Sherlock Holmes - Neue Fälle 15: Sherlock Holmes und die Diamanten der Prinzessin - E.C. Watson - E-Book

Sherlock Holmes - Neue Fälle 15: Sherlock Holmes und die Diamanten der Prinzessin E-Book

E. C. Watson

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Beschreibung

Der Meisterdetektiv aus der Baker Street muss diesmal gleich drei Fälle hintereinander lösen: ein raffinierter Betrug um ein Diamantengeschenk im Umfeld des englischen Königshauses, ein kunstverständiger Einbrecher und das Geheimnis der Roten Maske. Sherlock Holmes begibt sich mit gewohnter Akribie an die Entschlüsselung dieser höchst merkwürdigen Delikte, die Edgar Charles Watson, ein direkter Nachfahre des einstigen Chronisten, hiermit erstmalig veröffentlicht.

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Ähnliche


DIE NEUEN FÄLLE DES MEISTERDETEKTIVS

SHERLOCK HOLMES

In dieser Reihe bisher erschienen:

3001 – Sherlock Holmes und die Zeitmaschine von Ralph E. Vaughan

3002 – Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge von J. J. Preyer

3003 – Sherlock Holmes und die geheimnisvolle Wand von Ronald M. Hahn

3004 – Sherlock Holmes und der Werwolf von Klaus-Peter Walter

3005 – Sherlock Holmes und der Teufel von St. James von J. J. Preyer

3006 – Dr. Watson von Michael Hardwick

3007 – Sherlock Holmes und die Drachenlady von Klaus-Peter Walter

3008 – Sherlock Holmes jagt Hieronymus Bosch von Martin Barkawitz

3009 – Sherlock Holmes und sein schwierigster Fall von Gary Lovisi

3010 – Sherlock Holmes und der Hund der Rache von Michael Hardwick

3011 – Sherlock Holmes und die indische Kette von Michael Buttler

3012 – Sherlock Holmes und der Fluch der Titanic von J. J. Preyer

3013 – Sherlock Holmes und das Freimaurerkomplott von J. J. Preyer

3014 – Sherlock Holmes im Auftrag der Krone von G. G. Grandt

3015 – Sherlock Holmes und die Diamanten der Prinzessin

Edgar Charles Watson

SHERLOCK HOLMES

und die Diamanten der Prinzessin

Basierend auf den Charakteren von

© 2015 BLITZ-Verlag

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Lektorat: Dr. Richard Werner

Umschlaggestaltung: Mark Freier

Satz: Winfried Brand

Alle Rechte vorbehalten

www.BLITZ-Verlag.de

ISBN 978-3-95719-214-1

In den zahlreichen Jahren, die ich gemeinsam mit meinem berühmten Freund Sherlock Holmes in der Baker Street lebte, und auch in den späteren Jahren, in denen ich durch meine Heirat nur noch wenig Zeit hatte, ihm bei allen Fällen bereitwillig zur Seite zu stehen, geschahen viele Verbrechen, die ich zwar aufgeschrieben hatte, aber nicht veröffentlichte.

Die Gründe dafür waren sehr vielfältig, und meistens war es Holmes selbst, der mich bat, diese Fälle nicht zu publizieren. Er legte meine Berichte zu seinen Unterlagen, und erst jetzt, nach vielen Jahren, dürfen sie der Öffentlichkeit bekannt werden. Jetzt ist kaum noch zu befürchten, dass eine der geschilderten Persönlichkeiten Anstoß daran nehmen kann, hier ihren Fall der breiten Leserschar vorgelegt zu finden. Längst sind ihre Namen vergangen, die Erinnerung an sie verloschen. So kann ich also endlich, selbst im hohen Alter, diese Berichte veröffentlichen, aus dem Geheimarchiv des Meisterdetektivs Sherlock Holmes.

