2,99 €
Mit einem Nachwort von Knut Beck. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Neunzehnjährig begann Stefan Zweig seine Schriftstellerkarriere als Dichter. Sein erstes Buch ›Silberne Saiten‹, mit einer Auswahl von 50 Gedichten, erschien 1901 – die Presse beachtete es freundlich-kritisch. Seinen zweiten Lyrikband, ›Die frühen Kränze‹, erschien 1906. Hier konnte er seine Sprache schon fester konturieren und »ein geschlossenes Gemälde einer Empfindungsperiode geben«, wie ein Rezensent erklärte. Später entwickelte er die Prosa zu seiner eigentlichen Ausdrucksform und formulierte nur noch gelegentlich Verse. Diese Ausgabe fasst unter dem Titel des Erstlings alle Gedichte Stefan Zweigs, die er selbst zu Büchern sammelte, zusammen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 152
Stefan Zweig
Silberne Saiten
Gedichte
Fischer e-books
Mit einem Nachwort von Knut Beck.
Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.
Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.
Meinen lieben Eltern zu eigen
Wien, Februar 1901
Was ins Weite einst geflogen,
Einzeln, ein verlorner Klang,
Ruht hier, Blatt an Blatt gebogen,
Träumerstunden stiller Sang. –
Nun geht's weithin auf die Reise.
Allen gibt es wohl nicht viel,
Aber mir erklingt d'raus leise
Meiner Jugend Sehnsuchtsweise
Und mein innres Glockenspiel …
… Und jedes Lebensmal, das ich gefühlt,
Hat in mir dunkle Klänge aufgewühlt.
Und doch, das eine will mir nie gelingen,
Mein Schicksal in ein Lebenslied zu zwingen,
Was mir die Welt in Tag und Nacht gegeben,
In einen reinen Einklang zu verweben.
Ein irres Schiff, allein auf fremden Meer,
Schwankt meine Seele steuerlos einher
Und sucht und sucht und findet dennoch nie
Den eig’nen Wiederklang der Weltenharmonie.
Und langsam wird sie ihrer Irrfahrt müd.
Sie weiß: Nur einer ist’s, der löst ihr Lied,
Der fügt die Trauer, Glück und jeden Drang
In einen tiefen, ewig gleichen Sang.
Nur durch den Tod, der jede Wunde stillt,
Wird meiner Seele Wunschgebet erfüllt.
Denn einst, wenn müd mein Lebensstern versinkt,
Mit matten Lichtern nur der Tag noch winkt,
Da werd’ ich sein Erlösungswort verspüren,
Er wird mir segnend an die Seele rühren,
Und in mir atmet plötzlich heil’ge Ruh …
Mein Herz verstummt … Er lächelt mild mir zu …
Und hebt den Bogen … Und die Saiten zittern
Wie Erntepracht vor drohenden Gewittern,
Und beben, beugen sich – und singen schon
Den ersten, sehnsuchtsweichen Silberton.
Wie eine scheue Knospe, die erblüht,
Reift aus dem ersten Klang ein süßes Lied.
Da wird mein tiefstes Sehnen plötzlich Wort,
Mein Lebenslied ein einziger Akkord,
Und Leid und Freude, Nacht und Sonnenglanz
Umfassen sich in reiner Konsonanz.
Und in die Tiefen, die noch keiner fand,
Greift seine wunderstarke Meisterhand.
Und was nur dumpfer Wesenstrieb gewesen,
Weiß er zu lichter Klarheit zu erlösen.
Und wilder wird sein Lied … Wie heißes Blut
So rot und voll strömt seiner Töne Flut
Und braust dahin, wie schaumgekrönte Wellen,
Die trotzig an der eig’nen Kraft zerschellen,
Ein toller Sang lustlechzender Mänaden
Ertost es laut in jauchzenden Kaskaden.
Und wilder wird der Töne Bacchanal
Und wächst zur ungeahnten Sinnesqual
Und wird ein Schrei, der schrill zum Himmel gellt –
– Dann wirrt der wilde Strom und stirbt und fällt …
Ein Schluchzen noch, das müde sich entringt …
… Das Lied verstummt … Der matte Bogen sinkt …
Und meine Seele zittert von den Saiten
Zu sphärenklangdurchbebten Ewigkeiten …
Wie dunkle Kiefernforste sind oft meine Träume,
Wo sich die Stämme innig aneinanderdrängen.
