So finden Sie die richtigen Mitarbeiter - Renate Ibelgaufts - E-Book

So finden Sie die richtigen Mitarbeiter E-Book

Renate Ibelgaufts

4,6

Beschreibung

Die Auswahl neuer Mitarbeiter ist eine der größten Herausforderungen für jede junge Führungskraft. Wie erarbeite ich ein Bewerberprofil? Wo suche ich? Wie erkennt man in der Flut der Bewerber den Richtigen? Was sagen Bewerbungen aus? Wie entlockt man Bewerbern aussagekräftige Antworten im Gespräch? Lauter Fragen, die sich stellen, wenn man zum ersten Mal selbst seine Mitarbeiter auswählen darf und muss. Renate Ibelgaufts' Ratgeber unterstützt junge Führungskräfte bei dieser komplexen Aufgabe, indem sie Schritt für Schritt die Probleme aufzeigt und Lösungen anbietet. Viele praktische Tipps, Checklisten und Übungen helfen »beim ersten Mal«.

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Ibelgaufts, Renate

So finden Sie die richtigen Mitarbeiter

Grundregeln der erfolgreichen Personalauswahl

www.campus.de

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Copyright © 2003. Campus Verlag GmbH

Besuchen Sie uns im Internet: www.campus.de

E-Book ISBN: 978-3-593-40063-1

|9|Einleitung

Sie haben erst vor kurzem eine leitende Position übernommen und stehen nun zum ersten Mal vor der Aufgabe, für Ihr Team oder Ihre Abteilung einen oder mehrere neue Mitarbeiter einzustellen? Sie kennen das Auswahl- und Einstellungsverfahren bisher nur aus der Position des Bewerbers, müssen nun aber als junge Führungskraft selbst eine Stellenanzeige formulieren, schriftliche Bewerbungen sichten und Vorstellungsgespräche führen? – dann ist dieses Buch das richtige für Sie!

Dass Ihre neue Position mit Personalverantwortung verbunden sein würde, war Ihnen klar, und Sie haben sich im Führen und Leiten Ihrer Mitarbeiter bereits bewährt. Doch nun kommt eine weitere neue Aufgabe auf Sie zu: die Mitarbeiterauswahl. Wie findet man »den Richtigen« für eine zu besetzende Position? Wie kann man die Eignung der Bewerber aus den Unterlagen herauslesen? Welche Regeln gilt es im Auswahlprozess einzuhalten? Welche Fehler sollte man unbedingt vermeiden? Wie verhält man sich in der Zusammenarbeit mit der Personalabteilung? Auf diese und viele weitere Fragen gibt Ihnen dieses Buch praxisorientierte Antworten!

Erfahrungsgemäß haben junge Führungskräfte kaum konkretes, »verstandenes« Wissen für den Umgang mit ihrer Rolle. Führen, so ein leider immer noch gängiges Vorurteil, kann man nicht lehren, sondern nur in der Praxis erlernen. Doch lässt sich im verantwortungsvollen Umgang mit Menschen tatsächlich das Prinzip des »Trial and Error« einsetzen?

Zur Personalauswahl gehören Beurteilungen von und Gespräche |10|mit Bewerbern, die von außen in ein Unternehmen kommen, ebenso wie der Umgang mit internen Kandidaten für Beförderungen, Versetzungen oder für Sonderaufgaben. Wenn es an Erfahrung mangelt, wird der »Nasenfaktor«, der Instinkt, zu Hilfe genommen. Eine so getroffene Personalentscheidung muss aber nicht immer glücklich enden, ist für das Umfeld nicht transparent und beschert unter Umständen jedem externen und/oder internen Neuen einen besonders schweren Start. Und je kleiner das Unternehmen ist, desto geringer ist oft der Anteil der Fachunterstützung, den neue Führungskräfte im eigenen Hause erhalten können.

Selbst erst vor kurzem befördert, mit einem Sonderauftrag betraut oder der Erste, der einen neuen Unternehmensbereich aufbauen soll, sind neue Führungskräfte häufig mit ihren Führungsaufgaben überfordert. Dies aber demjenigen anzuvertrauen, der sie für die Beförderung vorgeschlagen hat, käme der eigenen Demontage gleich. Auch die Personalabteilung des Unternehmens wird nicht immer um Hilfe gebeten, weil der Prophet im eigenen Lande nicht viel gilt oder weil die Vertrauensbasis nicht ausgeprägt ist.

Dieses Buch, dessen Inhalte bereits in manchen unternehmensinternen Seminaren mit jungen Führungskräften erprobt wurden, will ohne erhobenen Zeigefinger praktisch unter die Arme greifen und den »geheimnisvollen« Prozess der Mitarbeiterauswahl etwas transparenter und damit »verstehbarer« machen. Alle Schritte sollen praktisch nachvollziehbar sein, mit dem nötigen Hintergrundwissen unterfüttert werden, sodass der direkten Umsetzung in die Praxis nichts mehr im Wege steht.

|11|Kapitel 1 Basis: ein aussagefähiges Anforderungsprofil

Eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Bewerberauswahl ist das Erstellen eines aussagekräftigen Anforderungsprofils: Welche Kriterien muss der Kandidat in fachlicher und in persönlicher Hinsicht unbedingt erfüllen, welche wären wünschenswert, aber nicht zwingend? Ein solches Anforderungsprofil leistet auch wertvolle Hilfe beim Verfassen der Stellenanzeige.

In der Regel fangen die ersten Probleme bereits mit dem Erarbeiten dieses stellenadäquaten Anforderungsprofils an. Die häufigsten Ursachen sind:

Die internen oder externen Dienstleister (Personalabteilung, Personalberater), die mit einem Anforderungsprofil die Personalbeschaffung in Angriff nehmen sollen, verfügen häufig nicht über das erforderliche Detailwissen und die nötigen Beurteilungskriterien, um gegebenenfalls warnen oder korrigieren zu können.

Sie als Führungskraft haben eine sehr konkrete Vorstellung ihres zukünftigen Mitarbeiters, weil Sie jemanden ersetzen müssen oder weil mit dem neuen Menschen alles besser werden soll.

Oder Sie sind auf Mitarbeiter oder nachgeordnete Führungskräfte angewiesen, die das Anforderungsprofil liefern oder zumindest qualifiziert vorbereiten, weil Ihnen selbst die konkrete Praxisnähe fehlt.