DIE DIAMANTENDER PRINZESSIN

»Bitte, Misses Hudson, bringen Sie für den Tee noch ein weiteres Gedeck.« Sherlock Holmes warf bei diesen Worten einen kurzen Blick auf mich, nickte mir freundlich zu und nahm in seinem Sessel Platz.

»Sie erwarten noch Besuch?«, erkundigte ich mich erstaunt, denn mein Freund hatte bislang kein Wort über einen möglichen Gast geäußert.

»Ja, mein lieber Watson, Mister John Edward Richardson wird uns noch heute aufsuchen.«

Ich sah unserer Haushälterin nachdenklich hinterher, als sie das Zimmer verließ. Holmes saß gelassen in seinem Lieblingssessel, zündete seine unvermeidliche Pfeife an und hüllte sich in dichte Tabakwolken. Ich kannte meinen Freund nun schon lange genug, um seine Eigenarten zu kennen. Er erwartete von mir, dass ich nach dieser Ankündigung in der Lage war, die notwendigen Kombinationen selbst anzustellen. Nichts war ihm verhasster, als umständlich Dinge erklären zu müssen, die nach seiner Meinung jedermann selbst leicht erraten konnte. Ich wollte den berühmten Detektiv nicht enttäuschen.

Richardson? Was hatte ich im Zusammenhang mit diesem Namen gelesen? Plötzlich fiel es mir ein. In der Morgenausgabe stand eine ganz kleine, offenbar völlig unbedeutende Notiz, dass man einen gewissen Burns in Paris verhaftet hatte und nach London bringen wollte. Burns sollte im Auftrag des bekannten Londoner Agenten Richardson Schmuck in Paris kaufen. Mehr war dem Bericht nicht zu entnehmen, und ich wollte mich eben noch einmal der Zeitung widmen, als sich Sherlock Holmes räusperte.

»Handelt es sich bei dieser Angelegenheit nicht um einen vollständig uninteressanten Fall, Holmes?«, erkundigte ich mich, nun doch neugierig geworden.

»Keineswegs, mein lieber Watson«, antwortete Holmes, stopfte umständlich seine Pfeife und ließ sich mit seiner Antwort Zeit. Wieder kamen dichte Qualmwolken aus seinem Mund, die ihn geradezu einhüllten. Nur der jahrelange Umgang mit meinem exzentrischen Freund hatte mich gelehrt, dass in einer solchen Situation geduldiges Abwarten das beste Mittel war, um Einzelheiten zu erfahren. Aber diesmal hatte ich mich getäuscht. Ehe Holmes antwortete, hörten wir unten Mrs Hudsons Stimme, und gleich darauf erklangen Schritte auf der Treppe.

»Gentlemen, dieser Herr wollte unbedingt zu Ihnen«, sagte unsere Haushälterin etwas atemlos, als sie in das Zimmer trat.

Ihr folgte ein großer, breitschultriger Mann, der sofort aufgeregt losplapperte: »Sie müssen mir helfen! Eine Katastrophe! Ein entsetzliches Verbrechen!«

»Wollen Sie sich nicht erst einmal setzen, Mister Richardson?«, fragte Holmes freundlich und bot unserem Besucher einen Platz an.

»Wie? Ja, natürlich … Woher wissen Sie denn … ich meine, Sie kennen mich doch nicht?«

Mein Freund lächelte dem nervösen Geschäftsmann freundlich zu. »Nun, persönlich kennen wir Sie nicht, aber wir haben Sie bereits erwartet.« Dabei deutete er auf die bereitstehende Teetasse, die soeben von Mrs Hudson gefüllt wurde.

Unserem Gast war die Verwirrung deutlich anzusehen. Er zog ein Taschentuch hervor und fuhr sich damit nervös über die Stirn.

»Es geht doch um die Diamanten für das Diadem der Prinzessin Maud of Glingworth?«

Richardson starrte Sherlock Holmes verblüfft an. »Aber wieso … meine Herren … das ist doch völlig geheim …« Wieder fuhr er sich nervös mit dem Tuch über das Gesicht.

