Sich(er) fühlen: Dein Körper ist der Schlüssel - Kathleen Kunze - E-Book

Sich(er) fühlen: Dein Körper ist der Schlüssel E-Book

Kathleen Kunze

0,0
13,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Fühlst du dich oft innerlich unruhig, angespannt oder von unerklärlichen Ängsten überwältigt? Was, wenn dein Körper selbst der Schlüssel zu all diesen Problemen ist? Unser Nervensystem sendet ständig Signale – es sehnt sich nach Sicherheit. Doch oft fehlt uns diese innere Sicherheit, besonders wenn wir schwierige Lebensumstände, chronischen Stress oder negative Erfahrungen aus der Kindheit mit uns tragen. Kathleen Kunze, systemische Beraterin und Expertin für Nervensystemregulation, nimmt dich in vier Teilen mit auf eine Reise, dein Nervensystem zu verstehen und zu regulieren. Lerne, wieder mit deiner inneren Kommandozentrale in Kontakt zu treten, deinen Körper als Verbündeten zu sehen und finde zurück zu einem sich(er) fühlenden Selbst – mit praktischen, leicht umsetzbaren Tools und sanften, körperorientierten Übungen. Der Weg zu einem Leben in Balance und Wohlbefinden beginnt in dir.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 332

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Kathleen Kunze

@kathleenkunzeofficial

Sicher fühlen

Dein Körper ist der Schlüssel

Kathleen Kunze

@kathleenkunzeofficial

Sicher fühlen

Dein Körper ist der Schlüssel

Lerne, dein Nervensystem zu regulieren und dich von Trauma, Stress und Angst zu befreien

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Wichtige Hinweise

Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung und Ernährungsberatung und sollte auch nicht als solcher benutzt werden. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und der Autor haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

Originalausgabe

2. Auflage 2025

© 2025 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Redaktion: Stephanie Kaiser-Dauer

Umschlaggestaltung: Manuela Amode

Umschlagabbildung: korkeng/AdobeStock

Layout: Manuela Amode

Illustrationen: Katharina Borgs

Satz: Christiane Schuster | www.kapazunder.de

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-7474-0667-0

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-98922-087-4

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.mvg-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Für Nikolas

Inhalt

Einleitung

Wir alle wollen uns im Leben sicher fühlen

Was mich bewegt, über das Nervensystem zu schreiben

Was du in diesem Buch findest und wie du es nutzen kannst

Hinweise für deine Sicherheit

Teil 1: Wie dein autonomes Nervensystem funktioniert

Lerne die Funktionsweise des autonomen Nervensystems kennen

Unser autonomes Nervensystem hat drei wichtige Teile

Regulation und Dysregulation: Was genau ist das eigentlich?

Was du erreichen willst: Ein flexibles Nervensystem

Ein erster Schritt: Stimuliere deinen Vagusnerv!

Wie wir gelernt haben zu überleben

Wo unser dysreguliertes Nervensystem seinen Ursprung hat

Was wir brauchen, um uns sicher zu fühlen

Wie wir gelernt haben, Unsicherheit zu bewältigen

Was dysreguliert heute dein Nervensystem?

Wie unser Nervensystem uns schützt

Unsere Überlebensstrategien: Wie unser Nervensystem für unsere Sicherheit sorgt

Was Gefahr mit unserem Gehirn macht

Bist du bereit, den nächsten Schritt zu gehen?

Teil 2: Sich fühlen – komme mit deinem Nervensystem in Kontakt

Warum die Verbindung zu unserem Körper so wichtig ist

Unser Körper und unser Nervensystem kommunizieren miteinander

Wie unser Körper reagiert, wenn wir uns bedroht fühlen

Unser Nervensystem entscheidet, ob wir sicher sind – auf Basis unserer Körpersignale

Komme mit deinem Körper in Kontakt

Identifiziere die Signale deines Körpers

Pendeln: Der Weg zur gesunden Körperwahrnehmung

Die Bedeutung der Emotionsregulation

Das Nervensystem regulieren – und wie geht das nun konkret?

Es gibt zwei Wege, dich zu regulieren

Die autonome Leiter der Regulation

Taue wieder auf: Reguliere den Freeze

Baue Spannung ab: Reguliere die Sympathikus-Aktivierung

Lerne, dich sicher zu fühlen: Verankere deinen Wohlfühlzustand

Teil 3: Reguliere dich – jetzt wird es praktisch

Körperorientierte Wege zurück in die Regulation

So wirken somatische Tools für die Regulation deines Nervensystems

Regulationsziel 1: Taue aus dem Freeze auf

Regulationsziel 2: Baue Spannung ab

Regulationsziel 3: Reguliere Emotionen und akute Trigger

Regulationsziel 4: Stärke deinen Vagusnerv

Kleine Tools für unterwegs, wenn du mit Menschen bist oder es schnell gehen soll

Notfalltools, die keine Übungen sind

Finde deinen individuellen Regulationsmix

Teil 4: Sich(er) fühlen – dein Weg zurück zu einem regulierten Nervensystem

»Wie schnell komme ich wieder zurück in die Regulation?«

Wie oft und wann soll ich üben?

Mache schnelle Fortschritte und gib deinem Nervensystem Zeit

Lerne in guten Zeiten: Die Rolle positiver Emotionen

Das Ergebnis der Nervensystemarbeit: Selbstmitgefühl

Unser Leben ist ein Auf und Ab: Wie gehst du mit dir selbst darin um?

Die Rolle unserer inneren Anteile

Warum Selbstmitgefühl so wichtig ist für dein Nervensystem

Zum Abschluss: Du kannst Sicherheit in deinem Körper herstellen

Danksagung

Über die Autorin

Literaturverzeichnis

Toolübersicht

Einleitung

Kommen dir diese oder ähnliche Symptome bekannt vor?

Es fällt dir schwer, zur Ruhe zu kommen.

Du kannst abends nicht einschlafen oder wachst viel zu früh am Morgen oder häufig in der Nacht auf.

Du fühlst dich häufig sehr gestresst und getrieben.

Du bis sehr sensibel und fühlst dich schnell überfordert, wenn zu viele Reize auf dich einströmen.

Du fühlst dich schon längere Zeit oder häufig sehr antriebslos.

Deine Emotionen sind oft sehr stark und du hast das Gefühl, du kannst sie nicht kontrollieren.

Du machst es anderen Menschen ständig recht und kommst selbst zu kurz dabei.

Du fühlst immer wieder eine starke innere Unruhe und Ängstlichkeit.

