosität seiner Worte zuschulden war, war es ein Laut, der meine Verzweiflung widerspiegelte. Was war los mit diesem Mann? Selbst Louise schien von den Erzählungen geblendet zu sein. Unglaublich, dass sie das einfach hinnahm.
Als ich mich halbwegs gefasst hatte, erwiderte ich: »Erst erzählen Sie mir, dass Sie ein alter Freund von Dad sind, was Sie nur mit einem Foto beweisen können. Dann, dass Dad tot ist und jetzt soll er auch noch ein Magier gewesen sein?« Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Ein paar Tränen flogen durch die Luft. Das war alles verrückt! Mein Leben war verrückt!
»Ich weiß, wie das alles klingen mag, nur musst du mir Glauben schenken.«
»Scarlett«, mischte sich Louise ein. »Dein Dad hat es dir nie gesagt, weil er dich schützen wollte. Er wusste, dass es gefährlich werden kann. Deshalb wollte er auch nichts mit der Magie zu tun haben und hat dich im Dunkeln gelassen. Doch alles, was Harrison dir erzählt, entspricht der Wahrheit. Du musst ihm glauben.«
»Ich muss gar nichts!« Dad hatte mir nie etwas vorenthalten. »Du wusstest angeblich davon?«, fragte ich sie mit hoher Stimme. Ein weiterer Schluchzer entfuhr mir.
»Ja.« Ihr Blick war betrübt.
Noch ein Schlag ins Gesicht. Ebenso wie die Tatsache, dass er mit Magie angegriffen worden war. Warum zur Hölle ausgerechnet er, wenn er nichts mehr davon wissen wollte? Es gab eine Ursache und diese musste ich herausfinden. Nur Professor Browns Emotionen machten wirklich den Anschein, dass er nichts Genaueres wusste. Noch nicht. Es konnte nur eine Frage der Zeit sein oder vielleicht wusste jemand an seiner ach so wunderbaren Akademie etwas darüber.
»Phil wollte dich nicht auf die Colonnade Akademie schicken, auch wenn du dort in Sicherheit bist. Er hat sich mit allen Mitteln dagegen gesträubt, da er fest überzeugt gewesen war, dich selbst beschützen zu können, wenn er dir nichts von Magie erzählt. Leider lag er falsch.«
Ich war komplett überfordert.
»Wovor wollte er mich beschützen?« Das, was sie mir mitteilten, ergab für mich keinen Sinn. Ich hatte keine magischen Fähigkeiten und Dad auch nicht. Nicht mal Louise hatte welche. Oder?
Professor Brown brauchte sehr lange, um mir eine Antwort zu geben. »Vor der Kraft von Elementarmagie. Er wollte dich damit nicht in Berührung kommen lassen, doch Louise und ich haben beschlossen, dass es nun Zeit für dich ist, die Akademie zu besuchen und herauszufinden, wer du wirklich bist. Es ist im Augenblick der sicherste Ort für Magier.«
»Ich bin keine Magierin. Ich kann nicht zaubern.« Meine Stimme hob sich mit jedem Wort. Sämtliche Emotionen fielen über mich her. Gepaart mit einer Hitze, die meine Zellen in Flammen setzte. Ich fühlte alles und gleichzeitig nichts.
Ich wandte mich an Louise. »Bist du auch eine Magierin?«
»Nein. Aber du bist eine. Genauso wie dein Dad und deine Mum auch.«
»Nein.« Ich schüttelte erneut den Kopf.
»Das ist alles neu für dich, und das ist vollkommen in Ordnung.«
»Ich will einen Beweis sehen«, forderte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
»In der Akademie«, wich er aus. »Es ist sicherer dort.«
»Hier ist es sicher genug«, widersprach ich.
»Nein. Nicht mehr.«
»Doch. Sonst glaube ich Ihnen nicht, dass …«
»Scarlett!« Louise schnitt mir den Satz ab. »Vertrau mir, wenn ich dir sage, dass es zu gefährlich ist.«
Warum sollte es so gefährlich sein? Hatte sie etwa Angst, dass mich das auch noch umbringen könnte? Ihre blauen Augen umhüllten meinen Blick. »Vertraust du mir?«
Mir blieb keine andere Wahl, als einzulenken, denn sie würde sich am Ende sowieso durchsetzen. »Ja. Aber ich verlange einen Beweis.«
Professor Brown nickte.
»Den wirst du bekommen. So viele du möchtest.«
Hoffentlich!
Die nächsten Augenblicke nahm ich nur unbewusst wahr.
Professor Brown verschwand zunächst aus dem Wohnzimmer und schleppte irgendetwas nach draußen. Vermutlich meine Koffer.
Ich wollte nicht weg, nicht auf diese Akademie, wollte nicht mit diesem Mann fahren. Ich wollte Dad sehen, aber das würde ich nicht mehr können. Nun blieb mir nichts anderes übrig, als zu gehen. Ich hatte keine Angst vor dem Ungewissen, ich wollte meinem Leben hier nur nicht den Rücken kehren. Und Dad ebenso wenig.
»Du kannst nicht zulassen, dass er mich mitnimmt«, flehte ich Louise an. Bei dem Gedanken, dass ich nicht einmal mehr sie um mich hatte, liefen noch mehr Tränen über meine Wangen.
