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Rudolf Herzog: Siegfried, der Held Für junge Leser erzählt | Illustriert | Mit einem Glossar der handelnden Personen | Neu editierte 2022er-Ausgabe, mit verlinkten Fußnoten | Siegfried, Spross des kleinen Königreichs von Xanten am Rhein, war schon in jungen Jahren ein erstaunlicher Knabe: Groß, stark, schön, aufgeweckt und gütig. Er wuchs zu einem Helden heran, einem Helden mit einem Herzen aus Gold. Obwohl er kämpfen konnte und stark wie ein Löwe war, konnte er doch auch lieben und sanft wie ein Kind sein. Die Liebe zu Kriemhild, einer Wormser Königstochter, lässt ihn Abenteuer suchen und bestehen. Er kämpft gegen den Drachen Fafnir und stählt seinen Körper in des Drachen Blut. Er findet den Schatz der Nibelungen und kommt in den Besitz einer magischen Tarnkappe, die ihn unsichtbar macht. Doch je mehr Siegfrieds Ruhm strahlt, umso mehr gerät er auch in Gefahr, durch Hinterhalt und List einem Mordanschlag zum Opfer zu fallen denn in fairem Kampfe ist der Held nicht zu besiegen. Die Gefahr wächst, als der Ritter Hagen von Tronje auf den Plan tritt.
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Seitenzahl: 106
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Innentitel
Vorbemerkung des Herausgebers
SIEGFRIED, DER HELD
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
Glossar der Personen und Bezeichnungen
Impressum
Fußnoten
Siegfried ist der bekannteste germanische Held und eine der Hauptfiguren der berühmten Nibelungen-Saga, die ursprünglich in mittelhochdeutscher Sprache von einem nicht namentlich genannten Dichter um das Jahr 1200 (n. Chr.) verfasst wurde. Die Ursprünge der Erzählung gehen bis etwa ins fünfte nachchristliche Jahrhundert zurück und scheinen viele Jahrhunderte lang nur mündlich tradiert worden zu sein.
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Siegfried, Spross des kleinen Königreichs von Xanten am Rhein, war schon in jungen Jahren ein erstaunlicher Knabe: Groß, stark, schön, aufgeweckt und gütig. Er wuchs zu einem Helden heran, einem Helden mit einem Herzen aus Gold. Obwohl er kämpfen konnte und stark wie ein Löwe war, konnte er doch auch lieben und sanft wie ein Kind sein. Die Liebe zu Kriemhild, einer Wormser Königstochter, lässt ihn Abenteuer suchen und bestehen. Er kämpft gegen den Drachen Fafnir und stählt seinen Körper in des Drachen Blut. Er findet den Schatz der Nibelungen und kommt in den Besitz einer magischen Tarnkappe, die ihn unsichtbar macht. Doch je mehr Siegfrieds Ruhm strahlt, umso mehr gerät er auch in Gefahr, durch Hinterhalt und List einem Mordanschlag zum Opfer zu fallen – denn in fairem Kampfe ist der Held nicht zu besiegen. Die Gefahr wächst, als der Ritter Hagen von Tronje auf den Plan tritt ...
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Neben dem Nibelungenlied gibt es in der nordischen Literatur zahlreiche tradierte Erzählungen, die die Geschichten um Siegfried in anderen Variationen spinnen, an anderen Schauplätzen und mit anderen Nebenfiguren. Konstanten sind immer: Siegfried als großgewachsener strahlender Held, im fairen Kampfe unbesiegbar, den Drachen zur Strecke bringend, dabei klug und gütig gegenüber Freunden. – Die tatsächlichen Wurzeln dieser in der germanischen Mythologie allgegenwärtigen Gestalt sind ungeklärt. Einige Historiker führen sie auf Armin den Cherusker (etwa 17 v. Chr. bis 21 n. Chr.) zurück, der den Römern in der Varusschlacht im Jahre 9 unserer Zeitrechnung eine dramatische Niederlage beibrachte und damit große Teile Germaniens für einige weitere hundert Jahre vor römischer Oberherrschaft bewahrte. Somit könnten Armin und Siegfried, die größten Helden der Germanen, auf ein und dieselbe Person zurückzuführen sein. Dies ist eine von mehreren Theorien dazu.
