So isch's wore - Harald Hurst - E-Book

So isch's wore E-Book

Harald Hurst

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Beschreibung

Endlich gibt es ein neues Buch des beliebtesten Dichters und Mundartautors badischer Zunge! Harald Hursts Geschichten und Gedichte sind für seine zahlreichen Fans ein besonderer Genuss. Mit der feinen Ironie, die all seine Texte auszeichnet, beschreibt er hier zahlreiche Alltagssituationen, die jeder schon einmal erlebt hat, in den ans Absurd-Komische grenzenden Dialogen von Ehepaaren hält der Dichter dem Leser lustvoll den Spiegel vor. Neben den so vielsagend betitelten Prosa-Gedichten "Süßholzraschpler ", "Dummschwätzer", "Schaufenschterbummel" und "Zum Brunch komm ich net" steht mit "Tatort" ein theatralischer Dialog im Zentrum des Buches, der ein Ehepaar vor dem Fernseher zeigt, das über die alles entscheidende Frage streitet: Gucke wir Fernsehen – oder lese wir? Dass aus einer so simplen wie alltäglichen Frage eine für die Beziehung existenzielle Diskussion über Fremdgehen und Trennung wird, zeigt die Meisterschaft Hursts, der die Abgründe in unserem Alltag aufspürt und mit zarter und immer einfühlsamer Komik durchschreitet.

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Seitenzahl: 202

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HARALDHURST

So isch’swore

GESCHICHTEN UND GEDICHTE

Harald Hurst:

Laut Passeintrag 1945 in Buchen geboren. Wenig beaufsichtigte, daher schöne Kindheit im proletarischen Milieu der Karlsruher Altstadt, wo nach dem badischen Grandseigneur Hubert Doerrschuck die »unheilige Schwesternschaft der Gefälligen« ihr Gewerbe betrieb. Mäßiger, dem Aufwand entsprechender Volksschulabschluss. Als Pubertierender zur See gefahren, von den Fernweh-Schnulzen eines Freddy Quinn inspiriert. Ernüchterung. Danach viele unqualifizierte Erwerbstätigkeiten, auch vergebliche Weiterbildungsversuche. Zeitweise durchaus angenehm den Überblick verloren. Schubartiger, später Bildungsdrang. 1968 wundersames Abitur als sogenannter Schulfremder am Karlsruher Helmholtz-Gymnasium, dem er sich seither verbunden fühlt. Studium der Romanistik und Anglistik für das Lehramt an Gymnasien. Referendarzeit. Zweites Staatsexamen. 1979 Trennung vom Arbeitgeber zur beiderseitigen Erleichterung. Er lebt seit 1980 das tägliche Wunder der freien Schriftstellerei. Polizeilich gemeldet und wahlbeheimatet im beschaulichen Ettlingen.

1. Auflage 2017

© 2017 by Silberburg-Verlag GmbH,

Schönbuchstraße 48, D-72074 Tübingen.

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Anette Wenzel, Tübingen.

Coverfoto und Foto auf S. 2: Foto-Fabry, Ettlingen.

Druck: CPI books, Leck.

Printed in Germany.

ISBN 978-3-8425-2041-7eISBN 978-3-8425-2269-5

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www.silberburg.de

Inhaltsverzeichnis

Muttertagsblume

Tatort

Zum Brunch komm ich net!

Des Nebezimmer vom Kühle Krug

Nur des chronische Zeug

Pfifferling-Sommer

Mediterran

Benefizgala in der Mehrzweckhall

Dummschwätzer

Sneakers

Im Irrehaus

Schaufenschterbummel

Innere, Zi. 213

Der Taubenbeobachter

Muttertagsblume

Ich hätt gern

en schöne Blumestrauß

für mei Frau

zum Muttertag

also schon was Besseres

es soll was vorstelle

mit e bissl Grün dezwische

des überlass ich Ihne

als Floristin wisse Sie besser

wie mer so was macht

was ich ausgebe will?

außer dene Blume

kriegt sie noch was

so bis – sage mer zwölf Euro

hab ich mir gedacht

es könne a fuffzehn sei

wisse Sie was?

stecke Se mol was z’amme

was Ihne persönlich g’fallt

Sie sage mir dabei

was des jetzt koscht

ich sag dann ai’fach

irgendwann halt!

