Sie hat angefangen - Sian Gilbert - E-Book

Sie hat angefangen E-Book

Sian Gilbert

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Beschreibung

Sommer, Sonne, Strand und Tod – diese Party in der Karibik ist mörderisch ...

Ein fesselnder Thriller voller Twists für alle Fans von Lucy Foley und »Big Little Lies«!

»Als ich die fünf Frauen nach dem Junggesellinnenabschied von der Insel abholen will, wartet am Strand nur die Braut auf mich. Voller Blut.
Auf dem Gymnasium waren Annabel, Esther, Tanya and Chloe beste Freundinnen und teilten jedes Geheimnis. Mittlerweile sind die vier nur noch lose in Kontakt – bis eine unerwartete Einladung sie wieder zusammenbringt: Ihre frühere Mitschülerin Poppy lädt die jungen Frauen zu ihrer Hen Party in die Karibik ein. Und das, obwohl keine der vier mit Poppy in Verbindung geblieben ist. Tatsächlich war das scheue Mädchen stets die Außenseiterin der Clique und wurde von den anderen sogar gemobbt. Offenbar vergeben und vergessen. Warum sonst sollte sie jetzt mit ihnen auf einer exklusiven Privatinsel eine glamouröse Party feiern wollen? Leichtfertig nehmen sie die Einladung an. Doch sie haben Poppy unterschätzt: Gnadenlos enthüllt sie alte wie neue Sünden, und die tropische Idylle wird zum blutigen Albtraum ...

Der Bestseller aus Großbritannien – das brillanteste Spannungsdebüt des Sommers!

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Seitenzahl: 493

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Buch

Auf dem Gymnasium waren Annabel, Esther, Tanya und Chloe beste Freundinnen und teilten jedes Geheimnis. Mittlerweile sind die vier nur noch lose in Kontakt – bis eine unerwartete Einladung sie wieder zusammenbringt: Ihre frühere Mitschülerin Poppy lädt die jungen Frauen zu ihrer Hen Party in die Karibik ein. Und das, obwohl keine der vier mit Poppy in Verbindung geblieben ist. Tatsächlich war das scheue Mädchen stets die Außenseiterin der Clique und wurde von den anderen sogar gemobbt. Offenbar vergeben und vergessen. Warum sonst sollte sie jetzt mit ihnen auf einer exklusiven Privatinsel eine glamouröse Party feiern wollen? Leichtfertig nehmen sie die Einladung an. Doch sie haben Poppy unterschätzt: Gnadenlos enthüllt sie alte wie neue Sünden, und die tropische Idylle wird zum blutigen Albtraum.

Autorin

Sian Gilbert wurde im englischen Bristol geboren. Sie studierte Geschichte an der University of Warwick und arbeitete später fünf Jahre als Lehrerin in Birmingham. Heute lebt sie in Cambridge.

»Sie hat angefangen« ist ihr Debütroman.

Mehr zur Autorin unter twitter.com/SianMGilbert und instagram.com/sianmgilbert

SIAN GILBERT

THRILLER

Aus dem Englischen von Lorenz Stern

Die Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel »She Started It«

bei William Morrow, an imprint of HarperCollins Publishers, New YorkDer Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.Der Übersetzer dankt Nina Pallandt.

Deutsche Erstveröffentlichung Mai 2024

Copyright © der Originalausgabe

2023 by Sian Gilbert

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2024

by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur GmbH, München, nach einer Vorlage von Olivia Lo Sardo

unter Verwendung von Bildmaterial von gettyimages / kittisun kittayacharoenpong

Redaktion: Regina Carstensen

AB · Herstellung: ik

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-31028-8V001

www.goldmann-verlag.de

Meiner Großmutter Marie Blackmore, die mir ihre Liebe zu Büchern vererbt hat.

PROLOG Robin

22. Mai 2023

Nur die Braut erwartet mich, und die ist von oben bis unten voller Blut.

Normalerweise steht am Ende des Urlaubs die ganze Reisegesellschaft mit ihrem Gepäck am Ufer, munter, fröhlich und sonnenverbrannt. Wenn ich mit meinem Deckboot über das Wasser gerast komme, beachten sie mich meistens gar nicht, sondern werfen einen letzten Blick auf die Insel: den weißen Sandstrand, das klare Wasser, die Palmen.

Es ist der ideale Tag für einen Törn auf See. Die Sonne strahlt, und ich habe die Flut im Rücken.

Doch jetzt, wo mich die Braut erwartet, ist plötzlich nichts mehr wie zuvor.

Ich bin weiß Gott nicht zimperlich. Wer eine Privatinsel führt, muss auf alles gefasst sein. Mit dem Speedboot ist man in einer knappen halben Stunde hier, ich bin also immer in der Nähe, falls etwas schiefgeht. Die Gäste haben die Insel zwar für sich, aber ich lasse sie nicht auf dem Trockenen sitzen. Es gibt ein Nottelefon, Leuchtraketen und gut bestückte Erste-Hilfe-Sets.

Klar, es gab den einen oder anderen Notfall.

Einmal kam jemand auf die bescheuerte Idee, die Klippe hinaufzuklettern, und brach sich das Bein. Ein andermal versicherte mir eine Frau, ihre Schwangerschaft sei kein Problem, und dann kamen gleich in der ersten Nacht die Wehen. Ich dachte, mir wäre nichts Menschliches fremd.

Aber so etwas habe ich noch nie erlebt.

Das Boot erreicht die Anlegestelle, und kaum habe ich den Motor abgestellt und die Leine festgemacht, kommt die Braut auch schon angelaufen.

»Was ist los?«, frage ich, und meine Stimme klingt erstaunlich kraftvoll. »Ist jemand verletzt? Soll ich den Rettungsdienst verständigen?«

Aus der Nähe betrachtet, macht die Braut den Eindruck, als stünde sie unter Schock. Sie hat tiefe Schnittwunden an den Händen, aber ich bezweifle, dass die ausreichen, um ihr dünnes weißes Kleid derart zu ruinieren. Die ganze Vorderseite ist mit großen Blutflecken übersät, die zum Teil schon eingetrocknet sind. Die eine Gesichtshälfte ist völlig zerkratzt. Unter dem linken Auge bildet sich ein leichter Bluterguss.

Ich strecke vorsichtig die Hand aus, und sie schreckt zurück.

»’tschuldigung!« Ich sehe mich nach den anderen um, kann aber niemanden entdecken.

Es ist zu still hier. Es ist erst wenige Tage her, dass ich die fröhliche, lärmende Gruppe junger Frauen auf diese Insel geschippert habe, zur Hen Party ihres Lebens. Alles schien vollkommen normal.

»Wo sind die anderen?«, frage ich.

Schließlich richten sich die schreckgeweiteten, angsterfüllten Augen der Braut auf mich.

»Ihre Brautjungfern?«, setze ich hinzu. »Wo sind sie?«

»Es ist alles schiefgegangen«, murmelt sie.

Ich will etwas sagen, doch die Braut ist noch nicht fertig. Trotz der glühenden Hitze schlingt sie schützend die Arme um sich.

Bei ihren Worten läuft es mir kalt den Rücken hinunter.

»Sie hat angefangen.«

EINS Annabel

18. Mai 2023

Wieder nehme ich die Einladung zur Hand, eine dicke cremefarbene Karte mit Prägedruck, die irgendwie noch imposanter ist als das First-Class-Flugticket auf die Bahamas. Bis das Airport-Taxi kommt, bleiben mir noch ein paar Minuten Zeit, also setze ich mich in den samtbezogenen Sessel am Fenster und lese mir alles noch einmal gründlich durch.

Liebe Annabel, steht da. Ich hoffe, diese Einladung ist eine freudige Überraschung. Ich werde im Sommer nächsten Jahres heiraten und hätte dich gern als Brautjungfer dabei. Wenn nichts dazwischenkommt, findet die Hen Party auf einer völlig privaten Insel auf den Bahamas statt, und das Ganze kostet dich keinen Penny. Näheres zur Hochzeit erfahrt ihr, wenn ihr da seid. Bitte gib so bald wie möglich Bescheid, ob du es einrichten kannst. Alles Weitere s. u., und die Flugtickets liegen bei. Liebe Grüße, Poppy Greer.

Ausgerechnet Poppy Greer. Die Einladung kam in der Tat überraschend. Ich habe Poppy seit fast zehn Jahren nicht gesehen, geschweige denn gesprochen. Schon seit dem Abitur nicht mehr. Außerdem war sie nicht gerade mein Lieblingsmensch. Ganz im Gegenteil, wir vier – Chloe, Esther, Tanya und ich – konnten Poppy nicht besonders gut leiden und haben sie deshalb ständig gepiesackt. Nichts Ernstes, völlig harmlos. Trotzdem ist es ein Schock, dass sie uns eingeladen hat und uns noch dazu als Brautjungfern haben will.

