Sherlock Holmes - Neue Fälle 25: Sherlock Holmes und das Urumi-Schwert -  - E-Book

Sherlock Holmes - Neue Fälle 25: Sherlock Holmes und das Urumi-Schwert E-Book

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Beschreibung

Vier Geschichten aus Dr. Watsons unerschöpflicher Nachlasssammlung zeigen Sherlock Holmes in Bestform.Eine nackte Tote aus der Themse offenbart Holmes bis auf ihren Namen alles über sich und ihren Mörder. Der versteht sich meisterhaft auf die Handhabung einer seltenen indischen Spezialwaffe.Auf der Suche nach einem verschwundenen Fabergé-Ei stellt der Meisterdetektiv Blenheim Castle, die weltberühmte Nobelimmobilie des Duke of Marlborough, komplett auf den Kopf. Zwei Leben stehen auf dem Spiel.Holmes muss in den Kindertagen des Films erfolgreich seinen untadeligen Ruf gegen einen betrügerischen Kino-Doppelgänger verteidigen.Im letzten Fall muss der unvergleichliche Meisterdetektiv ein kulinarisches Rätsel lösen. Er versucht es diesmal mit Eleganz.Die Printausgabe umfasst 198 Buchseiten.

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Seitenzahl: 203

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DIE NEUEN FÄLLE DES MEISTERDETEKTIVSSHERLOCK HOLMES

In dieser Reihe bisher erschienen:

3001 – Sherlock Holmes und die Zeitmaschine von Ralph E. Vaughan

3002 – Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge von J. J. Preyer

3003 – Sherlock Holmes und die geheimnisvolle Wand von Ronald M. Hahn

3004 – Sherlock Holmes und der Werwolf von Klaus-Peter Walter

3005 – Sherlock Holmes und der Teufel von St. James von J. J. Preyer

3006 – Dr. Watson von Michael Hardwick

3007 – Sherlock Holmes und die Drachenlady von Klaus-Peter Walter (Hrsg.)

3008 – Sherlock Holmes jagt Hieronymus Bosch von Martin Barkawitz

3009 – Sherlock Holmes und sein schwierigster Fall von Gary Lovisi

3010 – Sherlock Holmes und der Hund der Rache von Michael Hardwick

3011 – Sherlock Holmes und die indische Kette von Michael Buttler

3012 – Sherlock Holmes und der Fluch der Titanic von J. J. Preyer

3013 – Sherlock Holmes und das Freimaurerkomplott von J. J. Preyer

3014 – Sherlock Holmes im Auftrag der Krone von G. G. Grandt

3015 – Sherlock Holmes und die Diamanten der Prinzessin von E. C. Watson

3016 – Sherlock Holmes und die Geheimnisse von Blackwood Castle von E. C. Watson

3017 – Sherlock Holmes und die Kaiserattentate von G. G. Grandt

3018 – Sherlock Holmes und der Wiedergänger von William Meikle

3019 – Sherlock Holmes und die Farben des Verbrechens von Rolf Krohn

3020 – Sherlock Holmes und das Geheimnis von Rosie‘s Hall von Michael Buttler

3021 – Sherlock Holmes und der stumme Klavierspieler von Klaus-Peter Walter

3022 – Sherlock Holmes und die Geheimwaffe von Andreas Zwengel

3023 – Sherlock Holmes und die Kombinationsmaschine von Klaus-Peter Walter (Hrsg.)

3024 – Sherlock Holmes und der Sohn des Falschmünzers von Michael Buttler

3025 – Sherlock Holmes und das Urumi-Schwert von Klaus-Peter Walter (Hrsg.)

3026 – Sherlock Holmes und der gefallene Kamerad von Thomas Tippner

Klaus-Peter Walter (Hrsg.)