Tatort

Ein übliches Wohnzimmer. Mit bequemer Couchgarnitur um den Fernseher. Abseits eine Lese-Ecke, rundes Tischchen, darauf Bücher. Eine moderne verstellbare Leselampe. Ein auf antik gemachter Sessel, Stil Louis-seize. Eine Schrankwand, daneben Durchreiche zur Küche.

Ein Ehepaar in sehr legerer Freizeitkleidung, beide um die Fünfzig. Er in der Lese-Ecke, sie mit vielen Kissen behaglich auf der Couch. Im Fernsehen läuft das Vorabendprogramm. Sehr leise. Aber man hört noch: »Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker …«

Sei so gut, Renate, stell den Kaschte leiser! Oder int’ressiert dich des, ob die Frau nach dem Abführmittel widder g’scheit kacke kann?

Sie drückt mit der Fernbedienung den Ton weg. Ab jetzt sieht man nur noch am Licht, dass der Fernseher läuft.

Mol gucke, was heut für’n Tatort kommt. Wo isch denn des Heftle?

Im Bad. Uff de Waschmaschin. Nebe de Kloschüssel.

Dei G’werkschaftsblättle! »Reichtum besteuern! Wir sind dafür!« Der Georg Schramm hat unnerschriebe. Der Hannes Wader …

Ich waiß! Mich hat niemand g’frogt. Sonscht wär ich a debei!

Reklame von dei’m Weinlade: »Chablis-Verkostung mit Austern«.

Kann’sch fortschmeiße! Des isch rum!

Die Apotheken-Umschau! Des Rentner-Bravo! »Demenz – Kann man vorbeugen?« Und? Was schreibe die? Hasch’s g’lese?

Kann sei! Ich waiß es nimme!

Geht das bei dir jetzt schon los, oder was?

Über so was macht mer kaine Witz! Fraue könne des genauso kriege!

Des Programmheftle isch jedenfalls net debei!

Guck halt mol richtig! Drunner irgendwo!

Ich hab’s! – Der neue Tatort kommt! Do guck’sch aber mit!

Ich waiß net. Später vielleicht.

Wenn der Film a’gfange hat, komm’sch widder nimme mit! Un ich muss dir ständig erkläre, was passiert. »Wer isch des?« – »Ach so, des war eine Rückblende?« Oder: »Was? Des hat die nur geträumt?«

Jetzt übertreib doch net!

Du, der Til Schweiger als Kommissar Tschiller! Zum erschte Mol! Die Folge spielt in Hamburg. Du mag’sch doch die Stadt so.

Ja. Aber ohne den Schweiger! Bei dem kann’sch doch die Handlung vergesse. Schusswechsel statt Dialog! Also den Film kapier ich a noch, wenn ich fünf Minute vor Schluss mitguck!

Schwätz doch net! Des hängt von der Story ab. Vom Drehbuch.

Umgekehrt! Die schreibe des Drehbuch extra für den Schweiger. Dass die Einschaltquote stimmt! Tschiller-Thriller, versteh’sch? So lauft des!

Will’sch mir jetzt en Vortrag halte? Kultur in den Medien oder so?

Des net! Aber des Niveau sinkt! Auch beim Tatort. Wer des net merkt, isch blöd!

Ach so? Bin ich jetzt blöd, wenn ich Tatort gucke will?

Des hab ich net g’sagt! Nur mit dem Bildungsauftrag isch’s nimme weit her. Sogar im öffentlich-rechtlichen Fernsehe.

Stell dir vor, es gibt Leut, die wolle sich beim Fernsehe net weiterbilde, sondern unnerhalte lasse!

Ja! Mit Kochsendunge zum Beispiel! Wo stundelang Sendezeit verbrutzelt wird. Ich waiß, du guck’sch so was gern!

Du, die rede was beim Koche. Tausche Erfahrunge aus. Gebe Tipps. Des sin alles Sternenköche!

Ja und? Früher war Koch ein normaler Lehrberuf. Ein Koch g’hört in sei Küch, aber net ins Fernsehe! Der kann von mir aus mol ins Lokal komme. Sich erkundige, ob’s de Gäscht g’schmeckt hat. Aber des war’s!

Aber in dene Sendunge lernt mer immer was dazu. Lernt neue Rezepte kenne.

Also an unserer Esserei merk ich des net!

Esserei? Wie des schon klingt! Koch ich vielleicht net gut?