»Es tut mir leid, Scarlett«, entschuldigte sie sich. »Es ist das Beste für dich. Du bist dort in Sicherheit.«
Der Professor kam zurück und wartete im Türrahmen auf mich. Ich wollte mich von Louise verabschieden, konnte es aber nicht, als ich darüber nachdachte, dass sie angeblich von alldem gewusst haben musste. Sie hatte Dads Geheimnis gekannt und geschwiegen, über Jahre. Und jetzt hatte ihn genau das umgebracht? Wie konnte sie nur?
»Wie konntest du mir nie etwas sagen?«
Louise unterdrückte weitere Tränen. »Ich musste es Phil versprechen.« Bei Dads Namen zuckte ich unmittelbar zusammen. Ein Loch klaffte in meiner Brust auf, sog alles hinein, bis ich mich ungewöhnlich leer fühlte. »Scarlett!«
Ich erhob mich langsam und passierte ihren Sessel. Ich konnte sie nicht ansehen.
»Es tut mir leid, Louise.« Dann folgte ich Professor Brown nach draußen und stieg in seinen Wagen.
Dass wir mehrere Stunden unterwegs sein würden, hätte ich im Traum nicht gedacht. Nach unendlich vielen Staus hatten wir London verlassen und fuhren anschließend nur noch über Land. Dementsprechend öde fand ich es nach einiger Zeit, aus dem Fenster zu schauen. Ausschließlich Bäume und Felder neben einer leeren Landstraße traten in mein Blickfeld. Im Auto selbst war es unheimlich still, aber ich wollte mich nicht mit Professor Brown unterhalten, der mir ab und zu einen komischen Seitenblick zuwarf. Wir hatten einander absolut nichts zu sagen. Meine Gefühle tobten so stark wie ein Wirbelsturm. Wenn ich den Mund auch nur für den Bruchteil einer Sekunde geöffnet hätte, wären nicht sehr nette Worte herausgerutscht.
Das Foto von Dad und dem Professor lag auf meinem rechten Oberschenkel. Ich hatte es nicht angesehen, seitdem wir ins Auto gestiegen waren, weil ich zunehmend in Gedanken versunken war. Wie hatte Dad so ein Geheimnis über Jahre für sich behalten können? Und was steckte wirklich dahinter, dass er mir von der Magie nichts erzählt hatte? War es nötig, dass er erst sterben musste, damit ich von einem Freund von seinem eigentlichen Leben erfuhr? Dass Louise von all dem etwas gewusst haben sollte, entflammte ein loderndes Gefühl in meinem Inneren. Ich wollte es nicht wahrhaben, dass sie so etwas Großes vor mir geheim gehalten hatte. Wie war das möglich? Ich würde ihr mein Leben anvertrauen und sie verschwieg mir, dass Dad ein echter Magier war.
Dad hat es dir nie gesagt, weil er dich schützen wollte. Er wusste, dass es gefährlich werden kann.
Was konnte so gefährlich sein, dass er mich schützen wollte? Vor was? Vor wem? Zu viele Fragen schwirrten in meinem Kopf herum. Ich wollte und konnte es nicht glauben, dass er ein Elementarmagier war! Professor Brown und Louise hatten darüber gesprochen, als wäre es das Normalste der Welt, aber das war es nicht!
Oder war das alles nur ein Vorwand, um mich auf ein Internat mitten im Nirgendwo zu schicken? Damit mich Dads Tod nicht zu sehr mitnahm? Damit mich sein Verlust nicht so stark aus der Bahn warf? Doch das würde er, immer. Louise war die einzige Person, die mir noch geblieben war. Das Gespräch hatte gewirkt, als hätten sie es zuvor mehrere Male mit Dad einstudiert, jedoch nie die richtige Situation oder den Mut aufgebracht, etwas zu sagen. Auch wenn Brown schon irgendwie überrascht gewesen war, dass ich nichts von dem Magiezeug gewusst hatte.
Am meisten nahm mich mit, dass ich mich nicht von Dad verabschieden konnte. Dass wir uns am Morgen zum letzten Mal in meinem ganzen Leben gesehen hatten – und zwar nur flüchtig – machte mich buchstäblich verrückt.
Mein Kopf drohte, bei so vielen Gedanken regelrecht zu platzen. Wie sollte ich all das verarbeiten? Bei der Vorstellung, dass ich ihn niemals wiedersehen würde, zog sich alles in mir zusammen. Tränen sammelten sich in meinen Augen. Erfolgreich blinzelte ich diese weg. Die Stille im Auto war unerträglich, und ich wollte diese auch nicht beenden, indem ich in Tränen ausbrach. Auch wenn es vollkommen angebracht wäre, erneut Tränen zu vergießen. Dass ein Foto, auf dem Dad zu sehen war, unmittelbar vor mir lag, machte das Ganze nicht leichter. Deshalb schob ich es kurzerhand umgedreht unter meinen Oberschenkel.
Ich war mit der Situation unglaublich überfordert, und trotz allem musste ich nun irgendwie das Beste daraus machen. Aus einem Leben ohne Dad und mit Magie? Dabei würde ich nicht in dieser Akademie herumsitzen und warten, dass der Schmerz von selbst verebbte – das würde niemals passieren. Ich musste zurück nach London, so schnell es ging, um offen und ehrlich mit Louise zu reden. Sie wusste bestimmt viel mehr über seinen Tod. Dinge, die sie nicht mit mir teilen wollte, weil sie mich verletzen würden. Nur unwissend zu bleiben, verletzte mich noch viel mehr. Außerdem musste ich sie nach diesem Unsinn mit der Elementarmagie fragen. Magie und Zauberei gab es nur in Büchern und guten Filmen, nicht im echten Leben.