SHERLOCK HOLMESund das Urumi-Schwert

Basierend auf den Charakteren vonSir Arthur Conan Doyle

Klaus-Peter Walter, Dr. phil., wurde 1955 in Michelstadt/Odw. geboren und lebt heute in Bitburg. Nach einem Studium der Slawistik, ­Philiosophie und Osteuropäischen Geschichte in Mainz promovierte er ebendort 1983 mit Studien zur russischsprachig-jüdischen Dramatik im 20. Jahrhundert (Liber-Verlag), rezensierte zehn Jahre lang für dieFAZ, dann für Die Welt, schrieb Literatursendungen für SWR und HR und arbeitete u. a. am KLfG, am KNLL und von 1990 bis 2018 am Romanführer des Hiersemann-Verlages Stuttgart mit; gab im Corian-Verlag von 1993 bis zur Einstellung im Jahre 2014 das Loseblatt-Lexikon der Kriminalliteratur LKL heraus; schrieb neben Büchern über Russland 1995 für Ullstein Das James-Bond-Buch und gab 2002 Reclams Krimilexikon heraus; veröffentlichte zahlreiche Krimikurzgeschichten und wurde 2011 in Betzdorf für die Kurzgeschichte Findikus mit dem Preis Blutiges Messer ausgezeichnet. Für Alisha Bionda entstanden eine Reihe meist fantastischer Holmesiaden, darunter 2008 der DebütromanIm Reich des Cthulhu, dem 2011 die realistische Sammlung Sherlock Holmes und Old Shatterhand und das literarische Vexierspiel Sherlock Holmes und der Werwolf. Eine Fälschung (alles bei BLITZ) folgte. 2016 erschien bei KBV das Pastiche Sherlock Holmes und der Golem von Prag, in dem der Meister aus der Baker Street 1912 mit Franz Kafka und Oberst Redl zusammentrifft. 1883 beschafft er in Sherlock Holmes, Sisi und das Erbe des Karl Marx (2018, ebenfalls KBV) zusammen mit der österreichischen Märchenkaiserin in Bozen die geraubten Manuskripte von Marxens Kapital Band 2 und 3.

Als Hörbücher erschienen die meisten dieser Texte bei WinterZeit, einige wie Die bewegten Bilder bei Waldenberger Audio in Wien.

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2020 BLITZ-VerlagRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Mario HeyerLogo: Mark FreierVignette: iStock.com/neyro2008Satz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-224-0Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Inhaltsverzeichnis
Vorwort des Herausgebers
Sherlock Holmes und das Rätsel der Schildkrötensuppe
Nachtrag
Das Urumi-Schwert
Sherlock Holmes und die bewegten Bilder
Sherlock Holmes und das goldene Osterei

Vorwort des Herausgebers

Noch ein paar wenige Sherlock-Holmes-­Geschichten waren übrig und werden hier in Form einer kleinen Anthologie vereinigt.

Irgendwann zu Beginn des 20. Jahrhunderts muss Dr. Watson in Die bewegten Bilder zu seinem Entsetzen feststellen, dass sein seit Langem im Ruhestand lebender Freund vor Kurzem wegen Betrugs vor Gericht stand und dass ein Holmes-Double in einem höchst unanständigen Stummfilm auftritt. Beide Fälle hängen zusammen. Zur Beruhigung aller Fans: Holmes ist natürlich völlig unschuldig, und er löst die Probleme auf bewährte Art und Weise.

Das Urumi-Schwert wird erstmals als selbstständiger Text vorgestellt. Dieser Text war bereits 2018 in zwei Hälften geteilt in meinem Roman Sherlock Holmes, Sisi und das Erbe des Karl Marx als angebliche Erzählung aus der Feder Dr. Watsons enthalten. Er zeigt Sherlock ­Holmes auf dem Gipfelpunkt seiner deduktorischen Fähigkeiten. Nachdem er sie über den Grund seiner Anwesenheit in Südtirol unterrichtet hat und von ihr nach Meran eingeladen worden ist, trägt Dr. Watson die Geschichte im Roman 1883 der sportlichen, aber auch romantisch veranlagten und unkonventionellen Kaiserin Sisi vor. Sie lässt sich von der Duellszene derart beeindrucken, dass sie sofort an der Spitze ihrer militärischen Entourage mit gezücktem Säbel zu einem Überfall auf Schloss Runkelstein aufbricht, wohin die Manuskript-Konvolute für die beiden letzten Bände von Marxens Kapital verschleppt wurden. Das Urumi-Schwert bildet also, obwohl weder figural noch thematisch mit dem Haupttext des Romans verwoben, einen wichtigen Bestandteil seiner Figurenmotivation.