Dort blaut kein heller Frühlingstag. Die Zweige hängen
In stiller Trauer, voll von wundersamen Klängen
Wie lang vergess’ne Harfen sind dort alle Bäume.
Doch manchmal zittert mild ein Mondesglanz hernieder
Herab aus silberweißen weiten Himmelsfernen
Und schluchzt und sehnt sich wieder auf zu seinen Sternen …
Dann horchen alle Bäume bebend hin und lernen
Von ihm die trauerdunklen, sehnsuchtsmüden Lieder.
Die Frühlingsnacht naht lind und lau
Durch träumende Gelände.
Wie süßer Atem einer Frau
So lösungsmild, so zart, so lau
Sind ihre weichen Hände.
Die tragen Deine Sehnsucht fort,
Du fühlst sie Dir entschwinden …
Nun weißt Du nicht ihr Ziel und Wort,
Suchst Deine Sehnsucht fort und fort
Und kannst sie nimmer finden …
Ging einer in die helle Sommernacht.
Dem war schon längst die letzte Liebe tot;
Er klagte nicht. – Doch purpurn war entfacht
In seinem Herz der Wunden Narbenrot.
Im Auge flackerte ein fremder Glanz
Des tiefen Leides späte Schmerzenssaat …
So schritt er stumm dahin … Irrlichtertanz
War Führer ihm am blassen Dämmerpfad.
In reichem Frieden schimmerte das Land
Wie eine Brust, die selig atmend bebt …
Da fühlt er, wie der Stille weiche Hand
Um seine heißen Pulse kühlend schwebt.
Und schwellend flog aus tausend Kelchen her
Ein Blühen, das von weiten Fernen kam;
Wie dunkle Weine war der Duft so schwer,
Der mild sein großes Weh gefangen nahm.
Und traumgewandet zieht die Einsamkeit
Ans Mutterherz den müden Träumer hin,
Bis er vergessen Wirklichkeit und Leid
Im Banne ihrer Rätselmelodien.
Und Blütendolden stäubten in sein Haar …
Die Stimme aber sang und ruhte nicht,
Bis jeder Gramgedanke Traum nur war,
Und jeder Schmerz ein ewiges Gedicht …
Oh, einmal kommt das Glück, wann es auch sei!
Da hastet nicht der Tag an mir vorbei
Hinein in’s weite wirre Weltgetriebe,
Da trag’ auch ich im Haare Frührotschein,
Und Sonne wird um meine Jugend sein,
Dem Prunkpokale meiner großen Liebe.
Da prangt die Welt in Glanz und Feierkleid
Und meine Liebe wird mir tote Zeit
Und stimme Zukunft morgengoldig färben! –
Am Tag, da meines Lebens Liebe blüht
Da ist des Leides letztes Scheit verglüht
Da wird auch meine wilde Sehnsucht sterben …
Heut kann ich keine Ruhe finden …
Das muß die Sommernacht wohl sein.
Durchs off'ne Fenster strömt der Linden
Verträumter Blütenduft herein.
Oh Du mein Herz, wenn er jetzt käme
– Die Mutter ging schon längst zur Ruh –
Und Dich in seine Arme nähme …
Du schwaches Herz, … was tätest Du? …
Langsam schleicht die Stille in den Garten
Und verstohlen schließt der leise Wind
Einem mittagsmüden Kind
Ihre zarten
Träumeraugen, die voll Sehnsucht sind.
Über weiche weiße Blütenflocken
Strömt die Sonnenflut von Baum zu Baum
Und umblüht mit gold’nem Saum
Ihre Locken
Und gießt frohes Licht in ihren Traum …
Rote Rosen in den Beeten
Sind von rohem Fuß zertreten
Und der Fuß gehörte mir.
Denn mich faßte ein Verlangen
Rote Lippen, weiche Wangen.
Und – schon sprang ich hin zu Dir.
Doch die Liebe kann nicht messen
Unbehutsam und vermessen
Kam ich in des Beet’s Revier.
Rote Rosen in den Beeten
Sind von rohem Fuß zertreten
Doch da kannst nur Du dafür …
Allein, wir zwei. – In jedem unsrer Blicke
Ein süßes, sehnendes Zusammenstreben,
Verhaltne Worte, die auf dieser Brücke
Mit goldnen Flügeln stumm hinüberschweben
Und unsre Seelen leise ineinander weben.