Doch, Renate! Aber net grad innovativ! Ich bin zufriede. Ich mag doch die traditionelle deutsche Küche. Gutbürgerlich. Wenn alles schmeckt wie früher.

Aber e bissl Abwechslung kann doch nix schade!

Hör zu, unsere Speisenfolge wiederholt sich so alle zehn Tag, oder?

Mach’sch du dir Notize, Armin?

Des schmeck ich! Ich freu mich jedes Mol, wenn’s mit Flaischküchle un Kartoffelsalat widder von vorne losgeht.

Auch so was Einfaches lasst sich mit Tipps von dene Kochprofis verfeinere.

Brauch ich net! Jede Abweichung vom überlieferte Rezept stört mich!

Dann hat Koche also für dich nichts Kreatives?

Doch, des will ich net sage. Solang ich’s beim Esse net schmeck!

Wozu mach ich mir dann die Müh, ab und zu was Neues auszuprobiere?

Des sollt’sch vielleicht bleibe lasse! Wenn ich an neulich denk. Kann’sch du mir sage, was Ingwer am Krumbieresalat verlore hat?

Mein Gott, Armin! Der Versuch war’s wert. Jetzt wisse mer wenigschtens …

Ja, dass des scheiße schmeckt!

Komm, so schlimm war des net! Des Messerspitzle Ingwer.

Nach’m erschte Biss bin ich mit vollem Mund zur Kloschüssel g’rennt!

Ich hab’s gut g’maint. Ingwer sei g’sund, hat der Schubeck g’sagt.

Klar sagt der des. Des Schlitzohr hat in München en G’würzlade! Mit bundesweitem Vertrieb!

Deshalb kann Ingwer trotzdem gut sei für de Mage. Für die Verdauung.

Aber net, wenn ich den Krumbieresalat vor’m Schlucke rausspuck! Aber gut, dann hab ich sowieso nix zum Verdaue!

Ach, Armin, bei dir kann mer wirklich sage: »Was de Bauer net kennt, frisst er net.« Für dich koche macht richtig Freud! Komm, les! Aber später zum Tatort sitz’sch zu mir rüber, gell?

Sie klopft für ihn einen Kissenplatz neben sich zurecht. Er liest etwas zerstreut, blättert rum. Sie schaut fern, gähnt, blättert in Zeitschriften. Eine halbe Minute. Dann sie …

Übrigens, Armin. – Hör’sch zu?

Moment. Ich les grad den Satz fertig. – Was?

Neumanns ware kürzlich im »Prinz Carl« zum Esse. Ganz nobel! Sie ware ei’glade.

Denk ich mir. Normal gehe die doch nur mit so’me Gutschein-Heftle für verschiedene Lokale esse. Werbung. Die zwaite Person gratis.

Es hätt Kalbsrouladen an Edelbitter-Schokoladensoße mit Chili g’ebe. Dazu Wildreis mit essbare Blüte dekoriert.

Pfui Teufel! Blume fresse Küh uff de Wies aus Versehe!

Die Doris hat g’sagt, des hätt sogar ihrem Siggi g’schmeckt. Sensationell!

Fürz! Aber wenn die ei’glade sin, schmeckt dene alles. – Was isch?

Des Rezept wollt ich am kommende Sonntag mol ausprobiere. Die Soß jedenfalls. Die Blüte könnt ich jo weglasse.

Gut, dass ich des vorher waiß! Dann geh ich in d’Wirtschaft. Im »Goldene Kreuz« gibt’s sonntags Saure Nierle mit Bratkartoffel.

Was ha’sch vor?

Ich hol mir e Bier aus’m Kühlschrank.

Könnt’sch du mir die a’gebrochene Flasch Prosecco mitbringe? Wo steht die?

Im Türfach! Nebe der Flasch Aperol! Die kann’sch a glei mitbringe!

Sonscht noch was?

Ja. Eiswürfel vom G’frierfach! Un halt! Noch en Orangeschnitz! Die Orange sin in dem Netz nebe de Spüle! Aber die Schal vorher wasche! Des wär super! Ach so, noch e Kelchglas! Obe rechts!

Herrgottnochmol! Jetzt hätt ich mich beinah g’schnitte!

Er schimpft in der Küche rum. Dann stellt er die Sachen hart in die Durchreiche. Will mit der Bierflasche in seine Lese-Ecke.