In allen diesen Fällen ist die schwierigste Aufgabe eine realistische Einschätzung und präzise Unterscheidung zwischen so genannten »Muss«-Kriterien einerseits und wünschenswerten, aber nicht entscheidenden |12|Eigenschaften. Bei diesem persönlich gefärbten »Wunschzettel« wird immer wieder ignoriert, dass man einen Menschen anstellt und keine Spezialmaschine einkauft, die nach Kundenwunsch gefertigt wird. Das heißt aber auch, dass es gewisse Kombinationen von menschlichen und fachlichen Eigenschaften gibt, die sich in der Regel gegenseitig ausschließen.

Aus der Praxis

Ein konkretes Beispiel liefern die »Pedanten«. Stellen Sie sich eine Tätigkeit in der Innenrevision eines großen Unternehmens vor. In der Geschäftsleitung wird man über diese Art der Pedanterie, die meist mit Gründlichkeit, Sorgfalt und »altmodischer« Korrektheit einhergeht, sehr froh sein und sie zu schätzen wissen. Das wird sogar dann gelten, wenn Innenrevisoren den Kontakt mit anderen Kollegen über das Berufsleben hinaus nicht unbedingt suchen würden, da nun einmal die Grenzen zwischen berufsbezogenen Eigenschaften und Persönlichkeitsprofil fließend sind. Von einem solchen Menschen würde auch niemand übermäßige Kreativität erwarten, allenfalls vielleicht im Aufspüren eines Buchungsfehlers oder von unterschlagenen Geldern. Mit anderen Worten: Man schätzt das mit Pedanterie nun einmal verbundene Verhaltensmuster, alles sehr genau zu nehmen, und nimmt damit verbundene Eigenschaften billigend in Kauf.

In diesem Zusammenhang sei als Denkanstoß und kleiner fachlicher Diskurs darauf hingewiesen, dass Menschen meist aufgrund ihrer Persönlichkeit konkrete Fähigkeiten und Neigungen haben, die ihrerseits in der Regel die Berufswahl maßgeblich beeinflussen. Diese Wahl von Ausbildungsberuf und/oder Studium wird allenfalls durch die Arbeitsmarktchancen beeinflusst. Oftmals rächt sich aber eine nur auf die Berufschancen ausgerichtete Berufswahl, indem die Noten aufgrund mangelnder Eignung beziehungsweise mangelnden Interesses zu wünschen übrig lassen. Das zu erwartende Mittelmaß beeinträchtigt dann erst recht die Berufsaussichten. Wird jedoch die Ausbildung nach Neigung und Fähigkeiten |13|ausgewählt, findet während dieser Ausbildung zwangsläufig allein schon wegen des weit größeren Engagements in der Sache eine weitere Prägung in eine bestimmte Richtung statt, die dann im späteren Berufsleben nochmals vertieft wird.

Aus der Praxis

Nehmen Sie beispielsweise den introvertierten Zahlenkünstler, der ein Mathematik- oder Informatikstudium gewählt hat. Er ist mit Menschen zusammen, die ebenso denken und sich am liebsten mit Zahlen und dem PC befassen. Entsprechend klappt die Verständigung mit Gleichgesinnten sehr gut; andererseits werden sich diese Menschen mit jemandem, der sich mit Vertrieb, Marketing oder Werbung auseinander setzt, schwer tun und im schlimmsten Fall dessen Eigenschaften und Verhaltensweisen ablehnen. Sie kennen sicherlich die Kommentare über die so genannten »Staubsaugervertreter«. Nach seinem Ausbildungsabschluss wird sich ein Informatiker voraussichtlich auf Positionen bewerben, die ihm auch weiterhin die überwiegende Kommunikation mit dem Computer und weniger die mit Menschen ermöglichen. Ist er dann noch einige Jahre in einem solchen Einsatzgebiet tätig gewesen, wird wohl kaum jemand aus ihm einen eloquenten und präsentationsstarken Mitarbeiter machen können. Kritisch wird es, wenn der Zahlenkünstler ausschließlich aufgrund fachlicher Kompetenz in eine Führungsaufgabe befördert wird.

Die Stellenbeschreibung: Hilfestellung und Leitfaden

Es gibt gute und weniger gute Stellenbeschreibungen und hier sind große Aufmerksamkeit und gleichzeitig Vorsicht geboten.

Da gibt es beispielsweise die Stellenbeschreibung, die schon immer in irgendeinem Ordner der Personalabteilung und in der Fachabteilung schlummert. Sie ist – insbesondere bei längerer Betriebszugehörigkeit |14|des letzten Stelleninhabers – entweder nie überarbeitet oder allenfalls mit einigen handschriftlichen Notizen und Zusätzen versehen worden, beispielsweise, als dieser Stelleninhaber eine Gehaltserhöhung bekam, die mit anderen Anforderungen einherging, und das Ganze »passend gemacht werden musste«.

In vielen Unternehmen gab es noch nie eine Stellenbeschreibung, begründet damit, dass man ohnehin Menschen einstelle und man sich eben an dem orientieren müsse, was der jeweilige Markt hergebe und was man letztlich bekommen könne. Bei kleineren Firmen wird oft betont, dass man keinen Spezialisten einstellen könne, weil hier jeder mit anfassen müsse. Dies ist eine Ansicht und Vorgehensweise, die zu wenig Rücksicht auf die Notwendigkeit konkreter und wichtiger Vorgaben nimmt und bei denen es zugunsten der Aufgabenbewältigung auch keinerlei Kompromisse bei der Personalauswahl geben darf. Und schließlich gibt es auch die Firmen, die heutige Möglichkeiten nutzen, indem sie interne Stellenbeschreibungen als eine Art Grundlage speichern und Aufgabeninhalte regelmäßig fortschreiben.

Inzwischen geht der Trend in vielen beruflichen Bereichen und Abteilungen weg von einzelnen Stellenbeschreibungen und hin zu einem Katalog von Zielen, die von einer kleinen Gruppe von Mitarbeitern zu erreichen sind. Eine solche Vorgehensweise hat durchaus ihre Vorzüge. Sie ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn es sich um eine einigermaßen homogene Gruppe handelt, die gemeinsam an Projekten arbeitet. Es funktioniert nicht, wenn die so genannte Teamarbeit auf dem Papier steht; sie muss wirklich gelebt werden und sich beispielsweise auch in darauf abgestimmten Vergütungsmodalitäten widerspiegeln.

Was macht man nun aus dem Vorhandenen und einigen zusätzlichen Erkenntnissen? Wie stellt man sicher, dass eine Aufgabenbeschreibung eine Chance darstellt? Die Chance nämlich, über eine Stelle gründlich nachzudenken und eine vorhandene Stellenbeschreibung anlässlich der Neubesetzung auf den Prüfstand zu stellen und nicht zuletzt die einzelnen Angaben wieder einmal zu hinterfragen. An der Stellen- oder Aufgabenbeschreibung sollte ein Vorgesetzter systematisch und – wie es so schön heißt – zunächst |15|einmal ohne Ansehen der Person erarbeiten, welche Aufgaben auch im Kontext der Kollegen anstehen und welche Anforderungen dabei zu stellen sind. Beim Erarbeiten der Stellenbeschreibung hilft Ihnen das Formular auf Seite 17.

Erste Anlaufstelle: die Personalabteilung

Bei den ersten Schritten zur eigenen Personalrekrutierung denkt jede junge Führungskraft mit Sicherheit sofort darüber nach, wer in dieser Situation am besten und vor allem qualifiziert helfen kann. Dabei dürfte auch – wenn auch mit Sicherheit unausgesprochen – eine Rolle spielen, wo man am ehesten zugeben darf, dass man in dieser Thematik noch unerfahren ist. Da die Vertreter der Personalabteilung genau dafür da sind, kann man sicherlich davon ausgehen, dass sie bereits Erfahrungen gemacht haben und Defizite auch bei gestandenen Führungskräften im Hause gewöhnt sind. Am allerwenigsten »ehrenrührig« ist diese Bitte um Unterstützung, wenn man selbst kurze Zeit zuvor als junge Führungskraft eingestellt wurde mit dem Hinweis, man solle sich die vorhandenen Mitarbeiter einige Monate anschauen, und man sei befugt, Ergänzungen vorzunehmen oder gar den einen oder anderen Mitarbeiter auszutauschen.

Eine solche Ausgangssituation, die auch der Personalreferent oder bei kleineren Unternehmen der Personalverantwortliche kennt, ist dann eine ideale Basis für eine Diskussion über gezielte Personalbeschaffung: Wer, warum und mit welchem fachlichen und persönlichen Hintergrund kommt infrage? Es ist immer sinnvoll, die womöglich langjährige Vertrautheit eines Personalleiters für eine echte Diskussion im Vorfeld zu nutzen, nicht zuletzt, um die eigene Einschätzung der Mitarbeiter in diesem Gespräch prüfen zu können. Damit wird auch die Basis dafür geschaffen, dass ein Personalreferent sich in seiner Arbeit und im Bemühen um eine gute Personalstruktur ernst genommen und bestätigt fühlt. Man sollte in dieser Funktion niemanden nur als Lieferanten von geeigneten Formularen für die Personalanforderung an sich und das Anforderungsprofil |16|im Besonderen »missbrauchen« und sich damit um wichtige spätere Hilfestellungen bringen. Diese Hilfe beginnt schon damit, dass auf Sachbearbeiterebene der Betriebsrat gefragt werden und eine Stellenausschreibung in der Regel zunächst intern veröffentlicht werden muss. Auch wenn man eine Trennung und den nachfolgenden Ersatz eines Mitarbeiters für unabdingbar hält, ist man auf die konstruktive Unterstützung und manchmal fantasievolle »Auslegung« der Personalabteilung angewiesen. Schließlich muss der Personalreferent auch seinen Part bei der Aushandlung eines Aufhebungsvertrages oder einer Abfindung beitragen.

Der Personalreferent ist qualifizierter Diskussionspartner für wichtige Faktoren eines qualifizierten und aussagefähigen Profils. Bereiten Sie sich auf ein Gespräch gut vor. Dazu dienen die nachfolgenden Ausführungen. Denn ein Personaler, den man in seiner Funktion ernst nimmt, ist eher bereit, Ihnen bei der nötigen Sortierung zu helfen, und wird Ihnen dann nicht nur das übliche Formular in die Hand drücken. Unter diesen Voraussetzungen wird man dann auch schon einmal aufgefordert, seine Vorstellungen ungeordnet zu äußern. Durch präzise und routinierte Fragestellungen wird man zu einer geeigneten »Arbeitsaussage« geführt oder die Umsetzung in das Formular wird sogar übernommen. Auf Seite 17 sehen Sie, wie ein solches Formular aussehen könnte.

Das Differenzieren zwischen »Muss« und »Wünschenswert«-Kriterien

Jeder Vorgesetzte hat für seine Mitarbeiter eine Vielzahl von Wünschen, weil er beispielsweise einen Mitarbeiter ganz besonders schätzt und ihn am liebsten »klonen« würde, oder weil der derzeitige Stelleninhaber – salopp gesprochen – nicht gerade der ganz große Wurf war und man nun einiges anders haben und machen möchte. Beide Ausgangssituationen sind nur allzu gut nachvollziehbar. Trotzdem ist, bei allen meist sehr konkreten Vorstellungen davon, welcher Mensch am besten passen würde, wenigstens im ersten Schritt ein gewisses Maß an Analytik zu bevorzugen. Je präziser|18| man weiß, was man will, desto ungefährlicher – weil bewusster – sind anschließend die Kompromisse.

|17|

|18|Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass zunächst alle Aspekte einer idealen Stellenbesetzung zusammengetragen werden. Anschließend muss man diese Sammlung diszipliniert in Kriterien und Anforderungen zerlegen: Welche Anforderungen sind für die erfolgreiche Bewältigung der Position unabdingbar erforderlich, und welche sind zwar sinnvoll und für den Kandidaten hilfreich, beeinträchtigen den Erfolg der Arbeit aber nicht maßgeblich oder sind zumindest für eine bestimmte Zeit verzichtbar.

Besonders die »Muss«-Kriterien sind dahingehend zu präzisieren, welche Fähigkeiten, Fachkenntnisse, welchen Umfang und welche Art der praktischen Erfahrung und Persönlichkeitseigenschaften vom ersten Arbeitstag an gegeben sein müssen, weil das Tagesgeschäft es erfordert oder weil es niemanden in der Abteilung/der Gruppe gibt, der hier aushelfen oder mit Wissen unterstützen kann. Dabei ist besonders wichtig, ob man mit einem neuen Mitarbeiter ein bestimmtes Fachwissen erst einkaufen will, weil beispielsweise ein neues Geschäftsfeld aufgebaut werden muss. Vergleichbares gilt natürlich auch für die Persönlichkeitseigenschaften und die Fähigkeiten.

Zunächst einige kurze Erläuterungen zu den vier verschiedenen Kategorien, auf die sich die beschriebene Konkretisierung beziehen sollte:

Mit den Fachkenntnissen sind konkrete Qualifikationen – zum Beispiel ein Studienabschluss, Marketingwissen oder auch die Fortbildung zum Schweißfachingenieur gemeint –, die man entweder durch Aus- und Fortbildung erlernen kann oder die sich durch die Praxis nach einem bestimmten Zeitraum ergeben, weil ein Bewerber für mehrere Monate oder Jahre eine bestimmte Aufgabenstellung mit bestimmten Anforderungen erfolgreich wahrgenommen hat.

Der Übergang zur Berufserfahrung ist in gewisser Weise fließend, da hiermit sowohl der quantitative als auch der qualitative Aspekt gemeint ist. Hier wird unterschieden zwischen Berufserfahrung insgesamt und so genannter »einschlägiger« Berufserfahrung, also in der Praxis bezogen auf eine konkret vergleichbare |19|Position, sofern sie tatsächlich vergleichbar ist. Man kann beispielsweise zu dem Ergebnis kommen, dass für die zu besetzende Position ein Minimum von vier Berufsjahren gegeben sein muss, dass aber nur etwa zwei Jahre Führungserfahrung benötigt oder dass nur ein kleinerer Anteil Branchenerfahrung oder sogar überhaupt keine konkrete Branchenerfahrung benötigt werden.

Hinzu kommen dann die Fähigkeiten wie beispielsweise handwerkliches Geschick oder die Befähigung, schwierige Zusammenhänge verständlich zu erklären. Fähigkeiten haben etwas mit Grundbegabungen zu tun, die zwar trainiert, das heißt ausgebildet werden können – denken Sie an musikalische Begabung –, die aber fast nie von Grund auf erlernbar sind. Daher passiert es auch immer wieder, dass manche Menschen von einzelnen Fähigkeiten gar nichts wissen, weil sie sie nie bewusst trainiert haben. Entdeckt werden sie dann, weil plötzlich eine Situation entsprechende Anforderungen stellt oder weil einem Vorgesetzten, der seine Mitarbeiter wirklich betreut, diese »Begabungen« in der Zusammenarbeit aufgefallen sind, und der dann entsprechend motiviert, dies intensiver zu nutzen.

Neben den Fähigkeiten stehen – wiederum im fließenden Übergang – die Persönlichkeitseigenschaften wie Perfektionismus, Flexibilität, souveräner Umgang mit Komplexität oder gutes Zuhören. Dabei kann man meistens kaum zwischen generellen, das heißt durchgängig spürbaren Eigenschaften, und berufsbezogenen Eigenschaften trennen. Allenfalls werden sie in einem bestimmten beruflichen Einsatzgebiet stärker gefordert als im Privatleben. Nicht selten bedingen sich einzelne Fähigkeiten und Charakter-/ Persönlichkeitseigenschaften gegenseitig.

Das Anforderungsprofil wird also in diese vier Bereiche unterteilt. Dabei ist stets kritisch zu analysieren: Welche Kriterien muss ein Bewerber erfüllen, weil er sofort benötigt wird, und was wäre wünschenswert, wobei ein Defizit aber nicht unbedingt die erfolgreiche Stellenbesetzung gefährdet, zumindest nicht in den ersten Wochen oder Monaten. Ein besonders gutes Beispiel dafür: Brauchen wir jemanden, der ein abgeschlossenes Studium mit einer bestimmten Spezialisierung nachweisen kann, oder geht es uns um ein ganz konkretes Fachwissen, das der neue Mitarbeiter genauso gut |20|durch die Praxis und/oder durch zusätzliche Fortbildung erlangt haben kann? Oder die immer wieder geforderten Englischkenntnisse, die möglichst noch verhandlungssicher sein sollen. Sicherlich gilt Englisch in der heutigen Zeit kaum noch als Fremdsprache und gehört schon fast zur Allgemeinbildung, andererseits gibt es nach wie vor eine Vielzahl von Aufgabenstellungen, wo sehr gute Sprachkenntnisse überhaupt nicht benötigt werden. Schließlich muss man sich als Arbeitgeber beziehungsweise Vorgesetzter auch die Frage stellen: Frustriere ich nicht jemanden mit ausgezeichneten Sprachkenntnissen – in welcher Fremdsprache auch immer –, wenn ich sie zwar dankend zur Kenntnis nehme und in der Personalakte dokumentiere, aber überhaupt keine oder nur sehr selten Gelegenheit gebe, diese Sprachkenntnisse anzuwenden? Manche Arbeitgeber wollen sich einfach nur einem allgemeinen Trend nicht verschließen oder Sprachkenntnisse »auf Vorrat« im Hause haben, können aber überhaupt kein internationales Umfeld bieten. Bei bestimmten Positionen, zum Beispiel der eines Länderreferenten im Export, darf es keine Diskussion darüber geben, dass Sprachkenntnisse »unabdingbar« erforderlich sind. Zu großzügig bewilligte Anlaufzeiten, weil ein Mensch so sympathisch ist und so gut ins Team passen würde, würden sich in diesem Fall bald rächen.

Passgenauigkeit: Position und Aufgabenstellung – Kollegen – Unternehmen

Um die Komplexität der Überlegungen, die anzustellen sind, bevor eine Position im Unternehmen erfolgreich besetzt werden kann, noch ein wenig zu erhöhen, soll noch ein anderes Spannungsfeld betrachtet werden:

Die gesuchte Person im Hinblick auf

Aufgabe und Position,

auf Unternehmen – Stichwort Corporate Culture – und Kollegen/Mitarbeiterstamm insgesamt, also sozusagen die Makrobetrachtung, und

|21|den jeweiligen Vorgesetzten und die eigenen Mitarbeiter und/ oder Teamkollegen als eine Art Mikrokosmos.