Das goldene Osterei liegt hier erstmals in gedruckter Form vor. 2019 erschien es auf CD als Hörspiel und exklusives Easter-Special für den Hörbuch-­Verlag ­WinterZeit. An dieser Stelle möchte ich unbedingt ­meinem langjährigen Kollegen, Mitarbeiter und Freund Dr. Jost Hindersmann für die Idee mit den Handtüchern in den Palastfenstern besonders danken!

Mit Das Rätsel der Schildkrötensuppe von Uwe Niemann schließlich erfüllt sich mir ein lange gehegter Wunsch: Ich wollte den Verfasser des schönen Sherlock-Holmes-Pastiches Das Rätsel der eiskalten Hand unbedingt als Beiträger zu einer Anthologie gewinnen. Dies ist nun geschehen, und ich danke Dr. Niemann für die Bereitschaft, mir seine Geschichte zu überlassen.

Viel Vergnügen also mit diesen Pastiches, die natürlich wie immer aus dem Nachlass von John H. Watson, M.D. stammen!

Klaus-Peter Walter

Sherlock Holmes und das Rätsel der Schildkrötensuppe

Uwe Niemann

Bei Niederschrift meiner vielfältigen Abenteuer, die ich mit meinem Freund und Mentor Sherlock Holmes in so großer Zahl erleben durfte, habe ich mich oft gefragt, welche besonderen Eigenschaften ihn dazu befähigten, allein durch die Kraft seines überragenden Geistes und nur selten durch Einsatz seiner nicht zu unterschätzenden körperlichen Kraft so unglaubliche Taten zu vollbringen. Natürlich spielte seine hohe Intelligenz eine Rolle, die ihn durch Anwendung präziser Logik komplizierte Rätsel lösen ließ, während das Niveau seiner Allgemeinbildung doch zu wünschen übrig ließ. Dabei sollte ich besser sagen, dass sein allgemeiner Kenntnisstand beachtliche Lücken aufwies, während er auf anderen Gebieten wie der Chemie und Pharmazie mit der Toxikologie oder der Medizin mit der Pathologie über ein glänzendes Wissen verfügte, das weit über die Fähigkeiten eines gebildeten Laien hinausging. Anderes interessierte ihn kaum, der moderne psychologische Roman französischer Provenienz öde ihn an, wie er mir einmal gestand, denn das Leben schreibe die besten Romane. Mit der Malerei und den Anforderungen der ästhetischen Wahrnehmung schien er mir völlig überfordert, denn als ich ihn einmal in London in eine Ausstellung moderner Malerei mitnahm, war er gelangweilt und erlaubte es sich, mit einem seiner langen Finger auf der Oberfläche eines sehr farbigen Ölgemäldes herumzukratzen, um der chemischen Zusammensetzung der verwendeten Farben auf die Spur zu kommen. Natürlich wurden wir der Galerie verwiesen.

Diese Analyse trifft jedoch vermutlich nicht den wahren und inneren Kern von Holmes‘ außerordentlicher Persönlichkeit. Wie auch dieser Bericht zeigen wird, war es vermutlich seine Fähigkeit, kleinste Details einer Ermittlung mit anderen offensichtlichen Indizien eines Falls in Verbindung zu setzen, um schließlich eine erstaunliche Lösung zu präsentieren, wobei sich die anderen Beteiligten fragten, warum nicht auch sie auf die Erkenntnis von so etwas Banalem gekommen waren. Bei einer Ermittlung, über die später in aller Ausführlichkeit zu berichten sein wird, und die das Vereinigte Königreich einige Wochen in Atem hielt, vermochte er die Struktur eines Knopfes, den er am Tatort fand, mit einer jahrhundertealten schottischen Familiengeschichte in Verbindung zu bringen und konnte damit die Identität eines unbekannten Mordopfers, das einem perfiden Plan erlegen war, auf glänzende Weise klären. Die folgende Geschichte zeigt aber auch, wie recht Holmes mit seiner Mahnung hatte, nicht nur das Offensichtliche zu analysieren, sondern sich auch zu fragen, was an einem Tatort nicht vorhanden oder anders war als sonst.