Ja was isch? Also jetzt kann’sch mir des bitte a noch herstelle. Bitte!

Er stellt ihr alles brummig auf den Couchtisch. Sie schenkt sich Prosecco und Aperol ein. Er wirft einen Orangenschnitz ins Glas. Es spritzt.

Zum Wohl! Trinke kann’sch hoffentlich selber? – Was guck’sch denn grad?

Ich seh’s net! Weil du vor’m Bildschirm steh’sch!

Ach Gott! »Die Fallers«! Bringe se die Schwarzwald-Soap immer noch?

Ja. Aber des isch eine DVD von der Sonja.

Aha! Kulturaustausch? Hat se von dir eine DVD von der »Mäulesmühle«?

Jetzt lass mich doch! Ich seh die Fallers gern. Schon wege der schöne Landschaft.

Des versteh ich halbwegs. Aber die Leut könnte se aigentlich weglasse. Nur Natur! Ein Hirsch am Waldrand. Hase bei der Paarung. Wunderbar!

Quatsch! Die Handlung g’hört dazu! Des sin ganz alltägliche G’schichte von einer Bauernfamilie in dem Schwarzwalddorf!

Nur dass es des Dorf garnet gibt! Des steht im Container-Studio in Baden-Baden! Und von dene Fernsehbauere kann kainer e Kuh melke!

Oh, Armin! Des isch doch mir jetzt egal! Du wollt’sch doch lese! Bis der Tatort kommt, isch noch Zeit. Also. Sitz in dei Eck un gib Ruh!

Er trollt sich misslaunig in seine Ecke. Versucht zu lesen. Kann sich nicht konzentrieren. Man merkt, dass es in ihm rumort. Er zieht Zigaretten aus der Tasche. Will sich eine anzünden. Ihr entgeht das nicht.

Bitte, raus uff de Balkon! Was habe mer ausg’macht?

Ja, ja. S’isch jo gut! Netmol des derf mer noch! Ich zünd sie doch net a! Kalt rauche wird mer doch noch dürfe!

Von mir aus. Wenn du des brauch’sch?

Er gestikuliert mit der kalten Zigarette.

Herrgott, diese Fernsehglotzerei geht mir uff de Sack! Mir lebe doch garnimme live, Renate!

Jesses, was isch denn heut mit dir los? Kann’sch dich selber net leide? Oder was isch?

Ich waiß net! Der ganze Schrott, den mir uns am Fernseher nei’ziehe! Des isch doch im Grund verschwendete Lebenszeit!

Un des treibt dich jetzt um? Aber stundelang Fußball gucke mit Verlängerung bis zum Elfmeterschieße, des isch sinnvoll verbrachte Lebenszeit?

Darum geht’s mir jetzt net! Des kann mer außerdem net vergleiche!

Wieso net? Bitte erklär mir des! Wo isch der Unnerschied?

Pass uff! Fußball passiert in dem Moment, wo mer guckt. Live! Bis zum Schlusspfiff waiß niemand, wie’s ausgeht. Es gibt keine Inszenierung! Halt wie im richtige Lebe!

Und? Isch des nachher für dei Lebe wichtig, wie’s ausg’ange isch?

Ja. Des haißt nimme so arg. Aber genau deshalb will ich des vorher net wisse! Dann isch die Live-Spannung weg!

Also ich kann der Rumrennerei hinner so’me Ball nix abg’winne!

Renate, Frage: Was versteht man unter einem »Abseits«?

Hab ich mol g’wüsst. Aber aus’m Stand könnt ich des jetzt net sage.

Des wollt ich wisse! Dann kann ich dir die Faszination vom Fußball net erkläre. Zu kompliziert!

Macht nix. Du wollt’sch doch sowieso lese!

Taktik, Technik, schnelles Umschaltspiel, Pressing, versteh’sch?

Ja, les du! Bis der Tatort losgeht. Lass mich Fernseh gucke!

So e schönes Fußballspiel isch mir jedenfalls lieber als der Mischt im reguläre Programm!

Lieber Gott, bei achtzig Kanäl wird doch auch für dich was debei sei! Außerdem zwingt dich niemand, was zu gucke! Du kann’sch doch jederzeit ausschalte!

Ich zahl meine Gebühre aber net fürs Ausschalte-könne, sondern fürs Gucke-wolle!

