Sieben Schwestern - Seranas Rache - J.L. Stone - E-Book

Sieben Schwestern - Seranas Rache E-Book

J.L. Stone

0,0

Beschreibung

Eine verborgene Welt voller Zauber und Magie. Eine Welt der Clans – und ich mitten drin! Band 2: Auch wenn wir mit einer List noch einmal aus den Klauen des Raben-Clans entkommen konnten, ist die Gefahr noch lange nicht gebannt. Nathalie und ich müssen weiter dafür kämpfen, dass die Heimstatt des Wolf-Clans nicht in die Hände unserer Widersacher fällt. Selbst Aron, Nathalies Vater, hatte nicht mit dem Zorn und der Wut unserer Feinde gerechnet, denn plötzlich sahen wir uns Auge in Auge mit unserem schlimmsten Alptraum konfrontiert: Serana!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 189

Veröffentlichungsjahr: 2014

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



J.L. Stone

Sieben Schwestern - Seranas Rache

Band 2

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

1 – Gekidnappt

2 – Falkenjagd

3 – Entdeckungen

4 – Attacke!

5 – Rettungseinsatz

6 – Trampen bei Nacht

7 – Polizeiliche Ermittlungen

8 – Blockade

9 – Machtspielchen

10 – Carlos

11 – Rückschlag

12 – Hetzjagd

Widmung und Danksagung

Impressum neobooks

1 – Gekidnappt

»Was ist passiert?« schrie Nathalie schmerzhaft in meinem Ohr.

Ich konnte mir gerade noch auf die Zunge beißen, bevor ich zurück geschrien hätte. Verdammt nochmal, hatte das weh getan. Doch das war jetzt gewiss nicht der beste Zeitpunkt, um sie zurechtzuweisen, zumal in diesem Moment ertönte eine mir nur zu wohlbekannte, vor Spott triefende Stimme.

»Sieh mal einer an! Wer kommt denn da so völlig unerwartet in unsere Heimstatt geschneit?«

»Tarid!« zischte Nathalie hasserfüllt in meinem Ohr und ich spürte, dass sie sich am liebsten sofort auf sie gestürzt hätte.

Zwar fühlte es sich für mich fühlte an, als würden eisige Fluten und glühende Flammen gleichzeitig über mich hereinbrechen, doch sie musste weiterhin als winziger Floh in meinem Ohr verborgen bleiben, wenn wir eine Chance haben wollten, aus dieser Falle mit heiler Haut heraus zu kommen. Ich hoffte nur, dass ich zwischen diesen beiden Kräften nicht zerrieben und auf der Strecke bleiben würde.

»Ich finde es wirklich außerordentlich bezaubernd, dass du uns nun doch noch besuchen kommst«, ergriff Tarid wieder mit vor Häme triefender Stimme das Wort.

Was hatte sie nur mit mir vor?

»Hallo, Tarid«, knirschte ich erbost, während ich mich langsam aufrappelte und mir betont gleichgültig den Sand von der Hose und den Händen abklopfte. »Ich konnte eurer charmanten Einladung nun mal nicht lange widerstehen.«

»Das freut mich wirklich ungemein«, versetzte sie. »Ich hatte so gehofft, dass wir uns bald mal in Ruhe austauschen können.«

Abschätzend musterte sie mich für einige Sekunden.

»Wo hast du denn deine kleine Freundin gelassen?« wollte sie dann wissen. »Hat sie dich etwa ganz alleine der großen, weiten Welt überlassen? Das kann ja fast nicht glauben.«

»Es ist aber so«, schleuderte ich ihr entgegen. »Sie konnte einfach nicht verstehen, dass ich weiterhin meiner Arbeit nachgehen musste.«

»Hey!« protestierte es leise in meinem Ohr.

»Was für ein Glück für uns«, entgegnete Tarid mit einem zufriedenen Lächeln.

»Wie habt ihr mich überhaupt gefunden?« konnte ich mich nicht zurückhalten zu fragen.

»Das braucht dich nicht zu kümmern«, beschied sie mir. »Wir haben unsere Methoden.«

»Na gut«, lenkte ich ein, obwohl ich brennend daran interessiert war, diese Frage zu klären.

»Mitkommen«, befahl sie mir dann und wandte sich um.

Ihren Befehl ignorierend blieb ich stehen und warf eine sehnsüchtigen Blick hinter mich.

