Söldnerfluch - Tom Lloyd - E-Book

Söldnerfluch E-Book

Tom Lloyd

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Beschreibung

Er nennt sich Luchs. Er kennt nur ein Leben, nämlich das Soldatenleben. Luchs schlägt sich schon seit Jahren als Söldner durch, und das eigentlich mehr schlecht als recht. Doch dann muss er für seine neuesten Auftraggeber ein Mädchen retten – und das hat zu allem Unglück auch noch eine magische Begabung. Und wird vom mächtigsten Ritterorden gesucht. Also genau das, was Luchs gerade noch gebraucht hat. Aber leider hat Luchs ein verflucht gutes Herz – und eine verdammt gute Waffe …

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TOM LLOYD

SÖLDNER

FLUCH

Roman

Aus dem Englischen von

Michael Siefener

Deutsche Erstausgabe

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Das Buch

Luchs ist ein Söldner der besonderen Art: ein Söldner mit Ehrgefühl. Im Gespaltenen Königreich gibt es nicht mehr viele wie ihn, das steht fest. Nachdem er von dem Land, dem er einst als Soldat gedient hatte, verstoßen wurde und er des Kämpfens nun müde ist, sucht Luchs nach einer neuen Aufgabe. Da er nicht viel zum Leben braucht, schlägt er sich meist mit Begleitschutzdiensten durch, damit am Abend sein Bauch voll und seine magische Waffe wieder geladen ist. Dienst in einem Söldnerheer ist das letzte, was Luchs jetzt braucht – aber nachdem sein letzter Auftrag entsetzlich schief gegangen war und er mehr oder weniger blank ist, heuert er kurzerhand bei Anathins Kartenspiel an, einer durchreisenden Truppe, bei der jeder Offizier nach einer Spielkarte benannt ist. Was nach einem schnellen Auftrag aussieht, wird jedoch schon bald zu einem Albtraum – und nur Luchs’ Erfahrung, seine zuverlässige Waffe und sein Überlebenswillen können ihn in dem kommenden Abenteuer noch helfen …

Der Autor

Tom Lloyd wurde 1979 in Berkshire geboren. Nach einem Studium der Politikwissenschaften und Internationalen Beziehungen in Southampton hat er für diverse Verlage und Literaturagenturen gearbeitet, bevor er mit seiner Sturmkämpfer-Saga international Erfolge feierte. Tom Lloyd lebt in Oxford.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Titel der Originalausgabe

STRANGER OF TEMPEST

Deutsche Erstausgabe 08/2017

Redaktion: Joern Rauser

Copyright © 2016 by Tom Lloyd

Copyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München,

unter Verwendung von Arcangel/Stephen Mulcahey und

Shutterstock/Algol

Satz: Christine Roithner Verlagsservice, Breitenaich

ISBN 978-3-641-21212-4V001

www.heyne-fantastisch.de

Für Euan Richard Lloyd-Williams

Erstes Zwischenspiel

Jetzt

Für eine Dame in Not war sie an viel mehr Stellen mit dem Blut von jemand anderem bedeckt, als Luchs es erwartet hatte. Und sie war nackt. Vollkommen nackt.

»Also?«, fragte sie.

Luchs starrte sie noch ein wenig länger an. Schließlich kamen seine Worte als ein verlegenes Gemurmel hervor. »Äh …, wir sind gekommen, um dich zu retten, Miss.«

»Ihr müsst warten«, fuhr sie die Truppe der Söldner an, die in der Tür standen.

»Puh.«

Luchs versuchte noch ein paar Worte zu sagen, aber irgendetwas in seinem Kopf hatte in dem Augenblick die Arbeit eingestellt, in dem sie die Tür geöffnet hatte, und seine Zunge schien den ganzen Mund auszufüllen. Der betörende Duft von Vanille und Nachtjasmin vernebelte seine Gedanken. Der abgebrühte Veteran Varain neben ihm klang ganz so, als müsste er ersticken, während der stille Riese Reft so wortlos blieb wie immer.

Damit wurde es zu Safirs Aufgabe, sich daran zu erinnern, wie man Worte korrekt gebrauchte, und sogar der ehemalige Adlige zögerte, bevor er sich tief verneigte.

»Wir stehen zu Befehl, Mylady.«

Dies rief ein schmales Lächeln bei ihr hervor. »Ich bin froh, dass wenigstens einer von euch schon einmal eine Frau gesehen hat.«

Safir neigte den Kopf und hüstelte höflich. »Ah, Mylady …«

»Ja?«

»Euer … äh … Freund«, sagte er und zeigte an ihr vorbei. »Er hat ein Messer gefunden.«

Nachdem es Luchs endlich gelungen war, den Blick von der Frau abzuwenden, bemerkte er einen halb angekleideten Mann mit blondem Haar und gemeißelten Gesichtszügen, der benommen durch den Raum hinter ihr stapfte. Blut tropfte aus seiner gebrochenen Nase auf sein einstmals feines weißes Wams, und seine Seidenstrümpfe waren zerfetzt und hingen herunter. Als der Mann die Hose hochzuziehen versuchte, die ihm bis zu den Knöcheln heruntergerutscht war, zerriss er sie nur noch mehr, denn er blieb mit dem einen Fuß in ihr hängen.

Nicht weit entfernt lag auf dem Boden ein smaragdfarbenes Seidenunterhemd. Der Geruch von Branntwein verriet Luchs, dass der Mann wohl ins Zimmer gestolpert sein musste und ihr die Kleidung vom Leib gerissen hatte, nachdem sie ihm die Tür geöffnet hatte. Eine gebrochene Nase war gewiss ein gerechter Preis dafür.

Schließlich gelang es dem Mann, seine Hose über die Knie zu ziehen, und dann schlurfte er vorwärts und schwenkte einen Dolch mit goldenem Griff in die Richtung der Neuankömmlinge. Sein langes, eingeöltes Haar klebte an der einen Seite seines Gesichts, und er bewegte die geschwollenen und blutenden Lippen in dem Versuch, nach Hilfe zu rufen.

»Oh, bitte.«

Die Frau seufzte, ging in das Zimmer zurück und beachtete die Klinge, die Safir ihr darreichte, nicht weiter. Stattdessen nahm sie einen Kerzenleuchter von einem Beistelltisch und schlug mit einer heftigen Rückhand zu. Sie erwischte den Adligen am Handgelenk, und Luchs hörte, wie unter dem Aufprall etwas zerbrach. Während die Klinge aus dem Griff des Mannes fiel, rammte sie ihm das Knie in den Magen. Der Stoß warf ihn gegen den reich verzierten Bettpfosten und nahm ihm die nötige Luft, um einen weiteren Hilferuf auszustoßen.

»Lady Racke«, rief Anatin hinter Luchs. »Wir hinken ein wenig hinter unserem Zeitplan zurück. Könnten wir das hier bitte rasch beenden?«

Luchs warf einen Blick zurück auf den Kommandanten der Männer. Der grauhaarige Mann schien nicht im Mindesten überrascht zu sein, dass ihr angeblich fünfzehnjähriges Entführungsopfer in Wirklichkeit eine muskulöse Veteranin von etwa dreißig Lenzen war. Der Glanz des Schweißes auf ihrer Haut hob ihre zahlreichen Narben nur noch stärker hervor. Und es schien ihn auch gar nicht zu erstaunen, dass sie gerade einem bewaffneten Adligen den Atem aus dem Leib prügelte.

Ihr langes Haar war tiefrot und vor ihren gegenwärtigen Anstrengungen noch sorgsam frisiert gewesen, während ihre Fingernägel passend zu ihren blutigen Fingerknöcheln lackiert waren. Obwohl sie nackt war, stand sie stolz und aufrecht da. Sie bewegte sich mit zielgerichteter Geschmeidigkeit und beachtete die Söldner kaum, die sie wie lüsterne kleine Jungen anstarrten. Luchs bemerkte, dass er die Luft angehalten – und sie beobachtet – hatte. Und nun atmete er heftig aus.

»Lady Racke?« Die Frau lachte. »Das klingt gut.«

Sie schlug dem Adligen noch einmal gegen die schon gebrochene Nase, sodass er rücklings auf das Bett fiel und jammerte.

»Du«, befahl die Frau und zeigte auf Luchs. »Kleider sind in der Schublade dort, Stiefel im Schrank.«

Luchs blinzelte sie verständnislos an. Nachdem ihm Anatin einen Schlag gegen den Kopf versetzt hatte, steckte er sein Schwert zurück in die Scheide, zog den Kopf ein und murmelte. »Kleider, ja, in Ordnung.«

»Guter Junge.«

»Wer bei der kältesten Schwärze ist er denn?«, fügte Luchs hinzu, während er die Schublade aufzog, ein Seidenkleid beiseite warf und nach etwas Praktischerem suchte.

Zwei Kurzschwerter lagen unter einem einfachen Hemd und einer Hose. Er holte alles heraus und warf es auf einen Stuhl. Dann schüttelte er den Kopf, als wollte er das Bild der Lady Racke, das sich in ihn eingebrannt hatte, vertreiben. Er fachte seine Wut an, um sich von dem Aufruhr in seinem Magen abzulenken.