»Einen First-Class-Gratisflug und einen Aufenthalt auf einer Privatinsel werde ich mir auf keinen Fall entgehen lassen«, sagte Chloe, als wir feststellten, dass wir alle den gleichen Brief bekommen hatten. »Schon gar nicht, wenn ihr mit dabei seid.«

In dem Umschlag mit der Einladung und den Flugtickets steckt auch eine Broschüre. Die Insel heißt Deadman’s Bay, ein unheilvoller Name, den der Anblick des klaren Meerwassers jedoch sofort vergessen macht. Ein kleiner, weiß getünchter Anlegesteg aus Holz ragt in die Wellen hinaus, und in der Ferne leuchtet ein schmaler Streifen Festland unter dem weiten blauen Himmel. Im Inneren der Broschüre ein paar Inselfotos: gepflegter Rasen inmitten von üppig sprießendem Grün; Palmen, die wie Straßenlaternen in die Höhe ragen, mal schief gewachsen, mal kerzengerade, mit Hängematten dazwischen, und in der Mitte eine Feuerstelle, umringt von Liegestühlen. Im Hintergrund der weiße Strand, Sonnenliegen und ein kleiner, rot-weiß gestreifter Pavillon. Das Strandhaus – von vier winzigen Hütten am anderen Ende der Insel einmal abgesehen, die einzige und bei weitem größte Unterkunft – versteckt sich hinter vier riesigen Palmen, die einander die Plätze streitig machen, ein kleiner einstöckiger Bau mit rosa Fenstern und rosa Haustür. Daneben, kaum zu sehen, ein großzügiger Terrassenbereich mit Grill.

Es fiel mir nicht schwer, Ja zu sagen. Ich musste nicht einmal meine Pläne ändern; ich hatte keine, und ich arbeite nicht. Und auch mein Mann Andrew hatte nichts dagegen, wenn ich ein paar Tage verreiste.

Die anderen drei haben alle einen Job. Esther Driscoll ist Investmentbankerin bei einem großen Finanzdienstleister und musste bitten und betteln, um freizubekommen. Sie ist sehr viel pflichtbewusster als wir anderen. Selbst wenn sie nicht arbeitet, hängt sie ständig am Telefon oder beantwortet E-Mails. Von dem Wildfang, der sie in der Schule und auch an der Uni noch war, als sie jede Party als Letzte verließ, ist nicht mehr viel übrig. Aber ich weiß, dass ihre Mutter ihr das Vorstellungsgespräch für ihren jetzigen Job verschafft hat, weshalb sie unter starkem Leistungsdruck steht, obwohl sie das uns gegenüber niemals zugeben würde.

Heute ist Tanya Evesham diejenige, die jede Party als Letzte verlässt, wenn auch nur, weil sie selbst sie organisiert. Sie ist Eventmanagerin und plant alles, vom Promi-Empfang bis zur High-Class-Geburtstagsparty. Als sie anfing, lud sie uns zu jeder Fete ein, wo wir nicht nur Gratiscocktails, sondern auch die Möglichkeit serviert bekamen, mit der gesellschaftlichen Elite auf Tuchfühlung zu gehen. Tanya hat einen gewissen Charme, und dessen ist sie sich durchaus bewusst. Mit ihrer sprühenden Persönlichkeit schlägt sie alle in ihren Bann, die Leute können gar nicht genug von ihr kriegen. Tanyas Partys waren echte Events – und ein fester Termin im Society-Kalender.

Und dann, vor ein paar Monaten, war damit plötzlich Schluss. Tanya lud uns nicht mehr zu ihren Partys ein, und wir hörten auch nichts mehr von ihr, was allerdings nicht heißt, dass sie ihren Beruf aufgegeben hätte. Im Gegenteil, sie hat so viel zu tun wie nie. Sie und ihr Boyfriend Harry – von Beruf Bodyguard eines Politikers – haben sich letztes Jahr ein Haus am Londoner Stadtrand gekauft, das Tanya eifrig renoviert, weshalb wir drei anderen sie kaum noch zu Gesicht bekommen, und zu einer Einweihungsparty hat sie uns bislang auch nicht eingeladen.

Für Chloe zählt dieser Trip quasi als Dienstreise. Sie kriegt sich vor Begeisterung gar nicht mehr ein. Chloe Devine (eigentlich Chloe Smith, ein hoffnungslos gewöhnlicher Nachname, mit dem sie es nie zu etwas gebracht hätte, wie zu betonen sie nicht müde wird) ist eine Instagram-Sensation: Nur noch fünfzigtausend Follower fehlen ihr bis zur Million. Ausgestattet mit den Sponsoring-Deals zahlloser Firmen, für die sie auf verschiedenen Kanälen Werbung macht, protzt Chloe vor ihren Followern bei jeder Gelegenheit mit ihrem Reichtum. Doch ein First-Class-Flug auf eine private Insel ist ein ganz neues Level, und sie hat sich eigens für diesen Anlass gleich sieben verschiedene Bikinis zugelegt. Ein schlichtes Foto von ihr beim Kaffeetrinken in einem Café generiert Hunderttausende von Likes.

Hätte ich gewusst, dass man sich, um reich und berühmt zu werden, lediglich die Nase machen lassen muss, hätte ich das noch vor ihr getan. Aber ich beneide sie nicht. Chloe ist nach wie vor Single, trotz ihrer zahlreichen Beziehungen. Wenn man das so nennen kann.

Ich bin glücklich verheiratet. Ich habe das große Los gezogen.

Als hätte er meine Gedanken gelesen, kommt Andrew ins Wohnzimmer, wo ich gemütlich am Fenster sitze und alles erst in dem Umschlag und dann in meiner Prada-Handtasche verstaue. Chloe ist nicht die Einzige mit geilem Designerzeug.

»Hast du meinen Schlüssel gesehen?«, fragt Andrew, hebt die Sofakissen hoch und lässt sie wieder fallen. »Wahrscheinlich hast du ihn wieder verräumt.«

Ich seufze. Nie findet Andrew seinen Schlüssel, wenn er aus dem Haus gehen will, und immer gibt er mir dafür die Schuld. »Hast du in deiner Jacke nachgesehen?«

»In meiner Jacke?«, wiederholt er, als wäre ich verrückt geworden. »Wie soll er denn da …« Der Rest des Satzes verschwindet mit ihm durch die Tür, und ich höre Schlüssel klirren. Stirnrunzelnd kommt er zurück ins Zimmer. »Warst du das? Ich könnte schwören, dass ich ihn gestern nach Feierabend aus der Tasche genommen habe.«

»Warum sollte ich deinen Schlüssel verräumen?« Ich versuche, das Ganze mit einem Lachen zu überspielen, doch seine Miene verfinstert sich.

»Weil du ständig meine Sachen verräumst.« Er stellt sich vor den Spiegel über dem Kamin und rückt seine Krawatte zurecht.

»Hast du heute einen wichtigen Termin?«

Meine Stimme lässt ihn zusammenzucken, aber die Krawatte sitzt. »Nichts Besonderes. Warum fragst du?«

»Weil du dich so lange mit deiner Krawatte aufhältst. Und dich rasiert hast.«

Er seufzt. »Ach, Annabel, hast du wirklich nichts Besseres zu tun, als meine Morgenroutinen zu überwachen?«

»Ich fliege doch heute«, sage ich, weil er bislang kein Wort darüber verloren hat. Ich erwarte ja nicht, dass er mich zum Flughafen fährt, das wäre absurd. Aber früh aufstehen, zusammen frühstücken und ein Quickie zum Abschied wären schon nett gewesen. Stattdessen hatte Andrew die Snooze-Taste gedrückt, und ich saß allein in der Küche und knabberte an meinem Avocadotoast. »Ich bin immerhin fünf Tage weg.«

»Ach ja, deine Hen Party«, sagt er. »Wann geht’s denn los?«

»Jetzt gleich«, sage ich und checke mein Handy. »Das Taxi müsste jeden Moment hier sein.«

»Wie ich sehe, bist du startklar.« Er deutet mit einem Nicken auf den Koffer neben mir und sieht auf seine Armbanduhr. »Ich darf nicht zu spät kommen, Schatz.«

»Kein Problem.« Und das meine ich ernst. Er muss zur Arbeit, er schafft das Geld ran, auch wenn er manchmal ein echter Geizhals ist, weshalb ich nicht so oft shoppen gehen kann, wie ich gern möchte. Aber ich habe da so meine Tricks. Ich stehe auf und schlinge ihm die Arme um den Hals. »Ich werde dich vermissen.«

»Ach was, dafür wirst du vor lauter Party gar keine Zeit haben«, erwidert er und löst sich aus meiner Umarmung.

Ich tackere mir ein Lächeln ins Gesicht. »Ich liebe dich. Hey, gib mir einen Abschiedskuss.«

Er lacht. »Du bist doch in ein paar Tagen wieder da.«

Ich möchte ihn mit einem Kuss auf den Mund zum Verstummen bringen, da klingelt mein Handy, und das jähe Geräusch macht auch den leisesten Anflug von Romantik im Handumdrehen zunichte. Das muss das Taxi sein, denke ich und nehme das Gespräch an, ohne den Anrufer zu checken.

»Hallo?« Ich halte mir das Handy ans Ohr, und Andrew tätschelt mir die Schulter und geht zur Tür hinaus. Sie fällt hinter ihm ins Schloss, bevor die Person am anderen Ende der Leitung auch nur ein Wort herausgebracht hat.

»Annabel, Schätzchen, bist du’s? Nicht zu fassen, dass du tatsächlich mal drangehst, wenn ich anrufe. Du bist doch sonst immer so beschäftigt.«

Meine Mutter.

Ich stöhne innerlich. Vielleicht ist es noch nicht zu spät – noch kann ich einfach auflegen und ein Netzproblem vorschieben.

»Mum«, sage ich und beschließe, es hinter mich zu bringen.