Und meine wilden, heißen Worte prangen
Von schwüler Rosen Duft an Sommertagen
Von kraftdurchtoster Jugend Lustverlangen. –
Und tiefer wird das Drängen. Es verzagen
Die reichen Worte und nur stumme Lippen fragen …
Du schweigst. – Doch deine dunklen Augen leuchten
In mattem Glanz und deine Hände winken
Verheißung mir. – Ich küsse dir die feuchten
Tauperlen ab, die von den Wangen blinken. –
– Und tosend will mein Leben in dein Sein versinken …
Fern Berge, die sich tief ins Blau verlieren
Und fern des Lebens unruhvoller Klang. –
Hier ist kein Atemzug der Welt zu spüren
Nur Fliederdüfte wehn das Feld entlang.
Nur du und ich ziehn träumend durch die Raden
In die der Wind die Finger harfend legt,
So weltverloren, fern von Ziel und Pfaden
Den Weg, den uns die blinde Sehnsucht trägt.
Und wie sich dort die Halme zärtlich neigen,
So finden heiße Lippen selig sich im Kuß. –
Die bunten Blüten nicken her und schweigen
Und senden tausend Düfte uns zum Gruß …
Ein trüber Tag spinnt Nebel um die Fernen
Und haucht das Dunkel auf die Saaten hin. –
Ich sehne mich nach lichten, blanken Sternen
Die stumm, wie Schwäne durch den Äther ziehn
Nach einer stillen, weichen, duftgeschwellten
An Traumesschätzen wunderreichen Nacht,
Die neu mich wiedergibt an meine Welten
Und meiner Seele Unrast schweigen macht.
Siehe die Nacht hat silberne Saiten
In die träumenden Saaten gespannt!
Weiche verzitternde Klänge gleiten
Über das selig atmende Land
Fernhin in schimmernde Weiten.
Sanft wie eine segnende Hand
Tönt und vertönt ihre Weise
Leise … so leise … so leise …
Und die Seele hebt ihre Schwingen
– Silberne Klänge sind ihre Flügel –
Weit über duftumsponnene Hügel
Durch der Täler verdämmernden Schein
Schwebt sie auf sehnsuchtgewiesener Reise
Still ins strömende Mondlicht hinein …
Und manchmal wächst mein Leid zu wilden Qualen,
Wenn ich da sehe, wie in hohlen, schalen
Gewohnheitsmenschen ein Gefühl erwacht,
Das sie so kläglich und – so glücklich macht.
Und ich, ich türm’ im Geiste Welt auf Welten,
Der dunklen Weisheit Rätselsprüche, sie zerschellten
Zu reiner Klarheit stets vor meinem Blick. –
Doch mich verlangt nach jener Toren Glück,
Zu spüren, wie sich durch verschloß’ne Türen
Der Seele ungekannte Stürme rühren,
Bis sie erbebt vor innerlicher Kraft,
Die sie vernichtet – und dann neu erschafft.
Und jähe Sehnsucht faßt mich, all’ mein Streben
Für dieses Glück der Liebe hinzugeben,
Zu lassen Ziel und Pfade und allein
Nur einer von den Tausenden zu sein …
Sieh, da ist ein lichter Stern gesunken!
Wie ein weißer wirrer Irrlichtfunken
Schwebt er zu des Abends Blütenbeet …
Du … Jetzt flink, noch eh’ er ganz verweht
Sprich den Wunsch der in Erfüllung geht! –
Zitternd ist der müde Stern gesunken …
Schweigend hab’ ich Deinen Blick getrunken
Und mit ihm Dein innerstes Gebet …
Dank Dir, Abend, Dank für Dein Geleiten!
Kronreif webst Du meinen Locken hin
Purpurwogen mein Gewand umgleiten …
Und nun kann ich wie ein König schreiten
Hin zu Dir, Du meine Königin.
Was ich blicke ist mein Gut und Eigen,
Breiter Bäche helles Glitzergold,
Edelsteine, die sich von den Zweigen
Demantfunkelnd in die Sonne neigen
Winken mir als reicher Königssold.