Dieses Buch, an junge Leser gerichtet, erzählt die Siegfried-Sage im Wesentlichen nach der Vorlage des Nibelungenliedes, also in ihrer hierzulande populärsten Überlieferung. © Redaktion ModerneZeiten, 2022
Rudolf Herzog (1869–1943) war ein deutscher Journalist und Schriftsteller, dessen zahlreiche Bücher zu Anfang des 20. Jahrhunderts regelmäßig Bestseller-Auflagen erreichten. Stark nationalkonservativ gesinnt, stand er ab 1932 dem Nationalsozialismus nahe; nach dem Krieg geriet sein Werk weitgehend in Vergessenheit. Vorliegendes Buch ›Siegfried, der Held‹ entstand 1912, also deutlich vor Herzogs politischen Verirrungen. Ungeachtet der späteren NS-Nähe des Autors, liefert das Werk eine ideologiefreie und spannende Erzählung rund um den Helden Siegfried, gerichtet an junge Leser.
Wenn ihr den Rhein hinunterwandert, immer tiefer ins niederrheinische Land hinein, seht ihr aus der schweigenden Ebene eine altertümliche Stadt sich erheben, die zu träumen scheint. Xanten1 ist sie geheißen, und sie träumt von ihrer großen Vergangenheit. Von alten, stolzen Zeiten, da noch ein König hier herrschte weit bis nach Niederland hinein, da noch die Drachenschiffe nordischer Seeräuber vom Meer heraufkamen in den Rhein, und des Königs starke Ritter, die auf den Rheinwiesen ihre Rosse im Turnier tummelten, die Feinde erschlugen und ersäuften, dass es eine wilde Lust war. Hei, wie in den Heldentagen die Trompeten jauchzten, die Schwerter blitzten und die Schilde krachten, als kämpfte ein herrlich Gewitter rheinauf und rheinab.
Das war die Zeit, da dem König Siegmund und seiner Königin Siegelinde ein Sohn geboren wurde, und weil nach heißen Siegen Friede herrschte, so nannten sie ihn Siegfried.
Wie ein junger Baum, den die Gärtner mit Fleiß und Liebe hüten, wuchs der Knabe auf. Spielend lernte er die Aufgaben, die seine Lehrer ihm stellten, und war als Kind schon so klugen und hellen Geistes wie wenige vor ihm und nach ihm. Das tat, dass er nach den Schulstunden nicht in den Stuben hockte und sich nicht an Mutters Schürzenband hängte, sondern wie ein rechter Knabe, der ein ganzer Mann zu werden wünscht, durch Wiesen und Wälder rannte, die Stimmen aller Tiere erforschte und die Geschichten, die der Wald erzählt und die Wellen des Rheines raunen. So wurde nicht nur sein Körper stählern und biegsam wie eine gute Klinge, sondern auch sein Blick wurde scharf und sein Gehör hell und sein Denken rasch und sicher.
Mit zehn Jahren ritt er den wildesten Hengst ohne Zügel und Zaum, beschlich ihn auf der Weide, warf sich auf seinen Rücken und bändigte den rasend Dahinstürmenden mit eisernem Griff in die Mähne. Denn Furcht war ihm fremd, und wer furchtlos ist, bleibt Sieger im Leben.
Mit zwölf Jahren besiegte er alle Edelknappen und Waffenknechte seines Vaters, und mit vierzehn Jahren ritt er heimlich zum Turnier der starken Ritter, mit geschlossenem Helmvisier, damit sie nicht wüssten, dass es der Knabe Siegfried sei und sie ihn wegen seiner Jugend von der Bahn verwiesen, legte den Speer ein, den er sich aus dem Stamm einer jungen Esche geschnitzt hatte, und warf die stolzen Ritter aus dem Sattel, dass sie aus ihren Panzerstücken herausgeschält werden mussten, wie gesottene Krebse aus ihren Schalen.