Er steckt die Zigarette an. Sie sieht es. Hüstelt, wedelt vor dem Gesicht.

Was? Du rauch’sch im Zimmer? Raus uff de Balkon! Aber sofort!

Er erschrickt. Schaut ungläubig auf die Glut seiner Zigarette.

Jesses ja! Tatsächlich! Schon gut. Ich geh raus. Also so was!

Er verschwindet auf dem Balkon. Sie zappt schnell durch die Programme. Sein Kopf erscheint in der Balkontür. Er inhaliert genüsslich, bläst den Rauch nach hinten ins Freie.

Ach guck! Sie zappt! Achtzig Sender. Nix für dich dabei? Vielleicht so eine blöde Quizsendung? »Wer wird Millionär?« Wen int’ressiert denn des?

Des kommt im Abendprogramm. Aber den Kandidat int’ressiert des schon!

Kenn’sch du den vielleicht persönlich?

Natürlich net! Aber …

Dann kann dir des doch wurscht sei, ob der Millionär wird oder net! Ein wildfremder Mensch!

Wenn der sympathisch ist, fiebert mer halt mit.

Mir ein Rätsel, wie mer zugucke kann, wie annere schnell reich were!

Du bi’sch nur neidisch, wenn du die Antworte bis zum Finale selber g’wüsst hätt’sch!

Ich? Wozu sollt ich Millionär sei wolle? Geht’s uns schlecht, Renate? Mehr als gut esse, trinke, in Urlaub fahre könne mer net!

Mach die Tür zu! Komm rei oder bleib drauße! Es wird frisch!

Ja, glei. Zapp ruhig weiter. Irgendwo wird doch so e depperte Talkshow komme! Immer die gleiche Visage! Der Moderator hebt e Büchle in die Kamera. Des hätte der Sowieso grad g’schriebe. Müsst mer unbedingt lese!

Es gibt auch gute Gesprächsrunde. Des »Nachtcafé« mit dem Backes hab ich immer gern g’seh. Schad, dass der’s nimme macht.

Mir fehlt er net! Der kann von mir aus jetzt Golf spiele. Oder mit seine Enkel. Der hat genug verdient!

Aber als Moderator hat der was Feines g’habt! Was Einfühlsames. Der hat seine Gäscht geduldig zug’hört. Die Leut ausrede lasse.

Wenn ich dem sei Gehalt hätt, däd ich dich a ausschwätze lasse! Sogar anteilnehmend gucke!

Du, des ging oft um bewegende Schicksale! Do hat mol e Frau verzählt, wie sie nach dreißig Jahren Ehe …

Ich will’s garnet wisse! – Verzeihung! Der Backes hätt dich jetzt vermutlich net unnerbroche. Aber e Schicksal hat jeder. Mir langt mein’s!

Ach Gott, du Armer! So schlimm? Komm rei ins Warme! Setz dich zu mir. Oder les halt in Gott’s Name noch e bissl.

Er kommt ins Zimmer. Fröstelt. Sie richtet ihm einen Kissenplatz auf der Couch. Neben sich. Will offensichtlich kuscheln. Er geht mit der Bierflasche im Zimmer umher.

Ich waiß net, des Bier schmeckt mir heut net. Zu warm.

Stell die Flasch ins Tiefkühlfach. Darf’sch se nur net dort vergesse! Sonscht kann’sch des Bier schlotze.

Ich glaub, ich schütt’s weg.

Ich hab mich sowieso g’wundert. Zum Tatort sonntags trink’sch du doch immer dein Rotwein!

Aber heut isch net immer! Außerdem les ich!

Also ich hab dich noch net groß lese g’seh.

Er winkt schroff ab. Geht in die Küche. Kommt mit einer Rotweinflasche zurück. Er liest das Etikett.

So, den probier ich jetzt mol! »Mit den besten Empfehlungen, Ihr Autohaus mit Herz«.

Er müht sich mit dem Öffnen der Flasche ab. Dabei redet er angestrengt und gepresst mit ihr.

Sag mol, des Serienfilmle mit dem Aff – mit dem Aff in der Hauptrolle, kommt des immer noch?

Ach, du main’sch »Unser Charly«? Kommt schon lang nimme.

Isch dene der Aff wegg’storbe? Eine Erlösung für die dressierte Kreatur! Schlimm! – Herrgott, der Korkezieher! Kein Millimeter!