Rosen streut der Abend mir zu Füßen. –
Machtbewußt und hoch schreit ich dahin
Hin zu Dir. – Und Deine märchensüßen
Blicke werden mich als König grüßen
Der ich doch bei Dir nur Bettler bin …
Früher zogen müd, auf schwankem Kiele
Meine Träume dunklen Fernen zu.
Doch nun eilt mit frohem Wimpelspiele
Ihre Botenschar in heitrer Ruh
Hin zu einem lichten Sehnsuchtsziele
Und dies Sehnsuchtsziel bist Du …
Weiche Lichteswellen träumen
In die warme Juninacht.
Leise atmen alle Blumen
Ihrer Seele süße Düfte
In die leichten lauen Winde,
Die tief in den Zweigen singen
Stille, wehmutsvolle Lieder
Müde schwere Sehnsuchtsworte,
Die in unserm Herzen klingen,
Die wir suchen, niemals finden
Aber dennoch stets verstehn,
Wenn die lauen Juninächte
Ihre Sehnsuchtsmelodien
Durch die dunklen Zweige wehn …
An manchen Tagen faßt mich ein Begehren
Nach Glanz und Glück und wilder Rhythmen Glut
Nach Purpurrosen, tief und rot wie Blut
Und heißen Frauen, die mit liebesschweren
Sturmküssen dämmen meiner Wünsche Flut. –
Doch tief in diesem grellen Lustverlangen
Zittert ein einz’ger leiser Wunsch allein
Nach einem großen, reichen Glücklichsein,
Nach Frieden, den mir stille Lieder sangen
In meiner Kindheit goldnem Sonnenschein.
So mitternächtig alle Gassen,
Die silberblank der Mond durchzieht
So blaß und stumm die Häusermassen …
Hinauf zu schlummernden Gelassen
Klingt sonnetrunken noch mein Lied.
Die Straßen sind so traumesselig
Und sprechen leis mein Lied zurück.
Und lauter, voller wirds allmählich
Und bald erdröhnt es hell und fröhlich
Das Lied von meiner Liebe Glück.
Es dringt durch dunkle Fensterläden
So leise trägts der laue Wind.
In tiefem Traum umfängt es jeden
Mit seinen feinen, feinen Fäden
Die Mutter Sehnsucht um uns spinnt,
Daß sich die Mädchenherzen dehnen
Im dunklen Banne seiner Macht,
Und immer heißer wird ihr Sehnen,
Und glühend rinnen brennende Tränen
Hinein in die stumme, verschwiegene Nacht.
Doch mein Lied und ich, wir schreiten
Immer nur weiter, immer nur zu
In die silberblinkenden Weiten
Hin zu den blendendsten Seligkeiten
Hin zu Dir, oh Geliebte Du …
Die müden Wälder stehn mit Purpurseide
Und dämmerrotem Kronengold geschmückt,
Und stolz hat sich ihr weißes Sterngeschmeide
Die Nacht ins dunkle Lockenhaar gedrückt.
Nun gleicht die Erde meinen leisen Tagen,
Die auch so müde sind und lichtentwöhnt
Und doch den reichsten Siegespurpur tragen
Weil sie der Sternenglanz der Dichtung krönt …
Erst wenn die laute Welt dir fremd geworden,
Und Du ein Fremder allen andern bist,
Lauschst Du aus Deines Lebenslieds Akkorden
Den Klang, der nur aus eigner Seele fließt.
Tief tauchst Du in den Wundenstrom der Zeiten,
Der segnend über Dir zusammenschlägt,
Und selig spürst Du, wie zu Ewigkeiten
Die starke Seele Dich hinüberträgt.
Die wilden Wogen sind zerstoben,
Verloschen meines Herzens Brand
Und keine Sonne grüßt von oben
In meiner Seele weites Land.
Nur manchmal, in den schwersten Tiefen,
Will’s flüsternd durch die Stille geh’n,
Als ob im Traum die Stimmen riefen
Nach einem frohen Auferstehn …
Nun wollen wir dem Licht entgegen,
Das um die Purpurwipfel rollt.
Das Leuchten flammt auf allen Wegen
Und wächst und wird zum Morgengold.
Die glutumlohten Tannen singen
Und Jubel bricht aus jedem Klang,
Wie kampfbereites Fahnenschwingen
Braust durch den Wald der Höhensang.