Da trat er vor seinen Vater, den König, und bat ihn: »Lasst mich in die Welt, Herr Vater, überall hin, wo Feinde sind und es für eine gute Sache zu fechten gilt.«
Der König aber sprach: »Die Kraft allein tut’s nicht, um die Feinde zu bändigen, sondern ein weiser Sinn, der aus Feinden Freunde macht und dem Land die Segnungen des Friedens beschert. Werde älter, mein Sohn, und du wirst mir meine Worte danken.«
Siegfried aber dachte: »Er hat gut reden, der Herr Vater, denn sein Bart ist heute grau, und die Tage, in denen er selber mit Schwert und Speer auf die Feinde rannte, liegen hinter ihm. Wenn es Abend ist, kommen die Harfner in die Halle und singen von König Siegmunds Taten. Da ist es leicht für ihn, zu verzichten und anderen vom Verzicht zu reden.«
Und er ging bekümmert umher und wusste nicht aus noch ein mit seinem wachsenden Jugendmut.
An einem stürmischen Herbstabend hatte er sich wieder in die Halle geschlichen, in der König Siegmund, von seinen Rittern umgeben, thronte und das Trinkhorn kreisen ließ. Der Sänger saß mit der Harfe auf den Stufen des Thrones. Er sang von den Kämpfen der Götter und Menschen. Von den Helden sang er, die das Land befreit hatten von Räubern und Drachen. Von den Mutigen und Starken, die mit dem blanken Schwert ein Königreich erobert und die schönste Prinzessin zur Frau gewonnen hatten. Und er sang das alte Lied von den Goldschätzen des Zwergenkönigs Nibelung, die von Fafner, dem gräulichen Lindwurm, im Berge gehütet wurden und der erobernden Heldenfaust harrten.
Da ward’s dem lauschenden Knaben heiß und hoch zu Sinn, und er fand in der Nacht keinen Schlaf und stand auf, kleidete sich an und trat vors Burgtor. Hui, riss ihm der Sturmwind die Mütze vom Kopf, und er lief mit dem Sturmwind um die Wette, sie zu fangen, und jagte durch die schauernden Wiesen in die nachtdunklen Wälder hinein, die sich unermesslich dehnten und in denen es schrie, jauchzte und winselte von tausend Stimmen der Nacht.
Siegfried aber lachte, dass es durch den Wald hallte, denn das gefiel ihm wohl. Und er packte einen jungen Eichbaum, bog ihn nieder, riss ihn mitsamt der Wurzel aus und erschlug mit ihm, was sich in der Finsternis gegen ihn warf: einen schnaufenden Eber mit gleißenden Hauern, ein gewaltiges Einhorn mit glühenden Augen und eine Schlange, deren Lindwurmkopf rote Flammen und giftgrüne Dämpfe spie.
Und Siegfried schrie in den Sturm hinein: »Das ist ein Leben! Ha, das ist ein Leben!«
Die Nebel brodelten auf, zerfetzten sich in den Kronen der Bäume und ließen den dämmernden Tag in den Wald hinein. Siegfried schaute sich um. Er musste über die Grenze in ein fremdes Land geraten sein, denn er fand sich nicht mehr zurecht. Das machte ihn noch einmal von Herzen lachen, denn nun konnte er wohl seine Tapferkeit vor den Menschen beweisen. Aber wie er weiter und weiter durch Dickicht und Gestrüpp den Weg sich bahnte, verspürte er plötzlich einen Hunger, der immer grimmiger in ihm wütete. Da lugte er, wo er den höchsten Baum fände, und kletterte bis in den Wipfel, Ausschau nach einer Menschensiedlung zu halten, und seine scharfen Augen entdeckten bald den Rauch einer Hütte, die an einem fließenden Wasser in einer Waldlichtung lag. Dorthin sprang er in weiten Sätzen.
Es stand ein Schmied vor der Tür, und Siegfried staunte ihn an. Denn der Mann hatte einen schweren, kurzgefügten Körper mit einem großen Höcker zwischen den Schultern und einen verwitterten Kopf. Dass ein Mensch so hässlich sein konnte, tat dem schönen Knaben leid, und er wünschte dem verwachsenen Schmied recht fröhlich einen guten Morgen.