Holmes entzündete seine Pfeife erneut. Er warf mir einen vielsagenden Blick zu und fuhr fort: »Die Hochzeit der Prinzessin mit dem indischen Fürsten ist ja nun schon lange genug das Stadtgespräch in London. Fast könnte man glauben, dass die Zeitungen kein anderes Thema mehr kennen.«

Richardson nickte eifrig zu den Worten des Detektivs.

»Nun, also weiter. Sie sind über die Grenzen der Stadt hinaus als Agent mit weitverzweigten Geschäftsbeziehungen bekannt. Bei Hochzeiten hochgestellter Persönlichkeiten bemüht man Sie gern für ausgefallene Geschenke. Es liegt also auf der Hand, dass Sie beauftragt wurden, für ein Diadem, das die Prinzessin zweifellos auf ihrer Hochzeit tragen wird, die Diamanten und Edelsteine zu besorgen. Soweit richtig?«

Wieder nickte der Kaufmann, unfähig, ein Wort zu sagen.

»Sehr schön.« Holmes wirkte ob der Verblüffung des Mannes amüsiert. »Heute berichtete die Morgenausgabe von der Verhaftung eines gewissen George Burns, der für Sie arbeitet. Nun, da erklärte ich gerade meinem Freund, Dr. Watson, dass wir Sie zum Tee erwarten könnten.«

»Und woher … ich meine …« Jetzt wurde wohl auch Richardson bewusst, dass er bislang noch keinen Satz im Zusammenhang gesprochen hatte. Er riss sich zusammen, klappte seinen Mund zu, schluckte und räusperte sich verlegen. Dann trank er einen Schluck Tee. »Fabelhaft, Mister Holmes!«, brachte er schließlich heraus. »Ich habe mich nicht in Ihnen getäuscht. Nur Sie werden die Diamanten wiederbeschaffen können.«

»Ich nehme an, Sie können mir keine weiteren Einzelheiten mitteilen?«

»Nur, was ich bislang von der Polizei gehört habe. Burns sollte für mich tatsächlich in Paris Diamanten und Edelsteine für das Diadem einkaufen. Bei den Juwelieren d’Orliere fand er einige geeignete Stücke, man wurde handelseinig. Aber dann … Dann passierte das Unglück!« Richardson seufzte tief auf und lehnte sich zurück. »George Burns wurde verhaftet. Er soll versucht haben, den gesamten Schmuck gegen unechte Steine einzutauschen. Und zwar nicht nur den, den er für das Diadem ausgesucht hatte. Bei einer Untersuchung aller Edelsteine, die man ihm vorgelegt hatte, stellte sich heraus, dass sie unecht waren. Alle! Ich bin ruiniert, ein furchtbarer Skandal, Mister Holmes!«

»Der Fall interessiert mich, Mister Richardson. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass ein Mann auf so plumpe Weise versucht, eines der ersten Juwelierhäuser in Paris zu betrügen.«

»Es ist mir vollkommen gleich, was sich dieser Burns gedacht hat. Aber dieser Fall wird mich ruinieren, wenn man meinen Namen mit dieser Sache in Verbindung bringt. Mein Beauftragter versucht, Juwelen gegen Nachahmungen einzutauschen. Und das Schlimme dabei ist, dass die echten Edelsteine völlig unauffindbar sind.«

Holmes antwortete nicht mehr, er war in tiefes Nachdenken versunken.

»Sie können sicher sein, dass diese mysteriöse Angelegenheit bei Sherlock Holmes in den besten Händen ist, Mister Richardson«, sagte ich. »Sie werden wieder von uns hören.«

Mr Richardson sah mich zweifelnd an, dann wandte er sich noch einmal zu Holmes. Aber als er dessen finstere Miene bemerkte, wagte er nicht, ihn in seinen Gedanken zu stören. So erhob sich der Kaufmann, drückte mir dankbar die Hand und ließ sich dann zur Tür bringen.