»Das kannst du dir abschminken«, höhnte sie, als hätte sie meine Gedanken erraten. »Das Tor hat sich längst wieder geschlossen. Hier kommst du nicht eher wieder raus, bis ich deiner überdrüssig bin.«

»Scheiße!« kam es von Nathalie.

»Hab ich mir fast schon gedacht«, erwiderte ich trocken. »Was hast du denn jetzt mit mir vor?«

»Das wirst du schon noch frühzeitig genug erfahren«, gab sie kalt zurück und ging mit forschen Schritten voran.

Da mir nichts anderes übrig blieb, stapfte ich ihr ergeben hinterher. Ich wollte gewiss nicht ihren Zorn weiter anfachen. Sie hätte sonst weiß was getan. Und darauf wollte ich es nun nicht ankommen lassen. Zimperlich war sie ja nicht gerade.

Ich würde sie ja schlecht darum bitten können, mich in einer knappen Stunde wieder gehen zu lassen, damit ich wieder rechtzeitig im Büro erscheinen konnte. Ob ich mir damit mächtigen Ärger einhandeln würde, wenn ich nicht erschien, darum würde sie sich mit Sicherheit einen feuchten Kehricht scheren.

Ruhig und gelassen, ganz die uneingeschränkte Gebieterin, führte sie mich jedoch nicht zu der inmitten einer Buschlandschaft aufragenden Villa, sondern, wie ich mit einem unguten Gefühl feststellen musste, zu einem dunklen, sehr düster wirkenden Wald.

Mit einem flauen Gefühl im Bauch folgte ich ihr tiefer in den Hain hinein. Obwohl es außerhalb helllichter Tag war, wurde es zwischen den dicht stehenden Tannen immer finsterer, je weiter wir vordrangen. Bald konnte ich kaum noch etwas erkennen.

Fast blind stolperte ich vorwärts, während Tarid zielsicher vor mir herging und sich an der Dunkelheit nicht zu stören schien. Immer wieder verhakten sich Äste in meiner Jacke oder strichen mir unsanft übers Gesicht. Bestimmt hatte ich mir schon mehrere Kratzer eingefangen.

Wie sollte ich die Striemen auf meinen Wangen nur meinen Kollegen erklären, falls ich jemals wieder dorthin zurückkommen sollte?

Doch ich musste zugeben, dass das im Moment meine geringste Sorge war, denn ich hatte nicht einmal den Hauch einer Ahnung, wie ich hier wieder heraus kommen sollte. Zudem verhielt sich Nathalie schon seit einer Weile verdächtig still. Hoffentlich überlegte sie schon, wie wir uns aus diesem Schlamassel befreien konnten.

»So, da wären wir«, riss mich Tarid aus meinen düsteren Gedanken.

Vor mir erkannte ich eine baufällige Hütte, die nur noch aus morschen Brettern zu bestehen schien und zwischen die hoch aufragenden Stämme gezwängt war.

»Nett«, konnte ich mir nicht verkneifen zu bemerken. »Ist das etwa euer zweites Zuhause?«

Tarid warf mir einen solch eisigen Blick zu, dass ich fast erwartete, auf der Stelle zu einem Eisblock zu erstarren.

»Spar dir deine Sprüche«, zischte sie dann drohend und zog die schmale, in ihren Angeln schief hängende Holztür auf. »Nach dir.«

»Wie zuvorkommend!«

»Halt dich bitte etwas zurück«, kam es mahnend von Nathalie. »Das hier ist alles andere als ein Spiel.«

Innen erwartete mich ein kleiner, gänzlich herunter gekommener Raum, der von zwei Kerzen notdürftig erhellt wurde, die auf einem wackligen Tisch platziert waren. Vier ebenso wenig einladende Stühle standen um ihn herum gruppiert auf dem fest gestampften Boden. Ansonsten bot das Zimmer rein gar nichts fürs Auge.

»Viktor?« rief Tarid leise.

»Hier«, ertönte es aus einer dunklen Ecke.

Gemächlichen Schrittes erschien der mir bis dahin unbekannte Bruder vom Viper-Clan in der dämmrigen Helligkeit der Baracke. Er strahlte eine sehr bedrohliche Aura aus, die mich fast körperlich erzittern ließ. Mit ihm war ganz und gar nicht gut Kirschen essen, das ahnte ich sofort. Er stellte sogar Tarid noch in den Schatten.