Von jedem neuen Mitarbeiter wird unausgesprochen erwartet, dass er sich in ein bestehendes Umfeld aus Menschen, Traditionen und Spielregeln einfügt. Diese Aussage gilt sogar für den neuen Mitarbeiter, der mit der Absicht eingestellt wurde, »frischen Wind und neue Ideen ins Unternehmen zu bringen«. Meist handelt es sich dabei um eine Vorgabe der Führungsebene, die mit dem operativen Geschäft wenig zu tun hat und meist sehr diffus Veränderungen anmahnt. So paradox das klingen mag: Gerade diejenigen sind im Endeffekt die erfolgreichsten Veränderer, die sich am besten auf einen bestehenden Personenkreis und eine immer irgendwie spürbare Unternehmensphilosophie einzustellen vermögen. Sind sie dann als »Member of the Team« anerkannt und akzeptiert, können notwendige und sinnvolle Veränderungen meist sehr viel leichter und reibungsloser eingebracht werden. Im Übrigen ist es auch eine wichtige Überlegung im Vorfeld, ob man bewusst das »Kontrastprogramm« einstellt – was nur wenige starke Vorgesetzte realisieren und aushalten –, oder ob man letztlich mehr erreichen und bewegen kann, wenn ein neuer Mitarbeiter zumindest vordergründig nahtlos ins bestehende Team passt.

Insbesondere zur Konkretisierung der so genannten »weichen« Faktoren in einem Anforderungsprofil – ob jemand beispielsweise in ausreichendem Maße kommunikativ ist – gehört im Vorfeld einige Disziplin. Da meistens mehrere Leute mitreden sollen oder müssen, sind hier die unterschiedlichen Ansichten bereits vorprogrammiert. Nicht selten ist dann der Personalleiter derjenige, der Schiedsrichter spielen muss, vor allem dann, wenn er selbst bereits einige Zeit in diesem Unternehmen tätig ist und daher dessen Kultur gut beurteilen kann. In jedem Falle fließen alle drei Dimensionen – ob klar artikuliert oder unausgesprochen – in das Anforderungsprofil ein, werden aber selten schriftlich festgehalten. In den nächsten Kapiteln folgen die Konkretisierung und praktische Umsetzung der angesprochenen Faktoren.

|22|Das fachliche Anforderungsprofil: Qualifikationen, Fertigkeiten, Berufspraxis

Das fachliche Anforderungsprofil hat vorrangig mit theoretischen Kenntnissen zu tun, die in die Praxis umgesetzt werden:

schulische Qualifikation: Art des Schulabschlusses, gewählte Schwerpunkte beziehungsweise Leistungskurse,

gewünschter Ausbildungsabschluss: ein konkreter Ausbildungsberuf oder ein Studium, das theoretisch oder praxisorientiert und mit oder ohne eine gewisse Spezialisierung ausgerichtet sein kann,

offizielle Zusatzqualifikationen – wichtig beispielsweise für einige technische Funktionen oder als Ersatz für ein Studium,

Umfang und Art der praktischen Erfahrung insgesamt,

weitere Spezifizierungen: konkrete Branchenerfahrung (Umfang), Festlegung, welche verwandten Branchen infrage kämen,

Erfahrung in einer ganz bestimmten Position, beispielsweise in einer Führungsfunktion, Bewältigung spezieller Aufgabenstellungen, zum Beispiel in einer Aufbauphase.

Ausdruck konkreter Fertigkeiten (und Fähigkeiten): Qualitäten als Organisator, der selbst mithilft und Mitarbeiter gut motivieren kann, damit sie trotz besonders hohen Arbeitsanfalls noch gerne zur Arbeit kommen.

Aus der Praxis

Nehmen wir das konkrete Beispiel eines Leiters im Rechnungswesen eines mittelständischen Unternehmens. Hier könnte der Stelleninhaber sowohl Betriebswirt einer Fachhochschule sein (weil gerade Mittelständler lieber die praktische Studienvariante sehen), der etwa drei bis vier Jahre Praxis hinter sich gebracht hat und vielleicht seit knapp zwei Jahren Führungsverantwortung für ein kleines Team von Mitarbeitern trägt. Auch denkbar wäre ein Industriekaufmann, der dafür zwei Jahre länger in der Praxis tätig gewesen ist und zusätzlich berufsbegleitend die qualitativ sehr anspruchsvolle |23|Fortbildung zum Bilanzbuchhalter absolviert hat. Selbstverständlich braucht dann auch der »Praktiker« Führungserfahrung, aber er wird sich voraussichtlich den Respekt seiner zukünftigen Mitarbeiter über die fachliche Ebene verschaffen können, während der Hochschulabsolvent ein wenig mehr theoretisches Rüstzeug mitbringt, dafür in seiner Position aber voraussichtlich auch andere Schwerpunkte setzen wird.

Welcher Bewerber letztlich die bessere Stellenbesetzung darstellt, hängt dann oft sehr stark von seiner Persönlichkeit ab, ob er gegebenenfalls besser zur Gruppe passt oder ob man im Unternehmen das strategische Ziel verfolgt, mit jeder Neueinstellung das Qualifikationsniveau des Mitarbeiterstammes generell anzuheben, wofür es gute Gründe geben kann.

Im Übrigen möchte ich davor warnen, grundsätzlich immer die Besten mit der höchsten Qualifikation haben zu wollen, die dann anschließend kurzfristig das Unternehmen aus Enttäuschung darüber verlassen, dass sie ihre Fähigkeiten – siehe auch das Thema Sprachkenntnisse – gar nicht richtig anwenden können. Einige Hochqualifizierte stoßen nicht selten aufgrund ihrer Ansprüche in Verbindung mit mehr oder weniger konkreten Versprechungen bei ihrer Weiterentwicklung so rasch an die Grenzen eines Unternehmens, dass es sie rasch wieder verliert. Manche Arbeitgeber wären mit den Zweit- oder Drittbesten wesentlich besser bedient, da sie unter Umständen mangels weiterer Alternativen mit noch größerem Engagement die ihnen gebotene Chance ergreifen. Dies gilt beispielsweise auch für Mitarbeiter mit nicht mehr »arbeitsmarktkonformem« Alter. Führt man sich vor Augen, dass ein 52-Jähriger noch mehr als zehn Berufsjahre vor sich hat und aufgrund seines Alters normalerweise nicht mehr wechseln kann, erreicht ein Arbeitgeber weit mehr Kontinuität als mit der Einstellung eines dynamischen und extrem ehrgeizigen »Youngsters«, dem man permanent das Gehalt erhöhen und neue »Herausforderungen« anbieten muss, damit er nicht nach spätestens drei Jahren das Unternehmen wieder verlässt. Das folgende Musterformular kann Ihnen als Grundlage für ein ausführliches Anforderungsprofil dienen.

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|25|Persönlichkeitsprofil: Fähigkeiten und Eigenschaften

Das Persönlichkeitsprofil setzt sich zusammen aus den Komponenten Fähigkeiten und Eigenschaften. Beides gehört zusammen, zumindest sind die Grenzen fließend, denn beides bedingt einander. Typische, das heißt im Zusammenhang mit Personalauswahl immer wieder genannte Eigenschaften sind beispielsweise: persönliche Flexibilität, Dynamik, Eigeninitiative, Belastbarkeit auch im Umgang mit der heute geforderten Komplexität, kommunikative Fähigkeiten, Kreativität im Zusammenhang mit Problemlösungen, mit unterschiedlichsten Gesprächspartnern umgehen zu können, hohes Engagement und Begeisterungsfähigkeit für eine Sache, zielorientiertes Arbeiten, die Fähigkeit delegieren zu können, ohne sich ständig einzumischen, manchmal Perfektionismus oder Diplomatie, Verhandlungsgeschick, Durchsetzungsvermögen – um nur einige zu nennen. Doch gerade weil es so sehr viel Wünschenswertes gibt, muss daran für bindende Vorgaben mit ganz besonders viel Sorgfalt herangegangen werden.

Zu dieser Sorgfalt gehört, dass man sich darüber klar sein muss, dass Charaktereigenschaften wie auf einer Geraden angeordnet sind, das heißt: Ist eine Eigenschaft vorhanden, kann mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf eine andere geschlossen werden. In gleicher Weise gibt es Profile und einzelne Eigenschaften, die sich in der Regel gegenseitig ausschließen. Oder es handelt sich um Eigenschaftskonstellationen, die nur ganz selten anzutreffen sind, am ehesten bei denjenigen Menschen, die zwei verschiedene Begabungsbereiche haben und die deshalb manchmal bei der Berufswahl schon Schwierigkeiten mit der richtigen Entscheidung hatten. Um diesen komplizierten Sachverhalt etwas verständlicher zu machen, hier ein konkretes Beispiel.

Aus der Praxis

Jemand, der kreativ und/oder künstlerisch begabt ist, wird allenfalls in diesem Anspruch perfektionistisch sein, aber wahrscheinlich |26|in seinem Büro nicht unbedingt die Bleistifte nach Größe sortieren oder extrem ordentlich sein, weil er sich so vielleicht in seiner Spontaneität behindert fühlen könnte. Jemand, der sich, Produkte oder Dienstleistungen gut verkaufen kann und gerne mit Menschen umgeht, wird aller Wahrscheinlichkeit mehr daran und an den damit verbundenen, unmittelbaren Erfolgen interessiert sein, als mit Begeisterung am Schreibtisch zu sitzen und Ergebnisberichte über seine Kundenbesuche zu schreiben. Andererseits muss ein Leiter im Rechnungswesen sehr genau und pedantisch sein und wird durch seine Neigung zu diesem Beruf – die ja zu seiner Ausbildungs- und/oder Studienwahl geführt hat und die sich durch Inhalte und den Kontakt mit anderen Studenten weiter ausgebildet hat – voraussichtlich gerne administrative Aufgaben übernehmen, weil sie systemimmanent zu diesem Beruf gehören. Dafür wird man diesem Mitarbeiter aber in einer internen Beurteilung möglicherweise einmal bescheinigen müssen, dass er abgesehen vom Kontakt zu seinen eigenen Mitarbeitern im Ganzen zu wenig kontaktfreudig ist.

Schließlich gibt es die bereits erwähnten »ambivalenten« Typen. Das sind Menschen, die zwei (oder sogar mehr) ausgeprägte Begabungs- und Neigungsbereiche haben: beispielsweise ein Individuum, aus dem genauso gut ein Musiker wie ein Marketing-Fachmann geworden wäre. Bei diesen eher seltenen Exemplaren sind dann die in eine Richtung gehenden Eigenschaften jeweils multivariant in sich geschlossen. Diese Menschen können sich deshalb natürlich auf ein weit größeres Spektrum an Anforderungen einstellen, auf unterschiedliche Positionen bewerben und mit diesen beiden Begabungsbereichen in gewisser Weise »jonglieren«, zumal sie meistens bemüht sind, die beruflich nicht genutzten Eigenschaften und Fähigkeiten durch ein Hobby oder auch eine Nebentätigkeit »auf dem Laufenden« zu halten. Für die Personalauswahl bedeutet das: Da solche Menschen mit dieser Begabungsvielfalt rein statistisch gesehen seltener vorkommen, muss man sie länger und mit mehr Aufwand suchen und dann auch entsprechend einsetzen und vor allem »nutzen« können. Ein Arbeitgeber übernimmt solchen Ausnahmeerscheinungen gegenüber eine große Verantwortung|27|. Nun mag es einzelne Positionen geben, wo man nicht ohne Vielfalt auskommen kann; die meisten Stellen sind durch Bewerber mit verwandten Anforderungskriterien richtig besetzt.

Aus der Praxis

Nehmen wir doch einfach einmal eine konkrete Personalanforderung und halten uns vor Augen, wie ein Bewerbungsgespräch normalerweise abläuft:

Der Vertriebsleiter einer Firma, die Software-Lösungen entwickelt und vertreibt, benötigt dringend – wie immer »vorgestern«– einen weiteren Außendienstler, weil entweder jemand gekündigt hat oder weil in einer Region so viel Kundenpotenzial vorhanden ist, dass der bisherige Vertriebsbeauftragte für dieses Gebiet es allein nicht mehr schaffen kann und der Firma Aufträge zu entgehen drohen. Der Vertriebsleiter wird sich daraufhin an den Personalleiter des Hauses wenden und ihn auffordern, etwas zu unternehmen – immer natürlich unter der Voraussetzung, dass die Planstelle für eine Festanstellung vorhanden ist und genehmigt wird. Der Personalleiter wird dann die Führungskraft um ein kurzes Stellenprofil bitten oder sich an der Basis für die Einstellung der übrigen Vertriebsbeauftragten orientieren und an dem, was sich in seinen Unterlagen oder in der Personalakte der vorhandenen Vertriebsangestellten befindet. Darüber hinaus wird er aber sicherlich das persönliche Gespräch mit der Führungskraft suchen. Das sieht dann in aller Regel so aus, dass der Vertriebsleiter dem Personalleiter oder auch einem eingeschalteten Personalberater alles das nennen wird, was ihm zu diesem Thema einfällt. Und das könnte sich dann so anhören:

Mein neuer Außendienstler muss

gewandt im Auftreten sein,

kommunikativ sein und schlüssig argumentieren können,

Netzwerkkenntnisse haben,

ehrgeizig, erfolgsorientiert sein und verkaufen wollen.

Dieses Mal muss es unbedingt jemand sein, der komplizierte Sachverhalte verständlich erläutern kann.

|28|Er sollte bestimmte Branchenerfahrung mitbringen, weil wir uns diese Zielgruppe stärker erschließen wollen,

mindestens drei Jahre Ähnliches erfolgreich verkauft haben und

abschlusssicher sein.

Er darf hinsichtlich der Arbeitszeit nicht auf die Uhr schauen und sollte entsprechend engagiert und belastbar sein,

muss einschlägiges Produkt-Know-how besitzen,

Informatiker mit Schwerpunkt Wirtschaftsinformatik sein,

wegen der Verhandlungspartner mindestens Mitte 30 Jahre alt sein,

darf administrative Notwendigkeiten nicht ablehnen und Vertriebscontrolling sollte kein Fremdwort sein,

muss ins bestehende Team passen

sollte daran gewöhnt sein, mit Zielen geführt zu werden,

sollte die Möglichkeiten der Datenverarbeitung für PC-Präsentationen überzeugend nutzen können.

Fünf Jahre Berufserfahrung sollte er nach dem Studium mindestens haben,

eventuell würde auch ein Praktiker mit mehr Berufserfahrung ausreichen.

...

Da eine solche Darstellungsweise, also alles aufzuzählen, was einem bei diesem Thema so durch den Kopf geht und was man dann spontan und damit unsortiert äußert, der Normalfall ist, müssen die Aussagen danach sorgfältig in Kategorien eingeteilt werden. Eine besonders sinnvolle Sortierhilfe in dem gewünschten Sinne sind natürlich Formulare der Personalabteilung, die mit ihren Vorgaben gleichzeitig zur Disziplin erziehen.

Wesentliche Rahmenbedingungen

Unter Rahmenbedingungen versteht man Faktoren, die eine Stellenbesetzung unmittelbar beeinflussen oder das Gelingen für einen Neuen gegebenenfalls regelrecht gefährden können. Meistens kann |29|man sie im betrieblichen Ablauf nicht verhindern, aber man kann und muss rund um die Vorstellungsgespräche den/die Kandidaten der engsten Wahl darüber informieren und damit bestimmte Probleme von Vornherein minimieren und sich dadurch korrekt und fair verhalten.

Zu solchen problematischen Ausgangssituationen gehört beispielsweise, wenn sich ein anderer Mitarbeiter Hoffnung auf die zu besetzende Vakanz gemacht hat oder im Unternehmen womöglich generell Unmut darüber herrscht, dass bestimmte Vakanzen grundsätzlich von außen besetzt werden. Im ersten Fall kann es wichtig sein, dass der neue Mitarbeiter demjenigen, der die Stelle gerne eingenommen hätte, seine fachliche »Spielwiese« nicht streitig macht. Hier kann es Wunder wirken, wenn dieser Mitarbeiter sich weiterhin wichtig fühlen darf. Oder die Mitarbeiterstruktur macht es erforderlich, dass der fachlich in jeder Hinsicht überlegene »Überflieger« eingestellt wird, damit vom ersten Tag an Akzeptanz erreicht wird.

Das Rechenzentrum, für das ein Leiter oder sein Stellvertreter gesucht wird, stellt Outsourcing-Überlegungen an und überprüft deshalb, ob der neue Kollege über genügend Fachwissen verfügt, damit er zu einem späteren Zeitpunkt auch in einem anderen Bereich des Unternehmens einsetzbar ist – und ob er eine solche Versetzung dann auch mittragen würde.

Vielleicht ist der neue Mitarbeiter bereits der vierte »Anlauf«, weil die Vorgänger aufgrund der problematischen Mitarbeiterstruktur jeweils nach kurzer Zeit das Handtuch geworfen haben. Oder der nächst höhere Vorgesetzte ist ein Choleriker und da dieser aufgrund seines Wissens wichtig für das Unternehmen ist, muss für die Vakanz jemand gefunden werden, der mit einem solchen Menschen umzugehen versteht. Oder es muss eine Altersnachfolge für den jetzigen Stelleninhaber geregelt werden. Es muss ein Nachfolger gesucht werden, der selbst noch ein wenig Zeit für die Übernahme benötigt und der nicht vor Ungeduld gleich am Stuhl des Noch-Stelleninhabers zu sägen beginnt. Gleichzeitig bedeutet das dann auch, dass man auf Kenntnisse oder Fähigkeiten zunächst verzichten kann, sofern das Potenzial dafür erkennbar ist.

Oder, oder ... Die Liste ließe sich noch mit einer Vielzahl weiterer |30|Beispiele, die direkt aus dem beruflichen Alltag kommen, erweitern. Daran wird deutlich, welche Auswirkungen die jeweilige Ausgangssituation auf das daraus resultierende konkrete Anforderungsprofil haben muss. Es bedarf auch sicherlich keiner weiteren Erläuterung, dass jeder Neue ohne Lobby und Insiderwissen in einer neuen Funktion und im fremden Umfeld auch bei noch so guten Qualitäten scheitern kann.

Ein weiterer immer heftig und oft kontrovers diskutierter Punkt ist das Alter. Eine sicher festzulegende »Zahl« ist in diesem Zusammenhang eigentlich nur die Altersuntergrenze für eine Position, die sich aus dem geforderten Umfang der Berufspraxis und/oder der Akzeptanz der Kollegen beziehungsweise der Kunden ergibt: Wenn es beispielsweise um eine Altersnachfolge geht, ergibt sich ein Höchstalter, denn es ist sicherlich niemandem klarzumachen, dass ein 63-Jähriger durch einen 54-Jährigen ersetzt werden soll. Altersvorgaben sollten nach meiner festen Überzeugung immer nur dann gemacht werden, wenn die speziellen Rahmenbedingungen dies tatsächlich erforderlich machen. Jeder, der mit Personalauswahl und Menschenführung zu tun hat, weiß im Grunde, dass das nominelle Lebensalter über die Fähigkeiten und die Eigenschaften eines Menschen wenig bis gar nichts aussagt: Es gibt unbewegliche und vergreiste 38-Jährige, für die Sicherheit bis zur Rente alles bedeutet und allen Innovationen und sogar Versetzungen gegenüber aufgeschlossene 50-Jährige – gerade die können mit ihrer größeren Lebens- und Berufserfahrung einen wichtigen ruhenden Pol in einem Umfeld von »Jungvolk« sein.

