Silberne Saiten - Stefan Zweig - E-Book

Silberne Saiten E-Book

Zweig Stefan

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Beschreibung

Mit einem Nachwort von Knut Beck. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Neunzehnjährig begann Stefan Zweig seine Schriftstellerkarriere als Dichter. Sein erstes Buch ›Silberne Saiten‹, mit einer Auswahl von 50 Gedichten, erschien 1901 – die Presse beachtete es freundlich-kritisch. Seinen zweiten Lyrikband, ›Die frühen Kränze‹, erschien 1906. Hier konnte er seine Sprache schon fester konturieren und »ein geschlossenes Gemälde einer Empfindungsperiode geben«, wie ein Rezensent erklärte. Später entwickelte er die Prosa zu seiner eigentlichen Ausdrucksform und formulierte nur noch gelegentlich Verse. Diese Ausgabe fasst unter dem Titel des Erstlings alle Gedichte Stefan Zweigs, die er selbst zu Büchern sammelte, zusammen.

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Seitenzahl: 152

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Stefan Zweig

Silberne Saiten

Gedichte

Fischer e-books

Mit einem Nachwort von Knut Beck.

Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.

Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

Silberne Saiten

Meinen lieben Eltern zu eigen

Wien, Februar 1901

Zur Einleitung

Was ins Weite einst geflogen,

Einzeln, ein verlorner Klang,

Ruht hier, Blatt an Blatt gebogen,

Träumerstunden stiller Sang. –

Nun geht's weithin auf die Reise.

Allen gibt es wohl nicht viel,

Aber mir erklingt d'raus leise

Meiner Jugend Sehnsuchtsweise

Und mein innres Glockenspiel …

Das Lebenslied

… Und jedes Lebensmal, das ich gefühlt,

Hat in mir dunkle Klänge aufgewühlt.

Und doch, das eine will mir nie gelingen,

Mein Schicksal in ein Lebenslied zu zwingen,

Was mir die Welt in Tag und Nacht gegeben,

In einen reinen Einklang zu verweben.

Ein irres Schiff, allein auf fremden Meer,

Schwankt meine Seele steuerlos einher

Und sucht und sucht und findet dennoch nie

Den eig’nen Wiederklang der Weltenharmonie.

Und langsam wird sie ihrer Irrfahrt müd.

Sie weiß: Nur einer ist’s, der löst ihr Lied,

Der fügt die Trauer, Glück und jeden Drang

In einen tiefen, ewig gleichen Sang.

Nur durch den Tod, der jede Wunde stillt,

Wird meiner Seele Wunschgebet erfüllt.

Denn einst, wenn müd mein Lebensstern versinkt,

Mit matten Lichtern nur der Tag noch winkt,

Da werd’ ich sein Erlösungswort verspüren,

Er wird mir segnend an die Seele rühren,

Und in mir atmet plötzlich heil’ge Ruh …

Mein Herz verstummt … Er lächelt mild mir zu …

Und hebt den Bogen … Und die Saiten zittern

Wie Erntepracht vor drohenden Gewittern,

Und beben, beugen sich – und singen schon

Den ersten, sehnsuchtsweichen Silberton.

Wie eine scheue Knospe, die erblüht,

Reift aus dem ersten Klang ein süßes Lied.

Da wird mein tiefstes Sehnen plötzlich Wort,

Mein Lebenslied ein einziger Akkord,

Und Leid und Freude, Nacht und Sonnenglanz

Umfassen sich in reiner Konsonanz.

Und in die Tiefen, die noch keiner fand,

Greift seine wunderstarke Meisterhand.

Und was nur dumpfer Wesenstrieb gewesen,

Weiß er zu lichter Klarheit zu erlösen.

Und wilder wird sein Lied … Wie heißes Blut

So rot und voll strömt seiner Töne Flut

Und braust dahin, wie schaumgekrönte Wellen,

Die trotzig an der eig’nen Kraft zerschellen,

Ein toller Sang lustlechzender Mänaden

Ertost es laut in jauchzenden Kaskaden.

Und wilder wird der Töne Bacchanal

Und wächst zur ungeahnten Sinnesqual

Und wird ein Schrei, der schrill zum Himmel gellt –

– Dann wirrt der wilde Strom und stirbt und fällt …

Ein Schluchzen noch, das müde sich entringt …

… Das Lied verstummt … Der matte Bogen sinkt …

Und meine Seele zittert von den Saiten

Zu sphärenklangdurchbebten Ewigkeiten …

Wie dunkle Kiefernforste …

Wie dunkle Kiefernforste sind oft meine Träume,

Wo sich die Stämme innig aneinanderdrängen.