Du leidest unter Angst- oder Panikattacken.

Du leidest unter chronischen starken Verspannungen.

Du steckst in einem Burn-out.

Du hast chronische Schmerzen.

Du hast immer wieder Verdauungsprobleme oder chronische Magen-Darm-Beschwerden.

Du leidest unter einer Krankheit wie Long Covid, ME/CFS, Fibromyalgie oder einer Autoimmunerkrankung.

Damit bist du nicht allein. Viele von uns leiden unter einem oder mehreren der genannten Symptome oder haben eine entsprechende Diagnose erhalten und sind auf der Suche nach der Behandlung, die ihre Symptome verringert. Viele haben schon einen langen Weg hinter sich und erfahren doch keine wirkliche Verbesserung. Für die oben genannten Symptome kann das Arbeiten an der Regulation deines autonomen Nervensystems ein guter Weg sein, um positiven Einfluss zu nehmen.

Wir alle wollen uns im Leben sicher fühlen

Wo man momentan hinhört, ist vom autonomen Nervensystem die Rede. Und das ist auch gar kein Wunder. Ist doch inzwischen die Forschung zu diesem Ansatzpunkt menschlichen Wohlbefindens weiter gediehen und deutlich klarer in ihrer Aussage, dass wir darüber tatsächlich Einfluss gewinnen auf die Gesundheit unseres Körpers und unserer Psyche und damit auf unser Wohlbefinden. Die positiven Erfahrungen vieler Menschen mit der Regulation ihres Nervensystems – von Menschen, deren Symptome über schulmedizinische Ansätze nicht erklärbar und veränderbar waren –, sprechen für sich.

Der menschliche Körper ist ein komplexes System, in dem es kaum einfache Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge gibt. Stattdessen sind seine verschiedenen Teile und Strukturen miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. So ist es bei vielen körperlichen Beschwerdebildern und noch viel mehr bei psychischen Symptomen oft nicht möglich, die eine Ursache zu finden, mit der wir unsere Beeinträchtigungen einfach erklären und beheben können. Oft braucht es eine ganzheitliche Sicht auf das System unseres Körpers, um wirkliche Verbesserung zu erreichen.

Das autonome Nervensystem ist dafür ein vielversprechender Ansatzort, denn es durchzieht einen sehr großen Teil unseres Körpers, es nimmt Einfluss auf die meisten Organe, es reguliert viele essenziell wichtige Körperfunktionen. Gerät das autonome Nervensystem aus dem Gleichgewicht, dann spüren wir das in vielfältigen körperlichen und psychischen Ausprägungen. Ein dysreguliertes Nervensystem verändert die Funktion unserer Organe und beeinträchtigt unser Muskel- und Fasziengewebe. Es verändert aber auch unsere Gedanken, unsere Emotionen und unsere Körperempfindungen. Es beeinflusst unsere Haltung zum Leben, unseren Mitmenschen und uns selbst gegenüber. Die Auswirkungen eines dysregulierten Nervensystems sind enorm und viele von uns spüren sie. Denn unsere heutigen Lebensumstände, die Krisen in dieser Welt, in der wir leben, und auch die Art und Weise, in der viele von uns aufgewachsen sind, tragen nicht dazu bei, dass unser Nervensystem im Gleichgewicht bleiben kann.

Wir Menschen brauchen vor allem eines, um uns im Leben wohlfühlen und gesund bleiben zu können: Wir müssen uns sicher fühlen. Dieses Grundgefühl von Sicherheit fehlt vielen von uns. Damit sind die Grundlagen für ein dysreguliertes Nervensystem gelegt – und folglich für eine Vielzahl von Symptomen, die oft schulmedizinisch nicht erklärbar und auch nicht vollständig heilbar sind.

Die gute Nachricht ist, dass jede und jeder von uns lernen kann, sich wieder sicher im Leben zu fühlen. Wir können auch lernen, eine innige und gesunde Beziehung zu unserem Körper aufzubauen und unser Nervensystem zu regulieren. Dieses Buch soll dazu beitragen, uns allen die Chance zu geben, wieder zurück in unser Gleichgewicht zu kommen: zu einem regulierten Nervensystem, mit dem wir sicher durch unser Leben gehen können.

Was mich bewegt, über das Nervensystem zu schreiben

Mich selbst begleitet das Thema des autonomen Nervensystems seit inzwischen über 16 Jahren. Meine Reise begann mit der Geburt meines Sohnes, der nach einer schwierigen Schwangerschaft acht Wochen zu früh auf diese Welt kam. Damals fragte ich mich, welche Auswirkungen das wohl auf seine Entwicklung haben würde. Vor 16 Jahren war, gerade in Deutschland, kaum Wissen zur langfristigen gesundheitlichen und psychischen Entwicklungsprognose von Frühgeborenen verfügbar. Das verändert sich glücklicherweise inzwischen, wenn auch langsam. Auch Informationen über das autonome Nervensystem, frühkindliche Traumatisierung und die Folgen für die Mütter und Väter waren damals kaum verfügbar. Ich sprach mit Ärzten, Physiotherapeuten und Psychologen, doch niemand kannte sich wirklich aus. Also ging ich selbst auf die Suche – eine jahrelange Suche, wohlgemerkt.

Was mir damals vor 16 Jahren noch nicht bewusst war: Diese Schwangerschaft und Geburtserfahrung hatten auch Auswirkungen auf mich. Ungefähr ein Jahr danach bekam ich körperliche Symptome. Wiederkehrende schlimme Halsentzündungen, entzündete Zahnwurzeln, Panikattacken bis hin zu Hautkrebs – über die Jahre zeigte mein Körper immer deutlicher, dass etwas nicht stimmte. Jede dieser Erkrankungen bekam ich mit viel Zeit und Geld unter Kontrolle, nur um dann direkt in die nächste zu rutschen. Irgendwann fragte ich mich, was mein Körper mir eigentlich sagen wollte. Ich begab mich auf eine Reise zurück zu mir selbst, die viele Veränderungen in wichtigen Bereichen mit sich brachte. Ich lernte dadurch, dass ich mein Leben viel zu stark auf das Wohlergehen anderer Menschen ausgerichtet hatte und nicht gut für meine eigenen Bedürfnisse sorgen konnte. Ich sah, wie oft ich einen inneren Druck hatte, weiter zu funktionieren, auch wenn ich eigentlich gar nicht mehr konnte. Ich lernte, wie sehr mein Nervensystem und mein Körper ständig unter Hochspannung standen und wie schwer ich mich tat, einfach mal loszulassen. Ich lernte auch, dass meine Schwangerschaft und die Geburt eine Traumafolgestörung hinterlassen hatten, die mein Nervensystem in einen chronisch aktivierten ängstlichen Zustand brachte.