»Hallo, Jürgen«, begrüßte er mich herablassend. »Es ist schön, dass du endlich den Weg zu uns gefunden hast.«

»Ich hatte ja auch kaum eine Wahl«, spie ich hervor.

»Aber nicht doch«, erwiderte er überfreundlich. »Wir wollen uns doch nur mit dir unterhalten und dich besser kennenlernen. Vielleicht können wir sogar Freunde werden. Das würde mich freuen.«

»Pah!« kam es von Nathalie.

»Das hättet ihr auch anders haben können«, gab ich nur noch mühsam beherrscht zurück.

»Ach, wirklich?«

»Schluss jetzt!« fuhr Tarid dazwischen, bevor wir uns an den Kragen gehen konnten. »Wir haben keine Zeit für solche sinnlosen Spielchen.«

Energisch riss sie einen Stuhl herum.

»Hinsetzen!« herrschte sie mich an.

Im ersten Impuls wollte ich dagegen aufbegehren, doch dann überlegte ich es mich anders. Es wäre für meine Gesundheit wohl deutlich besser, wenn ich sie nicht weiter reizen würde. Sie würde ihren Willen so oder so bekommen – auf diese oder jene Weise.

So ließ ich mich vorsichtig auf dem wenig Vertrauen erweckenden Stuhl nieder, worauf er ein bedrohliches Quietschen von sich gab. Sofort wickelten sich unsichtbare Bänder um meinen Oberkörper und meine Arme, fesselten mich so fest an ihn, dass ich mich kaum noch bewegen konnte. Sekunden später waren auch meine Beine unverrückbar an die Stuhlbeine gekettet. Anscheinend war er doch stabiler als gedacht und sein Aussehen nur Show.

»Was sollen die Fesseln?« erkundigte ich mich, damit Nathalie um meine Situation wusste.

»Die sind nur zu deiner Sicherheit«, erklärte Viktor mit einem boshaften Lächeln.

»Schön«, meinte Tarid dann sarkastisch, zog sich einen weiteren Stuhl heran und setzte sich rittlings mir gegenüber hin. »Dann wollen wir mal unser letztes Gespräch in aller Ruhe fortsetzen. Leider wurden wir dabei ja unsanft unterbrochen, obwohl wir doch so höflich darum gebeten hatten.«

»Wer's glaubt!« höhnte Nathalie zischelnd.

»Ich kann euch auch jetzt noch nicht viel mehr sagen als gestern«, erklärte ich. »Ich weiß immer noch nicht, was das Ganze soll.«

»Das lass mal unsere Sorge sein«, fuhr mich Viktor an.

Tarid winkte ihn mit einer herrischen Bewegung zurück, während sie mir fest in die Augen sah.

»Was?« platzte mir schließlich der Kragen, als ich ihren starren Blick nicht mehr länger ertragen konnte.

»Och, wir sind nur neugierig«, erwiderte sie ruhig, während sich ihre Lippen zu einem kalten Lächeln verzogen, das mich schaudern ließ. »Darauf, was so besonders an dir ist.«

»An mir ist schlichtweg nichts Besonderes!« brauste ich auf.

»Jürgen!« mahnte Nathalie leise.

»Das wird sich schon noch herausstellen«, erwiderte Tarid. »Irgendetwas muss schließlich an dir sein. Nicht umsonst sind alle vom Wolf-Clan so sehr darum bemüht, dich zu beschützen.«

»Darum geht es also nur?« wunderte ich mich.

»Ja«, erklärte sie schlicht.

»Nun«, begann ich. »Dann will ich euch mal aufklären. Es war nichts weiter als purer Zufall, dass ich in diese Geschichte hineingezogen wurde. Ich war sozusagen zur falschen Zeit am falschen Ort. Nathalie musste sich nur überstürzt vor einem Angriff schützen, als wir dabei waren, uns zu unterhalten, nachdem sie mit mir zusammengestoßen war.«

»Und das sollen wir dir glauben?«

»Es ist die Wahrheit!« betonte ich. »Es ist mir total egal, ob ihr es glaubt oder nicht.«

»Da muss aber noch was anderes dahinter stecken«, murmelte sie so leise, dass ich es fast nicht verstehen konnte.

Unwillig schüttelte sie den Kopf.