Davon war ich überzeugt.
»Wir sind da«, verkündete Professor Brown erfreut.
Ich schreckte aus meinem Dämmerzustand hoch, der mir nicht gerade gutgetan hatte. Meine unterschwelligen Gedanken vermischten sich mit dem Halbschlaf und ließen grausame Bilder aus meiner Vorstellung aufblitzen.
»Willkommen an der Colonnade Akademie.«
So begeistert wie er, war ich keineswegs. Gedankenverloren blickte ich aus der getönten Scheibe hinaus in die Dämmerung, als wir ein schmiedeeisernes Tor passierten, vor dem zwei große Drachenstatuen standen. Nur damit wir danach einige lange Minuten auf der Waldstraße blieben, bevor diese eine Biegung machte und einen ersten Blick auf ein riesiges, altes Gebäude freigab. Dieses erstreckte sich in U-Form vor uns und wirkte wie ein alter Landsitz. Überall an der alten braunen Sandsteinfassade schlängelten sich Pflanzenranken hinauf. Zwischen den einzelnen Fenstern, bis nach oben zu den roten Dachziegeln des Mansardendaches.
Hinter diesem erheblich großen Bau musste sich der Campus verstecken. Gleich neben dem linken Seitenflügel parkten mehrere Autos, die, wie ich vermutete, zur Akademie gehörten. Sie waren alle identisch mit dem Geländewagen, in dem ich seit Stunden saß.
So schön auch alles sein mochte, der Blick auf das Gebäude löste ein beklemmendes Gefühl in mir aus. Mir wurde schrecklich bewusst, dass ich hier vorrübergehend eingesperrt sein würde. In einem Gefängnis, mitten im Nirgendwo, abseits jeglicher Zivilisation. Wie sollte ich zurück nach London kommen, wenn der Wald viele Kilometer umfasste? Die einzige Straße, die hinausführte, konnte ich wohl nicht unbemerkt entlangschlendern.
Professor Brown hielt mir die Autotür auf, kurz nachdem er vor dem Eingangsbereich geparkt hatte. Ich bedankte mich nicht, starrte ihn nur an, bis er auf eine breite Treppe zuging. Sie führte zum Eingang. Meine Koffer blieben vorerst im Auto.
Bei näherer Betrachtung zierten die Tür mit hochgewölbter Spitze zahlreiche Eisenornamente. Sie war so hoch, dass sie fast ein Drittel der vorderen Fassade einnahm. Links und rechts vor dem Eingang zog sich eine kurze Veranda mit farblich passender brauner Balustrade entlang. Auf dieser standen in regelmäßigen Abständen kleine, menschliche Figuren. Doch ich hegte keinerlei Interesse mir diese genauer zu betrachten, denn Brown bedeutete mir mit einem Blick, mich zu beeilen.
Die Außenfassade ließ auf eine ebenso alte Inneneinrichtung schließen, doch das Gegenteil war der Fall. Als ich die Schwelle beschritt, blieb ich wenige Schritte danach erst einmal staunend stehen. Wir standen in einem riesigen Saal, dessen weißer Marmorboden fast so glänzte wie der eindrucksvolle Kronleuchter. Dieser prangte nicht an einer normalen Decke. Sein silberner Haken war in der Spitze einer Glaskuppel befestigt und füllte sie mit seiner Pracht aus. Die zahlreichen, silbernen Kristalle klimperten äußerst beruhigend. Der Kronleuchter an sich war nicht das Einzige, was an diesem rechteckigen Saal beeindruckend war. Am Ende führte eine breite Treppe mit zwei Aufgängen, ebenfalls gefliest mit weißem Marmor, in die obere Etage. Wie es schien, hatte die Akademie keine Kosten gescheut. Wenn ich allein diesen Eingangsbereich mit der Ausstattung meiner alten Schule verglich, dann war diese dagegen erbärmlich. Auf was für einer Elite-Akademie war ich hier gelandet?
»Ziemlich beeindruckend, was?«, riss mich Brown mit seiner plötzlichen Frage aus dem Staunen. Dabei hatte ich seine Anwesenheit für ein paar Augenblicke völlig vergessen. »Das ist das Hauptgebäude der Akademie, aber es wird nur zu besonderen Anlässen wie dem Mitternachtsball genutzt«, erklärte er. »Er findet immer an Silvester statt, also kannst du dich schon einmal freuen. Es ist jedes Jahr ein einzigartiges Fest.«
Es gab hier also richtige Bälle? Mit Tänzen und Abendgarderobe? Das war eindeutig nichts für mich! Darauf würde ich mich ganz und gar nicht freuen, zumal ich nicht tanzen konnte.
Wir durchquerten den langen Raum, während der Professor zusätzliche Dinge erklärte: Die Familien der Schülerinnen und Schüler waren ebenfalls zu den Bällen eingeladen und würden in diesem Gebäude übernachten. In einem anderen Seitenflügel hatten bis vor einigen Jahren die Lehrkräfte gewohnt, bis ein separates Haus für sie errichtet worden war. Wie typisch … und andere, ziemlich unwichtige Dinge, die mein Gedächtnis nicht aufnahm. Mir gelang es nicht, ihm auf Anhieb zu folgen, da ich jeden kleinen Winkel inspizierte. Mein Blick blieb an zahlreichen Gemälden kleben, die an den elfenbeinfarbenen Wänden in gleichmäßigen Abständen hingen. Sie zeigten unterschiedliche Menschen, die erhaben posierten und von je einem anderen Element umgeben waren.