Mithilfe einer Therapeutin, die ich sehr schätze, und Methoden wie EMDR, Somatic Experiencing und Hypnotherapie verstand ich nach und nach immer besser, nach welchen Glaubensmustern ich all die Jahre mein Leben gestaltet hatte. Ich kam wieder in Kontakt mit meinen Emotionen, die ich bisher unter Kontrolle gehalten hatte. Mit der Zeit entwickelte sich so ein tiefes Selbstmitgefühl mit mir und meinen verschiedenen kindlichen Anteilen. Darüber kam ich mehr und mehr in die Lage, eine gesündere Beziehung zu meinem Körper aufzubauen. Ich löste mich aus dysfunktionalen Beziehungen, die bis dahin Teil meiner Überlebensstrategien waren. Ich hatte kein Bedürfnis mehr, abends ein Glas Wein zu trinken, was mich viele Jahre begleitet hatte. Ich brauchte keine ständige Ablenkung mehr. Und ich kam in Kontakt mit meinen eigenen Überlebensanteilen, zum Beispiel mit meinem Anpassungsmuster, und mir wurde bewusst, wie sehr ich mich all die Jahre für andere Menschen verausgabt hatte – über alle gesunden Grenzen hinaus.

Ich lernte meine bevorzugten Überlebensstrategien kennen und erkannte, welche Auslöser mein Nervensystem dazu brachten, sie zu aktivieren. Ich lernte, zwischen wirklicher Gefahr und alten Erinnerungen, die mich glauben ließen, ich sei gerade in Gefahr, zu unterscheiden. Ich fand viele Wege und entdeckte meine persönlichen Lieblingsansätze, um mein Nervensystem zu regulieren, wenn es aus dem Gleichgewicht kam. All mein Wissen und meine Erfahrungen kamen dann noch einmal auf den Prüfstand, als ich 2021 an Covid erkrankte und die Symptome in den Wochen darauf schlimmer statt besser wurden. Das war einfach zu viel für mein Nervensystem und ich durfte viele Monate intensive Nervensystemarbeit leisten, bis ich mich wieder sicher fühlen konnte.

Dadurch ist für mich ein sehr klares Bild darüber entstanden, wie unser autonomes Nervensystem arbeitet und wie wir wieder in die Regulation zurückkommen können. Meine Selbsterfahrungen ergänzte ich über die Jahre um viele Ausbildungen: einen Master in Systemischer Beratung, eine zweijährige Yogalehrerausbildung, mehrere Weiterbildungen rund um das autonome Nervensystem und die Polyvagaltheorie, eine einjährige Zertifikatsausbildung in Happiness Studies, Ausbildungen in somatischem Stress Release, somatischer Teilearbeit und EMDR und die Zertifizierung zur Traumafachberaterin. Aktuell befinde ich mich ich in der Ausbildung zur Heilpraktikerin für Psychotherapie.

Ende 2022 startete ich meinen Instagram-Account rund um das Thema Nervensystemregulation und lernte, wie wichtig dieses Thema auch für viele andere Menschen ist. Die Resonanz war und ist groß. Mein innerer Antrieb ist es, dieses immer noch zu wenig bekannte Wissen und die vielen nachhaltig hilfreichen Handlungsmöglichkeiten, die sich daraus ergeben, weiterzugeben. Die Arbeit mit unserem autonomen Nervensystem ist ein Feld, in dem wir ganz selbstwirksam so viel verändern können. Wir können viel für unsere Gesundheit und unsere gefühlte Sicherheit im Leben tun. Auch du kannst das.

Was du in diesem Buch findest und wie du es nutzen kannst

Ein dysreguliertes Nervensystem bringt ein starkes Gefühl von Unsicherheit in dein Leben. Wenn dich das betrifft, dann wünschst du dir jetzt vermutlich vor allem eines: Du möchtest dich wieder sicherer fühlen. Du möchtest, dass dein Leben wieder leichter wird. Dazu möchte dieses Buch beitragen.

Dieses Buch gibt dir, was du brauchst, um dich sicher zu fühlen

Damit wir uns sicher fühlen können im Leben, brauchen wir Menschen drei Dinge, und genau diese versucht dir dieses Buch zu geben:

Wir müssen verstehen können, was mit uns passiert

Du bekommst das nötige Wissen, um verstehen zu können, was in deinem Körper passiert. So kannst du deine Symptome besser einordnen und sie dir erklären. Das nimmt ihnen den Schrecken und dir die Angst vor dem, was dein Körper gerade macht. Denn tatsächlich ist das, was dein Körper momentan an Symptomen produziert, der beste Weg, mit dem er sich auszudrücken vermag. Dein Nervensystem versucht, genau das zu erreichen, wofür es da ist: für deine Sicherheit zu sorgen. Indem du lernst, besser zu verstehen, wie es das tut und was dein Körper dir sagen will, kannst du Veränderungen vornehmen.

Wir müssen Einfluss nehmen können auf das, was mit uns passiert

Damit wir uns sicher fühlen können, brauchen wir die Möglichkeit, etwas zu tun. Verstehen hilft, aber wir brauchen zusätzlich ein Gefühl von Handlungsfähigkeit. Wir müssen wissen, was wir tun können, um unsere unangenehmen Symptome wieder in den Griff zu bekommen. Das gibt uns ein Gefühl von Kontrolle. Dafür findest du in diesem Buch viele verschiedene Tools, die du direkt anwenden kannst. Dazu gehören Übungen, Reflexionen und Rituale, die dir helfen werden, dich selbst und deinen Körper besser kennenzulernen, dein Nervensystem zu regulieren und ganz viel Mitgefühl mit dir selbst zu entwickeln. Auf dem Weg durch dieses Buch wirst du Bewegungen entdecken, die dein Körper richtig gerne mag, sodass du am Ende mit deinem ganz eigenen Toolkoffer für dein Nervensystem ausgestattet bist.

Wir brauchen die Akzeptanz anderer Menschen, um uns sicher zu fühlen

Ziel dieses Buches ist es auch, dass du den Weg zurück zu einem regulierten Nervensystem nicht allein gehen musst. Ich selbst habe ebenso wie du mit einem dysregulierten Nervensystem gekämpft und weiß sehr gut, wie einsam sich das manchmal anfühlen kann. Wisse, dass du nicht allein bist und dass du mit all deinen Symptomen absolut okay bist. Du bist gut, genau so, wie du bist. Ich hoffe, dass ich es schaffe, dir durch das Buch das Gefühl zu geben, dass du eine Begleitung auf deinem Weg hast und nicht allein bist. Weitere Unterstützung und viele Menschen in einer ganz ähnlichen Situation wie deiner findest du auf meinem Instagram-Kanal.