Der Film war doch ganz luschtig!

Aber net – net für den Aff! – Des gibt’s doch net!

Tiere sin verspielt. Die muss mer net zwinge. Die mache so was gern.

So? Hat er dir des g’sagt? – Au! Abg’rutscht! Ich schmeiß die Flasch glei an d’Wand!

Könnt des en Schraubverschluss sei, Armin?

Was? – Tatsächlich! Also dass die ihre Kunde so was schenke!

Er schenkt sich ein Glas ein. Probiert erst genießerisch mit geschlossenen Augen. Reißt dann die Augen auf und verzieht das Gesicht.

Und? Wie isch er?

Des beschte isch, Kork hat er net. Aber sonscht? Zur Kundenbindung nicht geeignet.

Dann wechsel halt die Werkstatt! Jetzt lass mich Fernseh gucke!

Nochmol zu dem Affefilm. Die Vermenschlichung von Tieren zur Volksbeluschtigung geht mir gege de Strich! Umgekehrt isch mir des wurscht!

Wie – umgekehrt?

Von mir aus könne sich in dem »Dschungelcamp« Mensche zum Aff mache! Des geht leichter. Ohne Dressur. Jeder Primat hat mehr Würde!

Du, des sin oft arme Deufel, die des Geld brauche! Ex-Stars in Privatinsolvenz.

Dann solle se zum Amt geh! Hartz IV! Beim Aldi Regale ei’räume!

Manchmol sin des junge Leut. Die sehe des als Sprungbrett für die Karriere.

Ohne Talent kann’sch pfundweis Würmer fresse!

Gut, es gibt schon tragische Figure im Camp. Der Wendler hat’s dort net lang ausg’halte.

Wendler? Kenn ich net. Wer soll des sei?

Ach, so’n karrieregeiler Schlagerfuzzi.

Du kenn’sch dich aber gut aus! Sag bloß, du guck’sch den Dreck?

Um Gottswille! Aus Versehe hab ich mol nei’geguckt.

Komisch. Sendunge, die niemand g’sehe habe will, habe gigantische Einschaltquote! Kapier ich net!

Armin, bitte! Was lauf’sch denn mit dem Glas Wein im Wohnzimmer rum? Des macht mich nervös! – Was isch denn heut mit dir los?

Nix! Was soll los sei? Nix, wie immer!

Was soll denn des jetzt haiße?

Komm, vergess’ es!

Er füllt sich im Stehen noch ein Glas ein. Trinkt es in einem Zug. Er greift nach den Zigaretten. Als er ihren Blick sieht, steckt er die Zigarette zurück, schmeißt das Päckchen auf den Lesetisch.

Sag mol, Armin! Wie bi’sch denn du heut druff? War was im Betrieb? Des könnt’sch mir doch sage! Ärger g’habt?

Nur de ganz normale Wahnsinn!

Sitz her zu mir, komm!

Er stützt sich mit den Ellenbogen auf das Brett der Durchreiche. Redet in die Küche. Murmelt, sie nachmachend.

Ja, sitz her zu mir. – Sitz her zu mir …

Er dreht sich abrupt um. Sie zuckt zusammen. Er stellt sich zwischen Fernseher und Couch. Brüllt fast, gestikuliert.

Herrgott, jeden Sonntag lauft des so ab! Rotwein, Knabberzeug, Tatort, ins Bett falle! Widder e Woch rum!

Jesses, Armin! Was …?

So isch’s doch! Ich hab die Glotzerei satt! Diese abendfüllende Verblödung! Dieses Secondhand-Lebe!

Um Himmelswille, Armin! Krieg dich widder ei! Burnout oder was?

Sie geht in die Küche. Kommt mit einem Glas Wasser, in das sie aus einem Fläschchen Tropfen schüttet.

Da. Trink des. Altes Hausmittel. Baldrian. Des beruhigt.

Des brauch ich net! Gib her!

Er kippt das Glas an eine Zimmerpflanze. Wird aber ruhiger.

Diese Liebesschnulze aus der High Society! – Villa mit Seeblick. Bootssteg. Landsitz mit Gestüt. Jede Menge Personal. Köchin, Gärtner. Womöglich ein Butler. Ein Reitlehrer in Vertrauensstellung, der aber mit dem Töchterle was hat. Stallbursche. – Was mach’sch?