Gerade hatte der Kleine mit Armen, die stark waren wie Hebebäume2, einen Eisenbalken auf den Amboss gewälzt, als Siegfried ihn anrief. Er richtete sein wirrbärtiges Gesicht auf, packte einen ungefügen Hammer und fragte: »Was willst du hier?«
»Ei«, rief Siegfried, »was wird ein nüchterner Magen wollen? Eine Morgensuppe will er, wie sie dort auf Eurem Herde so appetitlich duftet.«
»Hand weg«, sagte drohend der Schmied. »Müßiggänger brauchen nicht zu essen.«
»Ich will’s Euch wohl beweisen, ob ich das Essen verdiene«, zürnte Siegfried. »Habt Ihr was zu schaffen für mich?«
Der Schmied reichte ihm den ungefügen Hammer und wies auf den Eisenbalken, der über dem Amboss lag.
»Wenn dein Arm so stark ist wie dein Mundwerk –«
Da hob Siegfried wütend den Hammer und ließ ihn auf den Eisenbalken niedersausen, dass der in Stücken durch die Lüfte flog und der Amboss eine Klafter tief in die Erde fuhr.
»Was ist das für ein Kinderspielzeug?« rief der starke Siegfried. »Gebt mir Männerarbeit!«
Mit weitgeöffneten Augen starrte der Schmied auf den Zornigen. »Nun könnt Ihr mich morden, Jungherr, denn Ihr habt die Waffe in der Hand.«
Siegfrieds Zorn aber war schon verraucht. »Da habt Ihr sie wieder. Ich kämpfe nicht mit Waffenlosen. Auch scheint die Natur Euch Armen so schwer misshandelt zu haben, dass man Euch mit Liebe begegnen muss.«
Der Missgestaltete sah ihn noch immer an. Aber in seinen Augen war ein warmes Aufleuchten.
»Reicht mir die Hand. Ihr könnt nur Siegfried sein, der junge Held, von dessen Stärke schon heute die Sänger Kunde tun. Nun aber weiß ich, dass Ihr in Wahrheit ein Ritter seid. Denn Ihr habt ein reines und gütiges Herz.«
»Und wer seid Ihr?« fragte Siegfried.
»Ich bin Mime, der Schmied. Bleibt bei mir, solange es Euch gefällt, und ich will Euch viele Künste lehren.«
Da blieb Siegfried bei Mime im Wald und wusste nicht, dass es ein Jahr ward und ein zweites und drittes, so lief die Zeit dahin wie ein Wunder und wurde von Meister und Schüler weidlich genützt. War Siegfried als Knabe stark gewesen, so wurde er als Jüngling ein Hüne an Kraft und doch geschmeidig wie der schnellfüßigste Hirsch. Er lernte den Bären mit den Fäusten fangen und ihn am Bratfeuer ohne Messer und Spieß zerreißen und zerlegen. Das frische Blut trank er wie einen Becher Rotwein und genoss zum Wildbret eine Fülle von saftigen Wurzeln und Kräutern, die ihn vor jeder Krankheit bewahrten. Täglich aber unterrichtete ihn Mime in der höchsten Kunst des Waffenhandwerks und lehrte ihn die feinsten Handgriffe und die Vollendung in Ansturm und Abwehr, sodass ein Einzelner leicht ein Dutzend bestände.
Es stand ein Ross im Stall, das stammte von den Rossen Wotans, auf denen einst die Walküren ritten, und hieß Grane. Das schenkte Mime seinem Zögling. Und Helm und Panzer schmiedete er ihm und ein Schwert, das durch härtestes Eisen schnitt wie durch einen Butterkloß, und das Schwert hieß Balmung. Wie da Siegfrieds Augen leuchteten!
»Vater Mime«, fragte er, »weshalb macht Ihr mich so reich?«
Und der Missgestaltete sprach: »Lass es dir gefallen, mein junger Held. Keiner auf der Welt hat mir Liebe geschenkt als du. Ist es da nicht verständlich, dass ich dir auf meine Art davon zurückgeben möchte?«
Siegfried errötete. »Ich habe es nicht um Lohn getan.«
Und der Schmied sprach weiter: »Gerade deshalb bist du des Lohnes würdig. Aber ich weiß, dass deine junge Ritterseele nicht nach Lohn giert, der dir ohne Kampf und Zutun in den Schoß fällt. Den echten Mann erfreut nur der Besitz, den er sich selbst erobert hat. Deshalb schuf ich dir nur die Waffen. Dein Werk sei nun, den Schatz zu gewinnen. Und jetzt höre mich an.«
Da erzählte Mime, der Schmied: