Sinners on Tour - Heiß geküsst - Olivia Cunning - E-Book

Sinners on Tour - Heiß geküsst E-Book

Olivia Cunning

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Beschreibung

Jessica Chase brach Sinners-Sänger Sed vor vielen Jahren das Herz, als sie ihre Verlobung auflöste und aus seinem Leben verschwand, ohne auch nur einmal zurückzublicken. Der charismatische Musiker wollte Jessica niemals wiedersehen, doch als er zufällig herausfindet, dass sie seitdem als Stripperin arbeiten muss, spürt er deutlicher als jemals zuvor: Jessica gehört zu ihm! Schweren Herzens bietet er ihr für den Sommer einen Job auf der Tour der Sinners an, den sie nicht ablehnen kann. Vom ersten Augenblick an fliegen zwischen beiden auf dem engen Raum des Tourbusses heftig die Fetzen - und die Funken, denn auch mehrere Jahre konnten nichts an ihrer Anziehungskraft zueinander ändern ... (ca. 480 Seiten)

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Seitenzahl: 595

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

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Danksagung

Die Autorin

Die Romane von Olivia Cunning bei LYX

Impressum

OLIVIA CUNNING

Sinners on Tour

Heiß geküsst

Roman

Ins Deutsche übertragen von

Michaela Link

Zu diesem Buch

Jessica Chase brach Sinners-Sänger Sed vor vielen Jahren das Herz, als sie ihre Verlobung auflöste und aus seinem Leben verschwand, ohne auch nur einmal zurückzublicken. Der charismatische Musiker wollte Jessica niemals wiedersehen, doch als er zufällig herausfindet, dass sie seitdem als Stripperin arbeiten muss, spürt er deutlicher als jemals zuvor: Jessica gehört zu ihm! Schweren Herzens bietet er ihr für den Sommer einen Job auf der Tour der Sinners an, den sie nicht ablehnen kann. Vom ersten Augenblick an fliegen zwischen beiden auf dem engen Raum des Tourbuses heftig die Fetzen – und die Funken, denn auch mehrere Jahre konnten nichts an ihrer Anziehungskraft zueinander ändern …

Dem Andenken an Kurt Cobain gewidmet, dessen Gabe und Genie eine Generation von Musikern inspiriert, die Herzen und Seelen unzähliger Fans mitgerissen und mich überzeugt hat, dass »a mosquito, my libido« großartige Verse sind.

1

Jessica war die glücklichste Frau auf dem Planeten. Schöner hätte das Leben nicht sein können. Sie schob sich hinter Sed, schlang ihm die Arme um den Hals und küsste ihn aufs Ohr. »Hey, Baby, weißt du, was passiert ist?«

»Was denn?«, fragte er geistesabwesend.

Sie spähte über seine Schulter und sah, dass er einen Stapel Rechnungen finster anstarrte.

»Ich bin angenommen!«

Sein Blick verfinsterte sich noch mehr, und Verwirrung kam hinzu. »Du bist angenommen? Versteh ich nicht.«

Sie nahm das Annahmeschreiben aus ihrer Gesäßtasche und hielt es ihm hin. Das würde den sorgenvollen Ausdruck von seinem attraktiven Gesicht vertreiben.

Während er las, schaute sie auf ihren jüngst erworbenen Verlobungsring hinab. Nach all ihrer harten Arbeit in der Schule hatte sie endlich ihr Traumstudium ergattert. Ein schnuckeliger Rocksänger als Verlobter, dessen Stern im Aufgehen war, war das Sahnehäubchen obendrauf.

»An der juristischen Fakultät?« Seine tiefe Stimme übertrug die Vibrationen durch seinen Rücken auf ihre Brust.

»Ja. Ist das nicht toll? Ich bin so aufgeregt. Wir müssen ausgehen und feiern.« Sie küsste ihn auf die Schläfe und drückte ihn. »Ich ziehe einen Rock an. Wir gehen auf Sightseeingtour. Ich will, dass du mich auf einer bevölkerten Straße liebst. Vielleicht der Rodeo Drive. Oder der Hollywood Boulevard. Was meinst du?«

»Ich kann es mir nicht leisten, dich Jura studieren zu lassen, Jess. Ich kann es mir nicht einmal leisten, das Getriebe des verdammten Tourbusses reparieren zu lassen.« Er warf ihr Annahmeschreiben auf seinen Stapel mit Rechnungen.

»Keine Sorge.« Sie nahm einen zweiten Brief zur Hand, die Zuerkennung finanzieller Unterstützung. »Stipendien, Zuschüsse, Sonderleistungen. Ich muss nur dreitausend Dollar pro Semester aufbringen.«

Sed schob seinen Stuhl vom Tisch weg und ging durch den Raum, um den zerbeulten Kühlschrank zu öffnen. Als er sah, dass er leer war, schloss er ihn wieder. »Ich habe keine dreitausend Dollar, Jessica.«

Er verstand es nicht. Dies war ihr Traum. Sie ermutigte ihn, seinem Traum nachzugehen. Warum galt das Gleiche nicht für sie? Obwohl Seds Band, die Sinners, es wahrscheinlich niemals so weit brachten, wie ihr Frontmann es sich vorstellte, glaubte sie an ihn. War es zu viel verlangt, dass er auch an sie glaubte?

»Ich erwarte nicht, dass du dafür bezahlst, Sed. Ich werde einen Weg finden. Ich will nur, dass du dich für mich freust. Mir gratulierst. Irgendwas. Das hier ist das Wichtigste, was mir je passiert ist.«

Er lehnte sich an die Arbeitsplatte und verschränkte die Arme vor der Brust. Einen Augenblick verblüffte es sie, wie attraktiv er war. Diese breiten Schultern, die sich wölbenden Muskeln, die schmalen Hüften. Schwarzes Haar, blaue Augen. Ein Gesicht, das ins Kino gehörte. Und dann öffnete er den Mund. »Ich bin das Wichtigste, was dir je passiert ist. Du wirst nicht gehen.«

»Wie meinst du das, ich werde nicht gehen?«

»Du wirst nicht an die Uni gehen. Du wirst viel zu beschäftigt damit sein, mich im Schlafzimmer zu unterhalten. Wenn das langweilig wird, bekommst du fünf oder sechs Kinder und kümmerst dich um sie, während ich mit der Band auf Tour gehe und uns alle reich und berühmt mache.«

Das war sein großer Plan für ihr Leben? Verdammt, nahm er sie auf den Arm? »Ich habe davon geträumt, Anwältin zu sein, seit ich ein kleines Mädchen war, Sedric. Ich werde an die Uni gehen. Und du sagst mir nicht, wie ich mein Leben zu leben habe.«

»Wenn du meine Frau werden willst, gehst du nicht hin. Ich verbiete es.«

Sie starrte ihn ungläubig an. »Das war jetzt ein Witz.«

»Nein, keineswegs.«

»Dann will ich nicht deine Frau sein.«

Er lachte mit einer Mischung aus Spott und Erheiterung. »Das meinst du nicht ernst.«

Diese Arroganz – die sie anfangs zu ihm hingezogen hatte – ließ sie mit den Zähnen knirschen. Sie riss sich den Ring vom Finger und warf ihn nach Sed. Der Ring traf ihn mitten auf der Brust, und er fing ihn mit einer Hand auf.

»Da! Geh und versetz dieses billige Stück Scheiße, reparier deinen kostbaren Tourbus und werd mit deiner beknackten Band berühmt, du Arschloch.«

Er starrte sie ungläubig an.

»Wir sind fertig, Sed.«

Seine blauen Augen weiteten sich. »Du machst mit mir Schluss?« Zum ersten Mal in ihren vier gemeinsamen Monaten sah Jessica eine Delle in seiner Rüstung aus Selbstbewusstsein. »Niemand hat je mit mir Schluss gemacht. Niemals.«

Nicht zu fassen, er kapierte absolut nicht, worum es ging. »Was hast du denn erwartet? Dass ich glücklich damit wäre, dein kleines Spielzeug zu sein?«

Sein arrogantes Grinsen kehrte zurück. »Nun, bist du’s etwa nicht? Im Bett beklagst du dich jedenfalls nie.«

Im Bett hatte sie keinen Grund zur Klage. Ihre Körper waren füreinander geschaffen. Ihre sexuelle Lust war vollkommen synchron. Aber ansonsten funktionierte es gar nicht mit ihnen. »Ich gehe, Sed.«

Sie zögerte. Dies war seine letzte Chance, die Dinge zwischen ihnen in Ordnung zu bringen. Er brauchte nur zuzugeben, dass es falsch von ihm war, ihr Leben kontrollieren zu wollen. Falsch, sie als sein Objekt zu betrachten statt als eine Person. Eine Person, die er angeblich genug liebte, um sie zu heiraten.

Sie wartete. Wollte ihn. Gott, sie wollte ihn immer. So anmaßend und arrogant er war, sie wollte ihn. Aber sie brauchte ihn nicht.

»Ich glaube nicht, dass du gehst.« Er lachte auf. »Du bist nicht stark genug, um mich zu verlassen.«

Jessica riss ihr Annahmeschreiben vom Tisch und bewies ihm, dass er sich irrte.

2

Jessicas selbstbewusstes Lächeln verschwand, als die Zensur auf ihrer Abschlussarbeit ihr hässliches Rot in ihre Netzhaut brannte.

Sechs.

Eine Sechs?

Sie schluckte.

Eine Sechs! Sie hatte es vergeigt. Durchgefallen. Mit Pauken und Trompeten durchgerasselt. Auf der ganzen Linie versagt.

Die Notiz, die unter Jessicas unvorstellbar schlechte Zensur gekritzelt war, lautete: Vielleicht ziehen Sie es beim nächsten Mal in Betracht, Ihre Arbeit wie angewiesen auszuführen, Ms Chase.

»Zieh dir das mal rein«, sagte der Typ, der neben ihr saß. Er beugte sich viel zu nah zu ihr und klopfte mit der Rückseite seiner Fingerspitzen auf seine Arbeit. »Die Eiskönigin hat mir eine Eins minus gegeben. Was hast du bekommen, Wunderhirn? Den Pulitzer-Preis für die beste Abschlussarbeit aller Zeiten?«

Jessica beeilte sich, ihre Arbeit mit dem Urteil »Durchgefallen« in ihre Ledermappe zu stecken. »Dafür wird der Pulitzer-Preis nicht vergeben.«

»Mann. Das war ein Witz. Also, hast du dich jetzt genug geziert?«

Sie stand mit zittrigen Knien von ihrem Sitz auf. Eine Sechs? Wie konnte das sein? Wie? Es musste ein Irrtum vorliegen.

Sie ging zum Podest im vorderen Teil des Raums, wo Dr. Ellington stand. Die Dozentin sah wie immer aus wie aus dem Ei gepellt. Ihr glattes, blondes, zu einem kinnlangen Bob geschnittenes Haar schwang leicht nach vorn, als sie einige Arbeiten in ihre Aktentasche schob. Ihr adrettes, dunkelblaues Kostüm war mehr wert als Jessicas Auto. Dr. Ellington hätte eigentlich hübsch aussehen können, wenn sie nicht so streng gewirkt hätte. Und so einschüchternd.

Jessica umklammerte ihre Mappe fester.

Irgendjemand hielt sie am Arm fest. Sie drehte sich um und sah den jungen Mann mit der Eins minus hoffnungsvoll auf sie herabschauen. Er sah gut aus und war ordentlich gekleidet. Blaues Poloshirt und Dockers. Er fuhr mit einer Hand durch sein sandfarbenes Haar. »Wollen wir einen Kaffee trinken?«

»Nein, danke.«

»Kino? Abendessen?«

»Nein, ähm …« Sie zog die Augenbrauen zusammen. »Wie heißt du noch mal?«

Sein hübsches Jungengesicht nahm einen enttäuschten Ausdruck an. »Doug. Ich sitze seit vier Monaten neben dir, und du kennst nicht mal meinen Namen?«

Nun, jede Menge Männer saßen neben ihr. Man konnte nicht von ihr erwarten, dass sie sich an ihre Namen erinnerte, wenn sie null Interesse an ihnen hatte.

»Tut mir leid, Doug. Ich kann grad nicht. Ich muss mit Dr. Ellington über etwas Wichtiges sprechen.«

»Ich warte auf dich.«

»Kein Interesse.«

»Natürlich nicht. Interessierst du dich überhaupt für irgendjemanden? Du gehst nur mit Arschlöchern aus, habe ich recht?«

Das Bild ihres Exverlobten flackerte vor ihrem inneren Auge auf. Sedric Lionheart konnte man definitiv als Arschloch bezeichnen. Sie hatten sich jedoch vor zwei Jahren getrennt, daher ging sie längst nicht mehr mit Arschlöchern aus. Oder überhaupt mit irgendjemandem. »Was soll die Frage?«

»Nett, klug und schön.« Er hakte seine Worte an drei Fingern ab. »Die Rezeptur einer Frau, die nur mit Arschlöchern ausgeht.«

Jessicas Augen wurden schmal. »Warum gebe ich dir dann immer wieder einen Korb?«

Doug zuckte zusammen und drückte sich eine Hand aufs Herz. »Autsch. Die Schönheit hat Krallen.« Er lachte. »Ich warte draußen auf dich.«

»Im Ernst, Doug, spar dir die Mühe.«

»Ich warte trotzdem.« Sie schüttelte seine Hand von ihrem Arm und ging weiter auf das Podium zu. Als Jessica vor Dr. Ellington stehen blieb, lächelte die Frau wie eine Schlange mit bronzefarbenem Lippenstift.

»Haben Sie einen Moment Zeit, Frau Dr. Ellington? Ich würde gern mit Ihnen über meine Zensur reden.«

»Da gibt es nichts zu reden, Chase.«

»Ich verstehe nicht, wie Sie mich …« Jessica schluckte und brachte mühsam die nächsten Worte heraus. »… durchfallen lassen konnten. Meine Arbeit ist gut.« Sie drückte den Rücken durch und versuchte, selbstbewusster zu wirken, als sie war. »Exzellent.«

Dr. Ellington zuckte die Achseln. »Mag sein, aber wie ich Ihnen deutlich mitgeteilt habe, haben Sie die Anweisungen nicht befolgt.«

Das war nicht wahr. Genau. »Ich habe den mir zugewiesenen Fall analysiert. Alle Gerichtsdokumente disputiert. Auch die Sekundärliteratur. Die Position der Verteidigung angegriffen und die der Anklage. Das Urteil bewertet und die Auswirkungen auf kommende Verfahren eingeschätzt.«

»Sie haben außerdem beschlossen, dass die Verteidigung die falsche Position eingenommen und sich darangemacht hat, den Fall in selbstgefälliger Weise neu aufzurollen.«

Jessica öffnete den Mund. Schloss ihn wieder. Schnappte nach Luft. »Aber die Verteidigung hat verloren, weil sie den Fall falsch angegangen ist. Wenn sie meiner Strategie gefolgt wäre …«

»Ms Chase, Sie sind Jurastudentin im zweiten Studienjahr. Meinen Sie wirklich, Sie können einen Fall gewinnen, den professionelle Anwälte nicht gewinnen konnten?«

»Ja, das glaube ich tatsächlich. Wenn Sie sich meine Arbeit nur noch einmal anschauen würden …«

Dr. Ellington hob die Hand, um Jessica zum Schweigen zu bringen. »Die Zensur bleibt, Chase. Sie sollten ernsthaft Ihre Einstellung ändern.« Sie lächelte kalt. »Ich wünsche Ihnen einen schönen Sommer.«

Jessica hielt sie am Arm fest. »Warten Sie. Ich schreibe die Arbeit neu und tilge jeden Hinweis auf meine Alternativstrategie.«

»Sie hätten es beim ersten Mal richtig machen sollen.« Dr. Ellington schob ihre Hand beiseite. »Ihr Rudel männlicher Bewunderer wartet auf Sie.« Sie deutete mit dem Kopf zur Tür. »Vielleicht können sie Ihnen bei Ihrem kleinen Problem helfen.«

Jessica schaute über ihre Schulter zu den sechs oder sieben Kommilitonen, die sie von der Tür aus beobachteten. Was hatten die denn damit zu tun? Sie legte sich eine Hand auf die Stirn und kämpfte gegen die Tränen.

»Oh, weinen Sie nicht, hübsche, kleine Jessica.« Dr. Ellington spitzte mitleidig die Lippen. »Sie wollen mir doch keine Freude machen, oder?« Sie nahm ihre Aktentasche vom Pult und drehte sich um. Dann hielt sie abrupt inne, um nicht mit Prof. Taylor zusammenzuprallen, dem Studiendekan, der gerade durch die Tür hinter ihr getreten war.

Taylor sah ein wenig wie Perry Mason aus, nur dass er, nun ja, alt war. »Kann ich Sie kurz in meinem Büro sprechen?«

Dr. Ellington versteifte sich, senkte den Kopf und nickte.

Dann richtete Prof. Taylor seine Aufmerksamkeit auf Jessica. »Sie wirken aufgewühlt, Jessica. Ist alles in Ordnung?«

Nein, hier war einfach nichts in Ordnung. Sie sah Dr. Ellington an und hatte das Gefühl, dass es falsch wäre, sich bei ihrem Vorgesetzten über ihre Bewertungsmaßstäbe zu beschweren. Vielleicht hatte Jessica es verdient durchzufallen. Sie hatte die Anweisungen für die Arbeit nicht befolgt. Stattdessen hatte sie versucht, ihre Dozentin mit ihrer brillanten Strategie zu beeindrucken. Was ihr offensichtlich misslungen war.

»Es ist alles bestens«, krächzte Jessica.

»Wenn Sie etwas mit mir unter vier Augen besprechen wollen, steht meine Tür immer offen.«

Nett von ihm, das anzubieten, dachte sie. Sie schaute zu ihm auf und stellte fest, dass er auf ihre Brust starrte. Er leckte sich die Lippen, während sein Blick zu ihrer Kehle wanderte und dann zurück zu ihren Brüsten. »Ja, meine Tür steht Ihnen immer offen, Jessica Chase.«

Dr. Ellington ergriff seinen Arm. »Gehen wir zu unserer Besprechung.«

Prof. Taylor grinste. »Oh ja, unsere Besprechung.« Er berührte Jessica an der Wange. »Ich wünsche Ihnen einen schönen Sommer.«

Bevor Jessica vor seiner Berührung zurückzucken konnte, drehte er sich um und stolzierte zur Tür hinaus, dicht von gefolgt von Dr. Ellington.

Jessica schlurfte aus dem Gebäude, und das Geplapper ihrer Kommilitonen, die ihr folgten, verschwamm zu einem Hintergrundrauschen. Sie würde Dr. Ellingtons Kurs nächstes Jahr wahrscheinlich wiederholen müssen. Als Studentin im fünften Semester. Die ultimative Demütigung für die Jahrgangsbeste. Denn das war sie bisher gewesen. Jetzt befand sie sich wahrscheinlich am unteren Ende der Skala.

Als sie aus dem Gebäude trat, schaute sie in den dunstigen, blauen Himmel Südkaliforniens hinauf. Die Sonne passte nicht zu der Wolkenwand, die vor ihrer Zukunft aufgezogen war.

»Jess!« Beth, ihre Mitbewohnerin und ebenfalls Jurastudentin, umarmte sie stürmisch. »Der letzte Vorlesungstag. Gehen wir feiern?«

Jessicas einzige Freundin. Die einzige Person, bei der sie es je zugelassen hatte, dass sie von ihr abhängig war. Wäre Beth’ Unterstützung nicht gewesen, hätte sie sich wahrscheinlich jede Nacht wegen Sed in den Schlaf geweint. Jessica klammerte sich an Beth und kämpfte gegen die Tränen an. Beth schob sie von sich, schaute auf sie herab und umfasste sanft ihre Wange.

»Oh nein, es ist etwas schiefgegangen. Wir brauchen Schokoladeneis. Dringend.«

Als sie später eine Familienpackung Schokoladeneis zwischen sich auf Jessicas Bett stehen hatten, reagierte Beth mit der Solidarität einer besten Freundin. »Ich habe diese Arbeit gelesen. Das war eine Einser-Arbeit. Eine Eins plus. Die Ellington hat es auf dich abgesehen oder so. Du solltest zu Prof. Taylor gehen. Erzähl ihm, was passiert ist. Vielleicht kann er helfen.«

Jessica schaufelte sich einen weiteren Löffel Eis in den Mund. Mit jedem Bissen fühlte sie sich eine Spur besser. »Dieser Typ ist schmierig. Er starrt bloß meine Brüste an.«

»Jeder starrt auf deine Brüste, Jess.«

»Ich bin außerdem die einzige Studentin, deren Namen er kennt.«

»Du kapierst es wirklich nicht, oder?«

»Was soll ich nicht kapieren?«

»Du bist wunderschön. Dauernd überschlagen sich die Männer fast, um in deine Nähe zu kommen, doch du gibst ihnen allen einen Korb. Und wie lange ist es her, dass du das letzte Mal Sex hattest?«

»Du weißt, dass ich keinen mehr hatte seit …«

»Seit du diesen blöden Mistkerl abserviert hast, mit dem du verlobt warst.«

Jessica nickte. Sie verstand nicht, warum Sed ihr immer noch zusetzte.

»Wirst du jemals über ihn hinwegkommen?«

»Ich bin über ihn hinweg.« Sie hasste ihn wie die Pest. Größtenteils deshalb, weil sie ihn so sehr vermisste.

»Wenn du meinst, Schätzchen. Was denkst du, wer dir seit sechs Monaten jeden Abend die Tränen abgewischt hat?«

»Aber ich weine nicht mehr seinetwegen.«

Beth warf ihr einen mitleidigen Blick zu. »Ich weiß, es tut mir leid, dass ich ihn erwähnt habe.« Sie schlürfte Eis von ihrem Löffel. »Hast du schon einen Job gefunden?«

»Nein.« Das beunruhigte sie. All die Bewerbungen auf bezahlte Stellen für den Sommer hatten sich zerschlagen. Sie hätte jede Menge unbezahlte Praktika haben können, aber sie brauchte Geld, und der Jobmarkt war mies. »Ich muss in diesem Sommer mindestens achttausend Dollar zusätzlich verdienen. Eins meiner Stipendien war nur auf maximal zwei Jahre befristet. Ich muss dieses Geld irgendwie ersetzen.«

»Nimm einfach ein Darlehen auf.«

»Ich will aber keine Schulden machen. Du hast die Situation meiner Mutter gesehen. Ich werde niemals ihren Weg in den finanziellen Ruin beschreiten. Immer von einem Mann abhängig sein, der sich um mich kümmert. Ohne jede Selbstachtung.« Jessica schaufelte sich mehrere Löffel voll Eis in den Mund, als sie an ihre Mutter dachte.

»Ich glaube nicht, dass das das Gleiche ist, Jessica. Du bezahlst für eine Ausbildung. Wofür hat sie Geld ausgegeben?«

Jessica verdrehte die Augen. »Brustimplantate. Nasen-OP. Künstliche Bräune. Schlammpackungen. Unterwäsche. Dinge, um sich einen reichen Ehemann zu angeln.«

Beth kicherte. »Und doch hat sie vier Loser geheiratet.«

»Fünf, wenn du den gegenwärtigen Loser mitzählst.«

»Siehst du, kein Vergleich. Nimm einfach ein Darlehen auf und verbring den Sommer am Strand.«

Jessica lächelte. »Du hast einen schlechten Einfluss auf mich, Beth.«

»Die einzige Möglichkeit, wie du in drei Monaten so viel Geld verdienen kannst, ist illegal.« Beth warf einen nachdenklichen Blick auf ihr Gesicht. »Es sei denn …«

»Warum gefällt mir der Klang dieses ›Es sei denn‹ nicht?«

»Meine Cousine Aggie arbeitet in Las Vegas in einem Stripclub namens Paradise Found.«

»Ein Stripclub? Was hat das mit mir zu tun?«

»Sie verdient ein Vermögen, Jessica. Mit deinem Aussehen und diesem Körper werden dir die Männer das Geld mit vollen Händen zuwerfen.«

»Nie und nimmer, Beth.«

»Warum nicht? Du warst ein Naturtalent, als wir im Fitnessstudio diesen Poledance-Kurs belegt haben. Die Lehrerin meinte, du solltest Profi werden. Und ich weiß, dass du Spaß hattest. Es hat dir gefallen.«

Poledance machte tatsächlich Spaß, und es hatte ihr gefallen. Genau genommen hatte sie es geliebt.

»Würde so etwas nicht meine Chancen auf eine respektable Anstellung als Strafverteidigerin zunichtemachen?«

»Nein. Nicht unbedingt. Benutz einfach einen Bühnennamen. Niemand wird je etwas erfahren.«

»Mann, Beth, deine vergangenen Jobs kann man mithilfe der Sozialversicherungsnummer recherchieren.«

»Niemand wird sich darum scheren, wenn du während der Uni in einem Club gearbeitet hast. Hör auf, Vorwände zu finden. Gib’s zu. Es ist eine gute Idee.«

»Es geht nicht. Lassen wir das Thema einfach.«

»Also wirst du diesen Sommer mit deiner Mutter und deinem Stiefvater verbringen.« Beth schnaubte erheitert. »Das wird richtig lustig werden. Wie geht es Ed?«

In der Regel versuchte Jessica, nicht an Ed, ihren Stiefvater, zu denken. Daran, wie er sie immer mit seinen funkelnden Augen anstarrte. Sie versehentlich berührte und sich an ihr rieb. Das Schloss der Badezimmertür aufbrach, um sie in der Dusche zu überraschen. Sie im Schlaf beobachtete. Ihre Zahnbürste benutzte, ebenfalls »versehentlich«. Einmal hatte sie ihn dabei ertappt, wie er vor ihrem Schrank onanierte, einen ihrer Slips um seinen jämmerlichen Schwanz gewickelt. Jessica schauderte es. Ed war Grund genug, um nicht nach Hause zu fahren, aber die unausweichliche Jessica-ist-schuld-an-der-Schwäche-meines-geliebten-Mannes-Einstellung ihrer Mutter war unerträglich.

Jessica drückte sich eine Hand auf ihren rebellierenden Magen.

Eigentlich gab es nichts an erotischem Tanz auszusetzen. Vollkommen legal. Tolles Geld. Enorm das Selbstbewusstsein stärkend. Vielleicht war es Zeit, dass ihre körperlichen Gaben ihr etwas anderes als Angst bescherten.

»Paradise Found, ja? Hast du Aggies Nummer?«

3

In dem schwach beleuchteten hinteren Schlafraum des Tourbusses der Sinners schaute Sed auf die blonde Sexbombe hinab. Sie drückte ihre unnatürlich festen Brüste gegen seinen Arm, ein kokettes Lächeln auf ihren pinken Lippen.

»Aber Sed, das Konzert ist ausverkauft.« Sie zog einen Schmollmund und legte ihm aufdringlich eine Hand auf den Bauch. »Hast du keine zusätzlichen Eintrittskarten?«

Als er nicht reagierte, wanderte ihre Hand zu dem tief sitzenden Bund seiner Jeans.

Diese Bräute waren alle gleich.

»Vielleicht.« Sed rieb sich das Kinn. Er musste sich rasieren, bevor sie zum Junggesellenabschied seines Leadgitarristen in den Club gingen. Er hatte noch einige Minuten Zeit.

»Kann ich sie haben?«

»Kommt drauf an. Was kriege ich als Gegenleistung?«

Sie umfasste seinen Hosenbund fester und riss Sed an sich. »Ich werde dir einen blasen.«

Sie boten niemals an, seine Wäsche zu waschen.

Sed fischte mehrere Kondome aus seiner Tasche und musterte sie. »Ich hab welche mit Kirsch- oder Piña-Colada-Geschmack.«

»Ein Kondom?« Sie rümpfte ihre Nase, die zu perfekt war, um von Gott gegeben zu sein. So heiß die Blondine war mit ihrem gebleichten Haar, ihrer bronzenen Sonnenbräune und ihren langen, rosa Fingernägeln, sie verströmte Unechtheit.

»Ich weiß nicht, wo dein Mund gewesen ist.«

Sie zuckte die Achseln und nahm ihm ein Kondom aus der Hand. »Egal.«

Sie öffnete seinen Hosenschlitz und befreite seinen harten Schwanz aus seinem Gefängnis. Als sie das Kondom über sein Glied gerollt hatte, war er steinhart.

»Ich hätte nicht gedacht, dass er so groß ist«, bemerkte sie ehrfürchtig.

»Angst, dass du es nicht schaffst?« Er grinste schief.

»Nein, ich glaube, ich will, dass du mich fickst.«

»Du glaubst es?«

Sie ergriff seinen Schwanz und umkreiste die Spitze mit ihren pinkfarbenen Lippen. Übertrieben vollen Lippen. Wie hieß dieser Scheiß, der in die Lippen injiziert wurde? Collagen?

In Momenten wie diesem vermisste er Jessica. An Jessica war alles echt gewesen.

Die Blondine, die vor ihm kniete, zog Sed in die Wärme ihres Mundes und saugte sanft. Er schloss die Augen und stellte sich Jessicas Gesicht vor, während Schlauchbootlippe ihn lutschte. Er legte ihr eine Hand auf den Kopf und stellte fest, dass ihr Haar klebrig von Haarspray war. Er kannte nicht einmal den Namen dieser Braut. Sie hatte ihn erst vor zehn Minuten draußen vor dem Tourbus angesprochen, als er Myrnas 57er Thunderbird vom Anhänger bugsiert hatte. Myrna war ein Schatz, dass sie ihnen erlaubte, sich ihren Wagen zu borgen, um mit ihrem Zunkünftigen zu einem Stripclub zu fahren. Jede andere hätte sie zu Fuß gehen lassen lassen.

Die Blondine zog sich zurück und ließ Seds Schwanz aus ihrem Mund gleiten. Die Tatsache, dass er denken konnte, bedeutete, dass sie sein Interesse nicht zu fesseln vermochte. Nur wenige Frauen kriegten das hin. Als er die Augen öffnete, sah er, dass sie zu ihm emporstarrte.

»Okay, jetzt weiß ich, dass ich will, dass du mich fickst«, erklärte sie.

Sed schaute auf den Wecker neben dem schmalen Doppelbett. »Ich habe keine Zeit. Die Jungs wollen in einer halben Stunde aufbrechen.«

»Es macht mir nichts aus, wenn du dich beeilst.«

Sie erhob sich auf die Füße und zog sich ihr Tanktop über den Kopf. Sie trug keinen BH. Brauchte keinen. Ihre Titten waren fester als die Zuckermelonen, denen sie glichen. Er umfasste sie und drückte zu. Sie sahen gut aus, aber sie sollten weicher sein und unter seinen Händen nachgeben. Er schob sie zusammen und ließ sie los, beobachtete, wie sie mit einer minimalen Bewegung wieder an ihre Plätze zurückkehrten.

»Wie ich schon sagte, ich habe nur eine halbe Stunde«, wiederholte er.

»Ich brauche kein Vorspiel.«

Er glaubte nicht, dass er bei dieser Braut abspritzen würde. Es konnte Stunden dauern.

»Warte.« Er öffnete die Tür des Schlafabteils. »Eric!«, rief er dem Drummer der Band zu.

Eric streckte den Kopf aus dem Bad. Sein Haar war bereits längs über den Kopf zu Stacheln gegelt, kurze auf einer Seite, lange auf der anderen. Die Haarlocke, die sich an seinem Hals hinabschlängelte, war gegenwärtig dunkelrot gefärbt. Die Hälfte von Erics hagerem Gesicht war mit Rasiercreme bedeckt; die andere Hälfte war glatt rasiert. Er war praktisch abmarschbereit, was bedeutete, dass Sed sich beeilen musste. Die Jungs sollten nicht auf ihn warten müssen, denn er wollte, dass Brians letzte Nacht als Junggeselle denkwürdig sein würde.

»Was ist?«, fragte Eric.

»Sind noch irgendwelche Groupies da? Diese Braut will, dass ich sie ficke.«

»Alter, wir fahren bald. Sag einfach Nein.«

»Du willst uns nicht zusehen?«

»Keine Zeit.« Eric klopfte mit dem Griff seines Rasierers auf seine Armbanduhr. »Komm, wir müssen uns beeilen.«

Die Blondine lehnte sich an Seds Rücken und schlang ihm einen Arm um die Taille, während sie mit der Hand seinen Schwanz umkreiste.

Er sollte einfach Nein sagen, wie Eric vorgeschlagen hatte, aber er musste sich um diesen Ständer kümmern. Es war doch blöd zu wichsen, wenn ihm warmes und williges Fleisch zur Verfügung stand. »Danke, Eric. Für nichts.«

Eric zuckte die Achseln und verschwand wieder im Bad. Sed schloss die Tür. Ein Kompromiss. Er drehte sich um, um die Blondine anzusehen, und stellte fest, dass sie inzwischen nackt war.

»Ich werde dich fünfzehn Minuten lang ficken«, erklärte er, »aber dann wirst du mir mit einiger Begeisterung einen blasen müssen.«

»Du kannst in fünfzehn Minuten nicht kommen?«

»Mit einer einzigen Braut? Nein.« Es sei denn, es war Jessica. Bevor er ihr begegnet war, hatte er nie ein Problem gehabt, Befriedigung zu finden, aber seit sie ihn verlassen hatte …

»In Ordnung. Wenn du in fünfzehn Minuten nicht kommst, blase ich dir einen. Mit Begeisterung«, fügte sie hinzu und setzte das Wort Begeisterung in angedeutete Gänsefüßchen.

Er zog seine Hose aus und schlang die Hände um ihre schmale Taille. »Bist du feucht?«

Sie grinste ihn an. »Scheiße, ja, ich bin feucht.«

Er hob sie hoch. »Dann schieb ihn rein.«

Sie schlang ihre langen Beine um seine Hüften und griff zwischen sie, um seinen Schwanz in ihren Körper zu leiten. Seine Hände glitten zu ihrem Hintern. Er drückte ihre Hüften nach hinten und trieb sich tiefer in sie hinein. Sie keuchte auf und warf den Kopf zurück. »Ah, Sed.«

Er trat näher an das Bett heran. »Lehn dich zurück.«

Sie klammerte sich an seine Schultern und tat wie geheißen.

»Weiter«, instruierte er sie.

»Dann falle ich.«

»Das sollst du auch.«

Sie lehnte sich langsam zurück; offensichtlich traute sie ihm nicht. Als sie das Gleichgewicht verlor, stolperte er in Richtung Bett, und sie landete auf den Schultern, den Rücken durchgedrückt. Er folgte ihrer Bewegung, als sie fiel, und trieb seinen Schwanz tief in sie hinein.

»Oh Gott!«, rief sie. »Sed! Ja, fick mich hart.«

Zumindest war sie laut im Bett.

Er legte eine Hand auf und eine unter ihr Becken und hielt sie fest, während er in sie hineinstieß und die Hüften kreisen ließ. Dann zog er sich zurück und knurrte, als er sich wieder in sie hineinbohrte. In der Regel liebten die Bräute es, wenn er knurrte. Er tat es auf der Bühne, und so erinnerte es sie daran, wer sie gerade fickte. Diese war keine Ausnahme.

»Ja, Sed! Ja! Oh Gott, deine Stimme ist so sexy.« Sie spielte mit ihren Brustwarzen, streichelte und zupfte sie, während sie vor Wonne stöhnte.

Sed setzte beide Hände ein, um sie dazu zu ermutigen, die Hüften kreisen zu lassen, während er fortfuhr, hart zuzustoßen und tief in ihr Reibung zu erzeugen. Sie schrie, als ein Orgasmus sie ergriff. Ihr Körper bebte und presste sich gegen seinen, während ihre krampfhaft zuckenden Muskeln gierig an seinem Schwanz saugten. Er packte sie um die Taille und schob sie weiter das Bett hinauf, sodass ihr Schritt auf gleicher Höhe mit dem Ende der Matratze war. Sie entspannte sich und dachte anscheinend, er sei mit ihr fertig. Ihre fünfzehn Minuten waren noch lange nicht vorbei.

Er drehte sie auf die Seite und spreizte ein Bein ab. Dann stieß er in sie hinein und ließ die Hüften kreisen, um ihre Klitoris zu stimulieren.

»Ah, Sed, du bist absolut göttlich.«

Er fand sie hingegen langweilig. Er schaute auf die Uhr und fragte sich, ob sie es bemerken würde, wenn er ihre Zeit verkürzte. Vielleicht, wenn er die Augen schloss und an eine andere dachte …

Es hatte keinen Sinn. Jessica bewegte sich aktiv, nahm teil und wusste, wie sie ihm Ekstase schenken konnte. Sie war diejenige, die dafür verantwortlich war, dass er überhaupt süchtig nach Sex geworden war. Dieses Mädchen hier (wie auch immer sie hieß) versuchte nicht einmal, ihn zu befriedigen.

Als sie in den Fängen eines zweiten Orgasmus schrie, drehte er sie flach auf den Rücken und schob sie weiter die Matratze hinauf. Warum sollte er so hart arbeiten, um ihr Vergnügen zu bereiten, wenn sie einfach nur dalag und sich nahm, was sie bekam?

Er legte sich zwischen ihre Schenkel, seine Stöße gleichmäßig und ruhig. In der Missionarsstellung sah er ihr ins Gesicht, aber diese Position war kräftesparender. Sie schaute in seine Augen. Ihre waren braun und glasig vor Wonne. Jessicas Augen waren jadegrün, umgeben von dichten Wimpern.

Schlauchbootlippe hob den Kopf, um ihn zu küssen, aber Sed drückte die Stirn gegen ihre Schulter, um zu verhindern, dass ihre Lippen sich trafen. Er hatte seit fast zwei Jahren keine Frau mehr geküsst. Und ganz bestimmt wollte er mit dieser Braut nicht so intim werden.

Sie strich ihm mit den Händen über den Rücken, und er erschauerte leise keuchend. Sie hatte seine empfindlichste erogene Zone entdeckt, aber entweder bemerkte sie seine Reaktion nicht oder es war ihr egal. Sie klammerte sich an seine Schultern, und wonniges Stöhnen entrang sich ihrer Kehle.

Nach einigen Minuten sagte er: »Ich glaube, jetzt musst du mir einen blasen. Ich muss bald gehen.«

Sie seufzte. »In Ordnung. Aber kannst du das Kondom abnehmen?«

»Nein.« Er zog sich aus ihr zurück und rollte sich neben sie.

»Ich habe Angst, dass ich es verschlucke.«

Er kicherte. »Ich glaube nicht, dass das ein Problem sein wird.« Er seufzte, als sie ihn tief in ihren Mund zog. Sie war gar nicht so schlecht darin. Ein wenig schüchtern. »Stärker«, befahl er. »Noch stärker. Ja, so.«

Normalerweise kämpfte er gegen den Orgasmus, so lange er konnte, aber in diesem Fall konzentrierte er sich darauf, so schnell wie möglich zu kommen. Als er losließ, war es alles andere als befriedigend, aber zumindest war es vorüber.

Sie schaute grinsend zu ihm auf. »Wie war das?«

»Erträglich.« Er kletterte aus dem Bett, nahm das Kondom ab, band einen Knoten in das offene Ende und warf es in den Abfalleimer.

»Du bist ein Arschloch.«

Er suchte seine Hose und zog sie an. »Klar. Ist das ein Problem?«

Sie lachte. »Nicht für mich. Kann ich meine Eintrittskarten haben?«

»Ich schaue mal, ob Jake eine hat.« Jake, einer ihrer langjährigen Roadies, verteilte für gewöhnlich Eintrittskarten und Backstagepässe an Frauen, von denen er annahm, dass sie die Bandmitglieder vielleicht interessieren würden. Er hatte ein Auge für Mädels, die gut im Bett waren.

»Eine?«, fragte sie und zog aufreizend einen Schmollmund.

»Ja, eine.«

»Was ist mit meinem Freund?«

Sed zog eine Augenbraue hoch. »Meinst du wirklich, er will zu meiner Show kommen, wenn er weiß, wie du an seine Eintrittskarte rangekommen bist?«

»Natürlich. Er ist ein großer Fan von euch. Er wird total aufgeregt sein, sein Ding dorthin zu stecken, wo deins gewesen ist.« Sie schüttelte sich mit beiden Händen das Haar auf und beäugte sich im Spiegel über einem kleinen Schränkchen. »Also zwei?«

Sed zog sich ein schwarzes T-Shirt über den Kopf und rieb sich mit einer Hand über die weichen Haarstoppeln. »Uhhhhh … nein. Du kannst von Glück sagen, wenn du eine bekommst.«

Als er den Raum verließ, zog sie sich gerade missmutig an.

Eric haute Sed im Durchgang an. »Alle warten schon auf dich.«

»Ich rasier mich nur noch kurz. Und sag Jake, er soll diesem Mädchen eine Karte für das Konzert morgen Abend geben, damit ich sie los bin.«

»Ich glaube nicht, dass er eine zu vergeben hat. Wir sind die Vorgruppe für Exodus End. Nicht der Hauptgig.«

»Dann frag Dare. Er wird schon eine übrig haben.« Dare war der Leadgitarrist von Exodus End. Er war außerdem der ältere Bruder von Seds Rhythmusgitarrist Trey. Sed und Dare stärkten ihm den Rücken. Sozusagen. »Mach schon. Ich würde ja selbst fragen, aber ich muss mich noch rasieren. Du bist doch schon fertig.«

Eric seufzte laut, wandte sich ab, um den Tourbus zu verlassen, und murmelte dabei irgendetwas von »Scheiß-Botenjunge« in seinen Bart.

Sed beeilte sich mit der Rasur. Er war fast fertig, als Myrna, demnächst Mrs Brian Sinclair, in der Tür erschien. Sie lehnte sich an den Rahmen und sah ihm zu, wie er vorsichtig die Partie unter seinem Kinn rasierte. Sie trug einen kurzen Tweedrock, ein lila Jäckchen und halbhohe Schuhe. Ein paar Strähnen ihres kastanienbraunen Haars hatten sich aus ihrem tief sitzenden Knoten gelöst und kringelten sich um ihr entzückendes herzförmiges Gesicht. Das war schon eine Klassefrau. Und schön obendrein. Jemand, den Sed respektieren konnte. Er verstand vollkommen, warum Brian alle paar Stunden mit ihr im Bett landete. Sie hatte etwas Unnahbares, das einen Mann sofort herausforderte. Zu schade, dass sie nur Augen für ihren Leadgitarristen hatte. Sed hatte immer wieder versucht, sie zu verführen, aber ohne Erfolg.

»Versprich mir, dass du ihn heil nach Hause bringst, Sed«, sagte Myrna.

Er grinste sie an. »Versprochen. Er wird zu betrunken sein, um noch laufen zu können, aber ansonsten unbeschadet.«

Brian erschien neben Myrna im Türrahmen. Er legte einen Arm um ihre Taille und schnüffelte an ihrem Nacken. »Ich glaube, ich sollte den Junggesellenabschied überspringen«, murmelte er, »und das Ende der Junggesellenzeit mit dir im Bett zelebrieren.«

Sie rollte mit den Augen. »Du kannst keinen Junggesellenabschied mit deiner Braut feiern, du Dummkopf.«

Die beiden sahen einander in die Augen, als seien sie die einzigen Menschen auf Erden. Sed wusste nicht, ob er eifersüchtig oder angewidert sein sollte.

»Ich liebe dich«, murmelte Brian. Myrna berührte Brian am Kinn. »Ich liebe dich auch.«

»Bist du dir sicher?«

»Hundertprozentig.«

Brian lächelte grenzdebil und küsste sie. »Ich liebe dich.«

»Ich liebe dich«, flüsterte sie und vergrub die Finger in seinem schulterlangen schwarzen Haar. Nur Zentimeter trennten ihre Münder, als sie sich selbstvergessen in den Augen des jeweils anderen verloren, vollkommen im Einklang miteinander.

»Hört auf damit, ihr zwei«, verlangte Sed. »Von eurem Anblick kriege ich Diabetes.«

»Morgen werde ich dich Mrs Sinclair nennen«, sagte Brian zu Myrna und ignorierte Sed vollkommen.

»Und wie darf ich dich nennen?«

»Meinen persönlichen Sexgott.«

Sie kicherte. »Das versteht sich von selbst.«

Trey, Brians bester Freund und der Rhythmusgitarrist der Band, drängte sich zwischen die beiden. »Gibt es nicht irgendeine Regel, dass die Braut und der Bräutigam sich vor der Hochzeit nicht sehen dürfen?« Er hielt Myrna mit einer Hand die Augen zu und Brian mit der anderen. »Es wird nicht gelinst.«

Brian boxte ihm in die Rippen.

Trey schlang sich beide Arme um den Leib. »Hast du das gesehen, Myrna?«

Myrna strich Trey das Haar aus dem Gesicht und küsste ihn auf die Stirn. »Armes Baby.«

Trey legte Myrna die Arme um die Taille und bettete den Kopf an ihrer Schulter. »Halt mich fest.« Er sah sie aus einem smaragdgrünen Auge an. Seine überlangen schwarzen Ponyfransen verdeckten das andere. Alle wussten, dass seine Unschuldsmiene komplett geheuchelt war, aber Myrna schien das nichts auszumachen. Sie schlang einen Arm um ihn und rieb ihm den Rücken.

»Lass sie los«, sagte Brian nachdrücklich und stieß Trey in den Gang.

»Gehen wir?«, fragte Jace, der auffallend platinblonde Bassist der Gruppe und. Er hatte stets dunkle Bartstoppeln im Gesicht, um wie ein harter Kerl zu wirken, aber es waren seine kalten, schokoladenbraunen Augen, die die meisten Leute daran hinderten zu bemerken, wie verdammt entzückend er war.

»Wir warten nur auf Sed«, sagte Trey. »Wohin ist Eric gegangen?«

»Er ist auf der Jagd nach Jake«, antwortete Sed.

Brian drückte Myrna jetzt fest an sich und küsste sie, als versuche er, seinen Mund dauerhaft mit dem ihren zu verschmelzen. Langsam und zentimeterweise schob er ihren konservativen Rock ihre Oberschenkel hinauf, rieb ihren Hintern und drückte sein Becken gegen ihres. Sie hatten bereits mehr Spaß als Sed vor zehn Minuten. Kam ihm unfair vor.

»Trey, unternimm etwas wegen deines Freundes«, verlangte Sed.

Trey packte Brian am Ohr und zog ihn aus Myrnas Umarmung. »Spar dir das für die Flitterwochen auf, du geiler Hengst.«

Brian beugte sich zu ihm, um den Zug an seinem Ohr zu mildern. »Au, au, au, au. Okay!«

Schlauchbootlippe schlenderte aus dem hinteren Schlafraum, jetzt voll bekleidet. »Geht ihr aus? Kann ich mitkommen?«

»Nein«, sagten die vier Bandkameraden wie aus einem Mund.

Eric kam die Stufen an der Bustür hinaufgestapft. »Hier«, sagte er und warf dem blonden Mädchen eine Eintrittskarte zu. »Viel Spaß.« Er zwängte seine geschmeidige Gestalt zwischen seinen Bandkameraden hindurch, um Sed anzusehen, der sich mit einem Handtuch die letzten Spuren von Rasiercreme aus dem Gesicht wischte. »Bitte mich nicht noch mal, dein Laufjunge zu sein, Lionheart.«

Sed kicherte. »Natürlich wirst du tun, worum ich dich bitte, Eric. Schließlich hilft dir niemand sonst bei deinen bizarren Gelüsten.«

Eric schaute hinter sich zu den anderen Männern hinüber. »Tja, vielleicht bin ich es müde zu beobachten, wie ihr flachgelegt werdet.«

Trey und Brian brachen in Gelächter aus. »Ja, klar, Eric«, sagte Trey.

»Bist du so weit, Sed?«

»Lasst uns gehen.«

Brian gab Myrna einen Abschiedskuss. »Du kannst auch mitkommen.«

»In einen Stripclub?« Ihre Augenbrauen schossen fragend in die Höhe. »Nein, danke. Ich kann noch ein wenig an meinem Groupieprojekt arbeiten, während du weg bist. Amüsier dich gut mit den Jungs.«

Er trat einen Schritt zurück. »Ich liebe dich.«

»Ich liebe dich auch. Und jetzt geh!«

Er drehte sich widerstrebend um und schlurfte hinter den anderen her.

»Keine Sorge, Myrna. Ich werde ein Auge auf ihn haben«, versicherte Sed ihr.

»Danke. Und könntest du mir noch einen Gefallen tun?«

»Jeden.«

Myrna deutete mit dem Kopf vielsagend auf Schlauchbootlippe, die alles verfolgte, als sei es eine Sendung im Bezahlfernsehen.

Sed fasste die Blondine an einem Ellbogen und dirigierte sie in den vorderen Teil des Busses. »Komm, es wird Zeit, dass du gehst.«

Etwas donnerte an die Seite des Busses. »Ich liebe dich, Myrna!«, rief Brian von draußen.

Sed schüttelte den Kopf. »Gott, ich kann nicht glauben, dass er sich so benimmt. Er ist doch noch nüchtern.«

Myrna kicherte. »Passt auf euch auf. In welchen Club geht ihr? Falls ich euch finden muss.«

Er ließ den Arm der Blondine los, trat dicht vor Myrna und benutzte seine Körpergröße und -breite, um sich eindrucksvoll vor ihr aufzubauen. »Spielst du jetzt die Nervensäge oder bist du eine Spielverderberin?«

Sie gab nicht klein bei, sondern sah ihn mit einer verärgert hochgezogenen Augenbraue an. »Welcher Club, Sed?«

Er lachte leise. Er schätzte Mädchen, die er nicht einschüchtern konnte. »Paradise Found.«

4

Sed hielt Brian die verchromte Schwingtür auf und half ihm mit einem Schlag auf den Rücken hindurch. Brian zuckte zusammen. Sed wusste nicht, ob es an dem Schlag lag oder daran, dass sein Blick auf eine barbrüstige Frau gefallen war. Selbst die Cocktailkellnerinnen bedienten hier oben ohne. Sehr schön.

»Sed, ehrlich. Diese Junggesellenparty ist unnötig.« Brian hielt inne und fuhr sich mit einer Hand durch sein schwarzes Haar. Heute Abend trug er es so wie auf der Bühne – leicht gegelt, sodass es ihm in seltsamen Winkeln vom Kopf abstand. Gott sei Dank war er ohne seinen Guyliner ausgegangen. »Ich würde lieber in den Tourbus zurückkehren und den Abend mit Myrna verbringen.«

Sed verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. »Alter, nach dem morgigen Tag wirst du sie den Rest deines Lebens am Hals haben. Den Rest deines Lebens. Sie ist eine tolle Braut und alles, aber das ist eine sehr lange Zeit. Genieße deine letzte Nacht als Junggeselle. Trey, unternimm etwas.« Sed blickte hinter Brian, wo Trey eben noch gewesen war. Doch da war kein Trey mehr, sondern nur noch ihr Bassist Jace.

»Wo ist Trey geblieben? Was ist eine Junggesellenparty ohne den Trauzeugen?«

Jace wies mit einem Schwung seines blond gefärbten Schopfes zu der Bar drei Türen weiter.

Sed betrachtete das Schild über der Tür und rieb sich das Gesicht. »Eine Schwulenbar? Wann wird er sich entscheiden, ob er Schwänze oder Muschis mag?«

»Ich glaube, er mag beides«, meinte Eric.

»Sehr sogar«, fügte Brian hinzu.

»Gleichermaßen«, sagte Jace.

»Zerbrich dir darüber nicht den Kopf«, bemerkte Eric. »Vermutlich dauert es nicht lange, bis er wieder an unserem Rockzipfel hängt.«

Sed seufzte. Er sorgte sich um die Mitglieder seiner Band. Brian war der Normalste des ganzen Haufens, und jetzt, da seine Hochzeit bevorstand, benahm er sich wie ein totales Weichei. »Gut, Brian, es ist deine Entscheidung.«

»Na schön, wir bleiben. Wenn du mir versprichst, mir keinen Lapdance zu spendieren.«

»Alter, Myrna wird es nicht erfahren. Wer sollte es ihr erzählen?«

»Ich weiß, dass Myrna damit einverstanden wäre. Ich habe bloß kein Interesse.«

Eric packte Brian am Arm und drängte ihn weiter in den Club hinein. »Mach dich mal locker, Mister Spielverderber.« Sed folgte ihnen zur Theke. Er bestellte sich einen Whiskey on the Rocks und ließ den Blick über die verschiedenen Bühnen wandern, auf der Suche nach der Stripperin, die er am attraktivsten fand. Zwei Blondinen auf der mittleren Bühne teilten sich eine Stange und liebkosten und küssten einander, wann immer ihr Tanz ihre Leiber zusammenbrachte. »Das ist heiß«, erklärte Sed. Sie würden ein hübsches Sed-Sandwich ergeben. Er fragte sich, ob er sie dazu überreden konnte, zusammen an seiner Stange zu tanzen. Dann kippte er seinen Whiskey herunter und knallte sein Glas mit Eis auf die Theke, um es sich wieder auffüllen zu lassen.

»Das ist noch heißer.« Jace deutete mit dem Kopf auf die ganz in Leder gekleidete, schwarzhaarige Frau, die auf der linken Bühne eine Peitsche schwang. Sein ganzer Körper zuckte jedes Mal vor Erregung, wenn ihre Peitsche knallte.

Brian nahm sein Bier und ging zu der Bühne auf der rechten Seite des Raums. Auf der ruhigsten der drei Bühnen präsentierte sich eine rotblonde Frau in weißer Seide, Spitze und Federn. Ein breiter Seidenschal verbarg ihre Augen und betonte ihre Weiblichkeit. Obwohl sie wahrscheinlich nicht sehen konnte, wo sie hintrat, beherrschte sie ihre Schritte perfekt und führte ihren faszinierenden, sinnlichen Tanz auf, ohne von der Bühne zu fallen. Nun, es passte zu Brian, dass es ihn zu dieser süßen Puppe hinzog. Nicht dass Sed etwas dagegen gehabt hätte, er hatte selbst eine Schwäche für rotblonde Frauen. Jessicas Haar war rotbl… Gott, warum konnte er nicht aufhören, an sie zu denken? Das Miststück hatte ihn vor zwei verdammten Jahren verlassen.

Alle Tische in der Nähe der Bühne waren besetzt. Brian schaute sich auf der Suche nach einem freien Stuhl im Raum um, aber Eric nahm ihn am Arm und führte ihn zu einem Tisch direkt vor der Bühne. Sechs Männer im Collegealter hatten es sich dort gemütlich gemacht, aber Sed wusste, dass Eric kein Nein als Antwort akzeptieren würde. Er nippte an seinem Whiskey und folgte seinen Freunden.

»Hey, Leute, mein Kumpel heiratet morgen«, sagte Eric zu den jungen Männern. »Wie wär’s, wenn ihr euch verziehen würdet, damit wir hier sitzen können?«

Einer von ihnen erwiderte: »Ich habe wirklich Mitleid mit deinem Freund, aber wir waren zuerst hier.«

Respekt, dacht Sed. Sed und seine Band sahen nicht aus wie Männer, mit denen gut Kirschen essen war. Tätowierungen. Piercings. Ketten. Pechschwarzes Haar, mit Ausnahme von Jace und seinen gebleichten Stacheln. Jeans und Leder. Sie hätten wahrscheinlich besser in eine Bikerbar gepasst.

Hochgewachsen und muskulös, wie er war, war Sed der Kräftigste und Einschüchterndste der Gruppe. Er trat als Verstärkung neben Eric. Er wollte diese Jungs lieber so einschüchtern, dass sie Eric seinen Willen ließen. Sed hatte keine Lust, sich mit ihnen zu prügeln, aber er wusste, dass nicht viel dazugehörte, Eric in eine Schlägerei zu verwickeln.

»Ich finde, ihr solltet es noch einmal überdenken.« Sed funkelte die jungen Männer am Tisch von oben herab an.

Eric dehnte seine langen Finger und ließ die Knöchel knacken.

»Mensch, Eric, ich will nicht deinetwegen verhaftet werden.« Brian massierte sich die Stirn, als mache ihm die Situation zu schaffen. »Ich meine, du darfst nur eine begrenzte Anzahl von Anklagen wegen Körperverletzung mit Todesfolge in deiner Akte haben, bevor sie dich für immer hinter schwedische Gardinen stecken, weißt du?«

Die Collegejungs rissen die Augen auf, schnappten sich ihre Drinks und gingen zu einem Tisch weiter hinten.

Sed lächelte Brian an. »Geschickt, Meister Sinclair.«

Brian zuckte die Achseln, setzte sich an den Tisch und trank einen Schluck von seinem Bier. Sed nahm rechts von Brian Platz, Eric zu seiner Linken. Jace war irgendwohin verschwunden. Wahrscheinlich verschwendete er ein paar Tausend Dollar für die Domina auf der anderen Seite des Raums. Sed kippte seinen Whiskey herunter und signalisierte einer Kellnerin, dass er einen weiteren wollte. Brian nippte an seinem Bier und schaute zu der Tänzerin hinauf, die auf der Bühne auf sie zugekrochen kam. Er verschluckte sich.

»Verdammt«, sagte Eric, den Blick ebenfalls auf die Stripperin gerichtet. »Ist das nicht …«

Sed sah die schöne Frau an, die jetzt an der vorderen Seite der Bühne lag. Mit über den Rand baumelndem Haar, den Rücken durchgedrückt und die makellosen, nackten Brüste in die Luft gestreckt.

»Jessica.«

Sed sprang auf. Er schlüpfte aus seiner Lederjacke und warf sie ihr über den Leib. Ihren nackten Leib. Jessica. Seine Jessica war nackt. Nackt. Vor all diesen Männern.

Als er sie von der Bühne zog, keuchte sie vor Überraschung auf. Er barg sie an seiner Brust und beschützte sie vor den lüsternen Blicken.

Sofort waren sie umzingelt von einer Wand von Rausschmeißern. »Die Tänzerinnen werden nicht angefasst«, sagte einer der Fleischberge.

Jessica setzte sich in Seds Armen zur Wehr, aber er hatte nicht vor, sie loszulassen und diesen Männern zu erlauben, sie anzugaffen.

»Sed.« Brian hielt ihn am Oberarm fest. »Lass sie los.«

Jessica schnappte nach Luft. »Sed?« Sie rieb das Gesicht an seiner Schulter, um den Seidenschal von den Augen zu streifen. Er fiel ihr über Mund und Nase. Ihre Augen weiteten sich. Diese jadegrünen Augen, die ihn Tag und Nacht verfolgten. Wie war es möglich, dass sie noch schöner geworden war, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte?

Er senkte den Kopf, um sie zu küssen, und sein Herz wurde so weit, dass er dachte, es würde ihn ersticken. Es spielte keine Rolle, dass der Schal ihre Münder voneinander trennte. Er erinnerte sich allzu gut an den Geschmack ihrer Lippen.

Ein dicker Unterarm schob sich von hinten um Seds Hals, und sein Kopf wurde zurückgerissen. Er stemmte die Stiefel fest auf den Boden, um zu verhindern, dass er nach hinten wegkippte.

Jessica schob sich mit der Schulter den Schal vom Gesicht. Gott, ihre Lippen. So voll und einladend. Er musste sie noch einmal küssen. Er wollte niemals aufhören, sie zu küssen.

»Lass mich runter, Sed.«

Ihre sanfte Stimme – genau, wie er sie in Erinnerung hatte. Die Art, wie sie seinen Namen sagte, zerriss ihn innerlich. Es war so lange her, seit er das gehört hatte. Zu lange. Er biss sich auf die Unterlippe. Er wusste nicht, ob der Griff des Rausschmeißers oder sein Herz, das ihm bis zum Hals schlug, größeren Schmerz in seiner Kehle erzeugte.

»Lass seinen Hals los, du verdammter Kretin«, brüllte Eric. »Er ist ein professioneller Sänger.«

»Es ist mir scheißegal, wer …«

Eric versetzte dem Rausschmeißer, der Sed festhielt, einen Hieb, und der Griff des Mannes lockerte sich. Einen Moment später drückte er wieder kräftiger zu. Sed zuckte zusammen. Mehrere Rausschmeißer packten Eric und zogen ihn mit Gewalt von der Bühne weg.

»Nehmt eure verfluchten Hände weg«, protestierte Eric.

»Wenn du laut wirst, rufen wir die Cops.« Trotz der wummernden Musik, die durch den Club dröhnte, hörte Sed mehrere Fäuste, die auf Körperteile trafen.

»Ihr Wichser!« War das Jace? Weitere Faustschläge waren zu vernehmen. Die Tür schlug zu.

Jessica wand sich in Seds Armen. Er hatte keinen Zweifel daran, dass sie ihn windelweich schlagen würde, wenn sie die Hände freigehabt hätte.

Brian seufzte laut an seiner Seite. »Nun, ich nehme an, jetzt muss ich mich einmischen. Kann meine Jungs ja nicht im Stich lassen.« Er verschwand aus Seds Gesichtsfeld in Richtung Ausgang.

Die Tür wurde abermals geöffnet. »Scheiße, was ist hier los?«, brüllte Trey in den Club.

»Bellaway!«, rief Jessica dem Mann hinter Sed zu. »Ich kenne ihn. Es ist in Ordnung. Verletz bloß seine Kehle nicht.« Sie sah Sed in die Augen. »Lass mich runter, Sed. Sofort.«

Sed versuchte, den Kopf zu schütteln, konnte aber den Hals nicht bewegen.

Nach einer Weile lockerte sich der Arm um Seds Kehle.

Der Rausschmeißer trat zurück.

Sed schluckte. Seine Kehle brannte, aber er dachte nicht daran, Jessica loszulassen. Weigerte sich einfach.

»Was machst du hier?«, fragte er zornig. Nur dass sein gewohntes Baritonknurren sich heiser anhörte.

Ihre Nasenflügel bebten auf jene Weise, die ihn immer so anturnte. Es gab nichts auf dieser Erde, was sexyer war als diese Frau, wenn sie sauer war. Sie hatte ein höllisches Temperament.

»Wenn du meine Frage beantwortest, lasse ich dich runter.«

»Ist das nicht offensichtlich?« Sie zog die Augenbrauen hoch und sah zu ihm empor. »Ich tanze.«

»Ich dachte, du wolltest Jura studieren. War das nicht deine Ausrede, um mich zu verlassen?«

»Das ist nicht der Grund, warum ich weggegangen bin, das weißt du genau. Außerdem ist das Jurastudium nicht kostenlos. Ich muss irgendwie Geld verdienen. Jetzt lass mich runter. Ich habe deine Frage beantwortet.«

»Wenn du Geld brauchtest, hättest du einfach fragen sollen.« Er stellte sie auf die Füße und griff nach seinem Portemonnaie. Dann zog er ein Bündel Scheine heraus und hielt es ihr hin. »Hier. Das sind ein paar Tausend Dollar. Ich kann dir mehr besorgen. Was auch immer du brauchst.«

»Ich will dein Geld nicht, Sed.«

»Warum, weil ich es dir einfach schenke? Na schön, was berechnest du für eine Stunde deiner Zeit? Zweihundert? Ich werde dich für die Nacht kaufen. Oder für die ganze Woche.«

Klatsch! Sie schlug ihm so heftig ins Gesicht, dass er Blut schmeckte. Er zuckte zusammen und berührte mit der Zunge die Wunde innen an seiner Wange.

»Verdammt, ich hasse dich«, zischte sie, ihre Augen gefährlich schmal. Sie stolzierte davon und warf seine Jacke auf den Boden. Ihr perfekter nackter Hintern war das Letzte, was er sah, als sie aus seinem Leben hinausstürmte. Wieder einmal.

5

Jessica lief in den Umkleideraum hinter der Bühne und erschreckte mehrere der Mädchen, die im nächsten Set auftraten. Sie ließ sich auf den Hocker vor ihrem Spiegel fallen, zog sich den Seidenschal vom Hals und vergrub den Kopf in den Händen.

Von allen Stripclubs auf der Welt musste Sed ausgerechnet in ihren kommen.

Lass dir das nicht unter die Haut gehen. Du bist über ihn hinweg. Erinnerst du dich?

Jemand legte ihr einen Morgenmantel um die Schultern. Sie schaute zu Agatha auf, Beth’ Cousine, die schwarzhaarige Domina, die auf der Südbühne arbeitete.

»Alles in Ordnung mit dir, Kätzchen?«

Jessica nickte und wischte sich eine einzelne Träne mit dem Handrücken vom Gesicht. »Ja, ich habe nur nicht erwartet, einen Mann aus meiner Vergangenheit zu treffen. Das ist alles.«

»Dieser Typ, der dich von der Bühne gezogen hat?«

»Ja. Ich war mal mit ihm verlobt.«

»Er hat mich gebeten, dir das hier zu geben.« Aggie warf ein dickes Bündel Scheine auf Jessicas Ankleidetisch.

»Oh mein Gott, dieses Arschloch! Verstehst du jetzt, warum ich ihn nicht heiraten konnte?« Sie sah Aggie an und flehte um ihr Verständnis.

»Ähm, nein, eigentlich verstehe ich es nicht. Der Mann ist heißer als Phoenix im Juli. Absolut hinreißend. Dieser große, muskulöse Körper. Und dieses süße, gut aussehende Gesicht, das in einem kompletten Kontrast zu seiner Mich-schert-einen-Scheißdreck-was-du-denkst-Aura steht. Knurr.« Sie bleckte die Zähne und verzog ihre rubinroten Lippen.

Aggies wie üblich ziemlich ausdrucksstarke Mimik entlockte Jessica ein Lächeln. Wenigstens ein kleines.

»Das hast du alles mitgekriegt, indem du zwanzig Sekunden mit ihm geredet hast?«

»Hey, wenn du lange in diesem Geschäft arbeitest, lernst du die Männer kennen. Da er solche Bündel Bargeld mit sich rumträgt, ist dein Augenstern offenbar obendrein reich. Booah!« Aggie stieß eine Faust in die Luft.

»Nein. Von wegen, booah. Er ist nicht nur reich, er ist berühmt, was bedeutet, dass sein Ego größer ist als Alaska.«

Aggie zog die Brauen zusammen. »Berühmt?«

»Leadsinger der Sinners. Der Band.«

»Ich glaube, ich habe schon mal von ihnen gehört. Rockmusik?«

»Hardrock. Und du kennst seine berüchtigtste ›Eigenschaft‹ noch nicht.« Sie hob den Zeigefinger. »Er hat einen unersättlichen Appetit auf Sex. Man bekommt ihn nicht lange genug aus dem Bett, um ein anständiges Gespräch mit ihm zu führen.«

Aggie lachte, und ihre blauen Augen funkelten. »Er gefällt mir immer besser, Püppchen.«

»Du kannst ihn gern haben.«

Aggies Blick wanderte zur Decke, während ihr Gesichtsausdruck nachdenklich wurde. »Ich glaube nicht, dass es Spaß machen würde, ihn zu dominieren. Ich würde ihm wahrscheinlich nur auf die Nerven gehen.«

»Da bin ich mir sicher.«

Jessica schaute zu dem Ankleidetisch hinüber und den etlichen Tausend Dollar, die dort lagen und ihrer hohnlachten. Sie würde Wochen brauchen, um so viel Geld zu verdienen, und Sed warf damit um sich, als sei es ein Almosen. Für ihn war es das. Der Mistkerl. Protzte mit seinem Wohlstand. Fühlte sich überlegen.