»Scarlett, kommst du?«, forderte mich Brown mit einem Lächeln in der Stimme auf. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich zwischen den Treppen stehen geblieben war. Jedoch zog ein spezielles Bild mich irgendwie in seinen Bann. Darauf war eine Frau abgebildet, die in einem schwarzen, langen Kleid vor einer gefährlichen Feuerwolke stand, die sich aus ihren Handflächen heraus entwickelte. Um sie herum flogen schwarze Raben, von denen einige ebenfalls auf ihren Schultern und ausgestreckten Armen saßen. Was mich aber am meisten faszinierte, war ihr Gesicht. Es war mit einem leuchtend roten Schleier verdeckt, durch den nur ein grober Umriss ihrer Gesichtszüge schimmerte. Der Schleier wurde von einem breiten Haarreif gehalten, der in einem Halbkreis mit einzelnen Kristallen von ihrem Kopf abstand. Zudem waren zwischen den blutroten Edelsteinen einige Rabenköpfe mit spitzen Schnäbeln aus glänzendem Metall verarbeitet. Unter dem Gemälde, das irgendwie schon ziemlich gruselig und real zugleich aussah, stand in dunklen Lettern: Die Rabenkönigin. Und dieser Name passte perfekt. Nur wer war diese Frau?
»Ah.« Brown trat neben mich, die Hände in die Hosentaschen geschoben. »Luis Marques. Ein echt bedeutender Magier des letzten Jahrzehnts«, sagte er beeindruckt und schaute mich strahlend an.
»Luis Marques?« Unsicher überprüfte ich die Bildunterschrift erneut. Da stand sicherlich nicht dieser Name und die Person auf dem Gemälde war auch eindeutig eine Frau. Professor Brown trug doch schon eine Brille. Wie konnte er die Frau nicht sehen?
»Ja. Schulleiter O’Brien hatte die Ehre, ihn unterrichten zu dürfen«, schwärmte er. »Schau nur.« Er streckte seine Hand zu den Raben aus, die rund um die Schultern der Rabenkönigin flogen. »Diese Eiswirbel sind unfassbar schwer zu beschwören.«
Was? Luis? Eiswirbel? Schauten wir überhaupt auf dasselbe Bild? Irgendetwas stimmte hier nicht. So etwas bildete ich mir nicht ein. Ich sah die verhüllte Frau und ihre Raben deutlich vor mir.
»Alles in Ordnung?«, fragte Brown und blickte zwischen mir und dem Bild hin und her.
»Natürlich«, log ich schnell und möglichst unauffällig. Skeptisch wandte ich mich von dem Bild ab und beließ es fürs Erste dabei. »Können wir weitergehen?«
Professor Brown nickte.
Als wir das Gebäude zur anderen Seite verließen, versuchte Brown, mich einige Male in ein Gespräch zu verwickeln, was ich nur mit einem »Hm« kommentierte. Meine Gedanken verweilten länger als beabsichtigt bei dem Gemälde, das wir beide unterschiedlich aufgefasst hatten.
In der Mitte der Grünfläche des Campus lag ein kleiner, künstlich angelegter See, der von einem gut gepflegten Rosengarten mit ein paar vereinzelten Bänken und weißen Pavillons umgeben war. »Die Rosen blühen das ganze Jahr«, verkündete Brown stolz und erwähnte dazu noch andere Details, die mich nicht interessierten.
»Hier links«, er deutete mit einer Hand auf ein kleineres Gebäude, »befindet sich die Cafeteria und …« Vor dem Eingang tummelten sich einige Schülerinnen und Schüler und unterhielten sich. Sie sahen alle so glücklich aus, was möglicherweise daran lag, dass sie freiwillig hier waren. Ohne Zwang.
»Daneben befinden sich drei von insgesamt fünf Unterrichtsgebäuden. Die anderen zwei sind auf der anderen Seite.«
Unmittelbar fragte ich mich, ob diese von innen auch so luxuriös aussahen wie das Hauptgebäude. Ich wollte ihn aber nicht fragen, da ich mich hier komplett fehl am Platz fühlte. So überzeugt, wie Louise und er gewesen waren, dass ich an der Akademie gut aufgehoben war … Leicht aufflammende Wut breitete sich in meinem Herzen aus, als meine Gedanken um Louise kreisten. Wie hatte sie mir das antun können?