»Egal«, meinte sie dann. »Dennoch hast du nur durch deine Anwesenheit unsere Pläne schon erheblich gestört. Und das können und werden wir nicht zulassen, nicht in diesem entscheidenden Stadium.«

»Ihr wollt also tatsächlich die Heimstatt des Wolf-Clans übernehmen, so wie sie es vermutet hatten?« hakte ich ungläubig nach.

»Das ist Sinn und Zweck der ganzen Aktion«, gestand Viktor. »Nur so können wir verhindern, dass Tarid und Tanja für die nächsten zwei Jahre einen Großteil ihrer Kräfte einbüßen.«

Tarid brachte ihn mit einem brennenden Blick zum Schweigen.

»Die Gründe spielen hier doch gar keine Rolle«, stellte sie klar. »Das hat dich nicht zu interessieren. Jetzt kümmern wir uns zuerst einmal um dich.«

Da wurde es mir erst wirklich und wahrhaftig so richtig mulmig zumute. Die unterschwellige Drohung, die in ihren Worten mitschwang, ließ mich nichts Gutes ahnen. Ich konnte nichts dagegen tun. Ich begann am ganzen Körper unkontrolliert zu zittern.

»Jürgen!« meldete sich da Nathalie unerwartet zu Wort. »Versuch dich zu beruhigen. Ich hab mir was überlegt. Du musst nur noch ein klein wenig durchhalten, dann erleben die beiden eine Überraschung.«

Den Seufzer, der über meine Lippen kommen wollte, konnte ich gerade noch unterdrücken. Jetzt hatte ich wieder etwas Hoffnung, den Fängen dieser Furie und ihrem Helfer zu entkommen.

Währenddessen begann Tarid mich mit ihren Fragen zu bombardieren, von denen ich allerdings nur die Hälfte verstand. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was sie mit all den Fragen bezweckte.

Was sollte ich ihr auch anderes erzählen?

Ich war nun mal kein Hexer oder Magier oder Zauberer – oder was auch immer. So murmelte ich nur immer wieder die gleichen Antworten, obwohl ich sehr wohl den steigenden Frust bei ihr bemerkte. Doch ich konnte ihr nun einmal nicht mehr erzählen.

»Ach, das bringt doch überhaupt nichts«, mischte sich schließlich Viktor ein. »Er ist und bleibt ein ganz normaler Mensch ohne irgendwelche Fähigkeiten.«

»So wie es aussieht, hast du recht«, stimmte Tarid ihm zu. »Andererseits muss etwas Besonderes an ihm sein, sonst würden sich Nathalie und ihre Eltern nicht so für ihn ins Zeug legen.«

»Das kann schon sein«, versetzte Viktor. »Aber da er selbst nichts darüber zu wissen scheint, wie sollen wir es dann herausfinden?«

»Ach, Scheiße!«

Frustriert und erschöpft schlug Tarid zornig mit der Faust auf die Rückenlehne, stand auf und sah mit flammenden Augen drohend auf mich herab. Dabei umklammerte sie die Strebe des Stuhls so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.

»Und was machen wir jetzt mit ihm?« erkundigte sie sich dann bei ihrem Partner. »Wir können ihn doch unmöglich laufen lassen.«

»Da hast du absolut recht«, bestätigte Viktor mit einem gemeinen Grinsen. »Wie wäre es, wenn wir ihn auch in ein Stasisfeld hüllen und ihn hierbehalten würden?«

»Klasse Idee!« freute sich Tarid und grinste breit. »Hervorragend! Das machen wir.«

»Hey!« protestierte ich heftig und zerrte wie wild an meinen Fesseln. »Das könnt ihr doch nicht machen. Meine Familie und meine Freunde werden mich mit Sicherheit vermissen und nach mir suchen – von den Hexen vom Wolf-Clan mal ganz abgesehen.«

»Und wenn schon«, tat Tarid den Einwand mit einem Lächeln ab. »Was kümmert es uns? Hier findet dich sowieso niemand.«

»Aber ich muss zurück, sonst verliere ich meinen Job«, fügte ich hinzu, obwohl ich wusste, dass das ein lahmes Argument war.

»Was geht das uns an?« wunderte sich Viktor und schaute mich an, als wäre ich nur irgendein lästiges Insekt.

»Verdammt, es ist mein Leben, das ihr hier ruiniert«, schrie ich außer mir.