Das Frühjahr und der Sommer des Jahres, aus dem ich berichten will, waren für Holmes und mich ungewöhnlich ruhig verlaufen. Er ging Beschäftigungen nach, die mir manchmal sonderbar, wenn nicht abstrus erschienen, und die seinem ungeordneten Wissensdrang geschuldet waren. Nahezu auf sich gestellt, hatte er die Entführung der jüngsten Tochter des Earls of Kildane beendet, die sich schließlich als eine Art Schmierenkomödie im Umkreis der Familie entpuppte und die Holmes eher als Fingerübung denn als ernsthafte Herausforderung betrachtet hatte. Doch der Earl hatte sich bei seinem Honorar als überaus generös erwiesen und Holmes einen Besuch abgestattet, um ihm seinen tief empfundenen Dank auszusprechen. Ich war bei dem Gespräch zufällig anwesend und erfuhr so, dass uns der glückliche Vater für den Herbst dieses Jahres zu der berühmten Treibjagd auf seinen schottischen Landsitz einlud. Nun bin ich nach meinen Kriegserfahrungen kein Freund von Gewehrsalven und Pulverdampf, ja, ich erwache immer noch schweißgebadet aus Albträumen mit kriegerischen Verwicklungen. Und Holmes schätzte die gesellschaftlichen Verpflichtungen, die sich nun einmal aus solchen Einladungen ergaben, überhaupt nicht, denn sie störten seinen Tagesablauf, der sich so sehr von dem anderer Menschen unterschied. Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse seiner Mitmenschen und gesellschaftliche Konventionen waren ihm fremd, und er war durchaus in der Lage, sich in größerer Gesellschaft einen Sessel ans Fenster oder an den Kamin zu stellen, in Schweigen zu verfallen und einzuschlafen.

So ging ich auch diesmal davon aus, dass Holmes die Einladung ablehnen würde, doch zu meiner großen Überraschung sagte er zu, vielleicht, weil sie vom Earl mit viel Charme und Freundlichkeit vorgebracht wurde. Wir fuhren also Anfang Oktober für eine Woche nach Schottland.

Ein langer warmer Sommer war nahtlos in einen goldenen Herbst übergegangen, das Laub der Wälder bot ein unglaubliches Farbenspiel, ohne vom sonst so drückenden Nebel überdeckt zu werden, und auf den einsamen und abgeholzten Hochflächen in Schottland standen die Kriechgewächse des Bodens, Heide und Ginster, noch in voller Blüte. Unsere Reise nach Schottland war erstaunlich bequem, dauerte jedoch länger als erwartet, denn Holmes hatte Zugverbindungen herausgesucht, die uns auf verschlungenen Wegen durch das Vereinigte Königreich führten, das lästige Umsteigen aber nahezu vollständig vermieden.

Darrick Castle, Landsitz und Jagdschloss des Earls, stand auf einer schmalen Landzunge in Loch Less, das mit seinen gezackten Ufern und schmalen Buchten einige Dutzend Meilen lang war, während seine Breite an der engsten Stelle in einer halben Stunde mittels eines Ruderbootes überwunden werden konnte. Die Umrundung des Sees auf seinem geschlängelten Uferweg, der ständig Höhen und Tiefen überwand, erforderte sicher einige Tage intensives Wandern mit guter Ausrüstung. Darrick Castle lag sehr einsam, doch der Earl of Kildane hatte keine Mühen und Gelder gescheut, die Annehmlichkeiten unserer städtischen Zivilisation in diese malerische Einöde zu holen, sodass sogar warmes Wasser zur Körperpflege ständig bereitgehalten wurde. Wer einmal Fremde in seinem eigenen Anwesen bewirtet hat, weiß, welchen Aufwand es bedeutet, die über einhundert Mitglieder einer Jagdgesellschaft über Tage hinweg mit allem zu versorgen, was anspruchsvolle Gäste nun einmal erwarten. Doch Vorratsräume und Keller in Darrick Castle waren prall gefüllt, und das gut geschulte Personal schaffte es, die unvermeidlichen kleinen Störungen im Ablauf der Jagdwoche auszugleichen, ohne dass Verzögerungen das Ereignis gefährdet hätten.