»Hinter den anderen, genau gegenüber, gibt es eine Schwimmhalle, die man vom Campus so nicht sehen kann. Sie liegt ein bisschen abseits, genauso wie die Trainingshalle am anderen Ende hinter den Wohnheimen.« Er zeigte auf ein Haus in der Ferne, das in der zunehmenden Dunkelheit ziemlich klein aussah. »Dort wo der Rosengarten endet, befindet sich die Bibliothek.«
Das weckte mein Interesse ein bisschen, denn ich liebte Bücher und dieses Gebäude war sehr groß. Man konnte es nicht übersehen, da es an den See grenzte. »Daneben und dahinter sind die Wohnheime. Insgesamt gibt es vier. Aber vorerst reicht es, zu wissen, wo sich deins befindet.«
Wir passierten die drei Unterrichtsgebäude auf der linken Seite des Rosengartens und gingen auf das erste Haus daneben zu. Es ähnelte den anderen. Wie ein altes Herrenhaus mit hohen Türmchen auf den spitzen Dächern. Aus einem stiegen vereinzelte Rauchwolken in den Himmel hinauf. Die Hälfte der Vorderseite war komplett von Pflanzen vollgewuchert, während die andere gegensätzlich nackt war. Es gab mehrere halbrunde Vorbauten mit kleinen, viereckigen Fenstern, die allesamt mit dunkelblauen Vorhängen zugezogen waren. In einzelnen brannte helles Licht und die oberen Zimmer hatten sogar einen eigenen kleinen Balkon mit Balustrade.
Der Kiesweg führte zu einer recht unscheinbaren Eingangstür, vor der ein paar größere Blumentöpfe mit blühenden blauen Rosen platziert worden waren. Daneben waren ebenfalls lange Fenster, ohne zugezogene Vorhänge, durch die ich einen ersten Blick auf die Inneneinrichtung werfen konnte. Dort im Aufenthaltsraum, wie ich annahm, tummelten sich einige Schülerinnen und Schüler. Sie würden allesamt mitbekommen, wie ich dieses Wohnheim mit Professor Brown betrat.
»Das ist der Eispalast, wie du vielleicht schon am Schild gesehen hast.«
Neben der Tür war ein goldenes Schild auf meiner Augenhöhe angebracht. Die Aufschrift lautete Eispalast. Direkt unter einem Wappen, das einen Drachen und alle vier Elemente – Erde, Feuer, Wasser und Luft – zeigte.
»Du wirst von nun an hier wohnen und ich bin mir sicher, dass es dir gefallen wird. Jedes Wohnheim, insbesondere der Gemeinschaftsraum, ist individuell eingerichtet und an die Elemente und ihre Eigenschaften angepasst.« Brown warf mir ein warmes Lächeln zu, das ich kalt erwiderte. Frostig wie der Eispalast. Wie passend.
Mich kümmerte es wenig, was Professor Brown dachte. Dass ich Dads Tod und mein früheres Leben vergessen und hier abgeschottet leben würde, als wäre niemals etwas so Schreckliches geschehen? Ganz sicher nicht.
»Scarlett«, seine Hand verweilte auf der Klinke, »ich weiß, dass es komisch ist, auf einmal hier zu sein, aber du wirst dich schnell an alles gewöhnen.«
»Das werde ich nicht.« Meine Stimme klang rau und kratzig. Ich sprach die Wahrheit aus, ganz gleich, wie überzeugt Brown vom Gegenteil war.
Daraufhin stieß er die Luft aus und schwieg. Hatte er nun eingesehen, dass er mich nicht umstimmen konnte? Nicht auf Anhieb und ohne dass ich einen Beweis für Magie bekam, schon gar nicht.
Professor Brown öffnete die Tür. Als ich argwöhnisch eintrat, kam mir ein Schwall warmer Luft entgegen. Sofort richteten sich ein paar neugierige Blicke auf mich.
In diesem Raum des Eispalastes gab es verschiedene Ledersofas, die größtenteils besetzt waren. Besonders die, die in der Nähe des brennenden Kamins standen, waren anscheinend sehr beliebt. Einige Schülerinnen und Schüler lasen Bücher, erledigten Hausaufgaben oder schauten sich einen Film auf einem unheimlich großen Flatscreen an. Keine Spuren von Magie, was mich etwas enttäuschte.
Die ganze Einrichtung war in Weiß- und Blautönen farblich aufeinander abgestimmt. Nicht nur das, sondern auch der kleine Kronleuchter, an dessen Armen vereinzelte Schneeflockenkristalle hingen, charakterisierte das Wohnheim. Außerdem hingen ein paar Bilder an den Wänden, die für mich nichts anderes als große blaue Kleckse darstellten. Die Fenster waren mit einem hellen Blauschimmer untermalt, den man nur bemerkte, wenn man diesen von den farblich passenden Vorhängen abgrenzte.
Es fühlte sich komisch an, als mich der Professor durch den Raum führte. Einige Schülerinnen und Schüler grüßten Brown sogar mit Vornamen, was mich irritierte. Dem Anschein nach war er einer der beliebtesten Professoren. Jedenfalls hätte ich nichts dagegen gehabt, wenn er mir lediglich gesagt hätte, wo ich hinmusste und dann verschwunden wäre. Somit wäre ich vielen beirrten Blicken entkommen. Sie brannten sich in meine Haut. Doch vielleicht war dies auch der Schuluniform der East London High geschuldet.
Wir mussten den Raum erst komplett durchqueren, bis wir neben einem Flur die Treppenstufen in die oberen Etagen hinaufstiegen. Schnellen Schrittes kamen uns Schülerinnen entgegen und quittierten mich mit einem bewertenden Blick. Ich folgte Brown in die oberste Etage. Er führte mich bis zur letzten Zimmertür am Ende des Gangs.
»Das ist dein Zimmer«, verkündete Professor Brown und deutete auf meine Initialen, die bereits in goldenen Lettern auf der Tür prangten. Skeptisch betrachtete ich diese und fragte mich, wie lange sie wohl schon dort angebracht waren. Hatten sie auf mich gewartet oder war es reiner Zufall?