Dort blaut kein heller Frühlingstag. Die Zweige hängen

In stiller Trauer, voll von wundersamen Klängen

Wie lang vergess’ne Harfen sind dort alle Bäume.

Doch manchmal zittert mild ein Mondesglanz hernieder

Herab aus silberweißen weiten Himmelsfernen

Und schluchzt und sehnt sich wieder auf zu seinen Sternen …

Dann horchen alle Bäume bebend hin und lernen

Von ihm die trauerdunklen, sehnsuchtsmüden Lieder.

Verflogene Sehnsucht

Die Frühlingsnacht naht lind und lau

 Durch träumende Gelände.

Wie süßer Atem einer Frau

So lösungsmild, so zart, so lau

 Sind ihre weichen Hände.

Die tragen Deine Sehnsucht fort,

 Du fühlst sie Dir entschwinden …

Nun weißt Du nicht ihr Ziel und Wort,

Suchst Deine Sehnsucht fort und fort

 Und kannst sie nimmer finden …

Der Dichter

Ging einer in die helle Sommernacht.

Dem war schon längst die letzte Liebe tot;

Er klagte nicht. – Doch purpurn war entfacht

In seinem Herz der Wunden Narbenrot.

Im Auge flackerte ein fremder Glanz

Des tiefen Leides späte Schmerzenssaat …

So schritt er stumm dahin … Irrlichtertanz

War Führer ihm am blassen Dämmerpfad.

In reichem Frieden schimmerte das Land

Wie eine Brust, die selig atmend bebt …

Da fühlt er, wie der Stille weiche Hand

Um seine heißen Pulse kühlend schwebt.

Und schwellend flog aus tausend Kelchen her

Ein Blühen, das von weiten Fernen kam;

Wie dunkle Weine war der Duft so schwer,

Der mild sein großes Weh gefangen nahm.

Und traumgewandet zieht die Einsamkeit

Ans Mutterherz den müden Träumer hin,

Bis er vergessen Wirklichkeit und Leid

Im Banne ihrer Rätselmelodien.

Und Blütendolden stäubten in sein Haar …

Die Stimme aber sang und ruhte nicht,

Bis jeder Gramgedanke Traum nur war,

Und jeder Schmerz ein ewiges Gedicht …

Vertrauen

Oh, einmal kommt das Glück, wann es auch sei!

Da hastet nicht der Tag an mir vorbei

Hinein in’s weite wirre Weltgetriebe,

Da trag’ auch ich im Haare Frührotschein,

Und Sonne wird um meine Jugend sein,

Dem Prunkpokale meiner großen Liebe.

Da prangt die Welt in Glanz und Feierkleid

Und meine Liebe wird mir tote Zeit

Und stimme Zukunft morgengoldig färben! –

Am Tag, da meines Lebens Liebe blüht

Da ist des Leides letztes Scheit verglüht

Da wird auch meine wilde Sehnsucht sterben …

Das Mädchen

Heut kann ich keine Ruhe finden …

Das muß die Sommernacht wohl sein.

Durchs off'ne Fenster strömt der Linden

Verträumter Blütenduft herein.

Oh Du mein Herz, wenn er jetzt käme

– Die Mutter ging schon längst zur Ruh –

Und Dich in seine Arme nähme …

Du schwaches Herz, … was tätest Du? …

Mittagsträumerei

Langsam schleicht die Stille in den Garten

Und verstohlen schließt der leise Wind

Einem mittagsmüden Kind

Ihre zarten

Träumeraugen, die voll Sehnsucht sind.

Über weiche weiße Blütenflocken

Strömt die Sonnenflut von Baum zu Baum

Und umblüht mit gold’nem Saum

Ihre Locken

Und gießt frohes Licht in ihren Traum …

Lied

Rote Rosen in den Beeten

Sind von rohem Fuß zertreten

Und der Fuß gehörte mir.

Denn mich faßte ein Verlangen

Rote Lippen, weiche Wangen.

Und – schon sprang ich hin zu Dir.

Doch die Liebe kann nicht messen

Unbehutsam und vermessen

Kam ich in des Beet’s Revier.