»Um Himmels willen, wie geht es dir? Ich habe ja schon seit Monaten nichts mehr von dir gehört.«

Ich habe ein – gelinde ausgedrückt – gespaltenes Verhältnis zu meiner Mutter. Weder ein dramatisches Zerwürfnis noch ein tiefes, dunkles Geheimnis waren der Grund, weshalb ich meinem Elternhaus den Rücken gekehrt habe und ans andere Ende von Bristol gezogen bin. Ich finde es eigentlich nur natürlich, dass ich mich nach dem Studium neu erfinden wollte. Ich bin ein besserer Mensch geworden und würde es nicht ertragen, ein Leben als Supermarktkassiererin fristen zu müssen wie Mum. Sie wohnt immer noch in dem winzigen 3-ZKB-Häuschen am Rand von Hartcliffe, obwohl Dad schon vor Ewigkeiten ausgezogen ist. Als ich Andrew kennenlernte und er mir seine Eltern vorstellte – der Vater Ex-Abgeordneter, die Mutter Hautärztin, stolze Besitzer einer fünfstöckigen georgianischen Villa mitten in Clifton –, lag es irgendwie nahe, Mum Ade zu sagen.

Andrew ist ihr nur das eine Mal begegnet, bei der Hochzeit, denn dazu musste ich sie natürlich einladen. Ich hatte den ganzen Tag panische Angst davor, dass sie etwas Dummes sagen könnte, und so fiel ich ihr ständig ins Wort oder lachte sofort laut auf, wenn sie einen Witz zu machen versuchte, um von ihr abzulenken. Sie hatte sich wirklich alle Mühe gegeben, aber das zu enge Kleid von Next und ihr Hochzeitsgeschenk (eine Topfpflanze) wirkten doch ziemlich unsophisticated, erst recht, als Andrews Mutter in einem mit Chantilly-Spitze besetzten Kleid von Givenchy aufmarschierte und uns nicht nur einen diamantgeschliffenen Dekanter mit passenden Gläsern überreichte, »damit ihr was zum Auspacken habt«, sondern uns obendrein sieben Nächte in einem Fünf-Sterne-Wellness-Resort in Island spendierte. Ihr Geschmack ist schlicht sehr viel gehobener. Mir fiel ein Stein vom Herzen, als Mum endlich ging, und da Andrew nicht noch einmal nach ihr gefragt hat, empfindet er vermutlich ähnlich. Sie ist in Hartcliffe besser aufgehoben, und wir sind hier besser aufgehoben, in einem georgianischen Haus, das genauso aussieht wie das von Andrews Eltern, die gleich um die Ecke wohnen.

»Ich bin praktisch schon auf dem Weg zum Flughafen«, sage ich, in der Hoffnung, dass das Taxi endlich kommt und mir einen Vorwand liefert, um das Gespräch zu beenden. »Ich fliege zu einem Junggesellinnenabschied.«

»Wer heiratet denn?«, fragt Mum, wie immer direkt auf den Punkt. Wann sie wohl das letzte Mal Urlaub gemacht hat? Als ich klein war, sind wir jedenfalls nie weggefahren, denn ich weiß noch, wie neidisch ich war, wenn die anderen von ihren tollen Sommerferien berichteten.

»Das ist ja der Witz.« Einen Augenblick lang überlege ich, ob ich es ihr wirklich erzählen soll, aber was kann es schon schaden? »Die Glückliche ist Poppy Greer.«

»Poppy Greer?«, sagt Mum hörbar erstaunt. »Die Poppy Greer aus deiner Schule?«

»Ja, die Poppy Greer«, sage ich. »Komisch, nicht? Aber sie hat uns auf eine Privatinsel auf den Bahamas eingeladen. Da konnten wir schlecht Nein sagen.«

Am anderen Ende der Leitung wird geseufzt. »Stimmt, so etwas kann man nur schwer ausschlagen. Dann hast du also wieder mit ihr zu tun?«

»Äh, nein«, gestehe ich, und mir fällt auf, wie seltsam das klingt. »Die Flugtickets waren der Einladung beigelegt. Aber wir haben ihre Hochzeits-Posts auf Instagram gesehen. Sie folgt uns schon seit ein paar Monaten.«

»Wer, bitte, sind wir?«

»Chloe, Esther, Tanya und ich.« Warum klingt das bloß so crazy, jetzt, wo ich es ihr erkläre? Mum hat die schreckliche Angewohnheit, alles schlimmer zu reden, als es tatsächlich ist. »Wir sind ihre Brautjungfern.«

»Aber ich dachte …« Sie verstummt.

»Was?«

»Schon gut, da habe ich wohl etwas durcheinandergebracht.« Sie räuspert sich und setzt mit hellerer Stimme hinzu: »Na, dann habt ihr vier ja endlich Gelegenheit, euch bei Poppy zu entschuldigen, für alles, was damals vorgefallen ist. Ich hoffe, ihr geht in euch und betrachtet das Ganze nicht nur als Gratisurlaub. Wie schön, dass sie heiratet.«

Nicht schon wieder. Sie lässt wirklich keine Gelegenheit aus, mir eins reinzuwürgen.

»Wir brauchen uns für nichts zu entschuldigen«, sage ich. »Das ist doch alles zehn Jahre her. Alberner Teeniekram, nichts Ernstes. Ich habe zurzeit mehr Probleme, als Poppy jemals hatte!«

»Weißt du, was dein größtes Problem ist, Annabel? Du glaubst, die Vergangenheit spielt keine Rolle, weil sie abgeschlossen ist. Du vergisst, dass nichts im Leben ohne Folgen bleibt. Du bist zu sehr mit dir selbst beschäftigt und interessierst dich zu wenig für andere.«

Die alte Leier. Das hat mir gerade noch gefehlt.

Vielleicht spürt sie, dass ich den inneren Rückzug angetreten habe, denn sie redet einfach weiter, ohne eine Antwort abzuwarten.

»Ich meine es ernst. Nutzt diese Gelegenheit, euch bei Poppy zu entschuldigen, für alles, was damals geschehen ist. Wenn nicht, werdet ihr es bitter bereuen. Vielleicht ist diese Reise ja so eine Art Angebot, nach all den Jahren endlich reinen Tisch zu machen.« Wieder seufzt sie, atmet tief aus. »Ich mache mir Sorgen deinetwegen, Liebes. Nicht, weil dein sozialer Terminkalender so voll ist oder Andrew so viel arbeitet. Sondern weil ich Angst habe, dass du dein Potenzial nicht ausschöpfst und unter deinen Möglichkeiten bleibst. Wozu hast du eigentlich studiert? Da gehst du als Erste in unserer Familie zur Uni, und dann machst du nichts daraus.«

Da biegt endlich, Gott sei Dank, das Taxi in unsere Auffahrt, und ich sehe, wie der Fahrer aussteigt und versucht, mich anzurufen.

»Ich muss jetzt Schluss machen, Mum. Das Taxi ist da.«

»Denk daran, was ich dir gesagt habe. Du fehlst mir. Es wäre schön, wenn ich dich nicht immer nur an Weihnachten zu Gesicht kriegen würde. Vielleicht kannst du mich nach deinem Urlaub ja ein paar Tage besuchen kommen?«

»Vielleicht«, sage ich. »Tschüss.«

»Tschüss, Schätzchen, ich hab dich lieb. Viel Spaß bei deinem Junggesellinnenabschied.«

Sie wartet, bis ich auflege. Das macht sie jedes Mal. Ich frage mich, warum, wo sie doch immer das letzte Wort hat. Also beende ich das Gespräch, stopfe das Smartphone in meine Handtasche, schaue mich ein letztes Mal um und gehe dann zur Tür hinaus.

Damit liegt sie mir seit Ewigkeiten in den Ohren, dass ich endlich etwas mit meiner Ausbildung anfangen soll. Als ob ich nicht schon selbst darüber nachgedacht hätte. Ich habe Psychologie studiert, weil ich den menschlichen Geist verstehen wollte, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Wenn Andrew nicht zu Hause ist, setze ich mich oft an seinen Computer und lese Studien, die mich interessieren. Diese Seite meiner Person habe ich niemandem mehr gezeigt, seit Mum auf meiner Bettkante saß und geduldig lauschte, wie ich meinen Abistoff herunterbetete.

Aber inzwischen gibt es eigentlich keinen Grund mehr, etwas mit meinen Abschlüssen anzufangen. Ja, Abschlüsse, Plural. Ich habe es nämlich nicht beim Bachelor belassen, sondern auch noch meinen Master in Psychologie gemacht und mich auf die biologischen Aspekte spezialisiert. Es ist faszinierend, dass sich anhand von Scans und Tests für viele psychische Störungen und ihre nicht selten verheerenden Wirkungen eine physische Ursache nachweisen lässt. Von Freud halte ich hingegen wenig – über Gefühle zu sprechen und daraus auf erlittene Traumata zu schließen, ist in meinen Augen Quatsch.

Der Taxifahrer hilft mir mit meinem Gepäck, kein Wunder, schließlich habe ich ihm mein strahlendstes Lächeln geschenkt. Er öffnet mir sogar die Beifahrertür. Logisch, dass er auf ein fettes Trinkgeld spekuliert, er hat schließlich gesehen, wie riesig unser Haus ist. Trotzdem macht es mich ein bisschen stolz, dass er sich meinetwegen so ins Zeug legt.