Wie kannst du dieses Buch nutzen?

Wir Menschen sind individuell und unsere Körper und Nervensysteme sind es auch. Deshalb kannst du dieses Buch auch ganz nach deinen individuellen Bedürfnissen nutzen. Du kannst es von vorne nach hinten durchlesen. Du kannst es ganz in Ruhe durcharbeiten und dir zwischendrin für Reflexion und Übungen Zeit lassen. Du darfst aber auch einfach einzelne Tools herausgreifen und sie anwenden. Du kannst dort einsteigen, wo dich etwas anspricht, und dann einfach weiterspringen. Wir lernen mit dem Kopf und mit dem Körper, deshalb höre einfach auf deine Intuition und nutze das, was für dich passend ist. Du musst auf keinen Fall erst die Theorie verstanden haben, bevor du mit dem Körper üben darfst.

Wichtig ist es mir, an dieser Stelle schon einmal zu sagen: Unser Nervensystem lernt viel stärker über den Körper als über den Kopf. Je weiter wir auf dem Weg der Arbeit mit unserem Nervensystem kommen, desto wichtiger werden Übungen und Tools. Lasse diese deshalb idealerweise nicht weg, sondern probiere sie aus. Dein Körper wird dir sagen, was ihm guttut und was nicht.

Außerdem entwickeln wir uns mit der Zeit weiter und die Bedürfnisse unserer Nervensysteme auch. Deshalb kann es sein, dass du Übungen findest, bei denen du zunächst einmal einen Widerstand spürst. Gib diese Übungen nicht auf, sondern lege sie für später beiseite. In ein paar Wochen wird dein Körper vielleicht genau diese Übungen brauchen, die du heute noch nicht gut machen kannst.

Du findest im Buch Tools in zwei verschiedenen Farben. Tools in hellblauer Farbe helfen dir, dich zu reflektieren und Einsichten zu gewinnen, wo dein Nervensystem gerade steht und wie du mit dir und deinem Körper umgehst. Beerenfarbene Tools dagegen sind somatische Praktiken, mit denen du dein Nervensystem über deinen Körper regulieren kannst. Im Anhang findest du eine Toolübersicht. Dort findest du die Abkürzung »SP« hinter den somatischen Praktiken. Die Übersicht soll dir helfen, jederzeit zu deinen liebsten Tools zu finden. Auf den Seiten mit den Tools findest du außerdem ein beerenfarbenes Symbol in der oberen Ecke, sodass du beim Durchblättern die praktisch anwendbaren Tools ganz einfach erkennen kannst.

Hinweise für deine Sicherheit

Und hier schließt auch direkt ein ganz wichtiges Thema an: Vertraue deinem Körper. Er weiß sehr gut, was ihm guttut und was nicht. Mit der Zeit wirst du eine sehr intensive und später auch innige Verbindung mit deinem Körper aufbauen und lernen, seiner ganz intuitiven Wahrnehmung zu folgen. Menschen, die mit einem dysregulierten Nervensystem zu tun haben, sind dort allerdings meist noch nicht angekommen. Es fällt ihnen oft schwer, ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen und sie ernst zu nehmen. Es fällt ihnen auch häufig schwer, Stille auszuhalten und einfach in ihren Körper hineinzuspüren. Gehe die Arbeit mit deinem Nervensystem deshalb bitte langsam und in deinem ganz individuellen Tempo an. Die Auseinandersetzung mit deinem Körper und seinen Symptomen kann anfangs anstrengend sein und natürlich auch Dinge ins Bewusstsein bringen, die du in der Vergangenheit erfolgreich verdrängt hast. Du darfst die Fähigkeit dafür, deine unangenehmen Körperempfindungen, Emotionen und auch Erinnerungen aus der Vergangenheit bewusst wahrzunehmen und sie zu regulieren, Schritt für Schritt entwickeln. Manchmal braucht es dazu die Unterstützung eines koregulierenden Menschen, der dir die Sicherheit gibt, die du dir zu Beginn selbst noch nicht geben kannst. Das kann eine Freundin sein oder auch ein professioneller Begleiter. Wenn du Hilfe auf diesem Weg brauchst, dann hole sie dir bitte.

Dieses Buch ersetzt in keiner Form eine therapeutische oder medizinische Beratung und Begleitung. Manchmal braucht es, um ein Nervensystem wieder zurück in die Regulation zu bringen, therapeutische Unterstützung. Um Symptome mit körperlichen Ursachen zu heilen, braucht es eine ärztliche Begleitung. Solltest du unter Symptomen leiden, die aktuell für dich nicht ohne Hilfe von außen bewältigbar sind, dann suche dir bitte professionelle Unterstützung. In Ergänzung kann dieses Buch dich dabei begleiten, dein Nervensystem zu verstehen und Tools zu erlernen, die dir helfen, dich wohler zu fühlen und wieder mehr in die Regulation zurückzukommen. Stimme das, was du ausprobieren möchtest, dann aber bitte immer mit deinem Arzt oder Therapeuten ab.

Denke immer daran, dass du in der Arbeit mit diesem Buch die Verantwortung für dich selbst trägst. Für alle Übungen gilt: Was dir guttut, das nutze regelmäßig. Was dir nicht guttut, dass mache bitte erst einmal nicht weiter und probiere es in einigen Wochen wieder. Die somatischen Übungen aus diesem Buch können dazu führen, dass Emotionen, Körperempfindungen und manchmal auch alte Erinnerungen in dein Bewusstsein kommen. Solange du diese bewusst wahrnehmen und regulieren kannst, sodass sie nicht überwältigend für dich sind, darf das passieren. Es ist dann ein natürlicher und hilfreicher Teil deines Regulierungsprozesses. Wenn du dich dafür allerdings noch nicht stabil genug fühlst, dann gehe bitte besonders sorgsam mit dir um.

Wenn sich Emotionen zeigen, dann lasse sie zu, ohne sie verstehen zu müssen. Fühle sie einfach. So kann dein Körper sie integrieren und damit den Aktivierungszyklus deines Nervensystems abschließen.