Rote Rosen in den Beeten

Sind von rohem Fuß zertreten

Doch da kannst nur Du dafür …

Gewährung

Allein, wir zwei. – In jedem unsrer Blicke

Ein süßes, sehnendes Zusammenstreben,

Verhaltne Worte, die auf dieser Brücke

Mit goldnen Flügeln stumm hinüberschweben

Und unsre Seelen leise ineinander weben.

Und meine wilden, heißen Worte prangen

Von schwüler Rosen Duft an Sommertagen

Von kraftdurchtoster Jugend Lustverlangen. –

Und tiefer wird das Drängen. Es verzagen

Die reichen Worte und nur stumme Lippen fragen …

Du schweigst. – Doch deine dunklen Augen leuchten

In mattem Glanz und deine Hände winken

Verheißung mir. – Ich küsse dir die feuchten

Tauperlen ab, die von den Wangen blinken. –

– Und tosend will mein Leben in dein Sein versinken …

Im Feld

Fern Berge, die sich tief ins Blau verlieren

Und fern des Lebens unruhvoller Klang. –

Hier ist kein Atemzug der Welt zu spüren

Nur Fliederdüfte wehn das Feld entlang.

Nur du und ich ziehn träumend durch die Raden

In die der Wind die Finger harfend legt,

So weltverloren, fern von Ziel und Pfaden

Den Weg, den uns die blinde Sehnsucht trägt.

Und wie sich dort die Halme zärtlich neigen,

So finden heiße Lippen selig sich im Kuß. –

Die bunten Blüten nicken her und schweigen

Und senden tausend Düfte uns zum Gruß …

Dunkle Sehnsucht

Ein trüber Tag spinnt Nebel um die Fernen

Und haucht das Dunkel auf die Saaten hin. –

Ich sehne mich nach lichten, blanken Sternen

Die stumm, wie Schwäne durch den Äther ziehn

Nach einer stillen, weichen, duftgeschwellten

An Traumesschätzen wunderreichen Nacht,

Die neu mich wiedergibt an meine Welten

Und meiner Seele Unrast schweigen macht.

Nocturno

Siehe die Nacht hat silberne Saiten

In die träumenden Saaten gespannt!

Weiche verzitternde Klänge gleiten

Über das selig atmende Land

Fernhin in schimmernde Weiten.

Sanft wie eine segnende Hand

Tönt und vertönt ihre Weise

Leise … so leise … so leise …

Und die Seele hebt ihre Schwingen

– Silberne Klänge sind ihre Flügel –

Weit über duftumsponnene Hügel

Durch der Täler verdämmernden Schein

Schwebt sie auf sehnsuchtgewiesener Reise

Still ins strömende Mondlicht hinein …

Der Forscher

Und manchmal wächst mein Leid zu wilden Qualen,

Wenn ich da sehe, wie in hohlen, schalen

Gewohnheitsmenschen ein Gefühl erwacht,

Das sie so kläglich und – so glücklich macht.

Und ich, ich türm’ im Geiste Welt auf Welten,

Der dunklen Weisheit Rätselsprüche, sie zerschellten

Zu reiner Klarheit stets vor meinem Blick. –

Doch mich verlangt nach jener Toren Glück,

Zu spüren, wie sich durch verschloß’ne Türen

Der Seele ungekannte Stürme rühren,

Bis sie erbebt vor innerlicher Kraft,

Die sie vernichtet – und dann neu erschafft.

Und jähe Sehnsucht faßt mich, all’ mein Streben

Für dieses Glück der Liebe hinzugeben,

Zu lassen Ziel und Pfade und allein

Nur einer von den Tausenden zu sein …

Sternenglaube

Sieh, da ist ein lichter Stern gesunken!

Wie ein weißer wirrer Irrlichtfunken

Schwebt er zu des Abends Blütenbeet …

Du … Jetzt flink, noch eh’ er ganz verweht

Sprich den Wunsch der in Erfüllung geht! –

Zitternd ist der müde Stern gesunken …

Schweigend hab’ ich Deinen Blick getrunken

Und mit ihm Dein innerstes Gebet …

Im Abendpurpur

Dank Dir, Abend, Dank für Dein Geleiten!

Kronreif webst Du meinen Locken hin

Purpurwogen mein Gewand umgleiten …

Und nun kann ich wie ein König schreiten

Hin zu Dir, Du meine Königin.

Was ich blicke ist mein Gut und Eigen,

Breiter Bäche helles Glitzergold,

Edelsteine, die sich von den Zweigen

Demantfunkelnd in die Sonne neigen

Winken mir als reicher Königssold.