Als er den Wagen zurücksetzt, werfe ich einen letzten Blick auf unser Haus. Obwohl es im Grunde Andrew gehört, er hat es von seinem eigenen Geld bezahlt, betrachte ich es als »unseres«. Wenn ich es so sehe, muss ich immer an den Zahnarzt meiner Kindheit denken, der ein großes georgianisches Haus komplett entkernen und zu seiner Praxis umbauen ließ – kalte, klinische Behandlungsräume, weiß getüncht, mit hässlichen Linoleumböden.

Ich checke mein Handy, doch Andrew hat mir keinen Abschiedsgruß geschickt, dabei hängt er von morgens bis abends an seinem Smartphone, das immer griffbereit liegt, egal ob er vor dem Fernseher sitzt oder unter der Dusche steht.

Um mich abzulenken, hole ich den Umschlag mit den Tickets und der Broschüre hervor und sehe mir noch einmal die Inselfotos an.

Ich habe kein schlechtes Gewissen wegen dem, was damals war. Da kann Mum mir noch so lange Vorträge halten. Es gibt nichts, wofür ich mich bei Poppy entschuldigen müsste, und diese Einladung ist der Beweis dafür. Wir werden superviel Spaß haben und die traurige Wirklichkeit vergessen, die wir hier zurückgelassen haben.

Wenn Poppy tatsächlich so nachtragend wäre, hätte sie uns wohl kaum eingeladen.

Und von jetzt an ist Relaxen angesagt.

Das wird der Knaller.

ZWEI Chloe

18. Mai 2023

Okay, ich glaube, ich habe jetzt genug Bilder. Dieser Flug ist der Wahnsinn.

Ich wollte ja eigentlich absagen, bis ich gesehen habe, dass Poppy alles bezahlt. Seit wann ist Poppy Greer, ausgerechnet Poppy Greer, eine Rich Bitch? Ich könnte ja sagen, ich beneide sie nicht, aber das wäre voll gelogen. Wenn ich so viel Kohle hätte wie sie, würde ich mich mindestens zweimal die Woche in den Flieger setzen, nur um so richtig im Luxus zu schwelgen. Aber wer weiß? Wenn meine Sponsorendeals weiter Profit abwerfen und den Leuten meine Urlaubsfotos gefallen … wie bitte? Eine Airline der Extraklasse wie zum Beispiel Emirates möchte dich unterstützen und dir First-Class-Flüge an jedes gewünschte Ziel ermöglichen? Das wird zwar hart, aber hey, ich bin dabei.

Schon die Airport-Lounge war krass. Wir hatten unseren eigenen Bereich, wo es Frühstück gab. Richtiges Frühstück mit allem Pipapo: frische Fruchtsmoothies und tausend Sorten Gebäck, Joghurt, Käse und Müsli. Und obwohl Esther am Ende das meiste davon gegessen hat, habe ich einen megaschönen Teller kreiert mit allem, was es gab, nicht zu vergessen den edlen Wein nebst Nüssen und Oliven. Ein paar Tische weiter saßen ein paar Geschäftsleute beim Frühstück, die von dem spontanen Fotoshooting nebenan nicht sonderlich begeistert waren, aber auch das ist Arbeit, sorry, Gents.

Ich bin inzwischen so nahe an einer Million Follower, dass sie sich fast mit Händen greifen lässt. Meine Agentin, so eine Dürre namens Carla, die sich mit ziemlicher Sicherheit ausschließlich von Selleriesticks und Stress ernährt, hat gesagt, wenn es so weitergeht, ist es in spätestens vier Wochen so weit. Sie war total happy, als ich ihr von Poppys Einladung erzählte, und bestand darauf, dass ich den ganzen Trip minutiös mit der Kamera festhalte. Ich wünschte, ich hätte mein Lighting Kit mitnehmen können, aber viele meiner Follower stehen auf den »natürlichen« Look, den meine Bilder jetzt haben.

Die Stimmung war anfangs ein bisschen awkward. Schließlich hatten wir vier uns seit Ewigkeiten nicht gesehen. Annabel bin ich in letzter Zeit sowieso aus dem Weg gegangen, aus naheliegenden Gründen. Und auf Tanya kann ich momentan eigentlich auch verzichten.

Sie sieht nicht viel besser aus als früher. Sie trug allen Ernstes Leggings – ich meine, hello, wir fliegen First Class, da kann man sich doch wenigstens ein bisschen Mühe geben und sich anziehen, als würde man dazugehören, oder? Und einen Oversized-Pullover, der wahrscheinlich kaschieren sollte, wie dünn sie geworden ist. Aber im Gesicht lässt sich das nicht kaschieren, richtig ausgemergelt sieht sie aus, und diese Tränensäcke, Himmel. Vielleicht sollte ich ihr ein paar Tipps geben, wie man so was überschminkt, denn sie kann anscheinend nur sehr schlecht verbergen, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Nicht, dass Annabel oder Esther das mitbekommen hätten. Annabel stieß einen spitzen Schrei aus, als sie zur Tür hereinkam, rannte von einer zur anderen, küsste uns auf beide Wangen und erzählte uns, wie toll wir alle aussähen. Dabei war sie die Einzige, von der man das behaupten konnte, auch wenn ich wohl nie erfahren werde, wie sie sich eine Prada-Tasche leisten kann, obwohl sie nicht arbeiten geht.

»Wie lange ist es her, dass wir vier das letzte Mal so zusammengesessen haben?«, fragte Annabel, mit dieser albernen rauchigen Stimme, die sie immer aufsetzt, wenn sie eine Show abzieht.

»Wir haben uns doch vor Kurzem erst getroffen und über die Einladung gesprochen«, sagte Esther grinsend.

Mal ehrlich, im Grunde ist auch Esther angezogen, als ob sie etwas zu verbergen hätte. Esther macht gern Sport (was die Superfitten imho nur sagen, um sich über uns Normalos zu erheben, die sich quälen, damit der Arsch nicht hängt), also müsste sie doch eigentlich ihre straffen Arme und Beine zur Schau stellen, stattdessen hat sie sich in Schlabberhosen und einen langärmligen Rollkragenpullover gehüllt. Während wir am Flughafen auf Annabel warteten, wechselte sie mit Tanya und mir kaum eine Silbe, weil ihr Freund ihr ständig Nachrichten aufs Handy schickte. Sie knabberte so lange an ihrer Unterlippe, bis die zu bluten anfing, und jetzt hat sie Lippenstift an den Zähnen. Ich frage mich, wie lange es wohl dauert, bis sie es merkt, darum habe ich ihr nichts davon gesagt.

Annabel wischte ihre Bemerkung beiseite. »Du weißt doch, was ich meine. Nicht nur ein kurzes Mittagessen oder so. Und jetzt verbringen wir richtig Zeit miteinander. Ist das nicht toll?«

»Einfach traumhaft«, sagte ich, aber sie schien gar nicht zu kapieren, dass ich sie verarschte, denn sie strahlte mich regelrecht an.

Wir wurden zu unseren Sitzplätzen in die Kabine eskortiert, und wenn ich Plätze sage, meine ich Suiten, echt unbelievable, fast schon too much. Es gibt einen Schlaf- und einen Sitzbereich, alles in diesen coolen, neutralen Grau- und Weißtönen, mit einem orangefarbenen Dekokissen auf dem Ledersessel. Von den sechs verfügbaren Suiten haben wir vier belegt. Von den beiden letzten ist die eine leer, und die andere, ganz hinten, beherbergt einen streng dreinblickenden Anzugträger mit glänzendem Kahlkopf, worüber ich kichern musste, was Esther mit Augenrollen quittierte.

Zugegeben, beim Start war ich ein klein wenig nervös. Wenn die Maschine so leicht absackt, bevor sie in die Waagerechte findet, kriege ich jedes Mal Panik, dass wir abstürzen könnten. Dass der Mensch am Himmel herumgondelt, hat die Natur nicht vorgesehen, und ich habe ständig Schiss, dass die Gesetze der Physik sich an diesen Fun Fact erinnern und uns in die Tiefe stürzen lassen.

Ein Glas O-Saft und ein heißes Tuch halfen, mich von meinen Ängsten abzulenken. Ich drückte mir das Tuch ins Gesicht – die Tasche mit meinem Backup-Make-up stand gleich neben meinen Füßen – und schloss die Augen. Als wir endlich unsere Reiseflughöhe erreichten und die Fasten-Seat-Belts-Leuchten ausgingen, stieß ich einen Seufzer der Erleichterung aus.

Jetzt sitzen wir in meiner Suite zusammen. Wir können es, glaube ich, alle immer noch nicht fassen, dass wir hier sind, auf dem Weg zu Poppy Greer auf einer Bahamasinsel. Halb habe ich mich gefragt, ob unsere Flugtickets sich beim Einscannen als Fakes erweisen würden, als letzte kleine Rache für damals, und das Flughafenpersonal uns auslachen und nach Hause schicken würde.

Esther hatte so etwas gesagt, als wir uns vor ein paar Monaten zum Lunch trafen, kurz nachdem wir die Einladungen bekommen hatten. Wir legten sie neben unsere Caesar Salads auf den Tisch und merkten erst in dem Moment, dass sie, von der Anrede abgesehen, alle denselben Wortlaut hatten.