»Na und?« , schmunzelte Tarid sardonisch.

»Hauptsache ist doch, dass du uns nicht mehr in die Quere kommst«, fuhr sie fort. »Und da wir noch immer nicht wissen, warum der Wolf-Clan dich so vehement beschützt, zählt das für uns am meisten.«

»Immerhin bleibst du dabei am Leben«, höhnte Viktor.

»Scheiße!« brüllte ich und warf mich gegen die unsichtbaren Bänder.

Doch so sehr ich auch tobte, sie gaben keinen Millimeter nach.

»Klasse Show!« drang da Nathalies sanfte Stimme in meine aufgewühlten Gedanken.

Ich musste mich zwingen, um nicht auch noch sie mit meiner ganzen Wut anzuschreien. Für mich war das schlechthin keine Show!

Hier ging es um mein Leben! Verdammt nochmal!

Gekränkt warf ich mich weiter gegen die Fesseln. Doch das brachte rein gar nichts. Nur dass sich diese verdammten Bänder noch stärker in das Fleisch meiner Arme schnitten.

»Und jetzt tu so, als ob du erschöpft aufgibst«, forderte Nathalie mich dann auf.

»Das reicht!« donnerte da Viktor, dass die Wände vibrierten. »Du kannst diese Fesseln nicht zerreißen.«

»Okay, okay«, gab ich scheinbar nach und hob abwehrend die Hände.

»Schließe jetzt deine Augen!« kam die nächste Aufforderung von Nathalie. »Und sobald ich dir das Kommando gebe, rennst du los, als ob der Teufel persönlich hinter dir her wäre.«

Als wenn der nicht schon längst in der Person von Tarid und Viktor vor mir stünde.

Seufzend schloss ich die Augen. Gerade noch rechtzeitig. Denn nur Sekundenbruchteile später durch-drang ein greller Lichtblitz meine Lider. Ich wäre auf der Stelle erblindet, wenn ich Nathalies Anweisung nicht befolgt hätte.

Tarid und Viktor dagegen schrien gequält auf. Gleichzeitig spürte ich, wie die Fesseln sie lösten und von mir abfielen.

2 – Falkenjagd

»Jetzt!« schrie Nathalie.

Doch ich brauchte ihre Aufforderung nicht mehr, denn ich war schon aufgesprungen und stürmte aus der Hütte.

»Nach links!« ordnete Nathalie an.

Ohne zu Zögern folgte ich ihrer Vorgabe – und dann nahm ich die Beine in die Hand. Ich wollte auf keinen Fall in einem dieser Stasisfelder enden.

Ich hatte schon einige Meter zurückgelegt, da wurde es hinter mir plötzlich sehr laut, als Tarid und Viktor die Verfolgung aufnahmen. Es klang ganz so, als ob sie die Hütte in ihre Einzelteile zerlegen würden.

»Schneller! Schneller!«

Ich ersparte mir eine geharnischte Antwort und verdoppelte vielmehr meine Anstrengungen, stürmte wie wild durch den düsteren Wald. Meinen gestrigen Vorsatz, heute auf jede sportliche Aktivität zu verzichten, konnte ich damit in den Wind schießen.

Dabei achtete ich eigentlich nicht darauf, wie viele Zweige und Äste auf mich ein prügelten. Es war mir komplett egal. Hauptsache, ich entkam diesen beiden durchgeknallten Psychopathen.

»Du musst ein Versteck für uns finden«, verlangte Nathalie ungeduldig, während ich mir die Lunge aus dem Leib keuchte.

Doch das war leichter gesagt als getan. Im dem Zwielicht, das hier herrschte, konnte ich kaum etwas erkennen, zumal bei dem hohen Tempo, mit dem ich durch das Unterholz brach. Und schon verfing sich mein linker Fuß in einer abstehenden Wurzel.

Mit einem gequälten Aufschrei stürzte ich vornüber in ein dichtes Gebüsch, durchbrach es mit lautem Krachen und fiel Saltos schlagend einen kurzen, aber steilen Abhang hinunter. Mit einem gehörigen Platschen landete ich in eiskaltem Wasser. Ein nicht allzu breiter Bach hatte hier sein Bett in den Waldboden gegraben.