Rosen streut der Abend mir zu Füßen. –

Machtbewußt und hoch schreit ich dahin

Hin zu Dir. – Und Deine märchensüßen

Blicke werden mich als König grüßen

Der ich doch bei Dir nur Bettler bin …

Du!

 Früher zogen müd, auf schwankem Kiele

Meine Träume dunklen Fernen zu.

 Doch nun eilt mit frohem Wimpelspiele

Ihre Botenschar in heitrer Ruh

 Hin zu einem lichten Sehnsuchtsziele

  Und dies Sehnsuchtsziel bist Du …

Juninacht

Weiche Lichteswellen träumen

In die warme Juninacht.

Leise atmen alle Blumen

Ihrer Seele süße Düfte

In die leichten lauen Winde,

Die tief in den Zweigen singen

Stille, wehmutsvolle Lieder

Müde schwere Sehnsuchtsworte,

Die in unserm Herzen klingen,

Die wir suchen, niemals finden

Aber dennoch stets verstehn,

Wenn die lauen Juninächte

Ihre Sehnsuchtsmelodien

Durch die dunklen Zweige wehn …

Begehren

An manchen Tagen faßt mich ein Begehren

Nach Glanz und Glück und wilder Rhythmen Glut

Nach Purpurrosen, tief und rot wie Blut

Und heißen Frauen, die mit liebesschweren

Sturmküssen dämmen meiner Wünsche Flut. –

Doch tief in diesem grellen Lustverlangen

Zittert ein einz’ger leiser Wunsch allein

Nach einem großen, reichen Glücklichsein,

Nach Frieden, den mir stille Lieder sangen

In meiner Kindheit goldnem Sonnenschein.

In tiefer Nacht

So mitternächtig alle Gassen,

Die silberblank der Mond durchzieht

So blaß und stumm die Häusermassen …

Hinauf zu schlummernden Gelassen

Klingt sonnetrunken noch mein Lied.

Die Straßen sind so traumesselig

Und sprechen leis mein Lied zurück.

Und lauter, voller wirds allmählich

Und bald erdröhnt es hell und fröhlich

Das Lied von meiner Liebe Glück.

Es dringt durch dunkle Fensterläden

So leise trägts der laue Wind.

In tiefem Traum umfängt es jeden

Mit seinen feinen, feinen Fäden

Die Mutter Sehnsucht um uns spinnt,

Daß sich die Mädchenherzen dehnen

Im dunklen Banne seiner Macht,

Und immer heißer wird ihr Sehnen,

Und glühend rinnen brennende Tränen

Hinein in die stumme, verschwiegene Nacht.

Doch mein Lied und ich, wir schreiten

Immer nur weiter, immer nur zu

In die silberblinkenden Weiten

Hin zu den blendendsten Seligkeiten

Hin zu Dir, oh Geliebte Du …

Stille Größe

I

Die müden Wälder stehn mit Purpurseide

Und dämmerrotem Kronengold geschmückt,

Und stolz hat sich ihr weißes Sterngeschmeide

Die Nacht ins dunkle Lockenhaar gedrückt.

Nun gleicht die Erde meinen leisen Tagen,

Die auch so müde sind und lichtentwöhnt

Und doch den reichsten Siegespurpur tragen

Weil sie der Sternenglanz der Dichtung krönt …

II

Erst wenn die laute Welt dir fremd geworden,

Und Du ein Fremder allen andern bist,

Lauschst Du aus Deines Lebenslieds Akkorden

Den Klang, der nur aus eigner Seele fließt.

Tief tauchst Du in den Wundenstrom der Zeiten,

Der segnend über Dir zusammenschlägt,

Und selig spürst Du, wie zu Ewigkeiten

Die starke Seele Dich hinüberträgt.

Neues Verlangen

Die wilden Wogen sind zerstoben,

Verloschen meines Herzens Brand

Und keine Sonne grüßt von oben

In meiner Seele weites Land.

Nur manchmal, in den schwersten Tiefen,

Will’s flüsternd durch die Stille geh’n,

Als ob im Traum die Stimmen riefen

Nach einem frohen Auferstehn …

Morgenlicht

Nun wollen wir dem Licht entgegen,

Das um die Purpurwipfel rollt.

Das Leuchten flammt auf allen Wegen

Und wächst und wird zum Morgengold.

Die glutumlohten Tannen singen

Und Jubel bricht aus jedem Klang,

Wie kampfbereites Fahnenschwingen

Braust durch den Wald der Höhensang.