Jessica schüttelte ärgerlich den Kopf, sprang auf und griff sich das Geld vom Ankleidetisch. Dann schob sie die Arme in die Ärmel des Morgenrocks und eilte aus der Garderobe. Mit wehendem Morgenrock lief sie durch den Club und stürmte durch die Vordertür, während sie Ausschau nach Sedric Lionheart hielt. Anscheinend war er längst weg.

»Zum Teufel mit diesem Mann«, murmelte sie leise.

Sie würde ihn aufspüren müssen und ihm sein unerwünschtes Geld ins Gesicht werfen. Es war immer noch das Gleiche. Er behandelte sie, als könne sie nicht für sich selbst sorgen. Als brauchte sie Mister Egotrip, der sich um sie kümmerte. Er würde es nie lernen. Blödes Arschloch.

Jemand musste dem Typ eine Lektion erteilen.

6

Sed stieg als Erster in den Tourbus ein, dann folgten seine geschundenen und blutverschmierten Bandkameraden. Myrna saß an einem kleinen, quadratischen Esstisch und arbeitete an ihrem Laptop. Sie schaute auf, und ihre hübschen, haselnussbraunen Augen weiteten sich vor Überraschung.

Sed massierte sich die Kopfhaut. Scheiße, was für ein Abend. Gekrönt davon, dass er Myrna erzählen musste, dass er sein Versprechen gebrochen und es nicht geschafft hatte, Brian zu beschützen.

»Wieso seid ihr so früh wieder zurück?«, fragte Myrna. »Ich dachte, ihr wärt bis zum Morgengrauen unterwegs.«

Sed blies die Wangen auf, während er versuchte, die richtigen Worte zu finden. »Ich muss mich bei dir entschuldigen, Myrna.«

Sie legte die Stirn in Falten und schaute zu Eric hinüber. Ihre Augen weiteten sich. »Oh mein Gott, Eric, was ist passiert?«

Sie sprang von der Bank und stieß Sed beiseite. Während sie Eric auf das cremefarbene Ledersofa drückte, inspizierte sie die blutende Schnittwunde über seinem linken Auge. Dann drehte sie sich um, befeuchtete schnell in dem kleinen Edelstahlwaschbecken ein Geschirrhandtuch und tupfte das Blut ab, das an der Seite von Erics markantem Kinn hinunterlief. Eric zuckte zusammen, lächelte aber vor Freude darüber, dass sie einen solchen Wirbel um ihn machte.

»Hattet ihr einen Unfall? Moment mal …« Sie sah Sed an. »Warum hast du dich bei mir entschuldigt, Sed? Hast du etwa meinen Wagen kaputtgefahren?«

Er öffnete den Mund, um alles zu erklären, aber sie hob eine Hand und kam ihm zuvor.

»Weißt du was? Es spielt keine Rolle. Es ist bloß ein Auto. Zumindest geht es euch gut. Wo ist Brian?« Sie sah Trey an, der im Kühlschrank nach Eis suchte. Und dann Jace, der versuchte, seinen verrenkten Kiefer zu lockern, indem er das Kinn mit seiner schrecklich geschwollenen und blutverschmierten Hand hin und her schob. »Wo ist Brian?«, wiederholte sie mit einem panischen Unterton in der Stimme.

»Brian geht es gut. Wir hatten keinen Unfall, Myrna.« Sed räusperte sich. Es tat weh zu reden. Wie zum Teufel sollte er morgen singen?

»Was ist denn dann passiert?« Sie ging auf die Bustür zu, und Sorge verdunkelte ihr Gesicht. »Brian?«

Brian kam mit Seds verspiegelter Sonnenbrille um die Ecke. »Hey, Schätzchen. Wie war dein Abend? Hast du viel erledigen können?«

Sed kicherte kopfschüttelnd. Er fragte sich, warum Brian sich seine Sonnenbrille ausgeliehen hatte. Als würde Myrna morgen am Altar nicht die beiden Veilchen bemerken.

Myrna flog in Brians Arme. Er zuckte vor Schmerz zusammen, aber da sie das Gesicht auf seinen Hals gedrückt hatte, sah sie sein Mienenspiel nicht. »Ich hab so einen Schreck gekriegt«, sagte sie. »Ich dachte, du wärst verletzt.«

Brian schlang die Arme um sie und küsste sie auf den Kopf. »Mir geht es gut.«

Sed sah Trey an, der sich jetzt ein Handtuch voller Eis an den Hinterkopf hielt. »Du musst deinen Bruder anrufen.« Sie waren am nächsten Abend die Vorgruppe für dessen Band. Zumindest war es so ausgemacht. Sie waren allerdings nicht in der Verfassung aufzutreten.

»Ich habe für heute genug Prügel abbekommen, vielen Dank«, erklärte Trey. »Ruf du ihn an.«

Myrna nahm Brian die Sonnenbrille ab und schaute zu ihm auf. Er mied ihren Blick. »Du hast dich geprügelt?«

»Warte, warte, ich kann es erklären.«

Sie versetzte ihm einen harten Stoß gegen die Schulter. »Heirate ich einen Siebtklässler? Ich kann es nicht fassen.«

Sie wirbelte auf dem Absatz herum und stolzierte in Richtung des Schlafabteils im hinteren Teil des Busses.

»Myrna.« Brian ging ihr nach.

»Fang ja nicht an, mir irgendwas zu erklären.« Sie stieß Sed beiseite. »Du solltest dafür sorgen, dass er wohlbehalten nach Hause kommt«, zischte sie ihm zu.

»Myrna«, sagte Sed, aber sie schob sich an ihm vorbei und verschwand im hinteren Schlafraum. Das Zuschlagen der Tür hallte durch den ganzen Bus.

Brian eilte den Flur entlang und klopfte. »Myrna? Mein Schatz …«

»Gib ihr Zeit, um sich abzuregen«, riet Sed.

»Geh weg!«, brüllte sie aus dem Schlafraum.

Es folgte ein dumpfer Aufprall, als etwas Großes die andere Seite der Tür traf.

Brian öffnete sie, wich einem fliegenden hochhackigen Schuh aus und schloss sich mit der wütenden Tigerin ein. Mehrere Minuten lang konnte man eine Menge schrilles Gebrüll hören und Brians leisere, salbungsvolle Stimme, ruhig und tröstend. Die restlichen Bandmitglieder saßen still da und versorgten ihre Verletzungen.

»Was machen wir wegen des Konzerts morgen?«, fragte Eric. »Kannst du singen, Sed?«

Er zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Mein Kehlkopf macht mir zu schaffen. Wenn du willst, rufe ich Dare an, Trey.«

»Sie haben sowieso keine Zeit mehr, um einen Ersatz zu finden, der die Leute auf ihr Konzert einstimmt. Wir können genauso gut bis morgen früh warten und sehen, wie wir uns fühlen«, meinte Trey. »Gott, mir tut der Kopf weh. Haben wir Aspirin?«

Einer der Rausschmeißer hatte Trey einen Aluminiumknüppel auf den Hinterkopf geschlagen. Als Sed sich ins Getümmel gestürzt hatte, war bereits alles vorüber gewesen. Er hatte nicht einmal Gelegenheit gehabt, einen Hieb zu landen.

»Brauchst du einen Arzt? Du warst einige Minuten bewusstlos.«

»Mein Kopf ist härter als ein Knüppel. Ich glaube nicht mal, dass es blutet.« Trey befingerte das Gänseei an seinem Hinterkopf und untersuchte seine Fingerspitzen auf Blutspuren. »Aber ich brauche eine Aspirin.«

Sed holte eine Packung aus dem winzigen Bad neben dem Schlafabteil. Der ekstatische Tonfall von Myrna, die Brians Namen rief, hatte bereits das zornige Gebrüll ersetzt.

Sed grinste und deutete mit dem Kopf auf die dünne Tür zum hinteren Schlafraum, bevor er Trey die Aspirinpackung gab. »Sieht so aus, als hätten sie sich wieder versöhnt.«

Trey lachte. »Wer kann Brian schon lange böse sein?« Er schluckte mehrere Tabletten und gab die Packung an Eric weiter.

»Ich bin froh, dass sie sich versöhnt haben«, bemerkte Eric und drückte das Geschirrtuch auf die Schnittwunde über seiner Augenbraue. »Ich hätte mich schrecklich gefühlt, wenn sie die Hochzeit abgeblasen hätte.«

»Du hast dich nicht gerade mit Ruhm bekleckert«, stellte Jace mit leiser Stimme fest, der Blick seiner braunen Augen gesenkt. »Du hast die ganze Sache ins Rollen gebracht.«

»Nun, ich habe nicht um deine Hilfe gebeten, kleiner Mann, oder?«, gab Eric zurück.

Jace schürzte die Lippen und nickte schwach. Dann verließ er wortlos den Bus. Draußen erwachte seine Harley brüllend zum Leben. Wenig später wurde das Dröhnen des Motorrads in der Ferne langsam leiser.

»Warum quälst du ihn immer, Eric?«, fragte Sed.

Eric zuckte die Achseln.

»Er hat nicht gezögert, sich an deiner Seite in den Kampf zu stürzen, als du einer Übermacht gegenüberstandest.«

Eric rieb mit einer Hand seine geschürzten Lippen, dann drückte er mit Daumen und Zeigefinger sein Kinn zusammen, sodass ein Grübchen erschien. »Ja, ich weiß. Es ist nur … er ist nicht Jon, verstehst du?«

Gott sei Dank war er nicht Jon. Sed wusste, dass Eric und Jon, ihr früherer Bassist, enge Freunde gewesen waren, aber der Mann hatte ständig Mist gebaut. Mit Jace in der Band waren sie viel besser dran.