Und lauter werden alle Weisen
Und jedes Wesen sucht sein Lied,
Die Schaffenskraft des Lichts zu preisen,
Das nun ins volle Leben glüht.
Das sind die Stunden, die der Sehnsucht heilig sind:
Wenn in den Blütenblättern still der Abendwind
Ein dämmerdunkles Lied der müden Wehmut rauscht
Und dann verstummend selbst dem Spiel der Töne lauscht,
Wenn alle Kelche sommerschwere Düfte glühn,
Und ferne Himmelsrosen purpurblutend blühn,
Und unsrer Kindheit wundersame Märchenglocken
Mit weicher Liebesmär die Seelen an sich locken,
Wenn lautes Leben wesenlos vorüberrinnt …
Das sind die Stunden, die der Sehnsucht heilig sind.
Mir ist, als ob ein tiefer Drang
Im stummen Herz sich rührte,
Mir ist, als ob ich leisen Sang
In meiner Seele spürte.
Denn Deiner Schönheit Spiegelbild
Ließ alle Saiten schwingen
Sie ahnen’s schon: Zigeunerwild
Wird bald ihr Lied erklingen!
Dunkelflutend durch die blassen Tale
Kriecht das letzte Abendrot entlang,
Dort im goldumwobnen Himmelssaale
Trinkt der Tag aus purpurnem Pokale
Selig seinen Todestrank.
Königspracht! – Allein mein Blick wird trüber,
Ein Gedanke zieht so müd und sorgenschwer
Zu der lichten Tagesspur hinüber:
Wieder ging ein reicher Tag vorüber
Ungenützt und inhaltsleer!
Leise zieht mein Boot in blassen Wellen,
Die den Sternenreigen funkelnd spiegeln,
Breite, duftumhüllte Silberquellen
Rinnen von den mondbeglänzten Hügeln.
Und der Nebel sinkt in faltenschweren
Lichtgewanden müde um die Bäume,
Dunkeltrotzig starren rings die Föhren
Wie versteinte, sorgendüstre Träume.
Und von wildzerzackten Felsenwänden
Schwebt die Nacht behutsam durch die Stille
Und sät Frieden aus mit leisen Händen …
Lautlos zieht die blanke, schwanke Zille.
Lautlos schmiegen sich die weichen, feuchten
Bergseefluten an die helle Planke …
Tiefe Ruh … Nur fern ein Wetterleuchten
Wie ein wachgewordener Gedanke …
Die Nebel sinken tiefer in das Dämmern,
Ein düstrer, schwarzumgrauter Wintertag,
Es singt der Sturm. Und schwere Tropfen hämmern
An trübe Scheiben, rhythmisch Schlag auf Schlag.
Ich sinne stumm beim Funkenspiel der Kohlen. –
So still und traulich wird der enge Raum,
So sonntagsfroh … Nun naht mit leisen Sohlen
Der erste, langersehnte Frühlingstraum …
Durch die dunkelgold’gen Garben
Leuchten fröhlich bunte Farben,
Blumen, die die Mahd versäumten
Blicken müde mit verträumten
Großen Augen in das Feld.
Weiße Schmetterlinge streichen
In den milden, sommerweichen
Blumendüften auf und nieder,
Und der Bienen leise Lieder
Wiegen in den Schlaf die Welt …
Alle Lichter sind verglommen …
Träumend horch’ ich und beklommen
Wie mein Schmerz zum Liede wird,
Und als Schluchzen müder Geigen
Durch das abendstille Schweigen
Mit gebroch’nen Schwingen irrt …
Fern summt der Abendsang der Kathedrale …
In Dämmerflut versinkt ihr goldner Knauf,
Und von dem nebelstillen, tiefen Tale
Zieht stumm und groß, auf seidener Sandale
Die reife Sommernacht herauf.
Weit drüben siehst Du einen Stern versprühen …
Nun ahnst Du, daß ein Wunder Dir geschieht. –
Du träumst und sinnst … Und weiche Worte blühen
In dunkler Seele zitternd auf und mühen
Sich still zu einem neuen Lied …
Ein Drängen ist in meinem Herz, ein Beben
Nach einem großen, segnenden Erleben,
Nach einer Liebe, die die Seele weitet
Und jede fremde Regung niederstreitet.