Und lauter werden alle Weisen

Und jedes Wesen sucht sein Lied,

Die Schaffenskraft des Lichts zu preisen,

Das nun ins volle Leben glüht.

Das sind die Stunden …

Das sind die Stunden, die der Sehnsucht heilig sind:

Wenn in den Blütenblättern still der Abendwind

Ein dämmerdunkles Lied der müden Wehmut rauscht

Und dann verstummend selbst dem Spiel der Töne lauscht,

Wenn alle Kelche sommerschwere Düfte glühn,

Und ferne Himmelsrosen purpurblutend blühn,

Und unsrer Kindheit wundersame Märchenglocken

Mit weicher Liebesmär die Seelen an sich locken,

Wenn lautes Leben wesenlos vorüberrinnt …

Das sind die Stunden, die der Sehnsucht heilig sind.

Vorahnung

Mir ist, als ob ein tiefer Drang

Im stummen Herz sich rührte,

Mir ist, als ob ich leisen Sang

In meiner Seele spürte.

Denn Deiner Schönheit Spiegelbild

Ließ alle Saiten schwingen

Sie ahnen’s schon: Zigeunerwild

Wird bald ihr Lied erklingen!

Vorüber …

Dunkelflutend durch die blassen Tale

Kriecht das letzte Abendrot entlang,

Dort im goldumwobnen Himmelssaale

Trinkt der Tag aus purpurnem Pokale

Selig seinen Todestrank.

Königspracht! – Allein mein Blick wird trüber,

Ein Gedanke zieht so müd und sorgenschwer

Zu der lichten Tagesspur hinüber:

Wieder ging ein reicher Tag vorüber

Ungenützt und inhaltsleer!

Nacht am Gebirgssee

Leise zieht mein Boot in blassen Wellen,

Die den Sternenreigen funkelnd spiegeln,

Breite, duftumhüllte Silberquellen

Rinnen von den mondbeglänzten Hügeln.

Und der Nebel sinkt in faltenschweren

Lichtgewanden müde um die Bäume,

Dunkeltrotzig starren rings die Föhren

Wie versteinte, sorgendüstre Träume.

Und von wildzerzackten Felsenwänden

Schwebt die Nacht behutsam durch die Stille

Und sät Frieden aus mit leisen Händen …

Lautlos zieht die blanke, schwanke Zille.

Lautlos schmiegen sich die weichen, feuchten

Bergseefluten an die helle Planke …

Tiefe Ruh … Nur fern ein Wetterleuchten

Wie ein wachgewordener Gedanke …

Winterabend im Zimmer

Die Nebel sinken tiefer in das Dämmern,

Ein düstrer, schwarzumgrauter Wintertag,

Es singt der Sturm. Und schwere Tropfen hämmern

An trübe Scheiben, rhythmisch Schlag auf Schlag.

Ich sinne stumm beim Funkenspiel der Kohlen. –

So still und traulich wird der enge Raum,

So sonntagsfroh … Nun naht mit leisen Sohlen

Der erste, langersehnte Frühlingstraum …

Spätsommer

Durch die dunkelgold’gen Garben

Leuchten fröhlich bunte Farben,

Blumen, die die Mahd versäumten

Blicken müde mit verträumten

Großen Augen in das Feld.

Weiße Schmetterlinge streichen

In den milden, sommerweichen

Blumendüften auf und nieder,

Und der Bienen leise Lieder

Wiegen in den Schlaf die Welt …

Mein Lied

Alle Lichter sind verglommen …

Träumend horch’ ich und beklommen

Wie mein Schmerz zum Liede wird,

Und als Schluchzen müder Geigen

Durch das abendstille Schweigen

Mit gebroch’nen Schwingen irrt …

Wunder des Abends

Fern summt der Abendsang der Kathedrale …

In Dämmerflut versinkt ihr goldner Knauf,

Und von dem nebelstillen, tiefen Tale

Zieht stumm und groß, auf seidener Sandale

Die reife Sommernacht herauf.

Weit drüben siehst Du einen Stern versprühen …

Nun ahnst Du, daß ein Wunder Dir geschieht. –

Du träumst und sinnst … Und weiche Worte blühen

In dunkler Seele zitternd auf und mühen

Sich still zu einem neuen Lied …

Ein Drängen …

Ein Drängen ist in meinem Herz, ein Beben

Nach einem großen, segnenden Erleben,

Nach einer Liebe, die die Seele weitet

Und jede fremde Regung niederstreitet.