Ich trink mein Aperol un hör dir zu.

Wo war ich grad?

Bei Stallbursche.

Genau! Was habe solche Filmle mit unserm Lebe zu schaffe? Des isch doch net unser Welt!

Also ich will mir unser Lebe net a noch im Fernsehe a’gucke müsse!

Was soll des haiße? Kann’sch du dich vielleicht beklage, Renate?

Des net! Nur als Spielfilm wär’s a bissl langatmig.

Aber was so adelige Schmarotzer oder Millionäre treibe, des int’ressiert dich? – Morgens ein Ausritt über die Ländereien. Im Mercedes Cabrio zum Golfplatz. Danach eine Runde schwimme im Pool. Dass mer für die Charity-Party obends widder fit isch?

Schlecht wär so ein Lebe net. Könnt ich mir vorstelle, doch.

Mit Wattebäuschle zwische de Zehe am Poolrand Fußnägel lackiere. Wär’s des?

Au, guck! Des sollt ich mol widder mache. Der Lack blättert schon ab! Gut, dass du des sag’sch! Des sieht net schön aus!

Wenn du des mach’sch, Rena, schneid ich mir d’Fußnägel!

Unnersteh dich! Aber net im Wohnzimmer!

Sieh’sch du in dene Filme, dass mol jemand was schafft?

Darum geht’s doch in dene G’schichte net! Des wird nur angedeutet. Die verdiene ihr Geld mit Telefoniere oder so.

Wie ich, gell? – Hör zu, als alter Gewerkschaftler im Betriebsrat g’hört für mich die Arbeitswelt zum Lebe! Ich will wisse, wo die Kohle herkommt!

Es gibt Dokumentarfilme über die Arbeitswelt. Dann guck so was! Aber Spielfilme lebe von Gefühlen, Liebe, Leidenschaft, Intrigen!

Hör doch uff! Nach fünf Minute waiß mer, wie’s ausgeht! Des isch doch immer des gleiche Happy End!

Er steht auf. Geht in die Zimmermitte. Er parodiert.

Schluss-Szene! Langer Kuss in Großaufnahme. Dazu Hintergrundmusik wie Nutella streichzart. Von dem Schmalzgeiger, dem Rieu.

Ich mag des, wenn was gut ausgeht. Mit Happy End. Deshalb steht im Programmheft »Liebesromanze« – un net Drama!

Er geht nicht auf sie ein. Spielt Liebespaar. Er umarmt sich selbst. Seine Hände berühren sich fast auf seinem Rücken. Er streichelt sich, krault sich am Nacken. Sie lacht.

Des ha’sch früher besser könne. Vor deiner Schulteroperation. Rechts komm’sch nimme richtig rum, gell?

Er spielt unbeirrt weiter. Wenn der Mann spricht, blickt er nach unten. Bei der Frau nach oben.

Sobald er nach dem zärtliche Zungekuss widder Luft kriegt, Heiratsantrag! Der fehlt noch! Er: »Ich liebe dich, Olivia. Willst du meine Frau werden?«

Mach Schluss, Armin! Mir sin doch net im Theater!

Sie haucht zu ihm hoch: »Ja, Guido, ja. Von ganzem Herzen.« So ein Schmäh!

Ende der Parodie.

Dann greif’sch du zum Päckle Tempo! Des liegt schon vorher parat.

Mein Gott, ich steh halt zu meinem Gefühl! Männer habe damit Probleme.

Ich net! Ich kann Gefühle rauslasse. Ich kann sogar sentimental sei!

Ja, ich waiß. Nach e paar Viertel Wein. Furchtbar!

Aber von so’me Kitschfilm lass ich mir net an de Tränedrüse rumdrücke!

Komm, bei »Herzen im Sturm« neulich hab ich zu dir rüberg’schielt. Viel g’fehlt hat net. Deine Mundwinkel habe gezuckt. Dann bi’sch uff’s Klo.

Ich hab pinkle müsse! Aber mir war’s wirklich zum Heule!

Also doch! Schön, dass du des zugib’sch.

Aber net vor Rührung! Sondern vor Zorn! Weil ich widder neunzig Minute meiner Lebenszeit mit so’me Scheißdreck verplempert hab! Dir zuliebe, Renate!

Danke, Armin! Ha’sch dich geopfert?