Prustend sprang ich wieder auf die Beine und sprintete weiter den Bachlauf entlang. Kurz darauf bemerkte ich im letzten Moment den finsteren Überhang rechts von mir. Mit einem mächtigen Satz hechtete ich die steile Böschung hinauf und drückte mich in die pechschwarze Kuhle, die sich darunter befand.

»Versteck!« keuchte ich mühsam um Atem ringend.

»Sehr gut!« lobte mich Nathalie.

Mit einem Mal kribbelte es an meinem ganzen Körper, als wenn tausend Ameisen über die Haut krabbeln würden, während ich weit entfernt das Bersten von Zweigen hören konnte. Tarid und Viktor pflügten ohne Rücksicht durchs dichte Unterholz. Immer unerträglicher wurde dieses Kitzeln und Kribbeln. Es war, als ob ein schwacher Strom durch mich hindurch fließen würde, der sich immer mehr steigerte.

»Was machst du?« kicherte ich leise.

Doch ich bekam keine Antwort. Stattdessen bemerkte ich, wie eine dunkle Gestalt vor mir aus dem Boden wuchs, immer größer wurde und entfernt meine Statur annahm. Völlig unerwartet sprang die seltsame Erscheinung zurück in den Bach, preschte ohne inne zu halten los und verschwand aus meiner Sicht.

»Was war das?« flüsterte ich.

»Psst!« machte Nathalie ungehalten.

Trotzdem hörte ich ihr an, wie erschöpft sie war.

»Ich erkläre es dir später«, fuhr sie fort. »Jetzt mach dich so klein wie du kannst, schließe deine Augen, halte die Luft an und bewege dich keinen Millimeter.«

Ohne zu überlegen, tat ich wie geheißen. Kurze Zeit später konnte ich hören, wie unsere Verfolger mit stampfenden Schritten im Bachbett an unserem Versteck vorbei rannten.

Unwillkürlich duckte ich mich noch tiefer in die flache Kuhle und hoffte inständig, dass ich mit der Dunkelheit verschmolz und diese mich vollständig verbarg. Angestrengt lauschte ich den sich rasch entfernenden Geräuschen.

Hinterher konnte ich nicht mehr sagen, wie lange ich mucksmäuschenstill so dagelegen hatte, aber irgendwann drohten mir die Lungen zu bersten und ich musste gierig nach Luft schnappen. Tief sog ich die würzige Waldluft ein.

»Soweit so gut«, ließ sich Nathalie vernehmen. »Fürs erste hätten wir sie abgeschüttelt.«

»Das hast du echt klasse gemacht«, flüsterte ich. »Danke!«

»Bedanke dich erst bei mir, wenn wir aus dem Refugium heraus sind«, wehrte Nathalie ab. »Noch haben wir es nicht geschafft.«

»Wie geht es jetzt weiter?« wollte ich wissen, denn ich wollte nicht noch länger hier untätig herum liegen und auf die Rückkehr von Tarid warten.

»Jetzt zeichne einen Kreis um dich herum«, verlangte Nathalie. »Den musst du dann noch mit verschiedenen Symbolen versehen.«

Das kam mir bekannt vor.

»Verwandeln wir uns etwa?«

»Ja.«

»Und in was?«

»Lass dich überraschen. Und nun mach. Wir haben nicht ewig Zeit.«

»Na gut«, seufzte ich und kniete mich hin. »Warum kannst du das nicht selber machen?«

»Weil ich mich dann erst zurück verwandeln muss«, erklärte sie. »Und das würde Tarid verraten, wo wir sind.«

»Wie?«

»Musst du das jetzt unbedingt wissen?«

»Nein.«

»Gut. Und jetzt zeichne den verdammten Kreis, denn wenn du dich nicht endlich beeilst, werden wir sehr bald in noch größeren Schwierigkeiten stecken als jetzt schon.«

»Was meinst du?« konnte ich mir nicht verkneifen zu fragen, während ich mit dem Finger versuchte einen einigermaßen perfekten Kreis in die weiche Erde zu ziehen.

»Dein Doppelgänger hat nur eine sehr begrenzte Lebensdauer und wird sich demnächst auflösen. Und was glaubt du, werden die beiden tun, wenn sie bemerken, dass wir sie damit an der Nase herumgeführt haben?«

»Sie werden zurückkommen und alles gründlichst absuchen.«

»Genau! Daher sollten wir keine Zeit verschwenden. Hast du den Kreis endlich fertig?«

»Ja.«

»Gut. Dann male jetzt ein Pentagramm auf ihn.«

»Ein was?«

»Ein Pentagramm – einen fünfzackigen Stern.«

»Warum sagst du das nicht gleich?« beschwerte ich mich.