»Also, ich weiß nicht«, sagte Esther und schüttelte den Kopf. »Das kommt mir irgendwie verdächtig vor.«

»Wieso verdächtig?«, fragte ich und spießte ein Stück Hähnchen auf meine Gabel. Meine Follower, meine »Familie«, wie ich sie nenne (was nicht besonders schwerfällt, wenn der Vater im Knast sitzt und die Mutter säuft), stehen total darauf, dass ich mich so gesund ernähre (für ein Foto dieses Essens bekam ich über hunderttausend Likes). »Sie bezahlt doch alles.« Das war für mich der wichtigste Punkt.

Esther blieb skeptisch. »Aber warum bezahlt sie alles? Für uns? Warum hat sie sich uns als Brautjungfern ausgesucht, obwohl sie uns seit Ewigkeiten nicht gesehen hat?«

»Apropos«, sagte Annabel stirnrunzelnd, »wir wissen bis jetzt nicht das Geringste über diese Hochzeit. Wo findet sie statt? Und wann? Wir haben weiter nichts als die Einladung zur Hen Party, ›alles Weitere später‹.«

»Das werden wir schon noch früh genug erfahren. Kein Ding. Sie möchte definitiv wissen, wie es uns so geht.« Achselzuckend griff ich zu meinem Handy und scrollte zu ihrem Instagram-Account. »Seit sie uns folgt, hat sie unsere ganzen Bilder geliked. Sogar das Foto, das ich gerade von meinem Salat gepostet habe.«

Wir waren alle total baff, als wir feststellten, dass Poppy uns auf Instagram folgte. Ich war, logisch, die Erste, aber bald hatte sie auch die Accounts der anderen gefunden und likte jedes neue Foto und jede neue Story, die wir teilten. Sogar die von Esther, und Esther ist auf Insta ein Totalausfall. Sie postet circa alle drei Monate ein Foto und hat noch nicht mal tausend Follower. Poppy hat zwar auch nicht viel mehr, aber dafür Unmengen von Posts. Die ersten paar waren hauptsächlich Momentaufnahmen aus dem Londoner Nightlife, verwackelte Fotos von Cocktails und Clubs, und dann natürlich von Bildern, die entweder von ihr selbst stammten oder von Künstlern, die sie mochte (Poppy ist ein absoluter Artfreak). Aber wir alle kannten das Foto von ihrer linken Hand mit dem funkelnden Diamantring.

Es war Annabels Idee, ihr zurückzufolgen, nur so, just for fun. Also, ich folge ausschließlich Promis, aber die anderen drei folgten Poppy, und wir konnten sehen, was sie so trieb. Ich weiß, dass ich sie nicht als Einzige um diesen Ring beneidete – wie hatte ausgerechnet Poppy Greer es geschafft, sich einen Typen mit so viel Geld zu angeln?

Danach hagelte es Braut-Pics, von Kleidern, die sie anprobiert, und potenziellen Locations, die sie ausgecheckt hatte. Ihre Shortlist für das Hochzeitskleid war krass. Einen Abend hatten wir uns bei mir die Kante gegeben und für das Kleid gevotet, das uns am besten gefiel. Also, ich persönlich fand das hautenge Versace-Seidenteil am schärfsten, die anderen standen auf die eher traditionellen Modelle. Mit der Zeit wurde es für uns zu so einer Art Spiel – was würde Poppy wohl als Nächstes posten, und würde sie uns endlich zeigen, wie sie jetzt aussah? Bislang war auf keinem der zahllosen Hochzeitsbilder ihr Gesicht zu sehen gewesen.

Zwei Monate vor Erhalt der Einladungen hatte Poppy eine Story geteilt, in der sie vor schicken Einladungskarten saß und überlegte, wen sie auf die Gästeliste für ihre Hochzeit setzen sollte. Sie schrieb:

Einige habe ich schon so viele Jahre nicht mehr gesehen. Wäre es nicht lustig, eine Art Klassentreffen daraus zu machen?

»Wart’s ab, Tanya, sie ruft dich bestimmt an«, hatte ich damals gewitzelt. »Sie will dich als Trauzeugin.«

»Du glaubst doch nicht im Ernst, dass die uns einlädt«, hatte Tanya geantwortet und die Augen verdreht. »Ich bin entsetzt, dass sie überhaupt auf die Idee kommt, Leute aus der Schule einzuladen.«

Umso größer unsere Überraschung, als die Einladungen zur Hen Party durch den Briefschlitz gesegelt kamen. Und sie nicht nur Tanya, sondern uns alle vier als Brautjungfern haben wollte.

Ich grinste in die Runde. »Also, ich finde, wenn sie uns eine Ferienreise auf die Bahamas spendiert, können wir Poppy Greer auch in unseren erlauchten Kreis aufnehmen.«

Das entlockte Annabel ein Lächeln, aber noch zögerte sie. »Ich glaube nicht, dass wir untereinander auch so großzügig wären, wenn es um unsere eigenen Hen Partys ginge.«

»Schon weil wir sie nie im Leben einladen würden!« Ich lachte.

Tanya, die bis jetzt in Gedanken versunken dagesessen hatte, runzelte die Stirn. »Vielleicht geht es in Wahrheit um etwas ganz anderes. Vielleicht sollten wir doch hinfahren und … ihr wisst schon, sehen, wie es ihr geht. Nach allem, was war.«

»Vermisst da etwa eine ihre alte Freundin?«, frotzelte ich. »Du hast offenbar noch immer ein schlechtes Gewissen.«

»Ich meine ja nur.« Tanya schob den noch halb vollen Salatteller von sich. »Wir waren schon ziemlich gemein zu ihr, vor allem gegen Ende. Das könnte die Gelegenheit sein, endlich reinen Tisch zu machen. Damit wir das nicht ewig mit uns herumtragen müssen.«

»Wer trägt hier was mit sich herum?«, fragte Esther. »Also, ich nicht.«

»Wir sollten fahren, alle vier«, sagte Tanya. »Ich finde das wichtig.«

»Und selbst wenn Poppy immer noch so strange drauf ist wie früher, werden wir vier Tage lang das Luxusleben auf einer privaten Bahamasinsel genießen«, setzte ich hinzu und ignorierte Tanyas genervten Seufzer.

Esther hob die Hände und gab sich geschlagen. »Na schön, na schön. Ich komme mit. Wir fahren.«

Annabel nickte. »Ja, gut. Aber wegen der Sandstrände und der Cocktails und nicht, um meine Kindheit zu therapieren.«

»Hurra!« Ich erhob mein Weinglas. »Darauf müssen wir anstoßen.«

»Vorausgesetzt ich kann mir freinehmen«, murmelte Esther, doch dann erhob auch sie das Glas und grinste. »Auf die Bahamas!«

»Auf die Bahamas!«, riefen wir im Chor.

Jetzt kehrt das Gespräch zu Poppy zurück. Ich sitze in meinem Sessel, Esther und Annabel hocken auf der Bettkante, und Tanya steht im Eingang. Eine Stewardess offeriert uns zum Abschluss des Festmahls, das wir soeben verspeist haben, einen Kaffee, und wir nehmen dankend an. Nachdem sie selbigen serviert hat, geht sie wieder hinaus, und wir können ungestört reden.

»Mich würde interessieren, wie sie heute drauf ist«, sage ich und denke an die Poppy von einst. »Sie hat kein einziges Foto von sich auf Instagram gepostet.«

In der Schule gibt es immer dieses eine Kind, das nirgends richtig dazugehört, auch wenn es allem Anschein nach völlig normal ist. Keine gravierenden Mängel, kein Grund für Hohn und Spott. Und doch bleibt es immer außen vor, findet nie Anschluss an die Gruppe, deren Witze es nicht versteht, weil diese Witze vermutlich auf seine Kosten gehen.

Dieses Kind war Poppy Greer. Klar, sie war ein bisschen pummelig, und das haben wir ihr auch oft genug unter die Nase gerieben (ich weiß noch, wie wir sie mit zwölf oder dreizehn monatelang nur Poppy Gierig nannten), aber sie war so seltsam, dass niemand mit ihr befreundet sein wollte. Sie hatte einen merkwürdigen, obsessiven Charakter, war immer nur auf ein Thema fixiert, von dem sie dann ununterbrochen sprach, wie Star Wars oder auch The Great British Bake Off. Aber am komischsten waren ihre gruseligen Bilder. Sie malte gern und stellte ihre Sachen ständig in der Schule aus. Noch mit sechzehn trug sie eine Zahnspange. Sie kam gut mit den Lehrern aus und wurde regelmäßig Klassenbeste. So eine war sie.

Nie und nimmer hätte ich gedacht, dass aus der mal was wird, denn auch wenn die Welt gern das Gegenteil behauptet, belohnt sie selbstbewusste, attraktive Menschen. Ich selbst bin dafür das beste Beispiel. Ich bin mit drei D-Noten durchs Abi gerasselt, was aber nicht die geringste Rolle spielt, denn meine Doppel-Ds bringen mir über Bikinifotos jeden Monat ein paar Tausender. Oder nehmen wir Annabel: schön, blond, eine bessere Nase als ich, obwohl ich mir meine habe machen lassen, und außerdem ist sie mit dem schnuckeligen Andrew verheiratet und braucht nicht zu arbeiten. Verglichen mit ihr ist Esther, auch wenn sie immer gut gekleidet ist und einen Killerbody hat, lediglich Durchschnitt, weshalb sie diesen öden Job in der Bank machen muss. Zu Tanya gibt es momentan nicht viel zu sagen, aber sie ist nicht unattraktiv. Deswegen hatte sie als Eventmanagerin auch so großen Erfolg. Man kann keine Stimmungskanone und gleichzeitig potthässlich sein.