Er schloss die Tür mit einem einzelnen Schlüssel auf und bedeutete mir, einzutreten. Zuerst zögerte ich. Was würde mich hinter dieser Tür erwarten?
Mein zukünftiges Wohnheimzimmer war glücklicherweise ein Einzelzimmer, das erheblich kleiner war als mein Zimmer zu Hause. Ein Doppelbett mit hellblauer Bettwäsche und vielen Kissen stand in der Nähe der Fenster, hinter denen sich ein kleiner Balkon erstreckte. Das war das einzig Positive an diesem Zimmer. Sonst gab es lediglich einen braunen Schrank, zwei Kommoden, einen Schreibtisch und ein leeres Bücherregal. Der Raum war kahl und neutral gehalten, sodass ich mich sofort unwohl fühlte. Nicht einmal irgendeine Dekoration oder eine einfache Lampe standen zur Verschönerung auf dem Nachttisch.
»Du kannst dieses Zimmer nach deinen Wünschen einrichten. Wenn du magst, kannst du die Wände auch streichen.« Das war bei diesem sterilen Weiß auch dringend angebracht. »Hinter der Tür ist das Badezimmer.« Das würde ich mir später anschauen, erwartete aber nicht viel. »Im Schrank findest du deine Schuluniform, die du zum Unterricht tragen musst. Am Nachmittag kannst du dann deine eigenen Sachen anziehen. Diese und andere persönlichen Dinge werden wir dir natürlich später herbringen. Dein Koffer ist noch hinten im Auto.« Professor Brown sah auf mich runter und drehte sich einmal um die eigene Achse. »Hast du sonst noch Fragen?«
Ja. Wann können Sie endlich verschwinden?
Ich schüttelte den Kopf.
»Super. Ich lege deine Schlüssel auf die Kommode. Du musst vor der Sperrstunde um halb elf zurückkommen, andernfalls ist die Tür unten zu und du kommst nicht mehr rein. Diesen Chip«, Brown hielt einen blauen Chip in der Hand, den er ebenfalls auf die Kommode legte, »musst du benutzen, wenn du in den Eispalast hineinmöchtest. Also verlier ihn nicht. Ein Lageplan und andere Infos liegen auf dem Nachttisch, damit du dich zurechtfinden kannst.«
Ich schaltete ab, denn ich warf einen Blick zu diesem Plan. Langsam wurde es bittere Realität, dass ich hier festsaß und nirgends hinkonnte. Ich fühlte mich nicht wohl bei dem Gedanken daran, dass ich nichts gegen all das hier ausrichten konnte. London war Kilometer weit weg. Das Einzige, was mir übrigblieb, war auf diese Schule zu gehen und das Beste daraus zu machen. Ob ich Dads Tod so verarbeiten konnte, stand in den Sternen geschrieben. Wie sollte ich auch von dem Gelände der Akademie verschwinden, ohne dass mich jemand in den Tiefen des Waldes einfing, wenn ich mich hoffnungslos verlief?
»Alles weitere werden wir später gemeinsam besprechen, denn es gibt noch einige Personen, die dich gern kennenlernen würden.« Ich war nicht erpicht darauf diese zu treffen. »Also mach dich erstmal frisch und zieh dich um.«
Professor Brown hielt kurz inne, bevor er sich zur Tür wandte. »Ach, und Scarlett? Es ist nicht so schlecht hier, wie du vielleicht vermutest. Du musst der Akademie nur eine Chance geben.«
Du musst mir nur eine Chance geben.
»Hm.«
»Du bist hier sicher, Scarlett«, sagte er zum Abschied und verließ dann mein Zimmer.
Endlich war ich allein.
Seufzend setzte ich mich auf das weiche Bett. Den Lageplan nahm ich aus der blauen Mappe hinaus und faltete ihn auf. Er war relativ groß, ebenso wie der abgebildete Campus. Als erstes suchte ich mein Wohnheim, dessen Name in fettgedruckten Lettern leicht zu finden war. Unmittelbar in der Nähe begann schon der Waldrand, und mir fiel direkt auf, dass zwischen den Bäumen eine Linie den ganzen Campus umrandete. Diese startete beim Eisentor, das wir mit dem Auto passiert hatten, und endete dort auch. Mutmaßlich war es eine Art Grenze, die das Gelände der Akademie vollständig einrahmte.
Super! Ich war nicht nur in einem Internat gelandet, nein, auch in einem Gefängnis, aus dem ich nicht ausbrechen konnte. Es wurde immer besser!
Um meine Gedanken ein wenig schweifen zu lassen und die Einblicke zu verarbeiten, nahm ich eine Dusche im angrenzenden Bad. Insgesamt erschien mir dies viel größer als das eigentliche Zimmer. Und ich stand in einer Dusche, die bestimmt viermal größer war als die zu Hause. Außerdem befand sich zusätzlich eine Badewanne in einer Nische am Ende des Raumes unter einem Fenster mit Milchverglasung. Auf der Glaswand der Dusche, die von dem heißen Wasserdampf beschlug, war das gleiche Wappen eingraviert, wie auch am Boden der Badewanne und am Eingang des Wohnheimes.
Als ich später den dunklen Rock und eine weiße Bluse anzog, die zur Schuluniform gehörten, fand ich es ebenfalls darauf wieder.
Mein Spiegelbild erschien mir fremd, besonders mit diesen Kleidungsstücken. Doch so lange ich mich auch betrachtete, das war ich.
Ein plötzliches Klopfen, das sich ziemlich schnell in ein lästiges Hämmern verwandelte, ließ mich zusammenschrecken.
Ich verweilte mit Blick zur Tür und rätselte, wer das sein könnte, bis ich zu dem Entschluss kam, dass es Professor Brown sein musste. Schließlich kannte ich hier sonst niemanden.
Es klopfte erneut. Dieses Geräusch, auch wenn es nur ein harmloses Klopfen war, verursachte mir aufflammende Kopfschmerzen. Flüchtig berührte ich meine Stirn. »Ich komme ja schon!«
Die Tür öffnete ich mit einem Ruck. Im Flur stand zu meiner Überraschung nicht Brown, sondern ein Junge mit hellblonden Haaren und schwarzem Poloshirt, der mich um knapp einen Kopf überragte. Seine blauen Augen waren durch die Clubmasterbrille klar auf mich gerichtet. Mit zusammengekniffenen Brauen musterte ich ihn.
»Ich bin Cameron und …«
Ich schnitt ihm sofort das Wort ab, indem ich die Tür vor seiner Nase zuschlug. Was wollte dieser Typ von mir? Hoffentlich hatte er sich einfach in der Tür geirrt. Jedenfalls hatte ich jetzt keine Lust, mich mit irgendjemandem zu unterhalten.
Es klopfte erneut.
Das konnte doch nicht wahr sein.
Ich riss die Tür ein zweites Mal auf, so plötzlich, dass seine Hand für einen Moment länger in der Luft verweilte. »Was willst du?«, fragte ich sichtlich genervt.
»Ich«, setzte er an.
Ich hob die Brauen. »Ja?« Konnte er nicht wieder verschwinden?
»Professor Brown hat mich geschickt.«
»Natürlich hat er das«, nuschelte ich und verdrehte die Augen. »Und?«, richtete ich das Wort wieder an Carter. Wenn das sein Name war. Irgendwie so.
»Also, wie gesagt. Ich bin Cameron«, stellte er sich erneut vor. »Und eigentlich bin ich hier, um dir deinen Koffer zu bringen.« Er deutete auf mein Gepäck, nachdem ich folglich griff. So schwer wie dieser Koffer war, konnte ich ihn nur über den Boden in mein Zimmer schleifen. Ich stellte mich unbeholfen an.
»Soll ich dir helfen?«
»Nein, danke.«
Cameron blieb weiterhin im Flur stehen und beobachtete mich.
»Ist sonst noch was?«
»Ja. Ich soll dich abholen.« Was? »Zum Essen«, fügte er schnell hinzu, als er meine verengten Augen bemerkte.
»Wieso?« Ich wollte nichts essen, auch wenn ich großen Hunger hatte. Da würde ich anderen Menschen begegnen.
»Was?« Er wirkte überrumpelt.
Ich stieß einen Seufzer aus und bedeutete ihm dann einzutreten. Er zögerte zunächst.
»Hat dir Professor Brown nicht gesagt, dass ich komme?«
»Keine Ahnung.« Der Großteil seiner Worte war schon längst aus meinem Gedächtnis verbannt worden.
»Jedenfalls bin ich jetzt hier.« Er grinste schief, aber diese Fröhlichkeit erstarb direkt, als ich nichts erwiderte, sondern nur weiterhin ernst schaute.
Cameron räusperte sich und warf einen Blick auf seine silberne Uhr. Das Ziffernblatt glänzte in den gleichen dunklen Blautönen wie seine Augen hinter dem Brillenglas. »Oh, wir sind spät dran.«
Ich ging nicht darauf ein. »Warum hat er dich geschickt?« War er wirklich hier, um mich zum Essen abzuholen? Diese Freundlichkeit war fremd für mich.
»Ich weiß nicht.« Er zuckte mit den Schultern. »Er hat mich gefragt, ob ich dich abholen und deinen Koffer schleppen würde. Der nebenbei bemerkt echt schwer war.«
»Und du sagst einfach so ja?«
»Ich bin eben nett.«
»Ja.« Ich zog das Wort extra in die Länge.
»Na ja, ich weiß, wie es ist, wenn man neu ist. Ich bin letztes Jahr erst verspätet an die Akademie gewechselt, weil es, nun ja, ein paar Schwierigkeiten gegeben hat.«
»Ah.«
»Also, ich warte dann unten auf dich.« Es war leichtsinnig, davon auszugehen, dass ich ihm ohne Widerrede folgen würde.
»Warte!« Cameron machte bereits Anstalten zu gehen, als ich ihn gebieterisch am Arm zurückhielt und in mein Zimmer zog. Unbeabsichtigt schubste ich ihn auf das Bett zu.
»Woher weiß ich, dass du nicht lügst?« Er sah zwar nicht aus wie ein Lügner, eher wie ein ehrlicher Typ, der sich hinter ordentlich gebügelten Polohemden versteckte, aber sicher war sicher.
»Hey, was soll das werden?«
»Ich traue dir nicht«, sagte ich geradeheraus. »Was will Professor Brown und was willst du hier?«
»Er will mit dir sprechen. Und ich …«
»Ja, ja.« Ich winkte ab. »Woher weiß ich, dass du nicht andere Sachen vorhast?« Dads Tod war überraschend und irgendwie nicht natürlich gewesen. Und ich war mir nicht sicher, ob ich Professor Brown überhaupt vertrauen konnte.