Und zum Abschluss: Das Wichtigste in der Nervensystemarbeit ist Selbstfürsorge. Achte gut auf dich, während du mit diesem Buch arbeitest, und überfordere dich nicht. Es gilt, behutsam mit dir und deinem Körper umzugehen. Dann kann sich dein Nervensystem so sicher fühlen, dass dein Weg zurück in die Regulation gelingen kann.

Teil 1

Wie dein autonomes Nervensystem funktioniert

Lerne die Funktionsweise des autonomen Nervensystems kennen

Bevor wir uns mit der Frage beschäftigen, wie du dein autonomes Nervensystem regulieren kannst, damit du wieder mehr Wohlbefinden erreichst und dich in deinem Leben wieder sicherer fühlen kannst, brauchst du ein gewisses Grundverständnis darüber, wie dein Nervensystem überhaupt funktioniert. Darum geht es in diesem ersten Teil des Buches. Meinen grundsätzlichen Aussagen liegt die Polyvagaltheorie zugrunde, die auf den amerikanischen Psychiater und Neurowissenschaftler Dr. Stephen W. Porges zurückgeht (Porges, 2019). Das betrifft ganz besonders die Kapitel 2 (Lerne die Funktionsweise des autonomen Nervensystems kennen), Kapitel 4 (Verstehe, wie unser Nervensystem uns schützt), Kapitel 5 (Warum die Verbindung zu unserem Körper so wichtig ist) und Kapitel 7 (Das Nervensystem regulieren – Und wie geht das nun konkret?), die auf wesentlichen Konzepten der Polyvagaltheorie basieren.

Unser autonomes Nervensystem hat drei wichtige Teile

Unser autonomes Nervensystem hat drei Bestandteile mit unterschiedlichen Funktionen, die du kennen solltest. Vereinfacht können wir sagen, dass der Sympathikus unser sympathisches Nervensystem darstellt und der ventrale und dorsale Vagusnerv gemeinsam unser parasympathisches Nervensystem.

Eine Übersicht findest du in der folgenden Grafik.

Schauen wir uns die drei Teile einmal etwas genauer an.

Der ventrale Vagus

Der ventrale Vagus ist der Teil unseres Nervensystems, der uns in einen ausgeglichenen, entspannten Zustand bringt. Er ist dann aktiv, wenn wir uns sicher fühlen. Zusammen mit dem dorsalen Vagus ist er Teil unseres parasympathischen Nervensystems und verantwortlich für unsere Fähigkeit zur sozialen Interaktion, für die Regulation unserer Stressreaktionen, für Entspannung, Freude und Regeneration. Aus dem ventral-vagalen Zustand heraus sind wir in der Lage, vertrauensvoll auf andere Menschen zuzugehen und uns mit ihnen verbunden zu fühlen. Wir sind interessiert an der Welt um uns herum, offen für Neues und haben Zugriff auf unser kreatives Potenzial.

Wenn unser ventraler Vagus aktiv ist, sehen wir die Welt optimistisch und positiv und fühlen uns dem Leben zugewandt und im Gleichgewicht. Aus unserem ventralen Zustand heraus haben wir vollen Zugriff auf die Gehirnregionen, mit denen wir das, was in uns und in unserem Leben passiert, bewusst wahrnehmen und reflektieren können. Wir können hier gleichzeitig denken und fühlen. Wir sind in der Lage, rationale Entscheidungen zu treffen und unsere Emotionen zu spüren. Wir können sie aushalten und regulieren, ohne durch sie überfordert zu werden. Der ventrale Vagus ist dabei der Teil unseres Nervensystems, den wir ansprechen dürfen, wenn wir unseren Wohlfühlzustand wieder erreichen wollen. Genau hier setzen all die Übungen und Tipps an, die wir unter dem Stichwort »Stärkung des Vagusnervs« hören.

Der Sympathikus

Unser Sympathikus ist der Teil unseres Nervensystems, der uns aktiviert. Er stellt uns die nötige Energie und Spannung bereit, sodass wir den Herausforderungen unseres Lebens begegnen und sie bewältigen können. Wenn uns eine Herausforderung oder auch eine Gefahr begegnet, dann leitet unser Sympathikus verschiedene körperliche Reaktionen ein: Er erhöht unsere Pulsfrequenz und unseren Blutdruck. Es sorgt dafür, dass wir schneller und tiefer atmen, sodass mehr Sauerstoff in unseren Körper gelangt. Dieser Sauerstoff wiederum wird unseren Muskeln zur Verfügung gestellt, damit sie die nötige Spannung aufbauen können. Das merken wir dann daran, dass sich unsere Oberarmmuskeln anspannen, unsere Hände sich zu Fäusten ballen, unsere Beine bereit sind loszulaufen und sich unsere Schultern nach vorne und oben ziehen, sodass wir der Herausforderung oder Gefahr kraftvoll begegnen können. Unsere Wahrnehmung verengt sich auf das, was jetzt wirklich relevant ist: das, was es hier zu bewältigen gilt, beziehungsweise das, wogegen wir kämpfen oder wovor wir flüchten müssen.

All das sind in einem gesunden Nervensystem gute und wertvolle physiologische Reaktionen, denn dadurch haben wir die Fähigkeit, uns zu fokussieren, wach und aufmerksam zu sein und Dinge zu erledigen. Der Sympathikus ist so etwas wie unser Energielieferant: Er gibt uns den Antrieb, unsere Ziele zu verfolgen, unser Leben zu gestalten, uns für unsere Bedürfnisse einzusetzen und, wenn nötig, Grenzen zu ziehen. Wir haben mit seiner Hilfe die Energie, um für uns zu sorgen.

Wenn unser Sympathikus aktiviert ist, sehen wir die Welt um uns herum angespannter als im ventral-vagalen Zustand. Wir achten eher auf Zeichen von Bedrohung und Gefahr, unsere Stimme und unser Gehör verändern sich und unsere innere Haltung wird eher vorsichtig, misstrauisch bis hin zu pessimistisch. Je gestresster wir sind, desto weniger vertrauensvoll können wir anderen Menschen gegenübertreten.

Der dorsale Vagus

Der dorsale Vagus ist zusammen mit dem ventralen Vagus Teil unseres parasympathischen Nervensystems. Er ist zum einen beteiligt an der Regulierung verschiedener Prozesse in unserem Körper. So senkt er unsere Herzfrequenz, beruhigt unsere Atmung, aktiviert unsere Verdauung und entspannt unsere Muskeln. All das sind wichtige Voraussetzungen dafür, dass unser Körper sich entspannen, zur Ruhe kommen und regenerieren kann. Der dorsale Vagus ist damit ein sehr wichtiger Teil unseres parasympathischen Nervensystems. Durch ihn sind wir in der Lage, körperlich ruhig zu werden. Mit seiner Hilfe wird es möglich, dass wir erholsam schlafen, meditieren und uns beruhigenden körperlichen Praktiken widmen.