Die natürliche Feinfühligkeit von Lord Kildane, der den unausgesprochenen Wunsch von Holmes und mir verstanden hatte, von den übrigen Mitgliedern der Jagdgesellschaft in gewissem Maße abgesondert zu sein, verschaffte uns eine Unterbringung in einem abgelegenen Seitenflügel des Schlosses, den eine Tante der früh verstorbenen Gattin des Lords bis zu ihrem Tod bewohnt hatte. Dort wurden wir von extra für uns abgestelltem Personal bewirtet. Wenn auch die überladene Einrichtung dieser Flucht von Räumen nicht unserem Geschmack entsprach, so war sie doch behaglich genug, um uns von der überwältigenden Gastlichkeit von Darrick Castle zu überzeugen. Lord Kildane hatte uns bei der Begrüßung völlig freie Hand bei der Gestaltung unseres Aufenthaltes zugesichert und uns nur gebeten, an den Abendveranstaltungen am Beginn und am Ende der Jagdwoche teilzunehmen, da sie einen besonderen Höhepunkt der Festwoche boten. Natürlich verstanden Holmes und ich, dass wir der Jagdgesellschaft als besondere Ehrengäste präsentiert werden sollten, und ich präparierte während der Zugfahrt eine kurze Erzählung aus dem reichen Fundus unserer Abenteuer, die ich bei diesem Anlass zum Besten geben könnte – sollte ich dazu aufgefordert werden.

Wir hatten Darrick Castle am frühen Nachmittag erreicht, und der sonnige Tag versprach eine goldene Abendstimmung über den Hügeln und dem See, sodass ich Holmes zu einem Spaziergang aufforderte, der auch dazu dienen sollte, die Umgebung des Schlosses ein wenig zu erkunden. Unsere Wohnung im Schloss hatte einen eigenen Eingang, und wir konnten unbemerkt von der übrigen Gesellschaft ein und aus gehen. Holmes‘ Stimmung war während der Reise ungewohnt heiter und aufgeräumt gewesen, wobei mich sein sprunghafter Wechsel unserer Gesprächsthemen vermuten ließ, er habe einer seiner stimmungsaufhellenden Drogen mehr als sonst zugesprochen. Doch als wir unser Apartment in Darrick Castle erreichten, wurde er mürrisch und schweigsam. Er streifte durch die Zimmerflucht, ohne sich um das Gepäck zu kümmern, fand schließlich einen Lehnsessel, der entfernte Ähnlichkeit mit dem aus der Baker Street besaß, schob ihn vor einen Erker mit tiefen Fenstern und versenkte sich in ihm.

Ich wusste, dass man ihn in dieser Gemütsanwandlung nicht stören oder gar anreden durfte, überwachte das Ausräumen unserer Koffer und wartete, bis nach einer Weile Rauchkringel aus seiner geliebten Pfeife zur Decke aufstiegen.

Der Erker im Wohnraum unseres Apartments lag nach Süden, und wir konnten durch die Fenster über den See auf das gegenüberliegende Ufer blicken, das zum Greifen nahe schien. Drüben lag Corbyn Abbey, ein grauer, mächtiger und Furcht einflößender Bau mit zahllosen Giebeln und Schornsteinen, dessen Mauerwerk an vielen Stellen von Efeu überwuchert war. Die früheren Bewohner, Mönche eines mir unbekannten Ordens, hatten die Abtei längst verlassen, und ich hatte auf der Hinfahrt von Holmes erfahren, dass die riesige, verwinkelte Anlage von einem überaus reichen Industriellen, Sir Soames Carlyle, und seiner jungen Frau bewohnt wurde. Mir schien das Bauwerk einem Gefängnis zu gleichen, und ich staunte über den Gegensatz zwischen der Lebhaftigkeit von Darrick Castle und der Totenruhe der Abtei, denn außer einer schmalen Rauchfahne an einem der Schornsteine kündete kein anderes Zeichen von Leben in diesem steinernen Palast.