Ich harre Tage, Stunden, lange Wochen,
Mein Herz bleibt stumm, die Worte ungesprochen
In müde Lieder flüchtet sich mein Sehnen,
Und heiße Nächte trinken meine Tränen …
Ich blicke in die milde Sternennacht,
Da ist in mir ein leiser Wunsch erwacht.
Und meine starke Sehnsucht fliegt und fliegt
Fernhin, wo still im Schlaf mein Liebchen liegt.
Und meiner Liebe goldnen Sonnenschein
Webt sie ihr in den blassen Traum hinein.
Da werden alle Bilder hell und bunt.
In sel’gem Lächeln rundet sich ihr Mund.
Und meine Sehnsucht bringt das höchste Glück
– Dies Lächeln ihrer Lippen – mir zurück …
Dunkle Tage, wolkenübersponnen,
Jeder regenschwerer noch und trüber
Ziehen teilnahmslos an mir vorüber
Schweigend, wie verhüllte, blasse Nonnen.
Und das Herz wird enger da und stille
Kaum will sich ein leiser Wunsch noch regen,
Langsam stirbt im steten, steten Regen
Jeder frohbewegte Schaffenswille.
Und des Nachts kann sich kein Bild mehr spinnen
In den sonst so farbenbunten Träumen,
Denn ich horche nur von allen Bäumen
Auf das monotone Regenrinnen …
Frohen Herzens bin ich in die Welt gegangen
Und voll Sonne war mein junger Blick,
Doch nun kehrt’ ich mit verhärmten Wangen
Wieder zu der Einsamkeit zurück.
Und ich sehe wunschbefreit und weise
In das bunte Schicksalseinerlei,
Kaum verspür ich’s noch, so leise, leise
Rinnt an mir die Jugendzeit vorbei.
Immer werden meine Blicke weiter,
Selig halt’ ich eine Welt umspannt,
Denn ich blicke froh und wissensheiter
In des Lebens unbegrenztes Land.
Hieher dröhnt kein Wächterschritt der Stunden,
Unbemerkt verbraust mein herbes Leid,
Langsam narben meine tiefen Wunden
Von der weichen Hand der Einsamkeit.
Meiner Seele nahm ich dumpfe Riegel,
Und geöffnet prangt der Wunderschrein,
Ewig lernend blick’ ich in den Spiegel
Meiner eignen neuen Welt hinein.
Was sich dort im Leben ohne Ende
Streitet, blendet, schlägt und überschreit
Liegt hier, Farben, Töne, wie in Bände,
Meinem Willen nach, geformt, gereiht.
Jedes Wesen fürchtet meinen Willen
Hier im engen – unbegrenzten Raum
Jede Sehnsucht weiß ich zu erfüllen. –
Wirklichkeit entblüht dem Dichtertraum.
Und wenn heimlich dann an manchen Tagen
Meine Sehnsucht hin zum Leben zieht
Brauch ich dieses Buch nur aufzuschlagen
Und die Seele schaut und wird nicht müd …
Das dumpfe Brausen ist vergangen. –
Nun stehn die Bäume stahlbeglänzt und nackt,
Die Tropfen zittern, die von Syrinxblüten niederhangen
Und fallen langsam, wie im Takt. –
Das Feld erklingt
Von tausend neuerwachten Lauten
Und badet sich in Gold und Sonnenleuchten,
Ein frohes Kind, das in noch tränenfeuchten
Schelmaugen wieder mit dem Lächeln ringt.
Es ist ein Glück gekommen
Ein Glück auf dunkle Nacht,
Da ist in engen Mauern
Aus sorgenschwerem Trauern
Ein Herz im Jubel erwacht.
Es ist ein Brief gekommen
Von ihm aus Kampf und Krieg.
Er war schon lang verschollen,
Sie hats nicht glauben wollen;
Nun meldet er fröhlichen Sieg.
Es ist ein Gruß gekommen
Vom Sohn im fernen Land,
Sie hört ihr Herz laut klopfen,
Und brennende Tränen tropfen
Auf die bebende Mutterhand.
Es ist ein Glück gekommen
Ein Glück auf dunkle Nacht,
Da ist in engen Mauern
Aus sorgenschwerem Trauern
Ein Herz im Jubel erwacht.
Im Dunkeln tönt noch letztes Schellenklingen,
Das bald der müde Abendwind verweht.