Auf der anderen Seite ist es aber auch seine Aufgabe, für unsere Sicherheit zu sorgen, wenn wir uns in lebensbedrohlicher Gefahr befinden. Der dorsale Vagus kann uns dann in einen körperlich mehr oder weniger stark immobilisierten Zustand versetzen, der das Ziel hat, unseren Körper vor einer Bedrohung zu schützen. Der dorsale Vagus ist damit beteiligt an der sogenannten Freeze-Reaktion, bei der unser Körper im Angesicht von sehr bedrohlicher Gefahr unmittelbar erstarrt (dazu mehr in Kapitel 3, Unsere Überlebensstrategien: Wie unser Nervensystem für unsere Sicherheit sorgt). Er nimmt auch Einfluss auf die Regulierung von Stress und Emotionen, indem er unsere Wahrnehmung beeinflusst und bei Bedarf einschränkt und uns so vor einer diesbezüglichen Überforderung schützt.

Regulation und Dysregulation: Was genau ist das eigentlich?

Wir sprechen davon, dass unser Nervensystem reguliert oder dysreguliert ist. Aber was bedeuten eigentlich diese Begriffe »Regulation« und »Dysregulation«? Um das zu verstehen, schauen wir uns zuerst einmal an, welche Bestandteile deines autonomen Nervensystems eigentlich eine Rolle spielen für ein reguliertes Nervensystem – eines, das in der Lage ist, flexibel zwischen Anspannung und Entspannung zu schwingen.

Das Zusammenspiel der drei Teile unseres Nervensystems

Wie schon beschrieben, können wir vereinfacht den Sympathikus als unser sympathisches Nervensystem bezeichnen und den ventralen und dorsalen Vagusnerv gemeinsam als unser parasympathisches Nervensystem.

Wenn unser Nervensystem auf gesunde Weise arbeitet, dann stellt es genau die Kapazitäten bereit, die wir jeweils brauchen, um die Herausforderungen unseres Lebens bewältigen zu können. Wenn es anstrengend oder sogar einmal bedrohlich wird, dann wird unser Sympathikus aktiv und sorgt für die nötige Energie und Aktivierung, damit wir eine aktuell anstehende Herausforderung bewältigen können. So sind wir in der Lage, morgens aufzustehen und Frühstück für die ganze Familie zuzubereiten, für die Arbeit ein wichtiges Projekt abzuschließen, den großen Wocheneinkauf zu bewältigen, einen Konflikt mit einem Kollegen zu lösen und eine deutliche Grenze zu setzen, wenn jemand entgegen unseren Bedürfnissen handelt.

Wenn uns das dann jeweils gelungen ist, dann bekommt unser Nervensystem das Signal, dass jetzt alles wieder sicher ist, und leitet die nötigen Prozesse ein, damit wir uns wieder entspannen können und unser Körper regenerieren kann. Unser ventraler und dorsaler Vagus werden nun aktiv und arbeiten Hand in Hand zusammen. So können wir dann eine ruhige Pause genießen, uns einem anderen Menschen vertrauensvoll zuwenden, uns Zeit für eine Yogastunde nehmen, an einer geselligen Wochenendaktivität teilnehmen oder ganz entspannt einschlafen.

Im Laufe unseres Tages schwingt unser gesundes Nervensystem flexibel hin und her zwischen Anspannung und Entspannung. Mit einem gesunden Nervensystem schließen wir Stresszyklen vollständig ab, sodass unser Körper nach jeder Belastung wieder ausreichend regenerieren kann.

Ein gesundes Nervensystem ist ein reguliertes Nervensystem.

Wenn unser Nervensystem aus dem Gleichgewicht gerät

Anders sieht das in einem sogenannten dysregulierten Nervensystem aus. Wenn unser Nervensystem eine unserer Überlebensreaktionen einleitet, dann hat das manchmal einen guten Grund. Stell dir vor, ein großer Hund kommt wütend und laut bellend auf dich zu und es ist ganz offensichtlich, dass sein Besitzer die Kontrolle über ihn verloren hat. Dein Nervensystem wird die Gefahr zuverlässig erkennen und deinen Sympathikus aktivieren, damit du weglaufen kannst. Es kann aber auch sein, dass es realisiert, dass du keine Chance hast zu entkommen, weil der Hund zu schnell ist. In diesem Fall kann es auch sein, dass dein dorsaler Vagus aktiv wird, deinen Körper ruhigstellt und deine Wahrnehmung einschränkt, sodass du das, was gleich passieren könnte, nicht mehr in seiner ganzen bedrohlichen Form wahrnehmen musst.

Hier sehen wir eine normale und funktionale Aktivierung unseres Nervensystems. Wenn es eine solche akut notwendige Überlebensreaktion einleitet, dann wird es, sobald die Gefahr beendet ist, wieder zurückschwingen in ein reguliertes Gleichgewicht.

Häufig ist es aber so – und vielleicht ist das auch der Grund, aus dem du dieses Buch in deinen Händen hältst –, dass unser Nervensystem in die Dysregulation gerät, ohne dass es diese eine offensichtlich erkennbare, auslösende Gefahr gibt. In diesem Fall ist uns meist eines abhandengekommen: unsere Fähigkeit, flexibel zwischen Anspannung und Entspannung zu schwingen. Das führt dazu, dass unsere Aktivierung nicht mehr beendet wird, wenn sie eigentlich abgeschlossen ist. Wir bleiben so in einem Zustand chronischer Anspannung. Unser Körper steht dauerhaft unter Stress und unser Sympathikus ist ständig aktiviert. Das führt dazu, dass unsere Pulsfrequenz hoch ist, dass unsere Muskeln dauerangespannt sind und dass wir uns ständig unruhig, getrieben, ängstlich oder gereizt fühlen. Unser Körper ist ständig auf der Suche nach Gefahren und wir können gar nicht mehr zur Ruhe kommen. Auf die Dauer kann sich die chronische Aktivierung sehr unangenehm anfühlen, denn wir stehen ständig unter Strom. Muskelverspannungen, chronische Schmerzen und viele andere Symptome bis hin zu einer Schwächung unseres Immunsystems können die Folge sein.

Diesen Zustand chronisch hoher Sympathikus-Aktivierung kann unser Körper allerdings nicht auf Dauer aufrecht halten, denn irgendwann gehen uns die Kräfte dafür aus. In einem Aktivierungszustand haben wir eine hohe Menge an Stresshormonen in unserem Körper. Kurzfristig ist das normal und hilfreich, damit wir unsere Herausforderungen bewältigen können. Ein dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel allerdings führt zu allerlei körperlichen Folgeerscheinungen, die unser Nervensystem wiederum als Gefahr deutet. Irgendwann muss es die Notbremse ziehen: Es aktiviert unseren dorsalen Vagus und bringt uns damit in eine körperliche Immobilität, die das Ziel hat, uns zu schützen. Konkret schützt sie unseren Körper davor, sich noch mehr zu verausgaben, und erzwingt mit dem Stillstand ein gewisses Level an Regeneration. Wenn das notwendig ist, befinden wir uns wirklich auf der Ebene des Überlebens. Unser Nervensystem sieht eine solch große Gefahr, dass es glaubt, unser Überleben sei bedroht. Es schützt uns, indem es unseren Körper ruhigstellt, sodass wir uns nicht mehr weiter verausgaben.

Sobald wir uns dann wieder etwas regeneriert haben, kommen wir zurück in die Sympathikus-Aktivierung. Hier bleiben wir, bis unser Körper wieder die Notbremse ziehen muss. Vielen von uns gelingt es dann nicht mehr, in die Aktivierung des ventralen Vagus zurückzukommen. Ein Kreislauf entsteht, in dem die Kapazität unseres Nervensystems immer kleiner wird. Immer geringere Anlässe reichen aus, um uns zu dysregulieren. Unsere Toleranz für Belastungen schrumpft.

Für manche von uns wird dieser Kreislauf durch Ereignisse, die uns im Erwachsenenleben passieren, ausgelöst. Ein traumatisierendes Ereignis oder Long Covid als Folge einer Covid-Erkrankung sind zwei Beispiele dafür. Andere von uns befinden sich schon seit frühester Kindheit in einer zu hohen, chronischen Stressaktivierung und haben nicht lernen dürfen, sich selbst zu regulieren und sich mit dieser Fähigkeit im Leben sicher fühlen zu können. Dann kann es sein, dass der Zustand des dysregulierten Nervensystems für dich der Normalzustand ist und dass du erst lernen darfst, wie wunderbar sicher sich ein Zustand von Sicherheit anfühlen kann.

Manche von uns haben schon früh im Leben so viele belastende, stressige Situationen erlebt, dass eine chronische Sympathikus-Aktivierung sich für sie sicher anfühlt. Sie kennen gar nichts anderes. Irgendwann bringt dann etwas das Fass zum Überlaufen und die Belastung wird zu groß für das, was der Körper verkraften kann. Andere haben schon früh in ihrem Leben Situationen erlebt, die so bedrohlich waren (oder für unser jüngeres Ich so bedrohlich erschienen), dass die Aktivierung des dorsalen Vagus – also die Erstarrungsreaktion des Nervensystems – zur bevorzugten Überlebensstrategie wurde. Diese Menschen verfallen regelmäßig in diesen Zustand.

Was auch immer dein Ausgangspunkt ist: Dieses Buch wird dir helfen, einem regulierten Nervensystem wieder näher zu kommen.

Ein dysreguliertes Nervensystem zeigt sich in vielerlei Symptomen. Diese können komplett körperlich oder auch rein psychisch sein, oft ist es jedoch eine Kombination aus beiden. Auf der körperlichen Ebene finden wir ein dysreguliertes Nervensystem beispielsweise hinter den folgenden Symptomen:

erhöhter Puls oder Herzrhythmusstörungen,

chronische Verspannungen,

Magen-Darm-Probleme,

Hautirritationen,

Schlafstörungen,

erhöhte Müdigkeit, Fatigue.

Wichtig ist: Diese Symptome bedeuten nicht, dass dein Nervensystem die Ursache ist. Lass sie bitte ärztlich abklären. Wenn diese Abklärung allerdings ohne Befund bleibt, dann ist die Regulation deines Nervensystems häufig ein guter Ansatzpunkt, der zur Verbesserung deiner Symptome führen kann.

Auf der psychischen Ebene kann hinter den folgenden Symptomen auch ein dysreguliertes Nervensystem stecken:

Ängstlichkeit und Nervosität,

Angst- und Panikstörungen,

Depressionen,

Dissoziation,

Burn-out,

erhöhte Wachsamkeit,

Süchte aller Art,

Gedankenkreisen,

Perfektionismus,

regelmäßige Wutausbrüche,

Zwangsstörungen,

ständiges Beschäftigtsein,

Sozialphobien,

Bindungsstörungen.

Wichtig ist: Solltest du eine psychische Diagnose haben, dann kann die Arbeit mit deinem Nervensystem eine wirksame Unterstützung im Therapieprozess sein. Kläre das aber bitte unbedingt mit deinem Psychologen oder Therapeuten ab.

Was du erreichen willst: Ein flexibles Nervensystem

Wenn du dieses Buch in der Hand hältst, dann gehörst du vielleicht zu den vielen Menschen, deren Nervensystem nicht mehr flexibel genug zwischen Anspannung und Entspannung schwingen kann. Vielleicht hast du eine der vielen Diagnosen von einem Arzt oder Psychotherapeuten bekommen, hinter denen ein dysreguliertes Nervensystem stecken kann. Du möchtest lernen, dein Nervensystem noch besser zu regulieren, um eine Verbesserung deiner körperlichen und/oder psychischen Symptome zu erreichen.

Ziel ist es, wieder ein funktionales Zusammenwirken der drei Teile deines Nervensystems zu erreichen.

In der Nervensystemregulation geht es weniger darum, dass es uns immer gut geht. Wir können nicht immer entspannt sein. Stattdessen brauchen wir Flexibilität. Das bedeutet, dass wir in der Lage sind, die kleinen und großen Herausforderungen, die das Leben unweigerlich für uns bereithält, zu bewältigen, ohne dass wir uns ständig überwältigt fühlen und ohne unser Toleranzfenster allzu häufig zu verlassen. Dafür muss unser Nervensystem in der Lage sein, sich anzupassen an das, was uns gerade begegnet. Kommt eine wichtige Aufgabe auf uns zu oder fühlen wir uns durch etwas bedroht, dann soll unser Sympathikus aktiv werden, denn er gibt uns die Energie und den Fokus, den wir zur Bewältigung brauchen. Ist die Aufgabe erledigt oder die Gefahr gebannt, haben wir eine Pause, oder neigt sich unser Tag dem Ende zu, dann wollen wir, dass unser Nervensystem das registriert und unseren Parasympathikus aktiviert, sodass wir uns wieder entspannen können und von der Anstrengung, die hinter uns liegt, regenerieren.

Wir wollen dafür unser Nervensystem befähigen, wieder flexibel zwischen Anspannung und Entspannung zu schwingen. Dafür brauchen wir eine ausgeglichene Aktivität unseres Sympathikus und unseres Parasympathikus (bestehend aus ventralem und dorsalem Vagus).

Je nachdem, welcher Teil deines Nervensystems bei dir gerade zu stark aktiv ist, kannst du viel dafür tun, um wieder in ein ventral-vagales Gleichgewicht zurückzukommen. Wenn dein Sympathikus sehr aktiv ist und es dir schwerfällt, in die Entspannung zu kommen, kann es hilfreich sein, Entspannungstechniken und aerobes Training zu nutzen, um wieder Gleichgewicht in dein Nervensystem zu bringen und deinen Parasympathikus zu stärken. Aktives Stressmanagement und Achtsamkeit helfen dir, die Verbindung zu deinem Körper zu stärken und die Stressauslöser, die deinen Sympathikus aktivieren, zu verringern. Eine gesunde Lebensweise mit ausreichend Schlaf und gesunder Ernährung helfen außerdem dabei, die Ausschüttung von Stresshormonen in deinem Körper zu reduzieren. Nicht zuletzt kannst du deinen Vagusnerv durch geeignete Übungen stärken, sodass er wieder leichter aktivierbar ist.

Erlebst du dagegen häufig eine Aktivierung deines dorsalen Vagus, dann brauchst du erst einmal etwas anderes: nämlich Tools, mit denen du deine körperliche Immobilisierung und Erstarrung wieder auftauen kannst. Dafür darfst du Techniken anwenden, die dich wieder ins Hier und Jetzt bringen und durch sanfte Bewegungen deinen Körper wieder aktivieren.

In den folgenden Kapiteln findest du Handwerkszeug für beide Ausgangssituationen. Damit kannst du nach und nach deinen ganz individuellen Toolkoffer für die Regulation deines Nervensystems befüllen.

Ein erster Schritt: Stimuliere deinen Vagusnerv!

Damit du gleich loslegen kannst, kommt hier ein erstes Tool für dich. Dieses kannst du sowohl nutzen, wenn dein Sympathikus zu aktiv ist, als auch dann, wenn dein dorsaler Vagus aktiviert wird. Es hilft dir dabei, deinen ventralen Vagus wieder zu aktivieren, und ist gleichzeitig sehr wohltuend.

Tool Nr. 1:Vagusmassage (SP)

Zielsetzung: Aktiviere und stärke deinen Vagusnerv. Komm in deinen Wohlfühlzustand.

Ausführung: Nimm dir für dieses Tool ein paar Minuten Zeit. Suche dir einen bequemen Platz. Du kannst die Massagetechniken im Sitzen, im Liegen und sogar im Stehen oder Gehen anwenden. Du kannst alle Handgriffe anwenden oder dir nur einzelne davon herausnehmen. Sie sind jederzeit und gerne auch mehrmals am Tag anwendbar. Für die drei Handhaltungen zu Beginn der Ausführung nimm dir jeweils mindestens eine halbe Minute Zeit, für die folgenden Massagetechniken jeweils einige Sekunden. Das, was dir guttut, kannst du gerne auch ganz intuitiv verlängern. Höre darauf, was dein Körper will.

Lege beide Hände auf den obersten Punkt deines Kopfes. Lass sie dort mit leichtem Gewicht liegen. Spüre die Sicherheit und den Schutz, den dir diese Position gibt.Lege jetzt eine Hand in den Nacken – dorthin, wo Kopf und Hals zusammentreffen – und die andere Hand an die Stirn. Übe wiederum leichten Druck mit beiden Händen aus. Fühle den Halt, den dir diese Handgriffe geben.Jetzt lege deine Hände jeweils an deine Wangen. Spüre die liebevolle Aufmerksamkeit, die du dir selbst gibst.Lege deine Daumen an den Punkt unterhalb des inneren Rands deiner Augenbrauen. Massiere diese leicht für einige Sekunden.Streiche den Muskelring unterhalb deiner Augen mit ganz leichtem Druck einige Male von innen nach außen aus. Entspanne dabei die Partie um deine Augen und deine Augen selbst.Streiche mit den Fingerspitzen von deinen Augenbrauen ein paarmal deine Stirn nach oben aus.Massiere den kompletten Rand deiner Ohren einige Male zwischen Daumen und Zeigefinger hinauf und hinunter. Probiere das auch einmal, wenn du richtig schlechte Laune hast. Deine Stimmung wird sich direkt verändern.Und zu guter Letzt hast du einen Muskel, der an den Seiten deines Halses von hinter deinem Ohr schräg nach vorne in Richtung deines Brustbeins verläuft (der Musculus sternocleidomastoideus). Diesen kannst du mit leichtem Druck mit den Handflächen massieren oder ihn zwischen die Fingerspitzen nehmen und so eine leichte Massage entlang dieses Muskels ausführen.Spüre nach: Nimm wahr, wie sich der Zustand deines Körpers durch die Massage verändert hat. Welche deiner Muskeln haben sich entspannt? Wie hat sich deine Stimmung verändert? Fühlst du dich eher leicht oder eher schwer? Wie verbunden bist du mit dir selbst, aber auch mit dem Boden unter dir? Wo in deinem Körper fühlst du dich jetzt sicher?

Wie wir gelernt haben zu überleben

Wo unser dysreguliertes Nervensystem seinen Ursprung hat

Ein dysreguliertes Nervensystem entsteht in der Regel nicht von heute auf morgen. Vielmehr ist es häufig so, dass unsere bevorzugten Überlebensstrategien schon früh im Leben entstehen. Natürlich gibt es auch in unserem Erwachsenenleben Ereignisse, die unser Nervensystem dysregulieren lassen. Oft sind die Grundlagen für eine chronische Dysregulation aber schon vorher gelegt. Wie es dazu kommen kann, darum geht es in diesem Kapitel.

Was wir als Babys und Kleinkinder erleben, prägt uns fürs Leben

Grundsätzlich kann Dysregulation unseres autonomen Nervensystems an jedem Punkt unseres Lebens ein Thema für uns werden. Oft entstehen die Ursachen dafür allerdings schon in unserer frühen Kindheit.