»Dieses Sonnenscheinchen?«, fragte Lady Racke und hob den schlaffen Kopf des Mannes an. »Hast du wirklich keine Ahnung?«

»Ich weiß nur, dass wir die ganze Zeit belogen worden sind«, sagte Luchs. »Das da unten waren richtige Soldaten, und dies hier ist nicht das Haus irgendeines kleinen Adligen, der kein ›Nein‹ gelten lässt.«

Racke ließ den Mann los und zog sich Hemd und Hose an. »Ihr seid Söldner«, meinte sie. »Ihr tut, was man euch sagt, und dafür werdet ihr bezahlt.«

»Luchs«, sagte Anatin in warnendem Tonfall, »ausgerechnet du hast nicht das Recht, jetzt plötzlich pingelig zu werden.«

Luchs schenkte dem Kommandanten einen gleichmütigen Blick. »Ich habe mich zu einer Rettungsaktion verpflichtet, aber nicht zu einem Mordanschlag. Diese Sache scheint viel gefährlicher zu sein, als wir dachten. Hast du deinen Leuten eigentlich gesagt, worum es in Wirklichkeit geht?«

Racke machte einen Schritt auf ihn zu. Obwohl sie unbewaffnet und betörend schön war, lag eine Drohung in ihrem Gebaren, die ihn nervös werden ließ.

»Ihr wisst genug«, sagte sie mit fester Stimme. »Bringt mich aus diesem Haus und eskortiert mich aus der Stadt.« Ohne Vorwarnung erschien auf ihrem Gesicht ein verwirrendes Lächeln, das wie Sonnenstrahlen wirkte, wenn sie durch die Wolken brechen. »Und jetzt sei ein Süßer und hol mein Gepäck und meine Stiefel. Wir machen uns sofort auf den Weg.«

»Sie hat recht, Luchs«, sagte Safir und betrat das Zimmer, sodass Teschen, der Befehlshaber von Luchs’ Einheit, einen Blick hineinwerfen konnte. Sowohl der dunkelhäutige Safir als auch der helle Teschen waren Ritter und schienen keineswegs beunruhigt von dem, was sie sahen. »Ich kann die einzelnen Teile zu einem Bild zusammenfügen, aber jetzt ist nicht die Zeit dazu. Wir reiten erst aus der Stadt, und später können wir uns dann mit Beschuldigungen bewerfen wie … wütende Affen.«

Luchs holte die Stiefel und das Gepäck aus dem Schrank, auf den Racke gezeigt hatte. Dann sah er zu dem verprügelten Mann auf dem Bett hinüber, während Racke sich weiter anzog. Er hatte eine olivfarbene Haut und blaue Augen; gewiss war er ein Asann-Kaufmannsprinz. Nun, da sich Luchs eingehender umschaute, erkannte er, dass dies hier keineswegs die Residenz eines Adligen war. Eher war es das elegante Zuhause einer Kaufmannsgeliebten – wenn auch einer ungewöhnlich reichen.

Welches könnten die schlimmsten Schwierigkeiten sein, in denen wir jetzt stecken?

Luchs ließ die Schultern hängen. »Er ist der Princip des Rates der Geprüften, oder?«

»Nicht mehr lange«, gab Racke düster zurück und schnürte sich die Stiefel. Sobald sie damit fertig war, stand sie auf und gürtete ihre Kurzschwerter um. »Fertig, Anatin?«

Der Kommandant nickte Teschen zu und zeigte mit dem Daumen auf den Korridor hinter sich. »Wir sollten uns beeilen, falls es noch mehr Wächter gibt.«

»Die wird es nicht geben«, warf Racke ein. »Er kommt immer nur mit einer Handvoll, aber es werden Patrouillen auf den Straßen sein.«

»Also sind wir still und leise«, erwiderte Anatin. »Teschen, wirf einen Blick auf die Straße.«

»Leise? Sicher«, sagte Racke mit einem schwachen Lächeln. »Komm, du kraftloser kleiner Mistkerl.«

Sie packte den Princip der Geprüften – den Herrscher des gesamten Stadtstaates Grasiel – an seinem blutverschmierten Hemd und zerrte ihn in eine aufrechte Position. Der Mann wimmerte und schniefte und konnte sein eigenes Gewicht kaum tragen, aber Racke war schließlich eine kräftige Frau und packte ihn mit festem Griff.

»Ja, wir sollten still und leise sein.«

Racke schenkte den Söldnern ein wildes Grinsen und stand ruckartig auf. Mit offenem Mund sah Luchs zu, wie sie den Princip zu dem mittleren der Fenster mit den rautenförmigen Scheiben zerrte und ihn mit einem Grunzen der Anstrengung durch das geschlossene Fenster schleuderte. Das Glas explodierte in die Nachtluft hinein – und er flog hindurch. Während er noch hilflos mit den Armen ruderte, fand er seine Stimme wieder. Er fiel, und der Widerhall seiner Schreie endete mit einem ekelhaft dumpfen Knall, der von der Straße unter ihnen heraufdrang.

Einen Augenblick lang atmete niemand. Dann beugte sich Racke aus dem Fenster und stieß ein zufriedenes Grunzen aus.

»Seht ihr, jetzt ist alles still und leise«, sagte sie, während sie auf die Tür zuging.

Es war schon spät am Abend, und die Gegend war ruhig. Luchs rannte bereits durch den Korridor, als er die ersten Schreie hörte.

1

Zwei Wochen zuvor

Luchs schlug die Augen auf und bedauerte es sofort. Dunkle Steinmauern schwammen vor seinen Augen, umrahmt von einem dünnen Lichtschimmer, der durch die Gitter in der Tür hereinfiel. Er hielt die Luft an, als die Panik einsetzte und sein Herz in der Brust hämmerte. Es war eine Zelle.

Der erstickende Gestank nach Exkrementen und altem Schweiß traf ihn wie ein Faustschlag. Als der Schmerz durch seinen Kopf schoss, erblühten aus den dunklen Sternen vor seinen Augen Erinnerungen – an Stimmen von Männern, die schon lange tot waren, an Schreie in der Nacht und an den Biss von schartigen Eisenfesseln in seiner Haut.

Er schloss die Augen wieder, als könnte er sich von diesem Ort wegwünschen. Stattdessen bedrängte ihn nun aber eine andere Stimme – mit dem tiefen, rollenden Akzent des tiefen Südostens – und schnitt sich durch seine Angst. Es war die Stimme eines Mannes, den er früher einmal gekannt hatte. Eines Mannes, der ihn einst vor seiner eigenen Angst errettet hatte.

Luchs bezwang die Panik und öffnete noch einmal die Augen. Nun hatte er das Gefühl, dass sein Kopf in einem Schraubstock steckte. Für eine Weile war dies alles, was er spürte, doch allmählich begriff er, dass es kein gewöhnlicher Kater nach einem Trinkgelage war. Das Klopfen war an der einen Seite des Kopfes deutlicher als an der anderen, und er versuchte, die Haut mit den Fingern zu betasten. Dies rief eine ganze Reihe neuer Schmerzen hervor, zumal er feststellen musste, dass seine Handgelenke gefesselt und die Hände taub geworden waren. Auch seine Schultern waren verletzt und peinigten ihn.

»O ja, sie haben dich ziemlich schlimm zugerichtet.«

Luchs drehte den Kopf und fand dabei neue Gründe, jede seiner Bewegungen zu bedauern. Die Aussicht war nicht besser geworden, aber nun gesellte sich auch noch sein Hals diesem Jammerchor hinzu. Sein Blick verschwamm, als sich die Muskeln in einem Krampf zusammenzogen und die Mutter aller Kater ihm einen Tritt gegen den Kopf gab. Einen Moment lang sah er nur noch das Erinnerungsbild von Flaschen auf einem Tisch, und ein leises Ächzen entkam seinen geschwollenen und aufgerissenen Lippen. Er konzentrierte sich ganz auf den Schmerz und hieß ihn willkommen. Wenigstens war er besser als seine Erinnerungen.

Ein kleiner Mann mit langen Haaren saß auf einem Steinsims und knabberte an seinen schmutzigen Nägeln herum, während er Luchs beäugte.

»Wen hast du denn umgebracht?«

Unter dieser Frage zuckte Luchs zusammen, und sein verkrampfter Magen gab das wenige von sich, was sich noch in ihm befunden hatte, während alle anderen Schmerzen in seinem Körper um Aufmerksamkeit buhlten. Ein heller weißer Blitz schoss ihm durch die Augen und verdeckte alles andere, bis sich der Magen endlich wieder beruhigt hatte.

Getötet? Beim Flüstern der Nacht, was habe ich getan?

Das Gesicht des kleinen Mannes verzog sich zu einem grausamen Lächeln, als er die Füße von dem Erbrochenen auf dem Boden wegbewegte. »Muss eine höllische Nacht gewesen sein«, bemerkte er.

»Ich erinnere mich an gar nichts«, krächzte Luchs.

Er verstummte und sah den Mann genauer an. Irgendetwas an ihm stimmte nicht. Er hatte eine Zahnlücke. Passt. Er trug verschmierte, stinkende Kleidung. Passt auch. Ein Silberring an seinem Finger mit drei eingelassenen Rauten: schwarz, grau, weiß …, hm. Passt nicht.