Seine Augen weiteten sich ruckartig. »Ich weiß nicht, was du … ich bin nicht diese Art von Junge.«
Ich lachte laut los.
»Das hast du nicht gedacht?« An seinem verdatterten Gesichtsausdruck erkannte ich, dass er es tatsächlich ernst gemeint hatte.
»Ich meinte eher so etwas wie, dass du ein Kidnapper bist«, sagte ich.
Es war nicht sehr clever von mir, das offen gesagt zu haben, wenn er tatsächlich einer war. Nun war es zu spät, diese Worte zurückzunehmen.
Jetzt wirkte er sichtlich amüsiert. »Sehe ich ernsthaft aus wie ein Kidnapper?«
»Na ja, nicht wirklich.« Auch ich musste leicht schmunzeln. »Eher wie ein Nerd«, sagte ich offenherzig.
»Womit du wahrscheinlich recht hast. Ich bin wirklich nur hier, um dich zu Professor Brown zu bringen. Vielleicht hat er gedacht, dass du nicht kommen würdest, wenn er dich selbst abgeholt hätte. Keine Ahnung. Aber wir müssen echt los.«
»Ja, gleich.« Dabei hatte ich echt keine Lust, jetzt noch mit Brown zu reden. Es gab zwar so vieles, was ich ihn fragen wollte, doch morgen war auch noch ein Tag. Und außerdem musste ich dringend mit Louise sprechen.
Einen Augenblick sah ich Cameron an, bevor ich fragte: »Hast du vielleicht ein Handy, mit dem ich kurz telefonieren kann?« Von meinem war nicht nur der Akku leer, wo das Kabel war, wusste ich auch nicht.
Cameron blickte mich prüfend an. Als ob er überlegte, was ich alles mit seinem Handy anstellen konnte. Letztendlich händigte er es mir zögernd aus und ich verschwand mit einem dankenden Lächeln im Bad.
Ich biss mir auf die Unterlippe, als ich sein dunkles Handy entsperrte, ohne eine Aufforderung für einen Pin-Code oder Passwort zu erhalten. Der Hintergrund zeigte Tom Holland als Spiderman. Dass Cameron eine Vorliebe für Marvel-Filme hatte, hätte ich nicht gedacht. Es überraschte mich positiv, denn ich liebte dieses Comic-Universum ebenfalls.
Hatte es ihm wegen diesem Bild zunächst Überwindung gekostet, mir sein Handy zu geben? Oder hatte es doch eher an dem fehlenden Sicherheitscode gelegen? Nun, ich öffnete das Tastenfeld und wählte die Telefonnummer von zu Hause. Es klingelte dreimal, bis Louise den Hörer abnahm und sich formell meldete.
»Louise! Ich bin es.«
»Scarlett? Bist du schon an der Akademie? Und, wie findest du es?« Sie klang interessiert.
»Wieso hast du mir nie etwas gesagt?«, fuhr ich sie an. Wut entflammte in meinem Herzen, als ich daran dachte, wie sie mich einfach gehen gelassen hatte.
»Scar, ich«, setzte sie an, doch brachte keinen ganzen Satz heraus.
»Du wusstest es!«, zischte ich. Auch wenn mir Brown noch keinen Beweis geliefert hatte, dass Magie existierte, nahm ich nun einfach mal an, dass er die Wahrheit sagte. Wobei ich noch immer der Meinung war, dass es unmöglich war.
»Ich konnte es nicht«, gestand sie.
»Wieso? Ich dachte … Es hat Dad umgebracht.« Meine Stimme drohte zu brechen. Mein Sichtfeld verschwamm hinter Tränen. »Es hat ihn umgebracht. Ich muss wissen, was mit ihm passiert ist. Was weißt du noch alles über seinen«, ich atmete tief durch, bevor ich das Wort aussprach, »Tod?«
»Ich weiß nichts weiter, Scar. Vertrau mir. Ich sage die Wahrheit. Wirklich«, sagte sie mit einem unterschwelligen Flehen.
»So, wie du mir Dads wahres Leben verheimlicht hast? Du sagst die Wahrheit, huh? Ich wusste nichts von seinem Leben, gar nichts. Ich wusste nichts von der Magie. Von absolut nichts. Und jetzt willst du mir sagen, dass ich dir vertrauen kann? Du hast mich in dieser Sache jahrelang belogen, genauso wie Dad.« Meine Brust hob und senkte sich unregelmäßig, als ich endete. Konnte ich ihr jemals wieder vertrauen? Es gab so viele ungeklärte Fragen, die mich wahnsinnig machten. Fragen, die ich ihr nicht am Telefon stellen wollte, denn es bestand die Wahrscheinlichkeit, dass sie unvorbereitet auflegen würde, um mir auszuweichen.
Louise brauchte lange, bis sie endlich antwortete: »Es tut mir leid, Scarlett«, entschuldigte sie sich aufrichtig. Nur änderte das nichts an meiner miserablen Situation. Es brachte Dad nicht zurück. »Ich weiß, dass du sauer bist. Irgendwann wirst du das verstehen. Ich hoffe, dass du mir dann verzeihen kannst und einsiehst, dass es nur zu deinem eigenen Schutz war. Du bist bei Harrison in guten Händen, Scarlett. Er weiß, wie du dich fühlen musst.«