»Oh, Mann, dafür haben wir jetzt wirklich keine Zeit«, zischte Nathalie. »Tarid und Viktor werden schon sehr bald hier aufkreuzen – und dann sollten wir verschwunden sein. Zeichne jetzt einfach.«

»Und wo?«

»Rechts von dir, exakt auf der 3-Uhr-Position.«

Sofort machte ich mich ans Werk.

»Fertig!«

»Jetzt musst du einen Drudenfuß auf die 9-Uhr-Position zeichnen.«

»Einen was?«

»Drudenfuß!« seufzte Nathalie frustriert. »Er gleicht dem Pentagramm, steht aber auf der Spitze.«

»Okay«, murmelte ich und zog die Linien in den Schlamm.

»Erledigt.«

»Klasse. Jetzt noch das Symbol für Unendlichkeit auf der 6-Uhr-Position.«

»Meinst du die liegende Acht?«

»Exakt!«

Auch dieses Zeichen malte ich auf die entsprechende Stelle auf den Kreis.

»Fertig.«

»Sehr gut. Jetzt fehlt nur noch ein Zeichen«, meinte sie sichtlich ungeduldig. »Das ist nicht so leicht zu erklären. Erinnerst du dich noch an das letzte Zeichen, das ich Samstagnacht in der Gasse beim Club auf den Kreis gezeichnet habe?«

»Vage.«

»Na immerhin«, stöhnte sie. »Genau dieses musst du jetzt noch auf der 12-Uhr-Position zeichnen.«

»Das muss ich zuerst einmal so aufzeichnen, damit ich es mir besser vorstellen kann.«

»Tu das«, verlangte sie, »aber außerhalb vom Kreis – und beeile dich!«

»Ich mach ja schon«, knurrte ich leicht genervt.

Ich beugte mich etwas nach vorne und versuchte das Symbol zu rekonstruieren. Nach einigen vergeblichen Testläufen fand ich endlich die Lösung – und jetzt kam es mir auch verdammt bekannt vor.

»Oh«, entfuhr es mir ungläubig. »Das ist ja das Zeichen auf dem Buch der Schatten.«

»Was?« verlangte Nathalie zu wissen. »Ich kenne kein Buch der Schatten.«

»Glaub ich dir«, wiegelte ich ab und erklärte es ihr, während ich das Symbol auf den Kreis malte.

»Aaahhh, ja«, dehnte Nathalie zweifelnd. »Hast du's jetzt endlich?«

»Noch eine Sekunde – fertig!«

»Sehr gut«, meinte sie und zwickte mich ins Ohr. »Jetzt knie dich bitte in die Kreismitte und rühre dich nicht mehr vom Fleck. Ich werde jetzt nämlich dein süßes Ohr verlassen und den Zauber wirken.«

»Dann verrate mir doch jetzt bitte, in was für ein Tier du uns verwandeln willst.«

»In Falken.«

»Cool«, entfuhr es mir. »Ich wollte schon immer mal fliegen.«

»Wie schön für dich – und jetzt sei endlich still.«

Es kitzelte ein wenig, als sie kurz darauf geschwind aus meinem Ohr krabbelte. In diesem Augenblick durchbrach das laute Knacken eines Astes die Stille des Waldes.

Beeile dich!, forderte ich sie in Gedanken ungeduldig auf und lauschte auf weitere Geräusche.

Schwach vernahm ich ein leises Plantschen im nahen Bach. Das musste entweder Tarid oder Viktor sein, die auf der Suche nach mir zurückkamen. Hoffentlich gelang Nathalie unsere Verwandlung, bevor sie mich entdeckten.

Doch ich hätte mir keine Sorgen zu machen brauchen, denn als nächstes tauchte Nathalie nackt vor mir auf, eine bläuliche Kuppel umschloss uns und dichter Nebel hüllte uns ein.

Im nächsten Augenblick rasten auch schon schwache Schmerzwellen durch meinen malträtierten Körper. Im Nu löste sich der Bach, der Wald und alles um uns herum in Nichts auf. Ich war total erleichtert, als nach wenigen Sekunden die Qualen nachließen und schließlich ganz verschwanden.