Meine Betrachtung unserer Umgebung wurde von Holmes‘ Stimme unterbrochen, die dumpf und unheilschwanger aus den Tiefen des Sessels zu mir drang. „Watson, ich fühle, dass etwas geschehen wird und wir bald aufs Äußerste gefordert sein werden.“ Zur Untermauerung seiner Worte ließ er die Knöchel seiner Finger einzeln knacken, bei ihm ein Zeichen höchster nervöser Anspannung.

In früheren Jahren hätte ich auf eine derartige ungenaue Prophezeiung geantwortet, dass im Leben in jedem Augenblick etwas geschieht, ja, dass dies geradezu eine Eigenschaft des Lebens sei und deshalb seine Ahnung nichts bedeute, aber ich war aus der Erfahrung mit Holmes vorsichtiger geworden. Allzu oft hatte er mit seinen zunächst nebulösen Ankündigungen recht gehabt. Vielleicht erlaubte es ihm der besondere Bau seines wahrnehmenden Nervensystems, Spannungen im allumfassenden Äther zu entdecken, die von anderen Menschen ausgelöst wurden, den Normalsterblichen aber verborgen blieben, so wie manche Hunde Geruchsspuren entdecken, die von der menschlichen Nase nicht wahrgenommen werden können. Doch ich verliere mich in Spekulationen. Zu weiteren Erklärungen ließ Holmes sich nicht bewegen, und er blieb schweigsam, ja, geradezu abweisend, bis wir uns zum Abendessen umkleideten.

Die riesige Tafel in der großen Halle von Darrick Castle war bis auf den letzten Platz eingedeckt. Kristallgläser und Silber glänzten im Kerzenschein der Deckenleuchter, und in großen ovalen Silberschalen stellten Tischdekorationen auf Moos mit Holzfiguren Jagdszenen nach. Auf der Empore hatte ein Streichorchester Aufstellung genommen, das mit eingängigen Melodien die Pausen zwischen den Gängen verkürzen sollte. Lord Kildane hatte an dem einen Ende der Tafel Platz genommen, und der Stuhl zu seiner Linken war aus liebevoller Pietät freigelassen und mit einem Bild der verstorbenen Ehefrau geschmückt worden. Rechts neben ihm saßen seine ­beiden gerade erwachsen gewordenen, noch unverheirateten Söhne, deren körperliche Vorzüge bei geringen geistigen Gaben sie befähigen sollten, eines Tages in den Militärdienst einzutreten, wie ihr Vater mir verriet.

Zwischen Holmes und mir hatte man General Gravestone platziert, einen alten Haudegen aus den afrikanischen Kolonialkriegen, der mich in ein Gespräch über die Notwendigkeit, das Mutterland des Empires von Kontinentaleuropa abzuschotten, zu verwickeln trachtete. Ich antwortete ihm, dass ich als zivilisierter Mensch italienischen Belcanto, deutsche Philosophie und französisches Essen sehr schätzte und mich an keine derartige Hervorbringung in unserer Heimat erinnern könnte.

„Unsinn, Watson“, brummte er ärgerlich, „bin mit Porridge und Bier zum Frühstück groß geworden, brauche keine Froschschenkel.“

Ich dachte, dass es zu einer Annäherung so verschiedener europäischer Kulturen noch ein weiter Weg sei. Mein Tischnachbar wandte sich dann aber an Holmes, der ein so schlüpfriges Terrain als Gesprächsthema mied und ihn über die neuesten chemischen Errungenschaften bei der Artillerie befragte.