Schließlich haben auch noch die folgenden Aspekte große Auswirkungen auf das Auswahlverfahren:

Handelt es sich um eine reine Nachfolgeregelung für eine in jeder Hinsicht etablierte Position? Soll ein neuer Mitarbeiter das vorhandene Aufgabengebiet möglichst nach einer durch den derzeitigen Stelleninhaber selbst durchgeführten Übergabe mehr oder weniger genauso fortführen wie bisher? Dann kann und muss man sich hinsichtlich des Anforderungsprofils an bisherigen Inhalten orientieren.

|31|Ist der derzeitige Mitarbeiter quantitativ und/oder qualitativ überfordert? Dann geht es primär um eine Entlastung und/oder fachliche Ergänzung. Hier richtet sich das Anforderungsprofil sehr stark nach der vorhandenen Person, vor allem, weil es dann auch schnell bei der Abgrenzung der Aufgaben zu Konflikten kommen kann. Daher sollte sie dann auch in die Erarbeitung des Anforderungsprofils mit eingebunden werden.

Oder ist es eine neu geschaffene Position, bei der einerseits ein bestimmtes fachliches Know-how eingekauft werden muss, andererseits aber auch neu darüber nachgedacht werden kann, was tatsächlich benötigt wird? Hier kommt der Input meist von verschiedenen Seiten und Personen, und es wird Koordinierungsarbeit erforderlich werden.

Wie sieht die konkrete organisatorische Einbindung aus? Gibt es hier Möglichkeiten der Flexibilität? Könnte man sich hier nach einem Kandidaten richten, den man gerne vertraglich verpflichten möchte, der aber in seiner beruflichen Laufbahn schon weiter fortgeschritten ist als eigentlich gewünscht? Wäre man für den idealen Kandidaten sogar zu einer gewissen Umstrukturierung bereit?

Wie wird die finanzielle Seite behandelt? Gibt es ausgeprägte Gehaltsstrukturen im Unternehmen, die in jedem Falle berücksichtigt werden müssen? Kann man hier in einer bestimmten Bandbreite flexibel sein, ohne dass sich anschließend die vorhandenen Mitarbeiter ungerecht behandelt fühlen? Merke: Es gibt Naturgesetze, und zu denen gehört, dass Gehälter immer publik werden. Man weiß zwar selten wie, aber es ist einfach so.

Alle diese Punkte, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, können gravierende Auswirkungen auf die Personalauswahl haben. Sie müssen unbedingt im Vorfeld diskutiert werden und werden als »Linienführung« für das gesamte Auswahlverfahren berücksichtigt. Dies beginnt bei den schriftlichen Unterlagen: Wer wird überhaupt eingeladen?

|32|Formulare aus der Personalabteilung

Wie bei der beschriebenen Komplexität nicht anders zu erwarten, bilden Formulare für die Personalanforderung die verschiedenen Aspekte inhaltlich nur unzureichend ab. Was ist zu tun? Die fachlichen Kriterien werden meistens sehr gut und umfassend dargestellt und bei der jeweiligen Personalanforderung der Fachabteilung abgefragt – sofern nicht immer wieder aus der alten Stellenbeschreibung abgeschrieben wird. Gerade das ist bei den ständigen beruflichen Veränderungsprozessen der heutigen Zeit ein besonders gefährlicher und weit reichender Fehler. Die Fachabteilung, die den neuen Mitarbeiter sucht, wird von der Personalabteilung meistens als der uneingeschränkte Experte angesehen. Selten wird die Personalabteilung korrigierend einschreiten. Bei den »Persönlichkeitseigenschaften« gibt es zwar meist genügend freie Zeilen, aber hier wird leider sehr häufig abgeschrieben, oder man wiederholt die gängigen Formulierungen und Begriffe. Schließlich sucht jeder Vorgesetzte grundsätzlich flexible, dynamische und kommunikative Mitarbeiter.

Es gibt hier mehrere Möglichkeiten: Eine langfristige und sehr engagierte Lösung besteht sicherlich darin, das Formular zu ändern und weitere Rubriken aufzunehmen, wie beispielsweise die zuletzt genannten besonderen Rahmenbedingungen. Darüber hinaus könnten die fachlichen Vorgaben und das Eigenschaftsprofil mit einigen weiteren Ergänzungen versehen werden. Hierzu müssen sich auch die Kollegen Gedanken machen, die aber für solche »Mehrarbeit« nicht immer ansprechbar sind.

Lohnt es sich nicht, das vorhandene Formular zu verändern oder zu ergänzen oder ist ein solches Formular in Ihrem Unternehmen gar nicht erst vorhanden, dann haben Sie möglicherweise die Chance, als Pionier tätig zu werden und ein für Ihre Firma maßgeschneidertes Produkt zu entwickeln. Oder Sie setzen Sich mit dem Personalreferenten zusammen und erarbeiten gemeinsam ein differenziertes Anforderungsprofil.

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|34|Kapitel 2 Möglichkeiten der Personalbeschaffung

Die Vielfalt der Medien eröffnet heutzutage diverse Möglichkeiten, Interessenten auf Vakanzen in einem Unternehmen aufmerksam zu machen. Neben der Insertion in Printmedien bietet sich dafür auch die Anzeige auf der Homepage oder in Internet-Jobbörsen an. Fachkräfte, die eine neue Stelle suchen, bieten ihre Dienste wiederum in Zeitungen und auch im Internet an. Schließlich sind Headhunter ständig auf der Suche nach verheißungsvollen Kontakten, um die richtigen Mitarbeiter mit den richtigen Unternehmen ins Geschäft zu bringen.

Die ansprechende Stellenanzeige

Der Anzeigentext kann und muss – sofern er vom Anforderungsprofil her erstellt wird – ein präzises Bild der Stelle sein, die besetzt werden soll. Er muss gleichzeitig eine ehrliche und überzeugende Visitenkarte für ein Unternehmen darstellen. Die meisten Firmen versuchen leider den Eindruck zu erwecken, sie seien »die Größten und Erfolgreichsten«. Es ist immer wieder erstaunlich zu lesen, wie viele »Marktführer« es gibt – und dass sie deshalb nur den »dynamischsten und qualifiziertesten« Mitarbeiter brauchen können. Der Informationsgehalt für die tatsächliche Aufgabenstellung bleibt aber nicht selten sehr gering und die Ansprüche an die hoffnungsvollen Bewerber und potenziellen Kandidaten werden vielfach überzogen dargestellt. Selbstverständlich sollte sein, |35|