»Dumm war sie jedenfalls nicht«, sagt Esther. »Vielleicht ist sie auch im Investmentbanking.«

»Vielleicht hat sie es ja sogar ohne Beziehungen zu etwas gebracht«, sagt Annabel grinsend.

Esther ignoriert den Seitenhieb und trinkt einen Schluck Kaffee. »Ich habe keine Ahnung, wie es ihr nach dem Abi ergangen ist. Sind die Greers damals nicht weggezogen?«

»Ich meine, ja«, sage ich. »War ihre jüngere Schwester nicht noch intelligenter als sie? Vielleicht sind sie irgendwo aufs Land gezogen, damit sie auf ein vornehmes Oberstufen-College für Genies gehen konnte.«

»Sie wiederzusehen wird garantiert total komisch«, sagt Annabel. »Meine Mum meinte, es wäre eine gute Gelegenheit, sich bei ihr zu entschuldigen. Man fasst es nicht.«

»Ich wusste gar nicht, dass du noch mit deiner Mutter sprichst«, sagt Tanya, und Annabel errötet.

»Sie hat es geschafft, mich anzurufen, als ich heute Morgen auf mein Taxi gewartet habe«, murmelt sie. »Ich habe nicht gecheckt, dass sie es war. Ich dachte, es wäre der Taxifahrer, der sich auf der Suche nach unserem Haus verfahren hatte.«

»Was bei den ganzen Nobelvillen nicht allzu schwierig ist«, räumt Esther ein. »Aber was heißt entschuldigen? Entschuldigen wofür?«

Annabel und vor allem Esther haben die Neigung, so zu tun, als wäre nie etwas vorgefallen. Ich bin da ehrlicher. Ich meine, wir werden dieses Jahr alle achtundzwanzig, und wenn man in diesem Alter noch nicht einmal zu einer Kleinigkeit wie der Sache mit Poppy Greer stehen kann, ist das für meinen Geschmack ziemlich kindisch.

»Das wollte ich schon beim Essen sagen. Wir könnten uns für unser damaliges Verhalten entschuldigen«, schlägt Tanya vor. »Und ihr sagen, wie sehr wir uns darüber freuen, dass sie uns als Brautjungfern haben möchte.«

»Man entschuldigt sich doch nicht für etwas, das zehn Jahre her ist«, bemerkt Annabel. »Nein, ich finde, wir verlieren einfach kein Wort darüber. So ist es für alle leichter.«

»Einverstanden«, sagt Esther. »Keine Silbe. Das gilt vor allem für dich, Chloe.«

Ich runzle die Stirn. Wenn die wüsste, was ich den dreien alles verschwiegen habe …

»Die eigentliche Frage ist doch: Wen heiratet sie?«, sagt Annabel.

»Stimmt«, setze ich kichernd hinzu. »Wer, zur Hölle, würde Poppy Greer heiraten?«

Wir alle lachen, und die Spannung verfliegt.

Poppy treffen wir erst auf der Insel, darum weiß ich nicht, ob sie schon länger dort ist oder einen anderen Flug genommen hat. Als wollte sie das Wiedersehen nach all den Jahren besonders spannend machen, aber das nehme ich ihr nicht übel. Es wäre schon ziemlich awkward gewesen, den ganzen Neun-Stunden-Flug gemeinsam zu verbringen.

Außerdem werde ich den Gedanken nicht los, dass wir vielleicht nur deshalb ihre Brautjungfern sind, weil sie keine anderen Freundinnen hat. Wir kommen dem möglicherweise am nächsten.

Wie traurig.

Die anderen gehen zurück in ihre Suiten. Tanya verkündet, sie werde den Rest der Reise verschlafen und wolle nicht gestört werden, während Esther ihre Job-E-Mails abarbeiten und ihrem Freund Brad antworten will, der ihr bereits ein Dutzend Nachrichten geschickt hat. Nur Annabel und ich genießen die restliche Flugzeit; von fern höre ich, dass sie sich einen Film ansieht und noch etwas zu essen bestellt, und genau das habe ich auch vor, nachdem ich mein neuestes Selfie hochgeladen habe.

Ich lege mich aufs Bett und halte das Handy hoch über mein Gesicht und sehe, dass sich mein Haar auf dem Kissen aufgefächert hat, ein Glorienschein in Platinblond. Ziemlich sexy. Es gibt angenehmere Orte, um Mitglied im Mile High Club zu werden, als die Bordtoilette, schreibe ich darunter. Ich weiß, das ist grenzwertig, fast schon dirty, aber ich weiß auch, dass diese gelegentlichen Posts jede Menge Likes generieren. Und da sind die ersten paar hundert auch schon, nebst verzweifelten Kommentaren von traurigen alten Säcken von wegen, wie gern sie jetzt hier oben bei mir wären. As if.

Nach einem Film und einer weiteren üppigen Mahlzeit mit dem einen oder anderen Gläschen Wein dazu bringt mir die Stewardess noch einen Digestif und ein Stück Kuchen.

»Wir sind bald da«, sagt sie, während ich bewundere, wie fest ihr Dutt geknotet ist und wie taufrisch ihr Make-up aussieht, obwohl sie neun Stunden praktisch nonstop auf den Beinen war. »Ich hoffe, Sie haben Ihren Flug genossen.«

»Es war zauberhaft«, sage ich, doch kaum sind die Fasten-Seat-Belts-Leuchten angegangen, ist auch der nervöse Knoten im Magen wieder da.

DREI Tanya

18. Mai 2023

Die Broschüre, die Poppy den Einladungen beigelegt hat, wird der Schönheit dieses Ortes nicht gerecht.

Selbst wenn man nur am Festlandpier steht, wird deutlich, wie viel heller und klarer hier alles scheint. Weit draußen auf dem Meer kann ich die Insel erkennen, auf der wir das Wochenende verbringen werden, ein kleiner dunkler Fleck am Horizont, umgeben von endlosem Blau. Vom Flughafen bis hierher waren wir fast eine Stunde unterwegs, zu viert in einem völlig überhitzten Taxi, und ich hielt die meiste Zeit die Augen geschlossen, damit ich in der stickigen Enge keinen Migräneanfall bekam. Dabei geht es mir so schon nicht besonders gut. Jetzt, im Freien, wirkt die Luft viel frischer, ganz anders als die Abgase und Schadstoffe in England.

Einerseits möchte ich immer noch zurück nach Hause, damit ich mich dem Unvermeidlichen nicht stellen muss. Andererseits möchte ich für alle Zeiten hierbleiben und ein Inselleben führen, fernab von allem, ohne mir Gedanken darüber machen zu müssen, was mich bei meiner Rückkehr erwartet. Es ist furchtbar. Manchmal schlägt mein Herz so heftig, als wollte es mir aus der Brust springen, und mir zittern die Hände. Ständige Mahnungen, die mich mürbe machen wollen.

Am Ende des Piers, neben einem Boot, hebt eine Frau mittleren Alters die Hand zum Gruß und winkt uns zu sich. Sie sieht ganz anders aus, als ich sie mir vorgestellt hatte, nachdem wir erfahren hatten, dass uns die Verwalterin der Insel abholen würde: eine sportliche Schönheit im Hippie-Outfit, mit langen Beinen und sonnengebräunter Haut. Stattdessen sieht sie eigentlich ganz normal aus, mit blumengemusterten Leggings und fetten Boots. Als sich ihr Mund zu einem breiten Lächeln verzieht, zeigen sich kleine Falten.

»Müssen wir den ganzen Kram doch wahrhaftig selber schleppen«, murrt Annabel und wirft sich die Handtasche über die Schulter. »Das nenne ich erstklassigen Service.«

Es sind noch nicht mal zwanzig Meter, möchte ich sagen, und dein Koffer hat Rollen. Aber ich halte den Mund, was bei Annabel zumeist das Beste ist.

Während wir den Steg hinuntergehen, frage ich mich, was die Frau wohl von uns denkt: vier aufgestylte junge Frauen in High Heels, die sich mit ihren Koffern abplagen. Ich bin noch am normalsten angezogen, mit meinem großen Pulli, aber selbst der ist viel zu viel, schon wegen der Hitze. Keine gute Idee für jemanden, der sich die größte Mühe gibt, nicht zu schwitzen, denn ich kann ihn ja schlecht ausziehen. Sie ist da wesentlich pragmatischer, und ich glaube, es liegt ein Anflug von Belustigung in ihrem Blick, als wir schließlich vor ihr stehen.

»Sie müssen die Hen Party sein«, sagt sie, und auch ihre Stimme klingt anders als erwartet. Als ich sie aus der Nähe sehe, mit ihrer glänzenden, sonnengegerbten Haut, das lange Haar zu einem unvorteilhaften Pferdeschwanz gebunden, denke ich, sie würde schroff, fast männlich klingen. Wieder überrascht sie mich, mit einem leichten, melodischen walisischen Akzent. »Ich bin übrigens Robin. Ich bringe Sie sicher zu Ihrem Feriendomizil.« Sie hebt die Hand und deutet auf den dunklen Fleck am Horizont, den ich vorhin schon entdeckt habe. »Das ist die Insel, auf der Sie wohnen werden. Deadman’s Bay.«

Bei dem Namen bekomme ich noch immer eine Gänsehaut. Robin hat es bemerkt und wirft mir ein flüchtiges Lächeln zu.

»Keine Angst, das klingt gruseliger, als es ist«, sagt sie. »Die Insel ist eine historische Stätte, erstmals besiedelt von einem schiffbrüchigen Seemann. Er heiratete eine Frau vom Festland, und zusammen bauten sie ein Haus, das es aber schon lange nicht mehr gibt. Das neue Haus des Besitzers, in dem Sie wohnen werden, steht an der der gleichen Stelle. Trotzdem: Keine Geister und Gespenster, versprochen.«

»Die Insel gehört Ihnen gar nicht?«, fragt Chloe, die bis jetzt vollauf damit beschäftigt war, das Ende des Piers zu fotografieren.

Robin lacht. »Schön wär’s. Ich bin nur eine bessere Taxichauffeuse zwischen Festland und Insel. Die Besitzer leben in den USA, und ich schaue ab und zu nach dem Rechten.«

Klingt nach einem coolen Job. Ich mustere Robin, diese nette, höfliche Frau, die eindeutig aus Wales stammt. Was sie wohl hierher verschlagen hat?

Vielleicht sollte ich mich von der Vorstellung verabschieden, dass jeder Mensch vor irgendetwas wegläuft. Aber ich habe nun einmal das Gefühl, als wäre ich schon mein Leben lang auf der Flucht.

Robin nimmt unser Gepäck entgegen und verstaut es auf dem Boot. Sie weiß genau, was sie tut; einen Fuß auf dem Pier, den anderen auf dem Boot, ohne auch nur eine Sekunde aus dem Gleichgewicht zu geraten, obwohl das Boot in der sanften Dünung hin und her schaukelt. Als unser Gepäck verladen ist, streckt sie die Hand aus und hilft uns einer nach der anderen an Bord.

Annabel zögert. »Ich werde leicht seekrank. Wie lange dauert die Fahrt?«

»Wir haben heute die Flut im Rücken«, sagt Robin. »Es dürfte nicht viel länger dauern als eine halbe Stunde, vierzig Minuten maximal. Bei Gegenwind dauert es unter Umständen doppelt so lange.«

»So lange?« Annabel wird leichenblass. »Und wir sind ganz allein da draußen?«

»Es gibt ein Notfalltelefon«, sagt Robin, »und wenn das Festnetz mal ausfällt, helfen Leuchtraketen, deren Schein man von hier aus sehr gut sehen kann. Die wurden aber noch nie gebraucht.«

Entschlossen hält sie ihr die Hand hin, und Annabel gibt sich geschlagen. Sie steigt ins Boot, stöckelt in ihren Pumps quer über die Planken und plumpst auf die lange Sitzbank. Esther folgt ihr, ohne zu murren, setzt sich neben Annabel und drückt ihr zum Trost sogar die Hand.

Chloe kann es offenbar gar nicht erwarten; sie verschmäht die ausgestreckte Hand, klettert ohne fremde Hilfe an Bord und sucht sich einen Platz. Im selben Moment, als ich Robins Hand ergreifen will, meldet Chloe sich zu Wort, als ob ihr der Gedanke gerade erst gekommen wäre.

»Und wenn es Sturm gibt?«

»Sturm?« Robin denkt einen Augenblick nach und lässt meine Hand in der Luft hängen. »Nachts gibt es öfter mal ein Gewitter, aber das verzieht sich auch wieder.«

»Aber würden Sie auch bei einem echten Unwetter noch zu uns herausfahren?«, hakt Chloe nach, und das Blitzen in ihren Augen verrät mir, dass sie Annabel nur Angst einjagen will. Und es funktioniert: Annabel klammert sich regelrecht an Esther.

Robin hebt beschwichtigend die Hände. »Zugegeben, dann müsste ich fremde Hilfe holen. Wenn das Unwetter wirklich so schlimm wäre. Aber wie gesagt, das hat’s noch nie gegeben. Also alles im grünen Bereich. Ihr seid im Urlaub, Ladys! Und nicht im Straflager!«

Ich sehe zur Insel hinüber. Wie klein sie wirkt, wie endlos weit entfernt. Der Himmel ist klar, keine Wolke weit und breit. Nur eine sanfte Brise ist zu spüren.

Trotzdem. Ich blicke zurück zum Festland; gut zu wissen, dass uns nichts passieren kann.

»Tanya, nicht wahr?«

Ich zucke vor Schreck zusammen, als ich meinen Namen höre. Robin wartet.

»Ich habe eine Liste mit Ihren Namen bekommen«, erklärt sie. »Sind Sie dann so weit?«

Mir ist bei der Sache irgendwie unwohl, aber ich verdränge den Gedanken und ergreife ihre Hand.

Als wir endlich alle vier an Bord sind, setzt Robin sich ans Steuer. Annabel und selbst Chloe schrecken zusammen, als der Motor röhrend aus seinem Schlummer erwacht.

Das Boot gleitet aufs Meer hinaus und nimmt allmählich Fahrt auf. Der Wind ist hier draußen sehr viel stärker und weht uns ins Gesicht. Ich bin froh, dass es endlich losgeht und atme die frische Luft tief ein. Mein Kopf ist schwerer als Chloes Koffer, und bevor der Motor ansprang, hatte ich Angst, dass ich diejenige sein würde, die sich übergeben muss.

»Ich muss Sie vorwarnen«, brüllt Robin gegen den dröhnenden Motor und die Wellen an. »In fünf Minuten haben Sie kein WLAN mehr. Auf der Insel haben Sie zwar ein Netz, aber das ist ziemlich störanfällig. Was Internetempfang angeht, ist Deadman’s Bay leider noch nicht im einundzwanzigsten Jahrhundert angekommen.«

Esther reißt erschrocken die Augen auf. »Kein WLAN? Und wie soll ich die nächsten vier Tage überstehen?«

Auch Chloe protestiert. »Wie soll ich ohne Internet Urlaubsfotos und -videos hochladen?«

»Betrachten Sie’s als Abenteuer«, sagt Robin. »Außerdem sind Sie ja wohl der Braut zuliebe hier.«

Poppy zuliebe. Genau das wollte ich den anderen sagen, aber jetzt, wo wir hier sind, ist es irgendwie komisch. Dass wir ihr nach all den Jahren Auge in Auge gegenüberstehen werden.

Was mich betrifft, muss ich ununterbrochen an das Mädchen denken, das wir vor zehn Jahren zurückgelassen haben. Merkwürdig, sie sich als Erwachsene vorzustellen, die ein Leben führt, auf das wir keinen Einfluss haben.

Hat sie uns verziehen? Oder, wichtiger noch: Hat sie mir verziehen?

Manchmal, wenn ich mir die anderen so ansehe, möchte ich ihnen am liebsten ins Gesicht schreien. Interessiert sie überhaupt, was wir damals getan haben? Verschwenden sie je auch nur einen Gedanken daran? Denn es gibt Tage, besonders seit wir die Einladungen bekommen haben, an denen ich an nichts anderes mehr denken kann.

Wir rasen auf die Insel zu, und außer uns ist niemand auf dem Wasser, so weit das Auge reicht, nur das endlose Blau des Meeres. Ich denke an meine winzige Wohnung, das Bad, in dem der Schimmel wuchert, weil ein Abluftventilator eben kein Ersatz für ein Fenster ist, auch wenn mein Vermieter das Gegenteil behauptet.

Was Robin wohl vom Jobsharing hält?

»Wie fühlen Sie sich, Annabel?«, brüllt sie, weil sie sich als Einzige daran erinnert, dass Annabel angeblich seekrank ist.

Die ist ein bisschen blass um die Nase, aber das hat nicht unbedingt etwas zu sagen. Müde reckt sie den Daumen. »Gut. Es war nur am Anfang so schlimm, als das Boot noch geschaukelt hat.«

»Wusste ich’s doch«, sagt Robin. »Die Hen Party wird ein Traum. Wann ist die Hochzeit?«

Da hat sie uns kalt erwischt.

»Die Hochzeit?«, fragt Annabel. »Meine Hochzeit?«

»Sie sind doch die Braut, oder?«, sagt Robin und blickt starr geradeaus. Die dunklen Umrisse der Insel rücken näher, ein wachsender Fleck am Horizont. »Eine Ihrer Brautjungfern ist schon früher gekommen, um alles für Ihre Ankunft vorzubereiten.«

Da muss sie irgendetwas falsch verstanden haben.

Ich habe sie den anderen gegenüber zwar nicht geäußert, aber ich hatte von Anfang an Bedenken wegen dieser Reise. Schon vor drei Monaten, als ich die Einladung erhielt. Dass sie überhaupt mit der Post kam, war das erste Warnsignal. Niemand schickt mir Briefe oder Karten, schon seit einer Ewigkeit nicht mehr. Weshalb sich mir sofort die Nackenhaare sträubten, als ich auf dem Boden hinter der Tür etwas entdeckte, das definitiv nicht nach Rechnung aussah, ein instinktives Gespür für Gefahr: Hier stimmt was nicht.

Und dann auch noch eine Einladung auf eine Bahamasinsel. Als Poppy Greers Brautjungfer. Damals wusste ich noch nicht, dass sie auch die anderen eingeladen hatte. Ich hielt das für einen schlechten Scherz und hätte die Einladung samt Broschüre und Flugticket beinahe auf der Stelle zerrissen.

Stattdessen saß ich eine Weile da, mit dem Umschlag im Schoß, und dachte über die First-Class-Tickets nach. Was sie wohl zu bedeuten hatten? Ein paar Stunden später hatte Annabel uns alle angerufen und sich erkundigt, ob wir auch eine Einladung erhalten hätten. Es ging also nicht nur um mich.

Es fällt mir immer noch schwer, an die Vergangenheit zu denken. Manchmal frage ich mich, ob das, was ich heute durchmache, vielleicht die Strafe ist für das, was damals war. Und das Universum mir damit zu verstehen geben will, dass ich es verdient habe. Dass ich ein furchtbarer Mensch bin. Denn ist es nicht irgendwie auch egoistisch, dieses Wochenende als Chance auf die Vergebung meiner Sünden zu betrachten?

Die anderen sind furchtbar gespannt, wie Poppy jetzt wohl aussieht.

Mich beschäftigt viel mehr, was sie wohl von uns denkt.

»Ich glaube, Sie verwechseln da etwas«, sagt Esther zu Robin.

Aber Annabel findet den Irrtum urkomisch. Sie wirft den Kopf in den Nacken und lacht. »Ja. Ich bin die Braut. Stimmt’s?«

»Ja.« Chloe grinst, trotzdem ist mir das Ganze ein Rätsel. Wie kommt Robin auf diese Idee?

Robin nickt. »Dann sind Sie also nur zu fünft. Eine kleine Hen Party, aber vielleicht hat das ja auch sein Gutes.«

»Na, erleichtert, Tanya?«, flüstert Chloe mir zu, und wieder hat sie dieses Blitzen in den Augen. »Poppy hat keine neue Freundin.«

Die drei reiben mir bei jeder Gelegenheit unter die Nase, dass Poppy und ich einmal gute Freundinnen waren. Wenn nicht sogar beste Freundinnen. Wir gingen auf dieselbe Grundschule und dachten uns nachmittags zum Zeitvertreib Geschichten aus. Aber als wir dann aufs Gymnasium kamen und ich mich mit den drei anderen anfreundete, verloren Poppy und ich uns aus den Augen. Wie das im Leben so ist. Zumindest redete ich mir das ein.

Von Zeit zu Zeit erinnern sie mich daran, dass ich fast genauso war wie Poppy. Die ständige Außenseiterin, die nirgends so richtig dazugehörte.

»Halt die Klappe, Chloe«, sage ich scharf, doch sie grinst nur.

Robin überhört unser Gezanke. »Wir sind gleich da. Nur noch ein Katzensprung.«

Der Rest der Fahrt vergeht ohne ein weiteres Wort, und beschauliche Stille macht sich breit. Obwohl wir nebeneinander auf der harten Bank sitzen, ist jede in ihre eigene Welt abgetaucht. Wie Annabel am Flughafen schon sagte, ist es eine Ewigkeit her, dass wir vier gemeinsam etwas unternommen haben. Zwar haben wir uns in den vergangenen Monaten ein paarmal zum Lunch getroffen, wenn auch nie alle zusammen, aber das verläuft stets nach demselben Muster – rein in den Laden, Essen und Getränke bestellen, die wichtigsten Neuigkeiten im Schnelldurchlauf, und dann bezahlen und ab durch die Mitte.

Deshalb ist es jetzt ein bisschen seltsam und ungewohnt, da wir seit Jahren nicht mehr so viel Zeit miteinander verbracht haben. Ich fand es angenehmer, sich nur zu zweit zu treffen, vor allem mit Annabel, auch wenn ich deswegen ein schlechtes Gewissen habe. Esther ist in letzter Zeit immer so abweisend. Was Chloe betrifft, versuche ich, ihr möglichst aus dem Weg zu gehen, damit sie mich nicht ständig entsetzt anstarrt. Dieser vorwurfsvolle Blick, sogar am Flughafen, als wollte sie der ganzen Welt verkünden, dass mit mir etwas nicht stimmt. Die anderen drei treffen sich bestimmt heimlich ohne mich. Ich weiß, ich kann manchmal ganz schön kratzbürstig sein. Ich kenne meine Schwächen. Und in letzter Zeit war ich ohne Frage noch schwieriger als sonst.

Aber das ist nicht allein meine Schuld.

Wir sind jetzt fast am Ziel, und selbst aus dieser Nähe kommt mir die Insel unfassbar klein vor. Als ich das sage, nickt Robin und stellt den Motor ab, während wir uns dem Anlegesteg nähern, der dem Pier auf dem Festland zum Verwechseln ähnlich sieht.

»Alles in allem acht Hektar«, sagt sie. »Aber da passt eine Menge drauf.«

Anders als auf dem Festland endet der Pier nicht an einem weißen Strand, sondern geht direkt in einen staubigen, von Bäumen und Büschen gesäumten Pfad über. Dahinter, im Inselinneren, erhebt sich ein kleiner Berg, an dessen Hang sich ein schmaler Weg zum Gipfel hinaufschlängelt.

Nachdem Robin das Boot vertäut hat, hilft sie uns wieder an Land und bemerkt meinen Blick. »Ich nenne ihn den Deadman’s Peak, aber offiziell hat er keinen Namen. Von hier aus sieht er sehr viel imposanter aus, als er tatsächlich ist. Der Weg zum Gipfel ist auch für Kinder problemlos zu bewältigen, man muss nur aufpassen, dass man nicht runterfällt, wenn man oben ist.« Sie gönnt sich ein Grinsen und weist mit einem Nicken auf unser Schuhwerk. »Sie haben hoffentlich nicht nur High Heels eingepackt, sonst wird der Aufstieg schwierig.«

»Keine Angst, ich bleibe am Strand«, sagt Chloe, wirkt aber nicht sonderlich begeistert. »Es gibt doch einen Strand, oder? Und nicht nur diesen … Sumpf.«

»Keine Sorge, nur ein paar Schritte, dann sind wir da.« Robin hievt unsere Koffer auf den Pier und drückt sie uns buchstäblich in die Hand. »Sonst landen sie am Ende noch im Meer. Na ja, immerhin würden wir sehen, wohin sie fallen.«

Sie hat recht; das Wasser ist hier sogar noch klarer – und gerade einmal einen Meter tief.

»Oh!«

Chloes unterdrückter Schrei lässt uns herumfahren. Mit ausgestrecktem Arm zeigt sie auf den Pfad, der ins Inselinnere führt. »Ist das etwa Poppy?«

Eine Frau kommt auf uns zu.

»Et voilà«, sagt Robin. »Sie hat offenbar das Boot gehört. Jetzt ist die Brautgesellschaft komplett.«

VIER Esther

18. Mai 2023

Für die anderen war das kein Problem. Als die Einladung eintraf, ging es nicht etwa um die Frage, ob sie vier Tage freibekommen würden, sondern ob sie genug Bikinis im Schrank hatten.

Für mich bedeutete das ein ausführliches Gespräch mit meinem Chef, einem Mann, der berufstätige Frauen meines Alters immer noch wie Gebärmaschinen behandelt und ständig auf der Suche ist nach Gründen, Frauen loszuwerden, bevor sie tatsächlich schwanger werden. Er war zwar nicht sonderlich begeistert, aber er ist mit meinen Eltern befreundet, außerdem hatte ich seit über einem Jahr keinen Tag mehr freigenommen, also blieb ihm wenig anderes übrig, als seiner Enttäuschung darüber Ausdruck zu verleihen, dass ich den Urlaub so kurzfristig (drei Monate im Voraus) und zu einem so kritischen Zeitpunkt (wann wäre der nicht?) angemeldet hatte.

Eigentlich wollte ich im Urlaub meine ganzen ungelesenen E-Mails abarbeiten. Zur Beruhigung nestele ich an meiner Lieblingshalskette, einem Goldkettchen mit meinem Namen »Esther« in Kursivschrift.

Annabels Bemerkung im Flugzeug über Beziehungen hängt mir nach. Sie hat sich immer eingebildet, etwas Besseres, intelligenter, talentierter zu sein als wir – und am liebsten würde ich ihr ins Gesicht sagen, was für ein ödes und oberflächliches Leben sie führt. Ich habe wenigstens etwas aus mir gemacht.

Ihr Mann hatte selbstverständlich nichts dagegen, dass sie vier Tage verreist. Mein Freund Brad hingegen nahm es als weiteren Beweis dafür, dass ich zu wenig aktive Beziehungsarbeit leiste, und das, obwohl wir schon drei Jahre zusammen sind. Am Abend vor meiner Abreise gab er mir unmissverständlich zu verstehen, was er von der ganzen Sache hält. Gern würde ich mit den anderen darüber sprechen, aber sie sind alle so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie mir wahrscheinlich gar nicht zuhören würden.

Ehrlich gesagt weiß ich nicht, warum ich überhaupt noch mit ihnen befreundet bin. Schon irgendwie traurig, dass wir uns auch nach so vielen Jahren weiterhin aneinanderklammern. Die meisten Leute, die ich kenne, haben sich weiterentwickelt und könnten sich nicht einmal vorstellen, mit ihren ehemaligen Klassenkameraden befreundet zu sein. Ich hingegen werde sie einfach nicht los, da nützte es auch nichts, dass ich zum Studium nach Warwick ging. Die anderen drei blieben in Bristol, Annabel studierte an der BU