Aber in Zukunft mach ich des nimme! Wenn ich im Vorspann widder Rosamunde Pilcher les. Oder Ute Sanella …

Danella haißt die Frau! Utta Danella!

Von mir aus! Dann les ich lieber e g’scheits Buch!

Übrigens, was les’sch denn grad?

Ich hab mich noch net entschiede. Ich komm jo net dazu!

Der Tatort kommt heut sowieso später. Sie bringe nach der Tagesschau ein »Spezial« zur Flüchtlingskrise. Int’ressiert dich des net?

Des steht morge in de Zeitung. Wenn mer sowieso nix mache kann, erfahrt mer alles früh genug.

Sie kramt in einer Schublade im Wandschrank. Holt eine angebrochene Tüte Erdnüsse raus, die sie in eine Schale kippt. Sie probiert.

Die Erdnüss sin alt. Die schmecke ranzig. Probier mol!

Ich will jetzt net. Schmeiß se halt fort!

Des Gückle isch a’gebroche. Wie kommt des überhaupt in die Schublad zum Knabberzeug? Also, ich hab die Erdnüss net gekauft! Des wüsst ich!

Ja, des war ich! Aber erinner mich net an die G’schicht! Ein Alptraum! Schwamm drüber!

Nix! Des will ich jetzt wisse! Wer gegackert hat, muss a lege!

Er setzt sich auf die Couch ans andere Ende.

Also des war so. Mir ware doch mol bei Neumanns zum Esse ei’glade. Erinner’sch dich?

Klar, noch net lang her. Grünkühl mit Pinkel. Norddeutsche Spezialität. Hat aber gut g’schmeckt.

Des ess ich nie mehr! Am näschte Tag war die Verabschiedung vom Endres Erich. Nach vierzig Jahr im Betrieb. Umtrunk in de Kantin. Die Kollege vom Betriebsrat.

Was hat des mit dene Erdnüss zu schaffe?

Ich will’s doch grad erkläre! Aber wenn du mich unnerbrech’sch …

Entschuldigung. Ich höre!

Also ich bin damals vorsorglich mit der Stadtbahn g’fahre. Am Hauptbahnhof steig ich um. Ich spür schon ein Rumore im Bauch. Durchfall! Aber wie! Des langt nimme! Der verfluchte Grünkohl!

Und? Was weiter?

Ich hetz durch die Bahnhofshall. Kalter Schwaiß. Richtig renne hab ich garnimme könne. Guck, nur noch so! Wie manche Fraue!

Er steht auf, macht es vor. Knie geschlossen, Waden seitlich raus.

So renn ich aber net!

Ich spür schon, der Schließmuskel klemmt den drecks Grünkohl nimme lang ab! Es kommt schon e bissl. Glei haut’s alles raus!

Jetzt dapp’s net aus! Ich kann’s mir vorstelle!

Ich zur Bahnhofstoilett. Drehkreuz. 50-Cent-Münz. Hab ich net! Ich wollt schon über die Absperrung flanke. In dem Moment: Bahnhofspolizei. Ausweiskontrolle! Hab scheint’s verdächtig ausg’seh.

Hätt’sch dene deine Notlage net erkläre könne?

Ach was! Mir war in dem Moment alles egal. Zaig deine Papiere, mach ein freundliches G’sicht un scheiß halt in d’Hos, hab ich mir g’sagt. So weit war ich!

Ach Gott, des schlagt doch durch! Also ins G’schäft hätt’sch nimme könne!

Natürlich net! Aber uff’m schnellschte Weg haim. Mit’m Taxi!

Der Fahrer hätt sich g’freut!

Des hätt der net merke müsse. Fenschter runner, dass der Fahrtwind die Luft verwirbelt. Sich vom Sitz hochstemme, dass mer net voll druffhockt. Die paar Kilometer wär des g’ange.

Du ha’sch vielleicht Nerve! – Aber die Erdnüss, Armin!

Jetzt wart doch! Des kommt noch! Durch die Kontroll war ich en Augenblick abg’lenkt. Aber dann kommt’s widder. Ich stürm in den Lade mit Reiseproviant. Schnapp die Tüt Erdnüss vom Regal.

Ha’sch geglaubt, die stopfe?

Schwätz doch net! Des hätte Gummibärle oder Tampons sei könne! Hauptsach Wechselgeld für des blöde Drehkreuz!

So was nennt mer einen Panikkauf.