»Das ist …«, sagte Luchs und rang nach Luft, weil ihm das Sprechen so schwerfiel, »das ist mein Ring.«

»Nein, das ist meiner.«

»Gib ihn mir zurück. Sofort.«

»Ich hab ihn schon vor einer ganzen Weile gefunden«, sagte der Mann, »und dein Name steht nicht drauf. Wichtiger ist aber noch, dass du wie ein Schwein angebunden bist und ich dir das Gesicht zu Brei schlagen könnte, wenn ich wollte. Du bist gar hier nicht in der Stellung, Befehle geben zu können.«

»Warum bin ich gefesselt?«

Der Mann kicherte. »Weil sie dich hier reinschleifen mussten. Fast die halbe Garde war nötig, um dich bewusstlos zu prügeln. Wie dem auch sei, ich nehme an, dass du letzte Nacht jemanden umgebracht hast. Dort, wo du hingehst, brauchst du also keinen Ring mehr.«

Luchs atmete mehrmals tief durch und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Selbst das Denken tat weh, und er rang nach Luft.

»Das ist mein Ring«, bekräftigte er schließlich noch einmal.

Der Mann sprang von dem Sims herunter und beugte sich dicht über Luchs. Nun hatte er die Zähne vor Wut gebleckt. »Und ich hab gesagt, er gehört jetzt mir, verdammt. Hast du das endlich verstanden, Fettsack? Das gefällt dir nicht, du angebundenes, kotzendes Schwein, oder?«

Luchs blinzelte und schloss ganz langsam die Augen. In seinem Kopf hallte es wie unter einer Tempelglocke. Die Verletzungen gaben ihm zusammen mit dem Kater den Rest. Innerlich schüttelte er sich.

Mit aller Kraft, die ihm noch verblieben war, packte Luchs das Hemd des Mannes und zog ihn zu sich herunter. Ihre Köpfe prallten gegeneinander, und Sterne loderten in seinen Augen, während der andere Mann aufschrie. Mit einem Ruck, bei dem die Welt vor seinen Augen verschwamm und sich sein Magen umdrehte, riss Luchs seinen stämmigen Körper hoch und drückte damit den des anderen Mannes zu Boden. Es war zwar nicht leicht, weil seine Arme und Beine gefesselt waren, aber mit seiner größeren Masse brachte er es schließlich fertig, den anderen bewegungslos zu machen. Luchs hatte einen Brustkorb wie ein Fass, und seine Arme waren so dick wie die Beine des anderen Mannes. Es stimmte schon, dass er etwas dicklich war, aber er war auch so kräftig, dass es nur wenige Dumme gab, die eine Bemerkung darüber machten.

»Weswegen bist du hier?«, knurrte er.

»Bastard!«, quiekte der andere Mann, während ihm das Blut aus der Nase schoss.

»Antworte mir, oder ich mache weiter.«

»Gut, gut! Diebstahl. Es war Diebstahl!«

»Da sitzt du also, halb so groß wie ich, und glaubst, dass ich wegen Mordes hier bin – und doch klaust du mir meinen Ring?« Luchs schloss die Hände um den Hals des Mannes – nicht zu fest, aber er ließ keinen Zweifel daran, dass er den anderen durchaus erwürgen konnte. »Bist du wirklich so dämlich?«

»Nein! Nein, nimm ihn zurück!«

Luchs spürte, wie Hände unter ihm herumtasteten, und er verlagerte sein Gewicht so, dass der Mann sich den Ring vom Finger ziehen konnte. In seiner Hast ließ er das Schmuckstück fallen, und Luchs stieß ihn von seiner Pritsche in das Erbrochene auf dem Boden. Dann tastete er herum, fand schließlich den Ring und steckte ihn an einen Finger seiner linken Hand.

»Mist«, jammerte der kleine Mann. »Bastard!« Er hielt sich den Ärmel seines Hemdes vor die Nase, richtete sich auf und kroch zu der anderen Pritsche. »Das war doch nicht nötig.«

»Und ob das nötig war«, murmelte Luchs und ergab sich den Schreien seines gequälten Körpers. Er sackte auf seiner Bettstatt zusammen, starrte aber den anderen Mann weiterhin an. Sein Blick verschwamm wieder, und er sah alles zuerst in purpurfarbenem, dann in rosafarbenem Licht, während alle Schmerzen gleichzeitig auf ihn eindrangen. Doch als er still dalag, vergingen sie allmählich wieder. »Du hast geglaubt, ich könnte mich nicht weit genug bewegen, um ihn zurückzubekommen.«

»Sie werden dich hängen«, keuchte der Mann. »Die Wächter kriegen deine Sachen sowieso.«

Luchs zuckte zusammen. »Halt den Mund.«

Bei den zerschmetterten Göttern, habe ich in der letzten Nacht wirklich jemanden umgebracht?

In der Hoffnung, dass seine Miene in dem Zwielicht der Zelle nicht allzu deutlich zu erkennen war, starrte Luchs die Decke an und versuchte, die geraden Rillen über ihm dazu zu bringen, sich nicht mehr zu bewegen. Er erinnerte sich an keinerlei Einzelheiten aus der vorigen Nacht, und je mehr er es versuchte, desto stärker schmerzte ihm der Kopf. Es war eine Wolke in seinem Geist, die alles verdeckte und verwirrte.

Gute Götter – welche Stadt ist das hier überhaupt? Wo bin ich?

Bevor er Klarheit darüber erlangen konnte, wurde die Zellentür aufgerissen. Luchs schaute auf und runzelte die Stirn, als er den Schaft aus Tageslicht sah, der nun den Raum zerschnitt. Allmählich aber gelang es ihm, sich auf die Gestalt in der Tür zu konzentrieren. Es war ein grauhaariger Mann, der die beiden Zellenbewohner finster ansah und die Hand an einer Keule hielt, die er sich in den Gürtel gesteckt hatte.

»Zeit zu gehen«, sagte er mit barscher Stimme.

»Ich, Herr?«, meldete sich der kleine Mann hoffnungsfroh zu Wort und stand mühsam auf.

»Nein.« Der Wächter verstummte und schenkte dem Dieb einen abschätzigen Blick. »Was ist denn mit dir passiert?«

Ein Stirnrunzeln. »Bin hingefallen.«

Der Wächter schnaubte und sah Luchs mit erhobener Braue an. »Er ist hingefallen, ja? Und darum ist sein Blut auf deinem Gesicht, ja?«

»Er ist auf die Stirn gestürzt«, murmelte Luchs und zuckte zusammen. »Er hat versucht, mich zu bestehlen.«

»Verdammte Schweinerei. Da steckt man einen Dieb in den Kerker, und der Kerl versucht weiter zu klauen.«

Luchs beschloss, nichts dazu zu sagen. Der Mann hatte vermutlich einen Scherz gemacht, aber er schien kein Gelächter zu erwarten, und außerdem war Luchs in seinem Zustand nicht nach Lachen zumute.

»Kannst du aufstehen, Verrückter?«, fuhr der Wächter kurz darauf fort. »Nach der letzten Nacht bin ich nicht gerade scharf darauf, dir die Fesseln abzunehmen.«

Luchs gab ein Grunzen von sich. Auch seine Beine waren gefesselt. Was immer in der vergangenen Nacht vorgefallen sein mochte, es hatte wohl notwendig gemacht, ihn wie einen Truthahn zusammenzubinden. »Ich bin nicht sicher, ob ich bis zur Magistratin gehen kann.«

»Dann ist heute dein Glückstag, denn du wirst sie nicht sehen. Du kommst hier heraus.«

»Wirklich?«

»Du musst ein Bußgeld bezahlen, und dann sind wir froh, dich endlich los zu sein.«

»Ich habe also niemanden verletzt?«

Rechts von ihm schnaubte der kleine Mann wütend, aber Luchs beachtete ihn gar nicht, und der Wächter brachte ihn mit einem finsteren Blick zum Schweigen.

»Nur den Stolz eines Mannes. Du warst so betrunken, dass du zu etwas anderem nicht mehr in der Lage gewesen bist.«

»Das ist eine gute Nachricht«, sagte Luchs erleichtert und blickte an sich selbst herunter. Er trug noch sein Wams, seine Hose und seine Stiefel, aber sein Schwertgürtel und die Überjacke glänzten durch Abwesenheit. »Also ein Bußgeld. Ich habe keine Ahnung, wie viel Geld ich noch besitze.«

»Genug«, sagte der Wächter grob. »Wir sind hier nicht allesamt Diebe. Du kannst jetzt mit mir kommen und deine Sachen holen.«

Luchs nickte. »In diesem Fall sind von meiner Seite keinerlei Schwierigkeiten zu erwarten«, sagte er und hob die Hände in einer übertriebenen Geste der Untwerwerfung.

»Er kommt mit einem Bußgeld davon?«, rief der kleine Mann wütend. »Er ist verrückt, das habt Ihr doch vorhin selbst gesagt! Vermutlich ist er auch ein Mörder! Er hat mir die Nase gebrochen, verdammt!«

»Halt den Mund«, sagten der Wächter und Luchs gleichzeitig.

Sie tauschten einen raschen Blick, und Luchs versuchte sich daran zu erinnern, welcher Gesichtsausdruck zu einer Entschuldigung passte. Er war sich durchaus der Tatsache bewusst, dass er noch immer gefesselt war und in einem Kerker steckte. Und er war sich keineswegs sicher, ob der Wächter verärgert oder bloß belustigt war; zumindest erwiderte er nichts.

»Deine Nase ist nicht gebrochen«, sagte der Wächter schließlich, »denn wenn sie es wäre, würdest du quieken wie ein Schwein. Außerdem interessiert es niemanden, wenn irgendein Diebesarsch das bekommt, was er verdient hat – und ganz bestimmt nicht die Magistratin. Offen gesagt, verglichen mit seinem Sturz auf den Stuhl, als er versucht hat, den alten Greyn zu schlagen, ist deine Nase ein bloßes Nichts.«

Diese Unterbrechung schien den Wächter zu einer Entscheidung geführt zu haben, denn plötzlich zog er ein Messer. Luchs spannte sich instinktiv an, als sich der Mann ihm näherte, doch dann senkte er den Blick und kam sich dumm vor.

»Entschuldigung. Alte Gewohnheiten.«

»Soldat?«

Luchs nickte.

Der Wächter hielt inne. »Auf welcher Seite?«

»Auf keiner, die ich heutzutage noch verteidigen würde.«

Der Wächter nickte und durchtrennte das Seil um Luchs’ Handgelenke. Als der schwere Söldner nur vor Erleichterung ächzte und sich die Gelenke rieb, verfuhr der Wächter mit den Fußfesseln auf gleiche Weise und trat zurück. Luchs setzte sich auf, so gut er konnte, und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Mauer.

»Danke.«

Das schien den Wächter zu überraschen. Er schenkte Luchs einen misstrauischen Blick, zuckte dann die Achseln und wich noch weiter nach hinten, damit Luchs aufstehen und die Zelle verlassen konnte. Dies tat Luchs ohne jede Hast. Der freundliche Mann wollte ihn gehen lassen, und Luchs hegte nicht die Absicht, ihn zu enttäuschen, auch wenn sein Körper heftig dagegen protestierte. Er schlurfte hinaus und blieb stehen, als der Wärter es ihm befahl. Er versuchte nicht umzukippen, während der Mann die Tür wieder verriegelte.

Als dies geschehen war, wurde Luchs den Korridor entlang- und eine kurze Treppe emporgeleitet, und schließlich erreichte er einen Wächterraum mit quadratischem Grundriss und wurde von den drei Gardisten davor finster angestarrt. Dünne Lichtstreifen fielen durch schmale Fenster in der gegenüberliegenden Wand, und Luchs geriet ins Taumeln, als er die Helligkeit wegzublinzeln versuchte.

»Dort hinüber«, befahl ihm der Wächter und zeigte auf eine offen stehende eisenbeschlagene Tür links von ihm. Aufgrund des unordentlichen Schreibtisches, der in dem dahinterliegenden Zimmer stand, vermutete Luchs, dass es sich um das Büro handelte, in dem die Häftlinge empfangen und entlassen wurden. Brav schlurfte er hinein, während ein stämmiger alter Wächter mit einem beeindruckenden Backenbart dort Position bezog. Der Wächter setzte sich mit wichtigtuerischem Gehabe hinter den Schreibtisch, öffnete ein großes Buch und sah Luchs missbilligend an.

»Name?«

»Luchs.«

Der Wächter zögerte. »Richtiger Name.«

»Luchs.«

Der Wächter legte die Handfläche auf die Seite des Registerbuches. »Hör mir zu, Söhnchen. Du kommst mit einem Bußgeld davon. Es ist jetzt nicht die richtige Zeit, mich zum Narren halten zu wollen.«

»Das ist mir klar«, sagte Luchs und fügte das »Herr« ein wenig später hinzu, als er es beabsichtigt hatte. »Den Namen, mit dem ich geboren wurde, habe ich vor vielen Jahren hinter mir zurückgelassen zusammen mit dem Narren, der so stolz auf ihn gewesen war. Ich heiße jetzt schon seit mehr als fünf Jahren Luchs. Und dieser Name passt besser zu mir als derjenige, den ich an einem Ort erhalten habe, der mir völlig gleichgültig geworden ist.«

»Und was ist das für ein Ort?«

»So Han.« Er wusste, was jetzt kam, aber er spürte trotzdem, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten, als sich die Männer um ihn anspannten.

»Du bist einer von ihnen, was?«

Luchs schüttelte den Kopf. »Nicht mehr seit dem Ende des Krieges. Von mir aus kann dieser Ort verrotten. Ich habe alles hinter mir gelassen, deshalb trage ich seitdem auch den Namen Luchs.«

»Warum ausgerechnet Luchs?«, fragte der Wächter, der ihn hierhergebracht hatte und nun neben den Älteren hinter den Schreibtisch getreten war. Von allen Männern im Raum hatte nur er keine Reaktion gezeigt, als Luchs seinen Geburtsort genannt hatte, was bedeutete, dass es sich bei ihm vermutlich um einen Mann aus dem Osten handelte. So Hans brutaler Eroberungsfeldzug hatte einen beträchtlichen Teil der Größeren Seen geschluckt, aber dann war er in sich zusammengebrochen, bevor er das andere Ende des Kontinents erreicht hatte.

Luchs zuckte die Achseln nur so weit, dass ihm sein Kater keine Schmerzen verursachte.

»Luchse leben nicht in Rudeln und ziehen ihre eigene Gesellschaft der aller anderen vor. Sie verlassen sich nur auf sich selbst, sind aber keineswegs die Größten und Härtesten da draußen. Ich möchte der Welt nicht vorgaukeln, dass ich so gefährlich wie ein Berglöwe bin. Das bringt einen Mann in noch größere Schwierigkeiten als der Alkohol.«

Sein Versuch eines selbstironischen Lächelns erregte keine Reaktion bei seinen Zuhörern, also fuhr er rasch fort: »Außerdem haben meine Augen eine seltsame Farbe. Als ich jung war, hieß es, sie sähen wie die Augen einer Katze aus.« Luchs drehte sich um und betrachtete den Mann eingehend. Er blinzelte und gewährte dem anderen einen deutlichen Blick auf seine gelb gesprenkelten, ansonsten aber braunen Augen.

Der ältere Wächter grunzte. Ihm schien Luchs eher gleichgültig zu sein, auch wenn er dessen Namen offenbar nicht mochte.

»Also gut, Luchs aus So Han. Wir haben uns deine körperlichen Merkmale aufgeschrieben. Wenn also irgendwann ein Kopfgeldjäger kommt und nach dem Mann sucht, der du früher einmal gewesen bist, dann erhält er von uns eine klare und deutliche Beschreibung.«

Luchs nickte. Die Narben auf seinem Rücken waren besonders ausgeprägt – eine der vielen Freuden aus der Armeezeit in seiner Heimat, und auf seinem Unterarm waren Katzenpfoten eintätowiert. Sie waren das Vermächtnis einer früheren durchzechten Nacht. Am offensichtlichsten aber war das komplexe Zeichen an seiner rechten Wange: ein stilisiertes Schriftzeichen aus dem Süden, das mit »Ehre oder Tod« übersetzt werden konnte. Er zog es der Tätowierung vor, aber es war besser als das Gefängniszeichen, das es überdeckte.

»Niemand sucht nach mir«, sagte er. »Ich habe in den letzten Jahren nur als Leibwächter gearbeitet und mir keine Feinde gemacht.«

»Nun, dann empfehle ich, so weiterzumachen – und dich von Janagrai fernzuhalten.«

Luchs zuckte zusammen, als er sich plötzlich daran erinnerte, warum er überhaupt in diese Stadt gekommen war. »Ich muss hier erst noch etwas erledigen. Ich glaube, die Familie meines letzten Arbeitgebers lebt hier.«

»Du wirst mir doch nicht sagen wollen, dass du so dumm bist, noch deine Bezahlung von ihnen zu verlangen?«

»Ich möchte ihnen nur das zurückgeben, was ihnen gehört«, sagte er und schüttelte dabei den Kopf. »Wir wurden vor ein paar Tagen von Banditen überfallen, und Meister Simbly hat einen Pfeil in die Lunge abbekommen. Ich habe seine Güter und will sie seiner Witwe geben und ihr sagen, wo ich den Mann begraben habe.«

»Meister Simbly?«, knurrte der Wächter. »Ich kenne ihn …, kannte ihn. Wo ist das passiert?«

»Auf der Seestraße, die von Tambal hierherführt.«

»Warum habt ihr ausgerechnet diese Route genommen?«

Luchs zuckte die Achseln. »Er hat gesagt, er sei spät dran und müsse daher den kürzesten Weg einschlagen. Er hatte gehört, die Straße sei zu dieser Jahreszeit sicher, und ich bin nicht sein einziger Begleiter mit einem Gewehr gewesen. Er hatte außerdem noch Mitreisende aufgenommen: eine Frau, die angeblich aus der Küstengegend am Meereskanal stammte, und ihren Diener. Sie ist so etwas wie eine Militäroffizierin und heißt Kelleby. Sobald wir den Banditen ein paar Männer entgegengeschickt haben, sind sie verschwunden, aber sie hatten den verhängnisvollen Schuss bereits abfeuern können.«

Der Wächter sah seine Gefährten an, und jemand hinter Luchs sagte: »Ich habe die Frau gesehen. Sie wohnt gegenwärtig auch in der Herberge zum Hexenlicht und wartet auf eine Möglichkeit zur Weiterreise.«

Luchs nickte. Er erinnerte sich an den Namen der Herberge, in die er die Frau gebracht hatte. Er konnte nur hoffen, dass der Rest seiner eigenen Ausrüstung und auch Meister Simblys Waren noch dort waren, denn sonst würde er einen schlechten Eindruck machen.

»Hach«, rief der Wächter mit dem Backenbart einem jüngeren Gefährten zu, der in der Nähe wartete, »geh und finde sie. Überprüfe die Angaben. Ich glaube, ich sollte der Witwe Simbly die schlechte Nachricht persönlich überbringen.«

»Das werde ich tun«, sagte Luchs. »Schließlich war ich dabei, als er gestorben ist – schon deswegen ist es meine Aufgabe.«

Der Wächter kniff die Lippen zusammen und stand auf. »Wenn sie mit dir reden will, lasse ich dich holen. Hast du verstanden? Hach wird dich zum Hexenlicht bringen und sich um die Waren des Kaufmanns kümmern, damit es keinen Streit darum gibt.«

Seine Miene machte klar, dass diese Sache damit für ihn erledigt war. Luchs schwieg, während der Wächter den Lagerraum aufschloss und Luchs’ Schwertgürtel, seinen Dreispitz und die Überjacke herausholte. An dem Schwertgürtel hing eine hölzerne Munitionsschachtel, die ein wenig nach innen gebogen war, sodass sie sich den Umrissen der Hüfte anpasste. Allein der Anblick reichte aus, um Luchs den Schweiß auf die Stirn zu treiben.

»Ich habe also einen Kampf angefangen, als ich meine Munitionsschachtel dabeihatte? Bei der tiefsten Schwärze!«

Der Wächter nickte. »Ja, das haben wir auch gedacht«, sagte er und runzelte die Stirn. »Mir hat es ebenfalls nicht gefallen, aber ich war froh, dass all diese Brenner und Funker gut verpackt waren, wenn man bedenkt, dass du auf sie draufgefallen bist.«

Bei diesem Gedanken zuckte Luchs zusammen. Er hatte zwei Feuerbolzen und sieben Funkenbolzen in dem Behälter mit sich herumgetragen. Allein die vierundzwanzig Eisbolzen – kurz Eiser genannt – hätten leicht jemanden töten können, wenn er das Siegel am einen Ende der magisch aufgeladenen Patronen erbrochen hätte, denn diese von Zauberern hergestellten Waffen verfügten über eine ungeheure Kraft. Aber die Brenner oder Funker hätten das ganze Gebäude in Brand setzen und alle darin töten können.

»Ich vermute, mein Glücksvorrat für dieses Jahr ist damit aufgebraucht«, sagte Luchs, nachdem er überprüft hatte, ob die Ladungen noch sicher in ihren einzelnen Beuteln untergebracht waren. Der Wächter sagte nichts und wartete, bis Luchs fertig war, obwohl er dasselbe zweifellos schon selbst getan hatte. Doch es gab Dinge, die man unbedingt langsam und gründlich tun musste.

»Ein Bußgeld von fünf Silbern. Bitte hier unterschreiben.«

Luchs holte seine Börse aus einer Innentasche und wog sie in der Hand. Sie war ein wenig leichter, als er es in Erinnerung hatte, aber dafür war wohl die vergangene Nacht und der heftige Alkoholkonsum verantwortlich. Das Bußgeld riss noch ein beträchtliches Loch in den Rest, aber er wandte sich nicht dagegen, sondern schrieb nur seinen Namen in einer sauberen Druckschrift nieder, die erhobene Augenbrauen hervorrief. Als er damit fertig war, fuhr er mit der Hand über Schwert und Scheide und untersuchte sie nach Beschädigungen, dann legte er sich den Gürtel um die Hüfte. Es dauerte ein wenig länger, bis er die graue Jacke über seine schmerzenden Schultern gestreift hatte, und als es ihm endlich gelungen war, ächzte er vor Missbehagen.

Der Wächter sah ihn von oben bis unten an. Schwarze Stiefel, ein einstmals weißes Hemd, graue Hose und Jacke, schwarzer Dreispitz.

»Du magst Grautöne, was? Ist das vielleicht eine Zeichensprache der Söldner?«

Nicht die, die du erwartest, mein Freund, dachte Luchs, während er den Kopf schüttelte, sondern nur das Zeichen für einen Bruder, dass ich den Ring trage.

»Darauf zeigt sich der Staub der Straße nicht so deutlich.«

»Ziemlich ungewöhnlich für jemanden wie dich, selbst wenn du wie ein Adliger schreiben kannst. Ich rate dir, schnell weiterzureisen«, fügte der Wächter mit dem Backenbart hinzu, als Luchs seinen Hut richtete. »Du hast hier schon genug Schwierigkeiten gemacht.«

Luchs nickte. »Irgendwelche Vorschläge?«, fragte er, als er den Rücken durchdrückte, weil er vorhatte, mit erhobenem Haupt wegzugehen. »Schließlich bin ich jetzt arbeitslos.«

»Ja. Ich schlage vor, du duckst dich für den Rest des Tages in die Furche und verlässt die Stadt morgen früh – zu Fuß, wenn es denn sein muss.« Der Wächter sah ihn finster an. »Gib dem Wirt im Hexenlicht ein zusätzliches Trinkgeld, wenn du ihm den zerbrochenen Stuhl bezahlst. Sag ihm, dass er dich schneller von hinten sieht, wenn er dir einen Hinweis auf eine mögliche Beschäftigung geben kann.«

Luchs nickte und drehte sich zur Tür um. Der bärtige junge Wächter namens Hach öffnete sie und winkte Luchs heran. Sonnenlicht strömte herein; es schien ein wunderschöner Frühlingstag zu sein. Luchs runzelte die Stirn, als das Pochen in seinem Schädel stärker wurde. Er kniff die Augen zusammen und folgte dem Mann nach draußen.

2

Für einen unbedeutenden, hinterwäldlerischen Ort machte Janagrai einen recht guten Eindruck auf Luchs – sogar durch den Grauschleier des Katers hindurch. Er taumelte die Straße unter Hachs Führung hinunter und blinzelte in der Morgensonne zu den Häusern und Läden auf beiden Seiten hin. Über der Sonne befand sich die dunstige Schliere des Himmelsflusses, der als gewaltiges gestreiftes Band die ganze Welt umgab und hinter einem zerfetzten Wolkenvorhang nun kaum sichtbar war. Vor sich sah er einen großen Marktplatz, auf dem eine Handvoll Bauern ihre Waren ausgebreitet hatten, und an einer Ecke des Platzes stand ein L-förmiges Wirtshaus, das ihr Ziel zu sein schien.

Irgendwo im Hof eines der Läden bellten zwei Hunde und machten so viel Lärm, dass einige Gänse aus einem Teich, der dem Wirtshaus gegenüberlag, Reißaus nahmen. Luchs runzelte die Stirn – sowohl über den unwillkommenen Lärm als auch über das, was diese Gänse andeuteten.

»Ritter der Eiche, was?«, bemerkte er seinem Führer gegenüber. Luchs deutete mit dem Kopf auf das gedrungene Steingebäude hinter dem Teich, das zwar keine ausgesprochene Festung war, aber für einen möglichen Angriff ausnehmend gut gerüstet zu sein schien. Als sie daran vorbeigingen, sah Luchs den kleinen steinernen Baldachin über der Tür, der die zerfurchten Gesichtszüge und hervorspringenden Stoßzähne ihres Schutzgottes beherbergte: Ulfer, der Herr der Erde. Ein schwerer Vorhang aus Rankgewächsen zog sich über die halbe Flanke des Hauses, und ein chaotisches Blütenmeer aus Wildblumen bedeckte den Boden vor ihm; aus beidem drang das tiefe Brummen von Honigbienen. Der Duft der Pflanzen trieb über die Straße, und Luchs füllte sich die Lunge damit.

»Ja, Janagrai hatte eine der ersten Reiseherbergen in dieser Gegend«, erklärte Hach. »Hast du etwa Schwierigkeiten mit jemandem aus dem Orden?«

»Keiner von ihnen hat Schwierigkeiten mit mir«, stellte Luchs klar, »aber meiner Meinung nach sind Religion und Rittertum keine gute Mischung.«

»Ich dachte, deinesgleichen mag so etwas.«

Luchs zog eine Grimasse. »Wir aus So Han? O ja. Es hat mich schon immer erstaunt, dass die ersten Orden nicht von dort gekommen sind. Von den Göttern verliehene Autorität und überwältigende militärische Macht – das ist doch der feuchte Traum der meisten Lan Esk Ren. Aber sie mögen ausländische Priester nicht so gern.«

»Die hier bleiben unter sich.« Hach zuckte mit den Achseln. »Die Bewohner sind ihnen dankbar, denn wegen ihnen sehen wir eine Menge wohlhabender Reisender, die hier absteigen.«

»Das bezweifle ich gar nicht. Aber es reicht schon aus, wenn bloß ein einziger Bastard zu der Auffassung kommt, dass seinem Gott die Art und Weise nicht gefällt, wie ihr hier lebt. Dann verhalten sie sich plötzlich wie professionelle Soldaten, deren Waffen euch haushoch überlegen sind, und überdies liefern sie die ganze Munition für den Rest des Kontinents.«

»Irgendetwas sagt mir, dass du auch dann so fröhlich und unbeschwert bist, wenn du keinen Kater hast«, meinte Wisch und gab ein Schnauben von sich.

Luchs senkte den Kopf. »O ja, der persönliche Spaßmacher der Sonne – das bin ich die meiste Zeit. Das Söldnertum lässt einen Mann mit den Jahren richtig glücklich und zuvorkommend werden.«

Er versuchte sich an einem Lächeln zur Bekräftigung dieser unwahrscheinlichen Behauptung, aber es fiel ihm äußerst schwer. Rasch gab Luchs es auf und konzentrierte sich lieber darauf, in einer geraden Linie zu gehen.

Sie erreichten die Herberge und betraten einen relativ hellen Schankraum, in dem eine Frau und ein Mann an der Theke über ein Blatt Papier gebeugt standen.

»Guten Morgen, Meister Efrin«, rief Hach, und sein Lächeln wurde breiter, als er eine halbe Verbeugung vor der Frau machte. »Meisterin Pallow. Ihr seht so wundervoll aus wie immer.«

Mit einem Stirnrunzeln betrachtete Luchs den Raum, während sich seine Augen nach der draußen herrschenden Helligkeit allmählich an das Zwielicht gewöhnten. Trotz der großen, offenen Fenster war es hier drinnen noch immer angenehm kühl und schummerig, aber die Gesichter vor ihm konnte er nur verschwommen erkennen.

»Ihr habt Nerven, hierher zurückzukommen«, fuhr die Frau Luchs an, der sogleich auf seinen Absätzen ein wenig schwankte. »Habt Ihr in der letzten Nacht nicht schon genug Unheil angerichtet?«

Luchs hob die Hand. »Ich bin nicht hier, weil ich Schwierigkeiten machen will. Weil die Wächter Eurer Stadt«, er zeigte auf Hach, »die ehrlichsten sind, denen ich seit vielen Jahren begegnet bin, kann ich für den Schaden bezahlen, den ich angerichtet habe.« Er zuckte zusammen, denn die Anstrengung, gleichzeitig zu sprechen und zu denken, war beinahe zu viel für ihn. »Außerdem muss ich den Wagen meines früheren Arbeitgebers zu dessen Witwe bringen. Er steht in Eurem Stall. Ich hatte hier doch ein Zimmer gemietet, nicht wahr?«

»Allerdings«, lautete die knappe Antwort.

»Habe ich im Voraus bezahlt? Ich muss jetzt einfach nur ein wenig schlafen, etwas essen und dann sehen, wo ich Arbeit finden kann.«

»Wir werden nach ihm sehen«, fügte Hach hinzu. »Der Wagen gehört Herrin Simbly, und sie muss uns bestätigen, dass alle Waren noch da sind, bevor er uns los ist.«

Meisterin Pallow sah Luchs düster an, aber Hachs Worte hatten ihre Wut gedämpft. »Herrin Simbly? Ornan Simbly ist tot?«

»Banditen«, bestätigte Luchs und hoffte, dass seine Bemühungen als Ausdruck des Mitgefühls für seinen verstorbenen Arbeitgeber betrachtet wurden.

»Ich glaube, Ihr habt im Voraus bezahlt«, sagte sie nach kurzem Schweigen. »Geht, es ist der erste Raum auf dem Dachboden – ganz oben an der Treppe. Zum Mittagessen gibt es gebratene Zwiebeln und Kartoffeln; also muss ich Euch nicht wecken, denn Ihr werdet es riechen.«

Das Mittagessen kam und ging in einem wörtlicheren Sinne, als es Luchs lieb war, aber die wenigen Stunden, die er vorher hatte schlafen können, hatten den Zustand der Welt für ihn dramatisch verbessert. Zwar war er noch immer ein vernarbter, unerwünschter Verbannter aus einem Land voller Bastarde, die viele Jahre mit der Terrorisierung ihrer Nachbarn verbracht hatten, aber wenigstens konnte er wieder gerade und aufrecht gehen, ohne den Eindruck zu haben, dass ihm der Boden gleich entgegenkam.

Der Nachmittag verging ruhig, und die einzige Unterbrechung seines Selbstmitleides ereignete sich, als Luchs von einer großen und schönen Frau mit roten Rändern um die Augen aufgesucht wurde. Dass gerade sie die Herrin Simbly sein sollte, kam ihm sehr unwahrscheinlich vor, aber es gelang ihm, seine Überraschung zu verbergen, als er sich von seinem Stuhl hochquälte. Ihr Gemahl war ein freundlicher Knabe gewesen, doch er hatte ein wenig geschielt, und sein Haar war ihm auffallend dünn erschienen. Seine Frau war etwa genauso alt wie er, aber wenn sie feinere Kleidung getragen hätte, wäre sie Luchs wie eine Herzogin erschienen.

Die Formalitäten wurden schnell und ohne Schwierigkeiten erledigt, und Luchs stellte zu seiner Zufriedenheit fest, dass er nur wenig zu der ganzen Sache beisteuern musste. Sein Bericht war bereits von der Militäroffizierin Kelleby bestätigt worden, und die Güter in dem Wagen waren jene, die die Herrin Simbly bereits erwartet hatte. Sie ging rasch wieder, weil sie sich ihren eigenen Angelegenheiten widmen musste, und bald waren nur noch Luchs und Meisterin Pallow im Schankraum; das Abendgeschäft würde erst in etwa einer Stunde einsetzen.

»Ihr sucht also nach einer Kampftätigkeit?«, rief sie ihm über den Tresen hinweg zu.

Luchs hob den Blick. Die Frau war bisher nicht besonders freundlich zu ihm gewesen, aber dann war sie doch ein wenig aufgetaut, da er zumindest ein paar zusammenhängende Sätze sprechen konnte. In seinen Jahren des Herumwanderns hatte Luchs so etwas schon oft bemerkt. Die meisten Ortschaften waren so klein, dass Neuigkeiten von draußen begierig aufgesogen wurden, aber viele Bewohner waren auch einfach nur froh, mit einem neuen Menschen sprechen zu können.

Er schüttelte den Kopf. »Nicht wenn ich etwas anderes finden kann.«

»Wir haben hier nicht viele Kaufleute, die einer Eskorte bedürfen«, warnte sie. »Schließlich haben wir den Außenposten der Ritter am Ort.«

»Ich würde auch gern körperliche Arbeit verrichten. Außerdem bin ich in Buchführung geübt.«

»Ihr? Ich bin bisher nicht vielen Söldnern begegnet, die ihren eigenen Namen schreiben konnten.«

»Ich wurde schließlich nicht als Soldat geboren«, erwiderte Luchs. »Mein Vater war ein Ladenbesitzer in einer Stadt, die nicht viel größer als diese hier ist. Ich kann zwar nicht behaupten, dass ich eine solche Arbeit für den Rest meines Lebens machen wollte, aber ich kann mich recht gut an sie erinnern.« Er gab ein Grunzen von sich und betrachtete die lange Lederscheide neben ihm, die sein Gewehr enthielt. »Ich kann nicht behaupten, dass es irgendeine Arbeit gibt, die ich für den Rest meines Lebens gern machen würde, aber ich vermute, eine Arbeit ist besser als keine Arbeit.«

»Aus So Han, ja?«, fragte sie und sah ihn eindringlich an.

Luchs schwieg zunächst. »Ja, vor langer, langer Zeit.«

»Also habt Ihr gedient.«

»Das haben wir alle getan, sobald wir das Alter dazu erreicht hatten. Alle haben denselben Mist über die Ehre unserer Flagge und die Verteidigung unseres Volkes schlucken müssen.«

»Meine Brüder sind im Tälerfeldzug gestorben.«

Luchs senkte beschämt den Kopf. »Dabei sind viele umgekommen. Ich bin froh, dass ich ihn nicht mitmachen musste.«

»Und wo wart Ihr zu der Zeit?«

»Könnten wir vielleicht über etwas anderes sprechen? Das ist für keinen von uns ein angenehmes Thema.«

»Das Grünmeer?«

Unwillkürlich spürte Luchs, wie sich die Erinnerung einer Klaue gleich in seinen Eingeweiden festkrallte. »Eine Zeit lang«, sagte er in halbem Flüstern.

»Also seid Ihr einer von ihnen?«

Die Verdammung in ihrem Tonfall führte dazu, dass er die Fäuste ballte, doch Luchs kannte dieses Gefühl nur zu gut und entspannte seine Finger rasch wieder.

»Ich bin niemals einer von ihnen gewesen«, sagte er mit fester Stimme. »Es hat dort ein paar harte Kämpfe gegeben, zumindest zu Beginn. Ich hatte keinen Anteil an dem, was danach kam.«

»Das lässt sich leicht behaupten.«

Er sah ihr tief in die Augen. »Wenn Ihr die Narben an meinem Rücken sehen wollt, zeigte ich sie Euch gern. Ich muss mich nicht für das schämen, was ich in diesem Krieg getan habe, das kann ich Euch versichern. Aber ich werde auch nicht das verteidigen, was die anderen getan haben. Allerdings wird man in So Han nicht ausgepeitscht, wenn man das Töten allzu sehr mag.«

Das brachte sie zum Schweigen. Dieser Teil des Gespaltenen Reiches hatte nicht die schlimmsten Auswüchse von So Hans Gewalt bei seinen Eroberungszügen erleben müssen. Hier war der Hass nicht derart in die Erde eingebrannt, wie Luchs ihn am Grünmeer oder in den Tälern der Hand erleben würde, sollte er jemals so dumm sein, dorthin zu reisen.

So Han war die westlichste der sogenannten Kriegerrepubliken und lag im Windschutz der Berge, in denen die meisten Flüsse dieses Landes entsprangen. Das Grünmeer lag südlich von So Han; es war ein gedeihliches Mosaik aus Fürstentümern um die Ufer des Binnenmeeres herum, während die Täler der Hand eine lang gestreckte Region im Osten darstellten, durch welche die zahlreichen Bergflüsse strömten, um sich schließlich zu vereinigen. Dort waren die Siege schnell und vollständig errungen worden – die Brutalisierung der Bevölkerung schien eine Strafe dafür zu sein, dass sie nicht genug Widerstand geleistet und deshalb keine wahre Herausforderung bedeutet hatte.

»Ihr habt Eure Arbeit dort recht gut gelernt«, sagte Pallow mit etwas geringerer Abneigung in der Stimme. Luchs bemerkte, dass ihre Wut verebbte. »Ihr lebt noch immer von Schwert und Gewehr.«

»Manchmal ist es gar nicht so leicht, der Vergangenheit zu entkommen«, murmelte Luchs. »Ja, ich bin ein guter Kämpfer gewesen. Ich möchte nicht behaupten, dass ich es genossen habe, aber ich bin noch immer recht geschickt darin. Zuerst war es wirklich ein Krieg. Dort draußen befanden sich Männer, die einen töten wollten, und man kannte das Ziel. Vielleicht war dieses Ziel tatsächlich nur ein Topf voller Mist, doch das habe ich damals nicht gewusst. Ich war nur ein dummer Junge, der vom Ruhm geträumt hat. Seitdem habe ich noch an ein paar weiteren Kämpfen teilgenommen, seit ich nach Osten gekommen bin, aber keinen davon könnte man einen Krieg nennen. Es handelte sich um eine Handvoll Scharmützel wegen irgendwelcher Kleinigkeiten. Es gab keinen richtigen Grund und kein Ziel für einen Kampf.«

Nun hatte sie keine Fragen mehr, und bald saß Luchs allein da und brütete mürrisch über die vergangenen Zeiten nach.

Seit dem Beginn des Krieges müssen schon zehn Jahre vergangen sein, erkannte er verbittert. Und sieh dir die Welt im gegenwärtigen Zustand an. Sie ist noch gebrochener und elender als zuvor. So viel zum Shonrin und seiner großen Vision. Ich hoffe, er genießt sein Leben auf diesem verdammten Berg.

Luchs ächzte, stand auf und reckte und streckte sich ausgiebig. Vielleicht werde ich eines Tages versuchen, ihn zu töten, selbst wenn das heißt, dass ich an jenen Ort zurückkehren muss.

Als er endlich zu dem Ergebnis kam, dass er nun etwas Richtiges zu trinken bräuchte, nahm Luchs sein Gewehr und seine anderen Wertsachen mit zum Tresen. Er wusste, worauf die Menschen achteten, wenn sie einen Wächter oder sonst jemanden mit einer der Fähigkeiten suchten, über die Luchs verfügte. Zusammengesackt in einem Hinterzimmer zu hocken war nicht gerade eine gute Empfehlung, während er am Tresen für alle Ladenbesitzer und Handelsreisenden, die zum Abend herkamen, deutlich zu sehen war.

Sitz aufrecht und wirke groß und mächtig, sagte sich Luchs, nachdem er sich ein stilles Eckchen am Tresen gesucht hatte, wo er niemandem im Weg wäre, aber für jeden Neugierigen gut sichtbar sein würde. Die Leute wollen einen Mann haben, der gefährlich aussieht, ihnen aber keine Schwierigkeiten macht und nicht zu viel trinkt. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich das alles im Augenblick zustande bringe.

Nachdem er von der Wirtin einen strengen Blick erhalten hatte, auf den seine verstorbene Mutter stolz gewesen wäre, hielt er sich an einem zerbeulten Bierhumpen fest, während die abendlichen Gäste allmählich eintrafen. Zuerst kamen die Gesellen und Lehrlinge der Händler, dann ihre Meister und Meisterinnen, sobald diese alles für die Nacht weggesperrt hatten. Städte wie diese hier gediehen an den Reiserouten, und so überraschte es Luchs nicht, als die Tür abermals geöffnet wurde und der hereinwehende Staub weitere Fremde ankündigte.

Als die Gäste eintraten, bemühte er sich, sie nicht anzustarren, denn er wusste, dass sie kein Interesse daran hatten, zusätzliche Wächter anzuheuern, bevor sie nicht ein Zimmer erhalten und ihre schwere Straßenkleidung abgelegt hatten. Langsam füllte sich der Schankraum mit Stimmen und dem Duft nach Eintopf. Luchs ließ das alles über sich hinwegschwappen und zog eines seiner wertvollsten Besitztümer aus der Tasche, die zu seinen Füßen lag: ein in Leder gebundenes Buch aus der Glanzzeit des Gespaltenen Königreiches.

Es war so etwas wie ein Bericht über die Reisen eines Abenteurers durch das Reich – sie begannen dort und führten so weit nach Osten, wie ein Mensch überhaupt reisen konnte. Diese Geschichte war ganz anders als alle, die Luchs bisher hatte lesen können – sie war sowohl eine Meditation über das angeblich so goldene Zeitalter und der Bericht über eine abenteuerliche Reise als auch – indem der Erzähler den fünf Göttern und einigen Wesen aus keiner bekannten Mythologie begegnet war – ein Abstieg in den Wahnsinn und zurück.

Er versenkte sich in die schon oft gelesene Geschichte, und die Zeit verging, ohne dass er sich dessen bewusst wurde. Erst das Eintreffen einer Schüssel mit Eintopf und einer Kante Bauernbrot lenkte ihn ab, worauf er das wertvolle Buch sorgsam wegpackte und sich dem Essen widmete.

Die Geräusche hinter ihm nahmen ein wenig zu, und die beiden Kellnerinnen unter Meisterin Pallows Anleitung bewegten sich etwas schneller, damit sie dem Ansturm gewachsen waren. Jetzt erst erinnerte sich Luchs daran, dass heute ein Festtag war, das Ende der Woche, an dem Gebete oder Vergnügungen standen, je nach der Vorliebe des Einzelnen.

Vermutlich werden Ulfer hier Dankesopfer gebracht, denn schließlich sind die Brüder der Eiche da draußen, dachte Luchs. Er warf einen Blick auf sein Gepäck hinunter, in dem er vorhin das Buch mit all der Sorgfalt verstaut hatte, die sonst den magischen Patronen vorbehalten blieb. Auf dich, Herr der Erde. Unser Mann hier schien dich zu mögen, als er dir begegnet ist, und das reicht mir.

»Hallo, Seemann«, säuselte ihm eine rauchige Stimme ins Ohr. »Sitzt du ganz allein hier?«

Luchs schnaubte und aß weiter seinen Eintopf. »Ich bezahle nicht dafür.«

»Das, wofür ich bezahlt werde«, fuhr die unsichtbare Frau in belustigtem Tonfall fort, »würdest du nicht haben wollen.«

Nun drehte sich Luchs um – und hielt inne. Er hatte schon viele Tavernenhuren gesehen, und die meisten waren nicht einmal annähernd hübsch – zumindest nicht mehr, nachdem sie einige Jahre ihrer anstrengenden Arbeit nachgegangen waren. Doch diese hier schlug sie alle.

Er lächelte sie an. Vermutlich wirkte es unbeholfen, denn er hatte in den letzten Monaten nicht oft gelächelt.

»Ich bin wohl ein wenig voreilig gewesen«, sagte Luchs, als die Frau den Kopf schräg hielt und ihre Haare in Wellen über die eine Schulter fielen. Mit ihrem leichten Lächeln, den zwinkernden rötlichen Augen und der glatten braunen Haut war sie wirklich ein angenehmer Anblick – so angenehm, dass es ein wenig dauerte, bis er ihre Kleidung bemerkte und erkannte, dass sie gar keine Hure war.

»Dafür werde ich nicht bezahlt«, sagte sie und grinste über das deutlich sichtbare Verlangen in seinem Blick. »Aber wenn du mir etwas zu trinken spendierst, könnte dich das in die richtige Richtung bringen.«

Luchs schaute sie von oben bis unten an. Sie trug ein Kurzschwert an ihrem Gürtel und hatte sich ein Stilett an die Manschette ihres linken Arms gebunden, die sie als Bogenschützin auswies. Allerdings trug sie keine Uniform, sondern nur ein ärmelloses Hemd, das ihre nackten Arme zeigte.

»Das hängt davon ab, was du rekrutierst«, sagte er und klang dabei so barsch, dass er sich zusammenriss und nachdachte. »Ich habe so etwas schon einmal gesehen: eine Söldnerin, die Jungen dazu verführt, sich einer Truppe anzuschließen.«

»Tut mir leid, mein Freund, aber du bist seit einigen Jahren kein Junge mehr«, sagte sie und klang dabei nicht im Mindesten beleidigt. »Vielleicht habe ich das ein- oder zweimal so gemacht, aber das ist noch immer nicht das, wofür ich bezahlt werde.« Sie streckte ihm die Hand entgegen. »Ich bin Kas.«

»Kas? Was ist das für ein Name?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Kasorennel, wenn du es unbedingt wissen willst, aber ihr weißen Leute verstümmelt meinen Namen manchmal schrecklich, deshalb kennen mich die meisten Karten nur als Kas. Etwas anderes ist es allerdings beim Boss, wenn er sauer auf mich ist. Dann erinnert er sich an meinen vollständigen Namen und daran, wie man ihn ausspricht.«

»Also einfach nur Kas?«

»Ja. Alle Karten in unserem Spiel haben bloß einen einzigen Namen. Du weißt doch, wie das ist: Es gibt mehr als nur ein paar, die nicht an ihre Vergangenheit erinnert werden wollen.«

Luchs nickte langsam. »Ja, das verstehe ich. Was sind die Karten?«

»Unsere Truppe.« Sie deutete mit dem Kopf hinter sich, woher der größte Lärm des Raumes drang. »Anatins Söldnerspiel, aber jedermann nennt uns natürlich nur die Karten.«

Luchs nickte. Es gab etliche Varianten des Kartenspiels, sicherlich mehr als er kannte, doch wenn man genug Zeit bei den Soldaten verbrachte, bekam man einige davon mit. Das Söldnerspiel war nur eine Abwandlung des Soldatenspiels, das überall in der Armee des Gespalteten Königreiches zu finden war. Seiner Erfahrung nach war der Anblick eines Kartenspiels ein gutes Anzeichen dafür, dass man bald um alles gebracht wurde, was man besaß.

»Das klingt ja so, als spieltet ihr euch gern um Kopf und Kragen«, grunzte Luchs, während er zu seinem Bier zurückkehrte.

»He, du hast dich noch nicht vorgestellt«, sagte Kas und zupfte ihn am Ärmel. Dabei zeigte sie nicht, ob sie seinen Versuch eines Witzes bemerkt hatte. »Du hast mir nicht einmal etwas zu trinken spendiert.«

»Ich bin nicht daran interessiert, den Karten beizutreten«, wiederholte Luchs. »Ich lade dich gern zu einem Getränk ein, weil du so nett gefragt hast, aber in eure Truppe werde ich nicht kommen.«

Kas glitt auf den Schemel neben ihm, wobei ihr Bein kurz an dem seinen entlangstreifte und er sich ihrer Wärme und ihres Duftes deutlich bewusst wurde. Er konzentrierte sich auf sein Bier. Sie mochte freundlich und schön sein, aber seine Erfahrung mit Söldnertruppen warnte ihn – auch wenn es lange her war, seit er mit einer Frau zusammen gewesen war.

»Ich habe gehört, dass du im Augenblick nicht sonderlich beliebt in dieser Stadt bist«, sagte sie sanft. »Und dass du Arbeit suchst. Nun, wir würden dich einstellen. Oder hast du schon ein anderes Angebot?«

Luchs nahm einen tiefen Schluck. Sie hatte eine angenehme und liebenswürdige Art, die ihm kaum zu einer Söldnerin zu passen schien. Das machte es nicht gerade leichter, sie zu übersehen. Das Leben auf der Straße war ein einsames, und Luchs wusste nur zu gut, dass die meisten, die ihren Weg allein gingen, Bastarde waren, entweder verrückt oder auf die eine oder andere Weise gebrochen.

Er war innig vertraut mit dem Gefühl, gebrochen zu sein, aber er war doch noch nicht so sehr gebrochen, dass es ihn nach der Einsamkeit der offenen Straße verlangte. Kas verschaffte ihm ein Gefühl sofortiger Vertrautheit und Freundschaft, wo aber in Wirklichkeit keine war, und das machte ihn sowohl wachsam als auch ein wenig schwindlig.

Die Söldnerin klopfte mit den Fingerknöcheln auf den Tresen. Ihre schwieligen Finger, die ein halbes Dutzend Narben trugen, verrieten, dass sie entweder eine unvorsichtige Köchin war oder schon seit Langem dem Kampfspiel frönte. »Noch ein Bier, bitte.«

Ein Krug wurde vor Kas abgestellt, und Luchs starrte ihn eine Weile an, bevor er seufzte und nach seiner Geldbörse griff. Kas hob den Humpen und schlug ihn gegen den seinen.

»Prost, auch wenn du mir noch immer nicht deinen Namen verraten hast.«

Unwillkürlich musste Luchs grinsen. »Prost«, erwiderte er und nahm noch einen tiefen Zug. »Ich heiße Luchs. Nur Luchs.«

Kas sah ihn einen Augenblick lang an. »Und du bist der Meinung, ›Kas‹ klingt komisch? Ihr verdammten Westleute.«

Luchs nickte. »Darauf trinke ich.«

3

Der Abend schritt voran, und trotz allem stellte Luchs fest, dass er sich allmählich entspannte und Kas’ Gesellschaft genoss. Sie sprachen über die Fürstentümer, durch die sie gereist waren, und über die Kriege, in denen sie gekämpft hatten. Kas war nicht alt genug für das Grünmeer oder einen anderen Feldzug So Hans, wie er erfreut war zu erfahren. Sie war in einem Fischereihafen im Süden aufgewachsen, weit entfernt von dem Chaos im Norden, so lange, bis ein Narr namens Sener Robern dort unten seinen seltsamen Kreuzzug begonnen hatte. Es hatte allerdings noch ein paar Jahre gedauert, bis auch Kas in ihn hineingezogen worden war – als ein Trupp in den Hafenort eingedrungen war, während sich die Fischereiflotte auf See befunden hatte.

Ihr Vetter war einer derjenigen gewesen, die dabei entführt worden waren, aber die Bewohner hatten das Glück gehabt, Anatins Söldnern zu begegnen, die sie mit allem, was sie besaßen, anheuerten, und zusammen mit ihnen griffen sie das Lager der Plünderer an. Die Zahl der Bewohner gab schließlich den Ausschlag. Kas machte ihr Messer an jenem grauen Morgen zweimal blutig und schrieb sich am Nachmittag bei den Söldnern ein. Der Rest war Geschichte.

Wie sich herausstellte, hatten sie und Luchs sich nicht lange danach in einem Kampf gegenübergestanden. Es war ein Streit um Einfuhrsteuern gewesen, in den sich einer der größten Ritterorden – die Bewahrer des Lichts – eingemischt hatte. Die Kaufmannsgilde war gezwungen gewesen, jeden Söldner anzuheuern, den sie bekommen konnte, aber Hauptmann Anatin hatte richtig vermutet, dass die Bewahrer des Lichts auf der Seite der Sieger stehen würden, und so hatte er sich ihnen angeschlossen.

»Das war ein schlimmer Kampf auf jenem Berg«, sagte Kas grimmig. »Ich war nicht gerade erpicht darauf, vom Orden den Befehl zu bekommen, die Mauer zu erstürmen.«

»Du warst nicht erpicht darauf?«, rief Luchs aus. »Ihr seid dreitausend gewesen! Ich hatte einen verdammt guten Blick von dieser Mauer aus, und wir waren sicher, dass wir keine Stunde durchhalten würden.«

Kas hob eine Braue. »Wirklich? Na, dann bin ich froh, dass ich dich damals nicht töten musste.«

»Von uns waren nur noch hundert übrig, als sich dieser eigennützige Mistkerl ergeben hat.«

Sie lachte. »Beim rastlosen Banesh, das hatte ich vergessen! Wir haben uns doch alle in die Hose gemacht, weil jemand behauptet hat, dass ihr über tausend Mann in Reserve habt und Elementargeister in euren Mauern stecken. Wir dachten, wir könnten es niemals schaffen, aber dann stellte sich heraus, dass eure Reserve schon vor einer Woche abgehauen war!«

Sie trank ihren Humpen leer und bestellte einen neuen. »Ich glaube, jetzt ist die richtige Zeit für ein Spielchen. Komm, spiel Taschot mit uns.«

»Ich spiele keine Karten, wenn ich von vornherein unterlegen bin.«

»Ach, Blödsinn«, sagte sie und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Es ist viel zu früh für ein Spiel mit hohem Einsatz. Wir spielen in den nächsten Stunden bloß um ein paar Kupfer. Wenn man die Ortsansässigen ausnimmt, bevor die anständigen Leute zu Bett gegangen sind, ist man nicht so willkommen in der Stadt. Vertrau mir, das haben wir gelernt. Es ist nur ein kindlicher Spaß, bis die respektablen Leute gegangen sind und wir nur noch die Jungs am Tisch haben, die wir auch haben wollen.«

»Und dann stürzt ihr sie in Schulden und bringt sie so dazu, sich euch anzuschließen?«

Sie warf ihm einen düsteren Blick zu. »Dann suchen wir anständige Leute, die sie zu ihren Betten bringen. Wir sind doch keine Kartenhaie. Wir sind Söldner. Wir trinken viel und spielen auch viel. Aber wir spielen nicht um Versprechen, sondern um Münzen, klar? Wenn wir jetzt anfangen, Schuldscheine einzusammeln, werden sich die Leute im Rathaus beschweren, und ihnen stehen die Ritter der Eiche als Beistand zur Seite. So viel Ärger können wir nicht gebrauchen, bloß um ein paar Ladenjungs zu rekrutieren. Das Geld, das sie mit an den Tisch bringen, werden sie vermutlich verlieren, aber das ist ihnen dann eine Lehre.« Sie zwinkerte ihm zu. »Außerdem macht es keinen großen Spaß, kleine Jungs zu betrügen, es sei denn, einer von ihnen ist allzu anmaßend. Ansonsten verlangt der Boss ein ausnahmslos gerechtes Spiel.«