Als ich in das Zimmer zurückkehrte, vernahm ich schon von der Treppe her die klagenden Laute, die Holmes seiner wertvollen Geige entlockte. Ich lächelte, als ich dieses Bild, das sich mir schon so oft in unserer gemeinsamen Wohnung in der Baker Street geboten hatte, wieder erblickte. Sherlock Holmes, der große Detektiv, kratzte völlig gedankenversunken auf der Stradivari. Sein Hausmantel war fest um die sehnige Gestalt geschlungen, sein hageres Gesicht wirkte unnahbar. Verbissen hielten seine Zähne die kleine Shagpfeife fest, die längst ausgegangen war. Ich nahm wieder Platz und widmete mich ganz meinen eigenen Gedanken.

Wenn Sherlock Holmes bereit zum Handeln war, würde ich jede meiner kleinen grauen Zellen benötigen, um ihm bei seinen oft verworrenen Gedankenspielen folgen zu können.

Bei Scotland Yard

Wenig später stand die Droschke bereit, und Holmes fuhr mit mir zu Scotland Yard, um dort zunächst einmal einige Worte mit dem verhafteten Burns zu wechseln.

»Ah, Mister Holmes – sehr erfreut. Ich nahm an, dass Sie sich für diesen Fall interessieren werden.« Mit diesen Worten begrüßte uns Inspektor MacDonald, ein großer, sehniger Polizist, mit dem wir bereits mehrere Male zu tun hatten. Der sonst eher wortkarge Mann wirkte sehr aufgeschlossen und freundlich.

Sherlock Holmes sah ihn mit ironischem Lächeln an. »Mein lieber Inspektor MacDonald. Wenn wir Sie in dieser Stimmung antreffen, bedeutet das, dass Sie Ihrer Sache sicher sind.«

»Nun, Mister Holmes, so unrecht haben Sie da nicht. Aber kommen Sie doch bitte in mein Büro, ich will Ihnen gern die Einzelheiten mitteilen.«

Wir folgten der Aufforderung des Inspektors.

»Mister Holmes, ich will die Sache nicht unnötig aufbauschen. Die Angelegenheit ist unkompliziert und ohne großartiges Aufsehen bereits geklärt.«

Holmes hatte noch immer den ironischen Zug um die Mundwinkel, als er antwortete: »Nun, lieber Inspektor, dann meinen herzlichen Glückwunsch. Ich darf wohl annehmen, dass Burns ein Geständnis abgelegt hat?«

Inspektor MacDonald hob abwehrend die Hände. »Wo denken Sie hin! Diese Herren kennen wir doch beide, Mister Holmes. Jahrelang sind sie die treuen Angestellten ihrer Firma, die jeden Auftrag erfüllen. Dann kommt der Tag, an dem sie ein Millionengeschäft abwickeln müssen und – peng! Sie können der Versuchung nicht widerstehen.«

»Aber wie hat er die Juwelen vertauscht?«, warf ich ein. »Bei einem Juwelier dieser Größe sind doch die besten Sicherheitsanlagen vorhanden, und schließlich ging es doch um eine Riesensumme.«

»Ganz recht, Dr. Watson. Die genaue Summe ist noch nicht einmal festgelegt, weil es sich um noch ungeschliffene Diamanten und Saphire handelte, die für diesen speziellen Auftrag erst zusammenpassend geschliffen und gefasst werden sollten.«

»Darf ich an meine Frage erinnern? Wie hat Burns die Edelsteine vertauschen können?«

Inspektor MacDonald warf mir einen missbilligenden Blick zu. Er schätzte meine ungestüme Fragerei offensichtlich gar nicht. Er lehnte sich zurück, kramte in einer kleinen Holzkiste, und nahm eine Zigarre heraus. Ehe er sie aber anzündete, betrachtete er sie nachdenklich und legte sie schließlich zögernd in die Holzkiste zurück. Dann griff er in die Tasche seines Anzuges, holte ein Bonbon hervor, wickelte es umständlich aus und lutschte dann genüsslich darauf herum, ehe er wieder antwortete.

Holmes beobachtete ihn dabei interessiert, als warte er auf ein bestimmtes Zeichen.

»Trotz des ungeheuren Wertes der Edelsteine«, begann der Inspektor lutschend, »man spricht übrigens von etwa einer Million Pfund – konnte ein Beauftragter des bekannten Agenten Richardson natürlich in dem Juwelengeschäft ein- und ausgehen, ohne sich jedes Mal den üblichen Kontrollen unterziehen zu müssen. Darüber hinaus war es ihm auch erlaubt, mehrere Teile der zur Auswahl stehenden Edelsteine mitzunehmen.«

»Aha«, warf Holmes ein.

Irritiert sah ihn der Inspektor an, dann fuhr er fort: »Kurz und gut, als man den Verkauf abschließen wollte, stellten die Juweliere fest, dass Burns alle Edelsteine in billige Imitationen umgetauscht hatte.«

Da mein Freund noch immer schwieg, ergriff ich wieder das Wort. »Burns wurde also verhaftet und nach London gebracht. Warum? Wäre das nicht ein Fall für Ihre französischen Kollegen gewesen?«

»Nun, es gab gewisse Rücksichten in diesem heiklen Fall. Immerhin waren die Edelsteine von einem bekannten Londoner Agenten bestellt und sollten für den Schmuck der Prinzessin Maud of Glingworth verarbeitet werden. Es ist Ihnen wahrscheinlich bekannt, Dr. Watson, dass die Prinzessin mit dem Hof eng verwandt ist? Jedenfalls gab man uns zu verstehen, dass man keinerlei Aufsehen in dieser Sache haben möchte. Also reiste ich nach Paris und konnte Burns mitnehmen, mit dem Versprechen, den Fall an die hiesigen Gerichte zu übergeben.«

»Wenn also für Sie und wohl auch für Ihre französischen Kollegen alles bereits aufgeklärt ist, wüsste ich gern, wo sich die Originale befinden.«

Inspektor MacDonald sah leicht betreten zu Holmes hinüber. »Tja … also … in dieser Angelegenheit recherchieren wir noch.«

»Sie wissen also nichts über den Verbleib der Edelsteine?«

»Nun, es gibt nicht sehr viele Möglichkeiten. Entweder hatte sie Burns im Hotelzimmer versteckt, aber dort wurde bereits alles untersucht. Oder, und davon gehen wir aus, er hatte einen Komplizen.«

»Und dieser ist …?«

»Wahrscheinlich längst in London«, ergänzte der Inspektor.

Sherlock Holmes erhob sich und nickte mir zu. »Es ist nicht mehr nötig, dass wir mit Burns selbst sprechen. Guten Tag, Inspektor.« Damit wandte er sich zum Gehen.

»Aber, aber … Mister Holmes! Ich habe veranlasst, dass der Gefangene … ich meine Burns … er wartet nebenan.«

»So? Nun, dann wollen wir ihn zumindest begrüßen. Er wird sich bestimmt sehr verloren vorkommen, hier in den Händen des Yards.«

MacDonald hatte eine Klingel gedrückt, und fast gleichzeitig wurde die Tür aufgerissen und zwischen uniformierten Beamten kam ein blasser junger Mann herein.

»Ah, Mister Burns«, begrüßte ihn Holmes. »Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen. Nun, Sie sollten sich keine Sorgen machen. Es wird zwar noch eine Weile dauern, aber ich bin sicher, wir werden Sie wieder freibekommen.«

»Danke schön, Sir, aber wieso glauben Sie, dass ich die Edelsteine nicht vertauscht habe? Der Inspektor …«

»Der Inspektor ist ein tüchtiger Mann, das wissen wir, nicht wahr, Watson? Aber ich bin bekannt dafür, mich nicht mit den offensichtlichen Tatsachen zufrieden zu geben.« Holmes lächelte den Inspektor erneut an. »Und dann fällt es mir auch sehr schwer zu glauben, dass Mister Burns seinen künftigen Schwiegervater bestehlen wollte.« Damit grüßte er den verblüfften Polizisten und verließ den Raum.

Ich folgte ihm eilig und holte ihn ein, als er mit großen Schritten den Gang hinunter eilte. »Holmes. Holmes! Zum Donnerwetter, warten Sie doch auf mich! Woher kennen Sie diese Einzelheiten?«

Holmes hielt keinen Augenblick inne. »Mein lieber Watson, wie oft habe ich Ihnen schon gesagt, dass man nicht nur die Zeitung lesen soll, sondern sich die wichtigsten Ereignisse auch merken muss. Selbst belanglose Details können später interessante Aufschlüsse bieten.«

»Und das heißt in diesem Fall?«

Holmes hatte die Treppe erreicht und drehte sich zu mir um. »Jetzt enttäuschen Sie mich wirklich. Tagelang berichten die Zeitungen über nichts anderes als den Schmuck und die Kleidung der Prinzessin. Die Frage Wer darf wohl was liefern? beschäftigt ganz London. Nur Dr. Watson weiß nicht, dass Richardson mit dem Kauf der Juwelen beauftragt wurde, und keinen besseren Angestellten dafür nehmen konnte als den Verlobten seiner Tochter.«

Der Detektiv eilte weiter, und ich war verärgert. Wer konnte schon ahnen, dass selbst dieser Klatsch einmal für uns wichtig sein sollte. Aber insgeheim musste ich Holmes zustimmen. Eine derartige Hochzeit und ein solcher Schmuck mussten ja geradezu ein Verbrechen herausfordern. Ein guter Detektiv informierte sich eben daher beizeiten über die Einzelheiten.

Der geheimnisvolle Inder

Ich saß allein in der Baker Street und wartete auf die Rückkehr meines Freundes. Gleich nach dem Verlassen des Yards hatte er sich von mir getrennt. Er müsse einige dringende Dinge erledigen, und ich solle ihn zu Hause erwarten. Das gefiel mir nicht. Untätig herumsitzen, während Holmes möglicherweise schon eine Spur verfolgte. Aber er hatte darauf bestanden, allein zu gehen. Also saß ich missmutig über den Nachmittagszeitungen, ohne mich richtig konzentrieren zu können. Keines der Blätter hatte noch einmal über den Fall berichtet, und so schien zunächst Richardsons größte Sorge, ein öffentlicher Skandal, gebannt zu sein.

Ich hörte unsere Haushälterin die Treppe heraufkommen. Gleich darauf trat sie mit einem kleinen Silbertablett in der Hand ein. »Dieser Umschlag wurde gerade von einem Boten abgegeben, Dr. Watson. Er ist an Sie adressiert.«

»An mich? Warten Sie bitte.« Ich suchte in den Taschen nach Kleingeld, aber Mrs Hudson winkte ab. »Der junge Mann ist schon fort. Er wollte kein Trinkgeld.«

Verwundert betrachtete ich den Umschlag, der nur meinen Namen trug. Die Handschrift war mir unbekannt, aber als ich ihn öffnete, fand ich einen Zettel von Holmes. Kommen Sie ins Café Victory. Holmes. Weiter nichts. Keine Uhrzeit, auch kein Hinweis, was diese Nachricht zu bedeuten hatte. Zweifellos war es Holmes’ Handschrift, und der Umschlag war vermutlich von dem Boten auf seine Anweisung beschriftet. Das konnte nur bedeuten, dass Sherlock Holmes bereits eine Spur verfolgte und diese Nachricht an mich hatte übermitteln lassen.

Ich griff nach Hut und Mantel und eilte die Treppen hinunter. Glücklicherweise fand ich in einer Nebenstraße gleich eine Droschke. Es war neblig geworden, und ein leichter Nieselregen ließ den Aufenthalt im Freien sehr ungemütlich werden. So kam die Droschke ohne große Hindernisse schnell durch die Stadt. Das Café Victory war mir bekannt. Es befand sich in der Nähe der Oxford Street und wurde zumeist von den Bankiers und Geschäftsleuten der Umgebung aufgesucht, um ein kleines Spiel zu wagen oder um geschäftliche Besprechungen in angenehmer Umgebung fortzusetzen. Der Wirt war bekannt für seine guten Umgangsformen, und so hatte sich das Café sehr schnell zu einem Treffpunkt der gehobenen Schichten entwickelt. Ich war gespannt, was Holmes dort zu suchen hatte. Sicher stand wieder eine Überraschung bevor.

Ich entlohnte den Kutscher, schlug den Mantelkragen hoch und sah mich um. Die Straßen waren leer, und jetzt kam auch noch ein unangenehmer Wind auf, der mich frösteln ließ. Schnell trat ich in das Café. Angenehme Wärme schlug mir entgegen. Ich erhielt einen Platz, von dem aus ich den Raum übersehen konnte.

Als mir der zweite Sherry serviert wurde, bemerkte ich einen großen dunkelhäutigen Mann. Er hatte schon längere Zeit am anderen Ende des Cafés gesessen und kam jetzt herüber. Durch seinen eleganten Turban, den gut geschnittenen Anzug und die zahlreichen blitzenden Ringe an seinen Händen wirkte er fast wie ein Prinz aus Tausendundeiner Nacht auf mich.

Vor meinem Tisch blieb der Inder stehen, verbeugte sich kurz und sprach mich leise in gutem Englisch an. »Hätten Sie Freude an einer Partie Schach, Sir?«

Ich wollte gerade ablehnen, als ich einen Blick des Inders auffing, der mich zusammenzucken ließ. Diese Augen, das war doch – Holmes! Ich holte tief Luft, aber mein Freund machte nur eine beschwichtigende Geste und nahm mir gegenüber Platz. Auf sein Zeichen hin brachte einer der Ober ein Schachbrett herüber und stellte es vor uns ab. Seelenruhig begann Holmes mit dem Aufstellen der Figuren. Dann nahm er einen weißen und einen schwarzen Bauern in jede Hand und hielt sie mir entgegen. Noch immer völlig durcheinander, tippte ich gedankenlos auf die rechte Hand.

»Weiß beginnt und Schwarz gewinnt«, sagte Holmes lächelnd und drehte das Schachbrett so, dass ich die weißen Figuren vor mir hatte.

»Weshalb die Verkleidung?«, flüsterte ich und zog den ersten Bauern.

»Abwarten. Wir dürfen uns nicht verdächtig machen. Tun Sie so, als würden Sie mich nicht kennen.«

Wir spielten schweigend. Ich ohne große Konzentration, Holmes dagegen präzise und schnell, offenbar ohne an etwas anderes zu denken als an das Spiel.

Mir war jetzt wirklich nicht nach einem Schachspiel zumute. Was sollte diese Verkleidung bedeuten? Ich hatte meinen Freund schon mehrfach in geradezu perfekten Masken erlebt, aber weshalb er jetzt als reicher Inder auftrat, war mir nicht klar. Ich musste meine Ungeduld bezwingen und mich auf das Schachspiel konzentrieren, schließlich wollte ich nicht das Vorhaben meines Freundes gefährden.

»Schach. Wenn Sie mir die Bemerkung erlauben, Sie spielen nicht sehr aufmerksam, Sir«, sagte Holmes und lächelte mir zu.

»Nun, dann will ich doch sehen, ob ich nicht wieder herauskomme.« Ich sah auf das Brett.

»Den Turm auf E 8, dann muss er den Springer nachziehen«, sagte in diesem Augenblick eine Stimme hinter mir.