Ich harre Tage, Stunden, lange Wochen,

Mein Herz bleibt stumm, die Worte ungesprochen

In müde Lieder flüchtet sich mein Sehnen,

Und heiße Nächte trinken meine Tränen …

Volksmotiv

Ich blicke in die milde Sternennacht,

Da ist in mir ein leiser Wunsch erwacht.

Und meine starke Sehnsucht fliegt und fliegt

Fernhin, wo still im Schlaf mein Liebchen liegt.

Und meiner Liebe goldnen Sonnenschein

Webt sie ihr in den blassen Traum hinein.

Da werden alle Bilder hell und bunt.

In sel’gem Lächeln rundet sich ihr Mund.

Und meine Sehnsucht bringt das höchste Glück

– Dies Lächeln ihrer Lippen – mir zurück …

Regentage

Dunkle Tage, wolkenübersponnen,

Jeder regenschwerer noch und trüber

Ziehen teilnahmslos an mir vorüber

Schweigend, wie verhüllte, blasse Nonnen.

Und das Herz wird enger da und stille

Kaum will sich ein leiser Wunsch noch regen,

Langsam stirbt im steten, steten Regen

Jeder frohbewegte Schaffenswille.

Und des Nachts kann sich kein Bild mehr spinnen

In den sonst so farbenbunten Träumen,

Denn ich horche nur von allen Bäumen

Auf das monotone Regenrinnen …

Einsamkeit

Frohen Herzens bin ich in die Welt gegangen

Und voll Sonne war mein junger Blick,

Doch nun kehrt’ ich mit verhärmten Wangen

Wieder zu der Einsamkeit zurück.

Und ich sehe wunschbefreit und weise

In das bunte Schicksalseinerlei,

Kaum verspür ich’s noch, so leise, leise

Rinnt an mir die Jugendzeit vorbei.

Immer werden meine Blicke weiter,

Selig halt’ ich eine Welt umspannt,

Denn ich blicke froh und wissensheiter

In des Lebens unbegrenztes Land.

Hieher dröhnt kein Wächterschritt der Stunden,

Unbemerkt verbraust mein herbes Leid,

Langsam narben meine tiefen Wunden

Von der weichen Hand der Einsamkeit.

Meiner Seele nahm ich dumpfe Riegel,

Und geöffnet prangt der Wunderschrein,

Ewig lernend blick’ ich in den Spiegel

Meiner eignen neuen Welt hinein.

Was sich dort im Leben ohne Ende

Streitet, blendet, schlägt und überschreit

Liegt hier, Farben, Töne, wie in Bände,

Meinem Willen nach, geformt, gereiht.

Jedes Wesen fürchtet meinen Willen

Hier im engen – unbegrenzten Raum

Jede Sehnsucht weiß ich zu erfüllen. –

Wirklichkeit entblüht dem Dichtertraum.

Und wenn heimlich dann an manchen Tagen

Meine Sehnsucht hin zum Leben zieht

Brauch ich dieses Buch nur aufzuschlagen

Und die Seele schaut und wird nicht müd …

Nach dem Frühlingsregen

Das dumpfe Brausen ist vergangen. –

Nun stehn die Bäume stahlbeglänzt und nackt,

Die Tropfen zittern, die von Syrinxblüten niederhangen

Und fallen langsam, wie im Takt. –

Das Feld erklingt

Von tausend neuerwachten Lauten

Und badet sich in Gold und Sonnenleuchten,

Ein frohes Kind, das in noch tränenfeuchten

Schelmaugen wieder mit dem Lächeln ringt.

Im Balladenton

Es ist ein Glück gekommen

Ein Glück auf dunkle Nacht,

Da ist in engen Mauern

Aus sorgenschwerem Trauern

Ein Herz im Jubel erwacht.

Es ist ein Brief gekommen

Von ihm aus Kampf und Krieg.

Er war schon lang verschollen,

Sie hats nicht glauben wollen;

Nun meldet er fröhlichen Sieg.

Es ist ein Gruß gekommen

Vom Sohn im fernen Land,

Sie hört ihr Herz laut klopfen,

Und brennende Tränen tropfen

Auf die bebende Mutterhand.

Es ist ein Glück gekommen

Ein Glück auf dunkle Nacht,

Da ist in engen Mauern

Aus sorgenschwerem Trauern

Ein Herz im Jubel erwacht.

Weihnacht

Im Dunkeln tönt noch letztes Schellenklingen,

Das bald der müde Abendwind verweht.