Die Suppe war gerade aufgetragen worden, eine köstliche Melange aus Portwein, Sahne, Wachtelbrüsten und den essbaren Innereien dieser so harmlosen und possierlichen Vögelchen, als wir aus der Eingangshalle laute und erregte Stimmen hörten. Lord Kildane war zunächst geneigt, diese ungebührliche Störung nicht zu beachten, gab dann aber seinem Diener, der hinter ihm stand und nur für die Bedienung der Familienangehörigen am Ende der Tafel abgestellt war, zu verstehen, dass er auf möglichst dezente Weise nach der Ursache der Aufregung sehen möge. Seinem Butler, der über die Jahre hinweg auf erstaunliche Weise seine Physiognomie der seines Herrn angenähert hatte, war jede Hektik in Gestik und Mimik fremd. Er entfernte sich mit präzise abgemessenen Schritten, die dem Takt einer Pendeluhr hätten entstammen können. Schnell verstummten die Stimmen in der Halle, und der Butler kehrte so würdevoll zurück, wie er gegangen war. Auf einem silbernen Tablett präsentierte er seinem Herrn einen Umschlag. Lord Kildane öffnete und überflog ihn und zögerte nicht, Holmes und mich in eines der Nebenzimmer der großen Halle zu bitten, das für die letzte Zubereitung der Speisen genutzt wurde. Unser Weggang wurde kaum beachtet, denn die Suppentassen wurden abgeräumt, die Gespräche setzten wieder ein, und das Orchester spielte Walzer.

„Leider muss ich Sie bitten, meine Herren“, begann er und schien ehrlich betrübt zu sein, „unsere Abend­gesellschaft unverzüglich zu verlassen und trotz der fortgeschrittenen Stunde einen Auftrag anzunehmen.“

Über Holmes‘ Züge huschte der Hauch eines Lächelns, mit dem er die Korrektheit seiner Vermutung vom Nachmittag, ohne zu triumphieren, bestätigt sah. Ich will den Inhalt von Lord Kildanes Worten und die genauso umständliche Formulierung aus dem Brief nicht in allen Einzelheiten wiedergeben, sondern zusammenfassen.

Am frühen Abend des gestrigen Tages war Sir ­Carlyle im Speisesaal von Corbyn Abbey auf dem Boden liegend tot aufgefunden worden. Man hatte dieser Tatsache zunächst wenig Bedeutung geschenkt, denn Sir Carlyle war seit einem Schlaganfall vor einigen Jahren an den Rollstuhl gefesselt und zusehends gebrechlicher geworden. Der Hausarzt war gerufen worden und hatte keine Zweifel am natürlichen Tod seines Patienten geäußert. Doch am heutigen Mittag war eine überraschende Wendung eingetreten. Polizei war plötzlich in Corbyn Abbey aufgetaucht, hatte die Wohnräume durchsucht und schließlich die junge Frau von Sir Soames, Lady Sarah Carlyle, unter dem Verdacht verhaftet, ihren Mann mit einem schnell wirksamen Gift umgebracht zu haben. Der Brief stammte von Reverend Pearson, einem viele Jahre älteren Halbbruder von Lady Carlyle, der sich gleich nach ihrer Verhaftung nach Corbyn Abbey aufgemacht und wohl auf verschlungenen Wegen von unserer Anwesenheit auf Darrick Castle erfahren hatte.

„Reverend Pearson ist ein alter Vertrauter, um nicht zu sagen, Freund unserer Familie“, fuhr Lord Kildane fort, „der mir in den trüben Stunden während des Siechtums meiner Frau zur Seite stand, ihr geistlichen Beistand leistete und sich nicht scheute, zu jeder Tages- und Nachtzeit zu kommen, wenn wir seiner bedurften. Deshalb kann ich es nicht übers Herz bringen, ihm nicht zu helfen, wenn er so dringlich darum bittet.“

Der flehentliche Ton des Briefes war mir nicht entgangen. Ich schaute Holmes fragend an, doch er beachtete mich nicht, sondern ergriff die Hand von Lord Kildane und hatte bereits eine Entscheidung getroffen. „Eure Lordschaft können versichert sein, dass wir alles Menschenmögliche tun werden, um uns noch heute Nacht einen Eindruck von den Ereignissen in Corbyn Abbey zu verschaffen. Wenn Lady Carlyle zu Unrecht beschuldigt wird, werden wir ihre Unschuld beweisen, doch sollte sie schuldig sein“, seine Stimme wurde besonders ernst und bedeutungsschwer, „dann werden wir sie der irdischen Rechtsprechung überlassen.“

„Natürlich Holmes, natürlich. Anderes habe ich nicht erwartet“, erwiderte Lord Kildane. „Doch mein Gefühl sagt mir, dass Lady Carlyle so unschuldig ist wie jeder von uns. In früheren Zeiten, als es der Gesundheitszustand von Sir Soames erlaubte, haben wir uns öfter und zwanglos in kleinem Kreise entweder hier oder drüben in Corbyn Abbey getroffen. Es mögen anfangs schwere Jahre für die junge Frau in diesem alten und kalten Gemäuer gewesen sein, aber später hat sie sich mit Hingabe der Pflege ihres Mannes gewidmet, der um so vieles älter war, ja, man kann sagen, dass sie dies zu ihrer eigentlichen Lebensaufgabe gemacht hatte. Ihre Treue war über alle Zweifel erhaben, sie hat trotz ihrer bemerkenswerten Schönheit und Jugendlichkeit allen Anfechtungen widerstanden, und niemals vermochten ihr noch die bösesten Klatschzungen, eine Liebelei oder Affäre anzuhängen“, ergänzte Lord Kildane, als hätte er unsere Gedanken erahnt.

Bei mir dachte ich, dass trotz der hinreißenden Schönheit von Lady Carlyle die weltabgeschiedene Lage der Abtei und die Lebensumstände hinter diesen grauen Klostermauern wohl jeden Liebhaber abgeschreckt hätten.

Holmes fing an, ungeduldig zu werden und riet zu baldigem Aufbruch. „Sollte ich jemals, meine Herren, ein Lehrbuch der Kriminalistik herausbringen, so wird das erste Kapitel eine Ausführung über den Grundsatz sein, dass die frühzeitige Inaugenscheinnahme des Tatorts von elementarer Bedeutung für die weiteren Ermittlungen ist. Die Zeit verwischt so viele Spuren, und wir dürfen nicht vergessen, dass seit dem Ableben von Sir Soames schon vierundzwanzig Stunden vergangen sind. Also, Watson, Beeilung. Wir holen unsere Mäntel und Stöcke. Für das Ablegen der Abendgarderobe und den Wechsel auf bequemere Kleidung bleibt keine Zeit. Beeilung, Beeilung. In fünf Minuten am Hauptportal.“

Ich stimmte zu, verneigte mich vor Lord Kildane, der zur Gesellschaft zurückkehrte, und traf in aller Kürze die notwendigen Vorbereitungen für unsere nächtliche Exkursion.

Natürlich hatte ich mich gefragt, wie wir am späten Abend und in voller Dunkelheit Corbyn Abbey erreichen sollten, doch die Antwort stand vor dem Portal von Darrick Castle und wartete auf uns. Zwei kräftige Männer lehnten an den Säulen und rauchten in aller Seelenruhe ihre Pfeifen. Als sie uns bemerkten, nahmen sie zwei hell leuchtende Laternen vom Boden auf und winkten uns, ihnen zu folgen. Wir gingen über die riesige Rasenfläche, die Darrick Castle wie ein Teppich umgab, und erreichten bald das Seeufer mit einem Steg aus Eichenbohlen, wo ein Ruderboot lag. Unsere beiden Begleiter, Stallknechte von Corbyn Abbey, die wie Brüder wirkten, tatsächlich aber Vater und Sohn waren, setzten sich auf die Ruderbank, hielten das Boot ruhig am Steg, bis wir Platz genommen hatten, und legten sich dann mächtig ins Zeug, um uns schon mit einigen wenigen kräftigen Ruderschlägen vom Ufer zu entfernen. Meine Hände wären nach kurzer Zeit vom rauen Holz der Rudergriffe wund geworden, doch ihren mächtigen Pranken schien das nichts auszumachen.

Die Nacht war für diese fortgeschrittene Jahreszeit seltsam klar und wenig kühl, und es war kaum ein Windhauch zu spüren. Silbrig stand der Mond am Himmel, spiegelte sich in der Wasseroberfläche des Sees, und seine Ränder waren so scharf gezeichnet, als wären sie mittels einer Schablone ausgeschnitten. Das Ufer des Sees mit seinem dichten Bewuchs aus Nadelbäumen war in Dunkelheit versunken.